Diagnoseverfahren für Berufsorientierung nutzen und Förderpläne erstellen Michael Linzner, Rektor, Werkrealschule Burladingen Vorbemerkungen: Ohne differenzierte Diagnostik ist keine individuelle Förderung möglich. Diese allgemeingültige Aussage trifft insbesondere auch in Prozessen der Förderung der Ausbildungsreife zu. Die Basis zur Erstellung bzw. Entwicklung von Förderplänen sind differenzierte Diagnoseverfahren. Diagnosefähigkeit ist Grundlage für einen professionellen Umgang mit Heterogenität und eine unverzichtbare Basis für individuelle Förderung und Lernprozessbegleitung. Voraussetzung dafür sind diagnostische Kompetenzen der Lehrer/innen. Es ist unumgänglich, dass alle Kolleg/innen einer Schule die an der Schule durchgeführten Diagnoseverfahren kennen. Alle Lehrer/innen einer Schule müssen z. B. Inhalte und Verfahren der Kompetenzanalyse Profil AC oder der Lernstandsdiagnosen in Deutsch/Mathematik Kl. 5/6 kennen. Nur so ist eine ganzheitliche individuelle Förderung von Schüler/innen möglich. Diagnoseverfahren und Förderpläne im Schulcurriculum Die Diagnoseinstrumente und Förderpläne müssen im Schulcurriculum fest verankert werden: Formulierung in Leitzielen Berufswegeplanung Vernetzung mit Methodencurriculum o Pädagogische Konzepte zur Umsetzung zum Beispiel Teamarbeit, Diagnoseverfahren?, Wochenplanarbeit, Freiarbeit, Kompetenzraster) o Dokumentationen der Diagnoseergebnisse, Fördervereinbarungen und pläne in (Bewerbungs-) Portfolio, (Förder-) Kartei Integration in die Ganztagsschule Organisationsebenen von Diagnoseverfahren Beispiel eines intern entwickelten Kompetenzparcours im Fächerverbund WAG Der Kompetenzparcours wird Anfang des 1. Halbjahres durchgeführt, nachdem die Schüler/innen die Räumlichkeiten usw. in Te / HTW kennengelernt haben. Zielsetzung ist, die überfachlichen Basiskompetenzen der Schüler/innen abzuchecken, um sie frühzeitig fördern zu können. Zum einen kann der Unterricht entsprechend ausgerichtet werden, zum anderen können erste Maßnahmen zur individuellen Förderung eingeleitet werden. In den nächsten Monaten sollen an der Schule entsprechende Boxen mit gezielten Fördermaterialien entwickelt werden, z. B. zur Förderung der Feinmotorik. Die Beobachtungsbögen der Lehrer/innen werden mit den Selbsteinschätzungsbögen der Schüler/innen in Fördergesprächen abgeglichen.
Kompetenzparcours WAG Kl. 5 1 2 3 4 5 6 Schneide von den Papierstreifen folgende Längen ab: 4cm, 21cm, 57cm, 95cm 1m Schneide dieselben Längen von der Schnur ab. Säge von den Rundhölzern folgende Längen ab: 7,0cm, 12,2cm, 36cm, 70,5cm, 85,5cm Baut mit dem Material aus dem Lochblechkasten 2 Autos. Um die beiden Autos unterstellen zu können, sollt ihr aus Legosteinen eine Garage bauen. Lege mit den Legosteinen den Grundriss eines Hauses mit Küche, Bad, Wohnzimmer, Esszimmer, Schlaf- und Kinderzimmer. Lege die Flächen der Räume mit den verschiedenen Filzstoffen als Teppich aus. Sortiere die verschiedenen Gegenstände nach Müllsorten. (30 Gegenstände aus den Bereichen Grüner Punkt, Papier, Glas, Bio-, Restmüll und Sondermüll) Fertige eine Tabelle an und schreibe zu jeder Müllart noch 3 weitere Beispiele auf. Bereitet nach folgendem Rezept einen Obstsalat zu. (Rezept, Obstsorten, Zutaten) Serviert es in den vorgegebenen Schalen. Gestaltet ein Fensterbild (1m breit / 1m hoch) mit Blumen, Tieren, der Sonne, weiteren Gegenständen und eigenen Ideen. Fachkompetenz Pers./Meth..Komp. Fach-/Soz./Pers. Komp. Fachkompetenz Soz./ Meth. Komp. Soz./ Pers.Komp. 7 Falte die beiden Figuren nach den folgenden Vorgaben. (Schiffchen und Serviette). 8 Gestaltet ein Mobile mit 3 Ästen und verschiedenen Vögeln. (Stäbe, Faden, Buntpapier, ) Fach- / Pers. Komp. Soz./ Meth. Komp.
Förderkreislauf Die Durchführung von Diagnoseverfahren und die Erarbeitung von individuellen Förderplänen muss als ganzheitlicher Prozess in einem Förderkreislauf gesehen werden und entsprechend im Schulcurriculum und Berufswegeplan verankert werden. Beispiel eines Förderkreislaufs 10 Überprüfung der Zielsetzungen und Lernfortschritte 1 Klassenkonferenz legt auf Grundlage des Berufswegeplans Diagnoseverfahren fest 2 Durchführung des Diagnoseverfahrens 9 Kontinuierliche Dokumentation 3 Sichtung der Datenquellen und Ergebnisse 8 Durchführung der Fördermaßnahmen 4 Analyse und Bewertung durch Lehrkräfe 7 Fördergespräche mit Schülern und Eltern 6 Förderpläne erstellen:stärken/ /Schwächen Ziele 5 Abgleichung mit Selbsteinschätzung des Schülers
Entscheidend für den Erfolg eines Förderplanes ist die Phase nach Auswertung der Diagnoseergebnisse (Phase 4 im Kreislauf). Wie gelingt es uns, die Schüler/innen und ihre Eltern bzw. Erziehungsberechtigten in den Prozess des individuellen Förderplans einzubinden? Wir haben an unserer Schule zusätzlich zum halbjährlichen Elternsprechtag ein verpflichtendes Schüler- und Elternberatungsgespräch in Klassenstufe 8 eingeführt, in dem der individuelle Berufswegeplan eines jeden Schülers besprochen wird. Die Ergebnisse der Kompetenzanalyse Profil AC (Assessment Center) sind dabei wichtiger Bestandteil. Entwicklung einer Feedbackkultur Selbsteinschätzungsprozesse führen nicht nur zu mehr Einsicht, sondern auch zu Verhaltensänderungen. Die Konsequenz daraus für uns Lehrer/innen ist, dass wir die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung durch Prozesse der Selbstreflexion und Selbstbewertung fördern müssen. Alle Beteiligten (Schüler, Lehrer, Eltern) sollten: sich regelmäßig gemeinsam austauschen Fördervereinbarungen mit Förderplänen erstellen die Entwicklungsfortschritte regelmäßig evaluieren dazu dienen: Einrichtung regelmäßiger Schülersprechstunden und/ oder Feedback-Gespräche am Ende der Woche
Beispiel eines Einschätzungsbogens
Diagnose- und Einschätzungsbogen für das Betriebspraktikum In einem Einschätzungsbogen dokumentieren bzw. beurteilen die Betriebe die Schlüsselqualifikationen bzw. überfachlichen Kompetenzen der Schüler/innen. Die Einschätzungen werden mit den Schüler/innen und Eltern analysiert, dabei ist auch die Selbsteinschätzung der Schüler/innen wichtiger Bestandteil.
Förderplan und Fördervereinbarung Man kann nicht alle Stärken/ Schwächen fördern, deshalb sind Schwerpunkte bei Fördermaßnahmen zu setzen, zum Beispiel im Sozialverhalten, im Arbeitsund Lernverhalten, gezielt bei fachlichen Kompetenzbereichen oder bei speziellen Berufswünschen. Förderpläne müssen enthalten: Beobachtungen zu Stärken / Schwächen Fördermaßnahmen: Was? Wie? Wer? Wann? Wer fördert was und ist dafür verantwortlich? Außerdem gilt es: Zeitfenster festlegen Schriftliche Förderziele fixieren Fördervertrag abschließen Gemeinsame Evaluation der Förderziele Dokumentation der individuellen Lernentwicklung (zum Beispiel in Portfolio oder Förder- Kartei) Wir haben an unserer Schule folgendes Formular entwickelt. Es orientiert sich an oben genannten Kriterien. Konzeption und Organisationsform zur individuellen Förderung beziehungsweise zu individuellen Lernzeiten (I Lz) Wie und wann sollen wir Schüler/innen z. B. nach Lernstandsdiagnosen, der Kompetenzanalyse oder nach Aufstellung entsprechender Förderpläne fördern? Diese häufig gestellte Frage muss letztendlich jede Schule mit entsprechenden Konzeptionen beantworten. Die Werkrealschule Burladingen arbeitet mit einem Mix aus gemeinsamen Lernzeiten in den Kernfächern und individuellen Lernzeiten auf Stufenebene. Ein Lehrerteam und die Päd. Assistentin betreuen/begleiten in vier Wochenstunden zwei Parallelklassen einer Klassenstufe in sog. individuellen Lernzeiten. Die beteiligten Lehrkräfte stimmen von Zeit zu Zeit, von Unterrichtseinheit zu Unterrichtseinheit oder bei besonderem Förderbedarf einzelner Schüler/innen die jeweilige Organisationsform ab. Dieses flexible System erfordert ein hohes Maß an Abstimmung, erfährt aber durch die großen eigenverantwortlichen Gestaltungsmöglichkeiten eine hohe Akzeptanz bei den Kolleg/innen.
Die folgende Grafik stellt die möglichen Organisationsformen dar Mögliche stundenplantechnische Organisationsformen zu
individuellen Lernzeiten (I Lz) Beispiel I: Integration individuelle Lernzeiten (Einzelstunden) Std. Mo Di Mi Do Fr 1 2 3 4 5 I Lz I Lz (I Lz) I Lz 6 7 (I Lz) 8 9 10 In den Stunden eins bis vier sollen jeweils die Kernfächer D, M, E stattfinden. In den letzten Vormittagsstunden findet indiv. Förderung statt (4 Stunden) I Lz als Teamstunden Der Schüler soll in den I Lz nach Möglichkeit die Inhalte selbst bestimmen. Die beiden Lehrer/Innen können aber auch gezielt Fächer und Inhalte vorgeben. Bei der Gestaltung und dem Lernerfolg der individuellen Lernzeiten haben sich Blöcke, zum Beispiel Doppelstunden, als wesentlich effektiver erwiesen. In Doppelstunden können die Schüler ihre Lernzeit selbst besser organisieren, während in Einzelstunden der Zeitdruck zu groß ist und das individuelle Lerntempo darunter leiden kann. Beispiel II: Individuelle Lernzeiten in Doppelstunden Std. Mo Di Mi Do Fr 1 2 3 4 I Lz I Lz 5 I Lz I Lz 6 7 I Lz 8 I Lz 9 SoLe 10 Je 4 Stunden Kernunterricht beziehungsweise gemeinsame Lernzeit in D, M, E + 3 Doppelstunden I Lz (Team) und 1 Stunde SoLe (Schule für selbstbestimmte Entwicklung), auch zum Beispiel für Feedback- Gespräche Das Team stimmt von Zeit zu Zeit, von Unterrichtseinheit zu Unterrichtseinheit, die jeweilige Organisationsform ab Arbeitsformen in I Lz: Selbstbestimmtes Lernen, Wochenplanarbeit, Freiarbeit, Integration von individuellen Förderplänen in I Lz Schlusswort
Im Prozess der Förderung der Ausbildungsreife ist der Einsatz verschiedener Diagnoseverfahren zur Erstellung von individuellen Kompetenzprofilen unverzichtbares Element zur Erstellung individueller Förderplänen. Alle Maßnahmen dafür müssen im Schulcurriculum und dem Berufswegeplan verankert sein. Um eine ganzheitliche Bildung und Förderung zu erreichen, müssen alle Kolleg/innen einer Schule über die Testverfahren und die entsprechenden Fördervereinbarungen und Förderpläne informiert und eingebunden sein, so dass die Diagnosefähigkeit aller Lehrkräfte (besser) ausgebildet wird. Gleichzeitig müssen wir die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung durch Prozesse der Selbstreflexion und bewertung der Schüler/innen fördern. Von wesentlicher Bedeutung wird auch sein, in wie weit es uns gelingt, die Eltern in diesen Prozess bzw. Förderkreislauf einzubeziehen. Auch die permanente Überprüfung bzw. Evaluation der gemeinsam vereinbarten Förderziele und - maßnahmen sowie der individuellen Lernentwicklungen sind für einen nachhaltigen Prozess im Rahmen der Förderung der Ausbildungsreife unverzichtbar. Differenzierte Diagnoseverfahren können wichtige Aufschlüsse über Stärken und Schwächen von SchülerInnen geben und sind mit Sicherheit die Basis für individuelle Förderprozesse. Sie sind somit ein wichtiges Element bei der Förderung der Ausbildungsreife.