Die gerichtliche Überprüfung der Entscheidungen der Verwaltung betreffend Marken, Muster und Modelle

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Transkript:

Die gerichtliche Überprüfung der Entscheidungen der Verwaltung betreffend Marken, Muster und Modelle Martin Buchetmann Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße es sehr, dass ich Ihnen etwas über die gerichtliche Überprüfung der Entscheidungen der Verwaltung in Deutschland erzählen darf. Ich sehe dabei den Schwerpunkt in den formellen Fragen, also den Fragen nach dem wie der deutsche Marken-Richter zu seiner Entscheidung gelangt. I Wir haben ja inzwischen zwar ein harmonisiertes materielles Markenrecht, aber im formellen Recht bestehen noch sehr wesentliche Unterschiede. Das Prozessrecht ist aber ein wichtiger Teil des Handwerkszeugs des Richters. Auch der beste Handwerker wird mit Hammer und Beißzange nicht die gleichen Ergebnisse erzielen wie einer mit anderem Werkzeug. Natürlich soll gerade das Markenrecht, bei dem stets auch die Belange der Allgemeinheit eine wesentliche Rolle spielen, nicht in Detailvorschriften ersticken, aber es besteht auch die Gefahr, dass durch unklare oder gar fehlende prozessrechtliche Regeln offen ist, nach welchen Grundsätzen der Richter zu entscheiden hat. Eine Verfahrensregel wie zb Art. 79 GMV (Im übrigen gelten die allgemein anerkannten Grundsätze des Verfahrensrechts ) klingt zwar einfach scheint mir aber in der Praxis doch das Tor zu großer Rechtsanwendungsunsicherheit zu öffnen. Deutschland übertreibt andererseits wohl, denn wir haben allein im Markengesetz zahlreiche das formelle Recht betreffende Vorschriften und ergänzend ist die Zivilprozessordnung mit ihren 1065 anwendbar. Aber keine Angst, mein Überblick über den Gang des Verfahrens wird Ihre Aufmerksamkeit nicht lange in Anspruch nehmen. Entscheidungen des Patent- und Markenamts (DPMA) unterliegen wie alle Vewaltungsentscheidungen einer gerichtlichen Kontrollmöglichkeit, das gebietet die Rechtsweggarantie der deutschen Verfassung (Art 19 Abs. 4 Grundgesetz). Hierzu ist das Bundespatentgericht berufen. Es ist zuständig für alle

Beschwerden, die sich gegen abschließende Entscheidungen des Patentamts richten, durch die Rechte von Verfahrensbeteiligten betroffen sein können. Zum Teil ist vor Anrufung des Gerichts noch zunächst ein Rechtsbehelfsverfahren die Erinnerung beim Patentamt durchzuführen. Diese Rechtsweggarantie gebietet auch, dass man vor den Gerichten eine umfassende Nachprüfung fordern darf, also auch umfassend vortragen darf. Insoweit sehe ich eine erste wichtige Abweichung zur Praxis des HABM. Während dort schon in der Beschwerdeinstanz, die ja noch gar keine gerichtliche Instanz ist, neues Vorbringen als verspätet zurückgewiesen werden kann, und jedenfalls im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässig ist (vgl zb EuG GRUR Int 2005, 322 - Formmarke Bonbon (Werther s echte) ist es beim BPatG zulässig, auch erst im Beschwerdeverfahren neue, wichtige und möglicherweise für das Verfahren entscheidende Gesichtspunkte, sei es tatsächlicher sei es rechtlicher Art erstmals vorzutragen, wie zb die Nichtbenutzungseinrede. Allerdings nicht unbeschränkt während des weiteren Verfahrens. Das Gericht kann und muß neues Vorbringen als verspätet zurückweisen, wenn seine Berücksichtigung zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits führen würde. Die Vorraussetzungen unter denen eine solche Zurückweisung möglich ist, sind im einzelnen gesetzlich normiert und durch die Rechtsprechung inzwischen ziemlich klar festgeschrieben. Das Patentgericht arbeitet in Markensachen nach dem sog. Amtsermittlungsprinzip, dh es ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen und vollumfänglich im Rahmen der gestellten Anträge, ist also frei bei der Ermittlung und Erforschung aller für die Entscheidung relevanten Tatsachen. Das versteht sich für die Prüfung auf absolute Schutzfähigkeit von selbst, weil hier der Anmelder es sonst in der Hand hätte, durch ein einseitiges Vorbringen, die Eintragbarkeit der Marke zu rechtfertigen. Im Gegensatz zur Praxis in Alicante wird hier auch durch das Gericht in sehr großen Umfang recherchiert, also nicht nur das vom Amt vorgelegte Material auf seine Stichhaltigkeit überprüft. Die Ermittlungen erfolgen in freier Beweiserhebung, dh nicht 2

beschränkt auf die nach der ZPO im Zivilprozeß zulässigen Beweismittel (Zeugen, Sachverständige, Urkunden und Parteivernehmung), sondern erlauben alle Beweismöglichkeiten. Wir können zb durch Internetrecherchen ziemlich einfach an viel Material gelangen, dessen sachgerechte Auswertung aber dann großen Aufwand bedeutet. Daneben sind Anfragen bei Verbänden etc Standard. Mitunter wäre es auch gut, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Das wäre zumal dann begrüßenswert, wenn die Mitglieder des Gerichts nicht zu den beteiligten Verkehrskreisen zählen, sondern nach der Art der beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur ganz spezielle, enge Fachkreise angesprochen sind. Hier sind wir gegenüber den ordentlichen Gerichten im Nachteil. Denn das Problem sind die Kosten. Der Anmelder kann sich auf den Standpunkt stellen: Die Beweislast dafür, dass das Zeichen schutzunfähig ist, liegt beim Staat, also brauche ich nur abzuwarten und muß meinerseits nichts tun. Auch in der Beweiswürdigung ist der Richter frei, dh es gibt keine festen Regeln dahin, wann ein Beweis erbracht oder nicht erbracht ist. Es gibt auch keine Regeln zur Nachweispflicht (vgl dazu EuGH GRUR 2004, 1027 Das Prinzip der Bequemlichkeit). Ob eine Marke sich im Verkehr durchgesetzt hat muß allerdings der Anmelder beweisen. Hier wäre eigentlich der notwendige Beweis durch eine detaillierte und sachgerecht durchgeführte Verkehrsbefragung durch ein anerkanntes Institut zu erbringen. Von der Partei in Auftrag gegebene Gutachten sind hierbei aber unerwünscht. Für vom Amt bzw Gericht in Auftrag gegebene Gutachten fehlt die rechtliche Möglichkeit, vom Anmelder einen Kostenvorschuß einzufordern. Die dafür anfallenden Kosten sind jedoch recht hoch, so dass sich das Amt und Gericht bislang anders behelfen. Die beteiligten Verbände befragen ihre Mitglieder, die Industrie- und Handelskammern ermitteln etc. Sehr sichere Grundlagen sind das wohl nicht. 3

Im Widerspruchsverfahren (es ist bei uns nachgeschaltet, dh die Marke gegen die sich der Widerspruch richtet, ist schon eingetragen, während beim Harmonisierungsamt der Widerspruch schon gegen erst veröffentlichte Anmeldungen stattfindet) ermittelt das Gericht ebenfalls von Amts wegen die Kernfragen der Verwechslungsgefahr, nämlich die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und die Ähnlichkeit der Marken (anders Art 74 Abs. 1 S. 2 GMV)). Zur Kennzeichnungskraft wird dabei ähnlich wie in absoluten Verfahren recherchiert ob das Zeichen ganz oder teilweise aus beschreibenden Teilen besteht und welche Drittzeichen existieren, die uu das Publikum dazu zwingen, auf bestimmte Markenteile mehr zu achten, wenn nämlich der Rest sich in zahlreichen Marken findet und demnach weniger prägend ist. Für die für den Schutzumfang zusätzlich relevanten Tatsachen ist dagegen der Widersprechende selbst verantwortlich. Der Schutzumfang folgt ja nicht allein aus der Kennzeichnungskraft, sondern für ihn ist auch die Benutzungslage von Bedeutung. Er muß dazu glaubhaft machen, dass das Zeichen überdurchschnittlich bekannt ist. Geeignete Mittel sind dazu in erster Linie Umfrageergebnisse, während bloße Umsatzzahlen und Werbeaufwendungen bestenfalls ein Indiz für eine Verkehrsbekanntheit darstellen, sie aber nicht belegen können. Wir haben für die insoweit in Betracht kommenden graduellen Unterschiede die Schlagworte minimal, durchschnittlich, stärker, stark, weit überdurchschnittlich benutzte Marke und dann: bekannte, notorisch bekannte, berühmte Marke. Wir kennen dagegen keine Amtsermittlung auf entgegenstehende ältere Rechte (anders Art. 39 GMV). Die Warenähnlichkeit lässt sich sehr oft an Hand der langen und gesichert erscheinenden Spruchpraxis überprüfen und feststellen. Hier gibt die Entscheidungssammlung Richter/Stoppel, die ja auch die Entscheidungen aus Alicante und Luxemburg aufnimmt, wichtige Anhaltspunkte. Die Verkehrskreise konnten ihre Belange in der Regel auch danach ausrichten, sodass ein gewisser Vertrauensschutz besteht, von einer gefestigter Spruchpraxis nicht 4

ohne sichere, dh gefestigt erscheinenden anderen tatsächlichen Grundlagen abzuweichen. Wiederholt sind aber auch eigene Ermittlungen erforderlich: Überschneidungen bei den Herstellern, Anbietern, Lizenzgewohnheiten etc. Die Beurteilung der Markenähnlichkeit schließlich darf kein bloßer Buchstabenvergleich sein, sondern muß den Gesamteindruck und die vielfältigen einzelnen Aspekte berücksichtigen. Das deutsche Recht ist schließlich geprägt von der strengen Aufteilung der Zuständigkeit: Nach abgeschlossener Prüfung auf absolute Schutzhindernisse ist bei der Prüfung auf relative Schutzhindernisse bei Marken kein Raum mehr, im Widerspruchs- oder Verletzungsverfahren die Schutzfähigkeit der Widerspruchsmarke als solche in Frage zu stellen. Gegebenenfalls muß der Inhaber der angegriffenen Marke ein eigenes Löschungsverfahren anstrengen, das jedoch zeitlich befristet ist. Das Löschungsverfahren kann bei uns im Widerspruchsverfahren wie auch im Verletzungsprozeß also nicht als Widerklage eingereicht werden (anders Art 51 Abs. 1 b GMV), sondern geht seinen eigenen Weg. In den Verfahren über entgegenstehende ältere Rechte kann der Richter allenfalls sein Verfahren aussetzen, was aber sehr selten geschieht. Zudem gehen die Verletzungsverfahren in Sachen Marken, Muster und Modelle zu den ordentlichen Gerichten, die an die Entscheidung des BPatG nicht gebunden sind und sie auch nicht kennen müssen, es gibt bei uns auch keinen disclaimer im Markenregister. Es wäre sicher begrüßenswert, wenn im Zuge des auf Dauer anzustrebenden gleichen Verfahrensrechts bereits in absehbarer Zeit in das Register zumindest auf Anordnung des Gerichts so wie nach Art. 38 GMV mit aufgenommen würde, worauf sich der Schutz der Marke bezieht, bzw was nicht vom Schutz umfasst wird. Selbst beim BPatG erleben wir immer wieder Fälle, in denen im Eintragungsverfahren zb dargelegt wurde, Schutz werde für das Zeichen nur wegen seiner besonderen bildlichen Gestaltung beansprucht. Im Widerspruchsverfahren hält sich die 5

Widersprechende oft nicht mehr an seinen Vortrag im Eintragungsverfahren gebunden, sondern beruft sich auf den Schutz der Marke als solcher und begründet zb dass der Bildteil gegenüber dem Wortteil zurücktrete. Darüber in wie viel Fällen etwa Verwarnungen aus Marken Erfolg hatten, obwohl der kollisionsbegründende Markenteil schutzunfähig war, gibt es nur Vermutungen. Bei der Eintragung von Marken haben Behörden und Gericht also eine sehr große Verantwortung dafür, dass das mit der Eintragung weitgehend unwiderruflich gewährte Monopolrecht nicht zu unangemessenen Beschränkungen der Mitbewerber führt. Weitere prozessuale Besonderheiten im Verfahren beim Bundespatentgericht: Zulässigkeit von Hilfsanträgen: Anders als das Amt/EuG (Entscheidungen ELLOS und Formmarke Bonbon (GRUR Int 2005,322 - Werther s echte) sind bei uns hilfsweise Einschränkungen der Warenverzeichnisse zulässig. Wir sehen das Verbot, prozessuale Anträge nicht unter Bedingungen abzugeben, dann nicht gegeben, wenn die Bedingung nicht ein außenstehendes Ereignis betrifft, sondern einen internen Gerichtsvorgang (Potestativbedingung) Das Beschwerdeverfahren ist ein vergleichsweise sehr, sehr kostengünstiges Verfahren: Die Beschwerdegebühr beträgt nur 200 (in Alicante 800 ), es besteht kein Anwaltszwang und auch keine Begründungspflicht (anders Art. 59 Abs. 2 GMV). Das Kostenrisiko ist minimal. Die Kosten des Gegners sind nämlich nur in Ausnahmefällen erstattungspflichtig, nämlich nur dann, wenn das Gericht eine krasse Verletzung der prozessualen Sorgfaltpflicht sieht und deshalb Kosten auferlegt. Der für die Gebühren maßgebende Gegenstandswert wird beim Patentgericht auch als relativ niedrig angesehen (etwa 10000 bis 15000 ). 6

Zahlen: BPatG hat jährlich bis zu 3000 Beschwerden in Markensachen, sie sind derzeit verteilt auf 9 Senate. Die Beschwerden sind auf die Senate danach aufgeteilt, welche Markenstelle entschieden hat. Deren Zuständigkeiten sind nach Warenklassen aufgeteilt, so dass also auch jeder Senat vorzugsweise zumeist bestimmte Warengebiete zu beurteilen hat. Der Senat entscheidet in der Besetzung mit 3 Richtern. Das ist im Vergleich zur ordentlichen Justiz ein recht qualifiziert erscheinender Rechtsschutz. Denn inzwischen entscheidet in Deutschland nicht nur bei den Amtsgerichten, sondern auch bei den Land- und inzwischen auch mehr und mehr bei den Oberlandesgerichten in sehr vielen Fällen nur noch der Einzelrichter. Nur beim Bundesgerichtshof ist die Besetzung noch unverändert geblieben. Geschmacksmusterbeschwerden spielen beim BPatG weniger eine Rolle, da für ein Geschmacksmuster die Stunde der Wahrheit erst im Verletzungsprozeß kommt, wofür aber die ordentliche Gerichte zuständig sind. Gegen die Entscheidung des BPatG ist Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) statthaft, wenn sie vom BPatG zugelassen wird oder ein gesetzlicher Zulassungsgrund gegeben ist. Beim BGH entscheidet ein Senat in der Besetzung mit 5 Richtern. Prüfungsmaßstab ist nur Rechtsverletzung, also kein Vortrag neuer Tatsachen. EuGH: Jedes Gericht kann nach Art 234 EG-Vertrag einzelne entscheidungserhebliche Rechtsfragen zur Vorabentscheidung dem EuGH vorlegen. Die Endentscheidung selbst verbleibt beim vorlegenden Gericht. Die Möglichkeit zur Vorlage hat jede Instanz, die Verpflichtung gegebenenfalls nur die national letzte. Nach unserem Bundesverfassungsgericht (2 BvR 318/03 Verletzung der Vorlagepflicht II (MarkenR 2005, 137)) kommt eine Verletzung der Vorlagepflicht nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht. 7