Entscheidungen der Vergabekammern Thomas J. Ferber, Januar 2010, http://www.ferber-scientific.com
Abgabetermin Der Bieter hat grundsätzlich das Risiko der Übermittlung und des rechtzeitigen Eingangs seines Angebots beim Auftraggeber zu tragen. Ein verspäteter Eingang des Angebots ist nur dann nicht dem Bieter zuzurechnen, wenn die Verspätung entweder der Auftraggeber oder niemand, z.b. Naturereignisse, zu vertreten haben. Eine andere Auslegung ist mit dem Gleichheitsgrundsatz aus 97 Abs. 2 GWB nicht vereinbar. Vergabekammer Nordbayern, Beschluss vom 01.04.2008, Az.: 21.VK - 3194 09/08
Zeit zum Rügen Verstöße gegen das Gebot einer produktneutralen Ausschreibung, die spätestens beim Erstellen des Angebots erkennbar sind, sind mit einer entsprechenden Rüge unverzüglich zu beanstanden. Vergabekammer Nordbayern, Beschluss vom 01.04.2008, Az.: 21.VK - 3194 09/08
Zeit zum Rügen Ist die Höhe der Gewichtung eines Zuschlagskriteriums unzweifelhaft und ohne weitere Rechtskenntnisse oder Überlegungen aus der Bekanntmachung erkennbar, muss dies bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist gerügt werden ( 107 Abs. 3 Satz 2 GWB) Vergabekammer Nordbayern, Beschluss vom 12.08.2009, Az.: 21.VK - 3194 29/09
Zeit zum Rügen Eine innerhalb von drei Werktagen platzierte Rüge ist regelmäßig unverzüglich, eine noch kürzere Frist wäre schlichtweg nicht mehr praktikabel. Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf, Beschluss vom 12.04.2006, Az.: VK - 12/2006-L
Zeit zum Rügen Eine Rüge, die erst nach Ablauf von acht Tagen nach Erhalt der Mitteilung nach 13 VgV und fünf Tage nach Kenntnis eines Verstoßes erhoben worden ist, ist verspätet ( 107 Abs. 3 GWB). Vergabekammer Nordbayern, Regierung von Mittelfranken Beschluss vom 7.7.2008, 21.VK 3194-31/08
AGB Die Beifügung eigener AGB, die von den verbindlichen Festlegungen in den Verdingungsunterlagen abweichen, auf der Rückseite des dem Angebot beigefügten Begleitschreibens führt zum Angebotsausschluss. Vergabekammer Nordbayern, Regierung von Mittelfranken Beschluss vom : 19.03.2009, 21.VK - 3194-08/09
O vs. / Eine "0" kann innerhalb desselben Angebots für den objektiven Betrachter nicht den gleichen Erklärungswert haben wie ein Schrägstrich. In solch einem Fall kann die Vergabestelle die Schrägstriche bei Einheitsund Gesamtpreis als fehlenden Preis werten. Gerade in der Zusammenschau der unterschiedlichen Eintragungen ist davon auszugehen, dass für die Vergabestelle völlig unklar ist, ob die Position überhaupt angeboten werden sollte. Vergabekammer Nordbayern, Regierung von Mittelfranken Beschluss vom 09.09.2008, 21.VK 3194-34/08
Nicht zweifelsfreie Änderungen Nach 25 Nr. 1 Abs. 1 Buchst. c VOL/A sind Angebote zwingend auszuschließen, bei denen Änderungen des Bieters an seinen Eintragungen nicht zweifelsfrei sind ( 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A ). Vergabekammer Nordbayern, Regierung von Mittelfranken Beschluss vom 15.01.2009, 21.VK 3194-59/08
Fehlende Unterschrift Bei Fehlen der Unterschrift sind Angebote nach 25 Nr. 1 Abs. 1 lit b i. V. m. 21 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A zwingend von der Wertung auszuschließen. Hinsichtlich der Rechtsfolge besteht kein Ermessen der Vergabestelle Wenn die Vergabestelle Angebote trotz fehlender Unterschrift wertet, sind Mitbieter die sich an die Vorschrift des 21 Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 VOL/A gehalten haben, in ihrem subjektiven Recht aus 97 Abs. 7 GWB verletzt. Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf Beschluss vom : 21.04.2006, VK - 16/2006-L
Eignungsnachweise Nach 7 a Nr. 3 Absatz 3 Satz 1 VOL/A i.v.m. 17, 17a VOL/A hat der Auftraggeber in der Bekanntmachung anzugeben, welche Eignungsnachweise durch die Bieter vorzulegen sind. Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass den Grundsätzen von Transparenz und Gleichbehandlung nach 97 Abs. 1 und 2 GWB folgend der Eignungsprüfung auch keine darüber hinaus gehenden oder andere Nachweise zugrundegelegt werden dürfen. Hat sich der Auftraggeber einmal für das Aufstellen einzuhaltender Mindestanforderungen entschieden, muss er im Nachhinein auch daran gebunden bleiben, da nur auf diese Weise die Vermeidung von Willkürentscheidungen sichergestellt werden kann. Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf Beschluss vom : 24.4.2007 VK - 11/2007 - B
Fehlende Feststellung der Eignung Wenn unter mehreren gleich bewerteten Angeboten eine Auslosung stattfindet, kann ein daran mit seinem Angebot teilnehmender Bieter in seinen Rechten verletzt sein, wenn andere Angebote einbezogen werden ohne ausreichende Feststellung der Eignung. Dies stellt eine statistische Verringerung der Chance des Antragstellers dar, seinerseits ausgelost zu werden. Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf Beschluss vom : 2.6.2008, VK - 15/2008-L
Ausschluss wegen fehlender Erklärung Fehlt die vom öffentlichen Auftraggeber verlangte Verpflichtungserklärung für Nachunternehmer, ist das Angebot des Bieters zwingend wegen unvollständiger Erklärungen von der Wertung auszuschließen. Vergabekammer Nordbayern, Regierung von Mittelfranken Beschluss vom : 8.3.2007, 21. VK 3194-05/07
Fehlende Belege Auch nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zu den "fehlenden Erklärungen" (z.b. BGH v. 18.02.2003 - X ZB 43/02) ist ein Angebotsausschluss nur dann zwingend, wenn trotz klaren Verlangens eine Erklärung nicht abgegeben worden ist. Eine objektive Mehrdeutigkeit in den geforderten Belegen darf nicht zum Nachteil eines Bieters ausschlagen. Vergabekammer Nordbayern, Regierung von Mittelfranken Beschluss vom : 18.03.2008, 21.VK - 3194-08/08
Eindeutigkeit Ein Angebot muss aber klar und eindeutig sein. Das hier der Antragsgegnerin faktisch eingeräumte Wahlrecht zwischen mehreren Preisen und vermutlich unterschiedlichen Angebotsinhalten, widerspricht diesem Grundsatz und führt zum zwingenden Ausschluss des Angebotes. Da es insbesondere auch um Preise geht, ist ein Aufklärungsgespräch ausgeschlossen. Vergabekammer der Bezirksregierung Düsseldorf Beschluss vom : 24.11.2005, VK-39/2005-L
Niedriger Preis Erst wenn auf Grund des niedrigen Preises zu erwarten ist, dass der Auftragnehmer in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät und den Auftrag deshalb nicht oder nicht mehr ordnungsgemäß ausführen wird, besteht Anlass zu dessen Ausschluss wegen eines offenbaren Missverhältnisses zur Leistung. Vergabekammer Berlin Beschluss vom 2. Juni 2009, VK B 2 12 / 09 Seite 16
Seite 17 Wettbewerb
Wettbewerb Der Begriff der wettbewerbsbeschränkenden Abrede im Sinne des 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f VOL/A ist mit Blick auf den das gesamte Vergabeverfahren beherrschenden Wettbewerbsgrundsatz ( 97 Abs. 1 GWB; 2 Nr. 1 VOL/ A) weit auszulegen und deshalb nicht auf gesetzeswidriges Verhalten beschränkt, sondern umfasst auch alle sonstigen Absprachen und Verhaltensweisen eines Bieters, die mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsgebot unvereinbar sind. Es ist mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsprinzip schlechterdings unvereinbar, wenn ein Bieter an der Ausschreibung teilnimmt, dem (ganz oder teilweise) das Angebot oder zumindest die Angebotsgrundlagen eines Mitbewerbers um den Zuschlag bekannt sind. Vergabekammer Nordbayern, Regierung von Mittelfranken Beschluss vom 14.10.2009, 21. VK 3194-45/09 Seite 18
Wettbewerb Bei IT-Beschaffungen ist der Wettbewerb bereits vielfach grundsätzlich durch die Vorgaben der Vergabestelle auf große Systemhäuser begrenzt. Wenn diese sich außerdem nur durch den Preis voneinander abheben können, besteht die Gefahr, dass der hinter den Bietern stehende Hersteller durch die Gewährung der Händlerkonditionen das Wettbewerbsergebnis steuert. Die Vergabestelle muss in einer solchen Situation so viel Wettbewerb wie möglich sicher stellen ( 2 VOL/A) und dafür den Markt unter dem Gesichtspunkt der Hersteller-konditionen besonders sorgfältig beobachten. Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf Beschluss vom : 20.4.2009 VK-2 / 2009 Seite 19
Wettbewerb - europaweite Ausschreibung Die Vergabekammer hat gem. 114 Abs. 1 Satz 1 GWB die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und dabei die geringste Schädigung aller Interessen zu beachten.... Die Aufhebung und nochmalige Durchführung des Wettbewerbes erscheint als die einzige Maßnahme, um ein transparentes und gleiches Verfahren für die Bieter zu gewährleisten. Da der Antragsgegner keine sachgerechte Schätzung des Auftragswertes vorgenommen hat, ist eine erneute Durchführung des Verfahrens auf der Grundlage einer europaweiten Ausschreibung unumgänglich. Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf Beschluss vom : 30.09.2005, VK-25/2005 Seite 20
Wettbewerb - europaweite Ausschreibung Hat ein Bieter oder Bewerber vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber beraten oder unterstützt, so hat nach 4 Abs. 5 VgV der Auftraggeber bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme eines Bieters oder Bewerbers nicht verfälscht wird. Vergabekammer Nordbayern, Regierung von Mittelfranken Beschluss vom 09.08.2007, 21.VK 3194-32/07 Seite 21
Wettbewerb - Produktneutralität Eine Behinderung des Wettbewerbs liegt nicht erst dann vor, wenn Merkmale des geforderten Produkts durch einen Produkt- oder Markennamen bezeichnet werden, sondern bereits dann, wenn das Leistungsverzeichnis nach Form, Stofflichkeit, Aussehen und technischen Merkmalen so präzise definiert ist, dass dem Bieter keinerlei Ausweichmöglichkeit mehr bleibt. Hierbei kommt es nicht auf die Feststellung einer subjektiven Absicht der Vergabestelle an, bestimmte Unternehmen zu bevorzugen zu wollen. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die Leistungsbeschreibung bei objektiver Betrachtung geeignet ist, bestimmte Unternehmen oder Erzeugnisse bevorzugen zu wollen. Vergabekammer Nordbayern, Regierung von Mittelfranken Beschluss vom 16.4.2008, 21. VK 3194-14/08 Seite 22
Wettbewerb - Produktneutralität Durch die mangelnde Dokumentation ist die Entscheidung der VSt angreifbar, da die Gründe für die festgelegten Mindeststandards im Einzelnen nicht nachprüfbar sind. Der Vorwurf des Bieters, dass die Gerätedaten von den Erzeugnissen zweier Hersteller so ausgewählt wurden, dass diese von anderen Erzeugnissen nicht erfüllt werden können, ist nach summarischer Prüfung einzelner Datenblätter nicht von der Hand zu weisen.... Dies lässt in der Tat den Schluss zu, dass der Ausschreibung Gerätedaten ganz bestimmter Geräte wettbewerbswidrig zugrunde gelegt wurden. Vergabekammer Nordbayern, Regierung von Mittelfranken Beschluss vom 09.07.2009, Az.: 21.VK - 3194-15/09 Seite 23
Thomas J. Ferber, thomas@ferber-scientific.com