Reform des Altersübergangs Der demographische Wandel kann nur durch eine höhere Erwerbsbeteiligung abgefedert werden

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Transkript:

Dipl.-Soz.-Wiss. Andreas Jansen Reform des Altersübergangs Der demographische Wandel kann nur durch eine höhere Erwerbsbeteiligung abgefedert werden Vortrag zum Stadtkongress Die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme in Solingen am 19.08.2006

Mögliche Stellschrauben zur Bewältigung des demographischen Wandels 1. Verlängerung der Lebensarbeits- und damit der Beitragszeiten sowie die damit verbundene Kürzung der Rentenlaufzeit. 2. Senkung des Rentenniveaus. 3. Chancen des demographischen Wandels

Vorbemerkungen I: Die Kombination aus sinkender Geburtenrate und steigender Lebenserwartung erhöht den Altenquotienten 60 54,3 % 54,5 % 50 40 30 20 10 29,6% 16,1 % 1953 1971 2003 2020 2050 u. 20 20 bis 65 65 und älter Altenquotient Quelle: Sachverständigenkommission 2005, eigene Darstellung

Vorbemerkungen II: Sterblichkeit/Rentenbezugsdauer Kenngrößen zur Sterblichkeit von Versichertenrentenbeziehern/Rentenbezugsdauer 25 Durchschnittliche Rentenbezugsdauer von Rentenwegfällen im Jahr x Fernere Lebenserwartung 65-Jähriger Tafelberechnungen 20 in Jahren 15 10 5 1960 1980 2005 Tafel 1982/84 Tafel 2002/04 Schätzung 2030 Frauen West 10,6 13,8 19,3 17,4 20,0 22,6 Männer West 9,6 11,0 15,2 13,5 16,1 18,4 Quelle: Reimann 2006, Statistisches Bundesamt 2006

Der demographische Wandel ist nicht Alleinverantwortlich! Ein steigender Altenquotient ist nicht der einzige Grund für die Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Rentenversicherung: Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Erwerbstätigenquote, sowohl der Gesamtbevölkerung als auch der älteren Erwerbstätigen ab 50. Darüber hinaus ist die Einkommensentwicklung eine wichtige Determinante. Steigende Löhne würden zu steigenden Beitragseinnahmen führen, ohne die Rentenausgaben signifikant zu steigern.

Zur Bewältigung der Herausforderungen des demographischen Wandels durch die gesetzliche Rentenversicherung stehen prinzipiell drei Stellgrößen zur Verfügung: 1. Verlängerung der Lebensarbeits- und damit der Beitragszeit sowie die damit verbundene Kürzung der Rentenlaufzeit. 2. Senkung des Rentenniveaus 3. Erhöhung der Beitragssätze oder der Zuflüsse aus Steuern

Die Reform I: Anhebung der Altergrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung Anhebung der Altersgrenzen für den abschlagsfreien Bezug einer vorgezogenen Altersrente im Rahmen der Rentenreform 1992. Einführung von versicherungsmathematischen Abschlägen zur Finanzierung des Vorruhestandes von 0,3 % für jeden Monat des vorzeitigen Rentenbezuges. Max. 18 %. (Sanktion) Einführung eines versicherungsmathematischen Zuschlages von 0,5 % für jeden Monat des hinausgeschobenen Renteneintritts. Max. 12 %. (Anreiz) Anhebung der Altersgrenze für die frühestmögliche Inanspruchnahme der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit vom vollendeten 60. auf das vollendete 63. Lebensjahr. Auslaufen der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit sowie der Altersrente für Frauen Ende 2011. Anhebung der Regelaltersgrenze vom vollendeten 65. auf das vollendete 67. Lebensjahr im Zeitraum von 2012 bis einschl. 2029.

Vor allem die Einführung versicherungsmathematischer Abschläge zeigt die intendierte Wirkung, führte aber auch zu Ausweichreaktionen bei den Versicherten Rentenzugänge in ausgewählte Altersrentenarten (Rentenzugang mit 60 Jahren) 300000 250000 200000 Altersrente für Frauen 150000 100000 Altersrente wegen AL od. nach Altersteilzeit 50000 0 Altersrente für Schwerbehinderte 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Quelle: IAT Alterübergangsreport 2005

Bei allen vorzeitigen Altersrenten sind zudem Verschiebungen des Renteneintritts auf ein höheres Lebensalter erkennbar. 250000 Beispiel Altersrente für Frauen 200000 Renteneintrittsalter 60 150000 100000 50000 0 Renteneintrittsalter 61 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Renteneintrittsalter 62 Quelle: IAT Alterübergangsreport 2005

Abschläge im Rentenzugang 2005 Der hohe Anteil der Versichertenrenten mit Abschlägen in Ostdeutschland deutet auf massive Probleme am Arbeitsmarkt hin. Versichertenrenten mit Abschlägen Ø Rentenzahlbetrag in 747 896 577 786 641 Ø Höhe der Rentenminderung wegen Abschläge in 95 103 79 95 94 Nichtbetroffene oder Aufschieber 158 653 225 618 Es wird ein durchschnittlicher dauerhafter Rentenabschlag von 11,25 % akzeptiert Quelle: Reimann 2006

Durchschnittliches Alter beim Rentenzugang nach Kohorten Altersrenten, alte Bundesländer 65 64 63 Frauen 62,5 62 Männer 62,5 61 60 1938 1936 1934 1932 1930 1928 1926 1924 1922 1920 1918 1916 1914 1912 1910 1908 1906 1904 Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund (Hrsg.): Rentenversicherung in Zeitreihen, Frankfurt 2005; eigene Darstellung

Wollen die Deutschen länger arbeiten? Geplantes Ausstiegsalter von Erwerbstätigen bis 40. 100% 90% 18,3 % 80% 31,6 % 70% 18,7 % Weiss noch nicht 60% 50% 40% 30% 20% 10% 12,7 % 50,3 % 19,9 % 13,6 % 35,0 % mit 65 Jahren oder später mit 61 bis 64 Jahren mit 60 od. früher 0% 1996 2002 Quelle: Alterssurvey 1996 und 2002

Zwischenfazit Generell: Die Anhebung der abschlagsfreien Altersgrenzen entfalten ihre intendierte Wirkung. Die harte Vorruhestandsorientierung scheint zudem gebrochen zu sein. Aufgrund der zeitlich versetzten Anhebung der abschlagsfreien Altersgrenzen lassen sich (leichte) Ausweichreaktionen auf andere vorzeitig beziehbare Altersrentenarten erkennen. Am Beispiel der Altersrente für Frauen wird deutlich, dass die Versicherten den Renteneintritt um ein, maximal aber zwei Jahre nach hinten verschieben. Trotz allem lässt sich empirisch zeigen, dass weiterhin eine große Anzahl Versicherter trotz massiver versicherungsmathematischer Abschläge von bis zu 18 % mit 60 Jahren in Rente geht. Als Folge besteht immer noch eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen und dem regulären Renteneintrittsalter.

Das Problem: Erwerbsaustritt ist nicht gleich Renteneintritt Es stellt sich die Frage, ob die Heraufsetzung der abschlagsfreien Altergrenzen sowie die Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 tatsächlich zu einer Verlängerung der Erwerbsphase und somit zu höheren Beitragseinnahmen führt. Das durchschnittliche Rentenzugangsalter ist in den letzten Jahren, vor allem als unmittelbare Folge der Rentenabschläge gestiegen, liegt aber dennoch mit 62,5 Jahren 2,5 Jahre unter der Regelaltersgrenze. Somit ist zu befürchten, dass die Anhebung der gesetzlichen Altersrenten sowie die Anhebung der Regelaltersrente auf 67 Jahre nur die Lücke zwischen Erwerbsaus- und Renteneintritt vergrößert.

Rentenzugang 2005: Weniger als ein Fünftel kommt aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung 100% 90% 80% 70% 60% 41,3 % 10,3 % 9,3 % 4,0 % 12,4 % Not economically active Other Self Employed 50% 40% 9,7 % 4,6 % 10,0 % 46,6 % Partial Retirement Unemployment 30% 20% 10% 16,9 % 17,5 % 17,3 % Employment Source: Deutsche Rentenversicherung Bund 2006 0% West Germany East Germany In den neuen Bundesländern waren 59 % der Neurentner zuvor arbeitslos bzw. im Stadium der Altersteilzeit, in den alten 26,9 %. Diese Daten demonstrieren, dass Arbeitslosigkeit das zentrale Problem bei den älteren Arbeitnehmern ist,

Registrierte und verdeckte Arbeitslosigkeit ist das zentrale Problem älterer Erwerbstätiger. Anteil älterer Arbeitsloser 50 + an allen Arbeitslosen in % 30 27,0 25 25,0 24,6 24,9 20 15 10 14,9 12,2 11,0 11,9 50 and older 55 and older Source: www. sozialpolitik-aktuell.de 5 0 2002 2003 2004 2005 Im Jahr 2005 war rund ein Viertel aller Arbeitslosen (24,9 %) 50 Jahre und älter. Arbeitslosigkeit im höheren Erwerbstätigenalter ist zudem gleichbedeutend mit Langzeitarbeitslosigkeit.

Nutzung der sog. 58er Regelung im SGB III 1800000 1600000 1400000 1200000 1000000 800000 SGB III (58er) 58 bis u. 65 50 bis. u. 58 600000 400000 200000 0 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 Seit 2002, insbesondere in 2003 ist die Zahl der Leistungsbezieher nach 428 SGB III deutlich gestiegen. 2003 nutzten 68,4 % der älteren Arbeitslosen diesen Notausstieg aus dem Erwerbsleben. Quelle: IAT Alterübergangsreport 2005

Geringe Erwerbsbeteiligung Älterer als Spiegelbild der hohen Arbeitslosigkeit 90 80 70 73,6 66,2 84,4 69,4 86,8 71,8 86,0 74,4 84,2 73,7 79,8 67,9 69,4 60 60,8 57,6 52,7 50 Men 40 32,8 Women 30 28,8 24,2 20 17,6 10 0 15-20 20-25 25-30 30-35 35-40 40-45 45-50 50-55 55-60 60-65 Quelle: www.sozialpolitik-aktuell.de

Schlussfolgerungen Teil I Die Anhebung der Altersgrenzen erfolgte losgelöst von ihrer tatsächlichen Erreichbarkeit im Arbeitsleben. Die Sanktionierung der Frührente erhöht allein nicht die Erwerbstätigenquote Älterer. Vielmehr bedarf es einer Reihe weiterer Maßnahmen um den demographischen Wandel zu bewältigen. Maßnahmen im Bereich der Arbeitsförderung sind rar und werden darüber hinaus selten genutzt. Hinsichtlich einer Erhöhung der Erwerbstätigenquote besteht vor allem bei Frauen noch erheblich Luft nach oben.

Mögliche Stellschrauben zur Bewältigung des demographischen Wandels 1. Verlängerung der Lebensarbeits- und damit der Beitragszeiten sowie die damit verbundene Kürzung der Rentenlaufzeit. 2. Senkung des Rentenniveaus. 3. Chancen des demographischen Wandels

Die Reform II: Der Ausstieg aus der gesetzlichen Rentenversicherung? Ziel der Reformmaßnahmen seit 2001: Stabilisierung des Beitragssatzes durch Absenkung des Rentenniveaus. Zu diesem Zweck ist die Rentenanpassungsformel seit der Rentenreform 1992 unzählige Male modifiziert worden. 1. Berücksichtigung des vollen Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung. 2. Die Einbeziehung von fiktiven Beiträgen zur Privatvorsorge in die Formel Berechnungsformel der gesetzlichen Rentenanpassungen (Riester-Faktor). 3. Modifikation der Rentenanpassungsformel durch den Nachhaltigkeitsfaktor. 4. Durch einen in die Rentenformel noch zusätzlich einzubauenden Nachholfaktor wird dann die Rentenanpassung über mehrere Jahre zusätzlich gebremst. 5. Die schrittweise Besteuerung der Renten Um beim aktuellen Rentenniveau mit der Netto-Rente das Grundsicherungsniveau zu erreichen, das im Jahr bei einem Einpersonenhaushalt bei 643 Euro lag, sind bei einem Durchschnittsverdienst (je Jahr ein Entgeltpunkt) 27,2 Versicherungsjahre erforderlich und bei einer Entgeltposition von 75 % schon 36,3 Jahre.

Prognostizierte Entwicklung des Nettorentenniveaus vor Steuern Die ursprüngliche Zielsetzung Lebensstandardsicherung kann nur noch begrenzt erfüllt werden! 53 52 51 50 49 48 47 46 45 44 43 42 52,7 49,1 46,6 43,5 2005 2010 2020 2030 Prognostiziertes Rentenniveau 46 % Mindestsicherungsziel 2020 43 % Mindestsicherungsziel 2030 Quelle: Reimann 2006

Durchschnittliche Rentenzahlbeträge von Männern und Frauen (Alte und neue Bundesländer 2003) Unter Berücksichtigung der zukünftig Wirkung der genannten Faktoren sowie der Einführung der nachgelagerten Besteuerung wird es zunehmend fraglich, ob insbesondere Frauen in der Lage sein werden, eine eigene gesetzliche Altersrente in ausreichender Höhe aufzubauen. 1200 1104 1073 1000 800 600 493 673 Men Women 400 200 0 West Source: Infratest Ost Sozialforschung 2005

Option I: Der derzeitige Weg: Schrittweise Substitution der gesetzlichen Rentenversicherung durch eine private, kapitalgedeckte Altersvorsorge! 1. Die Steigerung der durchschnittlichen Lebenserwartung zwingt die Sparer, einen größeren Teil ihrer laufenden Einkünfte für die Alterssicherung zurückzulegen. Entspricht Beitragserhöhungen in der gesetzlichen Rentenversicherung. 2. Demographische Entwicklung wird auch die Verzinsung privatwirtschaftlicher Kapitalanlagen negativ beeinflussen Entspricht einer Absenkung des Rentenniveaus. 3. Die private Altersvorsorge wirkt nicht sozial ausgleichend, sonder in mehrfacher Hinsicht selektiv. 4. Bei betrieblichen Altersvorsorgeregelungen erhalten in der Regel gerade die Arbeitnehmer(innen) in prekären Arbeitsverhältnissen und mit diskontinuierlichen Erwerbsverläufen keine Möglichkeit zur betrieblichen Altersvorsorge. These: Das was eine Gesellschaft für die Versorgung der Nicht-Erwerbstätigen aufwendet, muss stets von den ökonomisch Aktiven erwirtschaftet werden, und ist somit Teil des laufenden Volkseinkommens.

Option II: Einführung eines steuerfinanzierten Grundrentenmodells Ausgangslage: Das Rentenniveau wird aufgrund der strikten Beitragssatzorientierung langfristig sinken. Deshalb wird ein wachsender Teil der älteren Bevölkerung auf die Grundsicherung im Alter angewiesen sein. These: Es findet ein schleichender Prozess weg von der lohn- und beitragsbezogenen Rentenversicherung hin zu einer steuerfinanzierten, bedarfsbezogenen Grundsicherung statt. Das Rentenmodell: Ein obligatorisches Zwei- oder Dreisäulenmodell mit einer steuerfinanzierten Grundrente und einem ergänzenden äquivalenzbezogenen Zusatzsystem (lohn- und beitragsbezogenes Rentensystem). Elemente des sozialen Ausgleiches wären auf die Grundrente begrenzt. Die Zusatzsysteme der zweiten und dritten Säule hätten die Lebensstandardsicherung zum Ziel..

Pro: Zur Diskussion eines Grundrentenmodells Altersarmut könnte effektiv vermieden werden Erwerbsunterbrechungen, Nicht-Erwerbstätigkeit, Kindererziehung, Arbeitslosigkeit, Teilzeitarbeit sowie der Übergang zur Selbstständigkeit würden weder den Anspruch auf eine Grundrente im Alter noch deren Leistungsfähigkeit berühren. Contra: Die finanzielle Belastung der öffentlichen Haushalte ist immens. Lange Übergangsfristen von 40 bis 50 Jahren sowie großzügige Vertrauensschutzregelungen. Dies führt zu einer erheblichen Mehrfachbelastung: 1. Es müssen die finanziellen Mittel für die Grundrenten aufgebracht werden. 2. Es müssen weiterhin die Renten aus dem alten System finanziert werden, die oberhalb des Grundrentenniveaus liegen. 3. Dreifachbelastung der aktiven Generation.

Die bedarfsorientierte Grundrente als Spielball der Politik? Auch ein Grundrentenmodell ist nicht Demographieresistent Vor allem in der schwierigen Umstellungsphase ist es fraglich, ob das Niveau der Grundrente unberührt bleibt. Auf längerfristige Sicht ist aufgrund der steigenden Ausgaben damit zu rechnen, dass Einkommens- und Vermögensanrechnungen eingeführt werden (s. Finnland). Da Grundrenten der Eigentumscharakter fehlt können sie schnell zum politischen Spielball werden. Die Anpassung der Grundrente muss jährlich in harten politischen Auseinandersetzungen erstritten werden.

Fazit: Kein Alterssicherungssystem ist Demographieunabhängig! Unabhängig vom Finanzierungsverfahren der Alterssicherung wird die ältere Bevölkerung bei gegebenem Leistungsniveau einen größeren Teil des Bruttosozialproduktes für sich beanspruchen. In jedem Finanzierungsmodell muss entschieden werden, welche Belastungen den Jüngeren in Form von Konsumverzicht zugemutet werden können, und welche Belastungen auf die ältere Generation durch die Minderung der Zuwachsraten ihrer Rentenansprüche zukommt. Aus Kosten- und Effizienzgesichtpunkten wäre somit eine Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung und nicht deren systematische Delegitimierung angebracht.

Mögliche Stellschrauben zur Bewältigung des demographischen Wandels 1. Verlängerung der Lebensarbeits- und damit der Beitragszeiten sowie die damit verbundene Kürzung der Rentenlaufzeit. 2. Senkung des Rentenniveaus. 3. Chancen des demographischen Wandels

Entscheidend für die Erwerbstätigkeit im Alter ist die Qualifikation Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Qualifikation und der Erwerbstätigenquote Höchster Berufsabschluss 50 bis 55 Jahre 55 bis u. 60 Jahre 60 bis u 65 Jahre Ohne Berufsabschluss 54,8 % 42,9 % 12,6 % Lehrausbildung 72,5 % 56,8 % 16,9 % Meister, Techniker 84,5 % 73,8 % 29,0 % Fachhochschule/ Hochschule 87,8 % 78,9 % 48,1 Quelle: IAT 2005

Entscheidend ist daher nicht nur eine gute Erstausbildung, sondern eine kontinuierliche Weiter- und Fortbildung, auch der älteren Erwerbstätigen. Chance I: Der demographische Wandel und die damit verbundene Alterung des verfügbaren Personals zwingt Unternehmen dazu ihre restriktive Personalpolitik der Frühausgliederung Älterer zu beenden. Chance II: Durch eine verstärkte inner- und außerbetriebliche Weiterbildung kann oder muss die Beschäftigungsfähigkeit Älterer bis ins hohe Alter sichergestellt werden. Dabei muss die Politik in besonders betroffenen Branchen unterstützend.

Die altersdiskriminierende Beschäftigungspolitik deutscher Unternehmen lässt sich nicht auf die Leistungsfähigkeit Älterer zurückführen. Arbeitsmoral, -disziplin Qualitätsbewusstsein Flexibilität Erfahrungswissen Loyalität Lernbereitschaft Lernfähigkeit Teamfähigkeit Psych. Belastbarkeit Theoret. Wissen Körperl. Belastbarkeit Kreativität 30 % 66 % 4 % 26 % 70% 4 % 8 % 73 % 19 % 53 % 44 % 3 % 17% 79 % 4 % 5 % 73 % 22 % 3 % 65 % 32 % 7 % 82 % 11 % 13 % 75 % 12 % 16 % 71 % 13 % 6 % 64 % 30 % 7 % 75 % 18% eher bei Älteren Kein Unterschied eher bei Jüngeren Quelle: IAB-Betriebspanle 2002 0% 20% 40% 60% 80% 100%

Dennoch besteht nur eine geringe Bereitschaft der Unternehmen Ältere einzustellen 15 % der Betriebe würden grundsätzlich niemanden 50 + einstellen. 54 % würden dies ohne Bedingung tun. 31 % knüpfen an eine Einstellung von älteren Bewerbern Bedingungen. Nur eine knappe Mehrheit äußert sich also diskriminierungsfrei Fazit: Einstellungschancen Älterer weiter gering. Quelle: IAB Betriebspanel 2002,

Chance III: Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf Eine hohe Erwerbstätigenquote könnte die Folgen des demographischen Wandels abfedern. Vor allem die Erwerbstätigenquote der Frauen ist in der Bundesrepublik Deutschland deutlich geringer als in anderen EU-Ländern. Internationale Studien zeigen, dass ein hohes gesamtgesellschaftliches Beschäftigungsniveau positiv mit der Erwerbsbeteiligung im Alter korreliert. Durch eine innovative Familienpolitik und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf könnten somit die finanziellen Nachteile eines steigenden Altenquotienten ausgeglichen werden. Es kommt nicht auf das Verhältnis Alt zu Jung, sondern auf das Verhältnis Beitragszahler zu Rentenempfänger an. Fazit: Der Schlüssel für eine höhere Erwerbsbeteiligung im Alter liegt bei den Frauen.

Ausblick Erhebliche Arbeitsmarktprobleme bei den Älteren 50 + Weiterhin sehr restriktive Personalpolitik der Betriebe. Ein Umdenken auf Seiten der Unternehmen wird erst für die Zeit nach 2015 erwartet. Bildung und Weiterbildung entscheidend Der Schlüssel zur Bewältigung des demographischen Wandels liegt in einer höheren Alterserwerbstätigkeit