Reden ist Silber, schweigen ist Gold?! Kommunikation mit Eltern und Angehörigen in belasteten Situationen 3. Kinderschutzkonferenz Bad Blankenburg, 03.12.2014 Themen Welchen Rahmen braucht es in Krisensituationen? Krisenhafte Gespräche führen Wie können Gespräche lösungsorientiert gestaltet werden? Kinder in suchtbelasteten Familien Dipl.-Päd. Kristin Anhut Fortbildung Beratung Coaching Projektmanagement Tel.: 03643 44 89 291 E-Mail: kristin.anhut@web.de Rede nicht! Sprich mit niemandem über das, was in der Familie vor sich geht. Führt zu Schamgefühlen Kindern wird vermittelt, dass ihre Familie anders oder nicht normal ist Isolation, in die sich süchtige Familien begeben bedeutet für Kinder oft, dass sie keine Spielkameraden mit nach Hause nehmen dürfen oder wollen Um dem Gesetz des Rede nicht zu entsprechen, sehen sich Kinder oft gezwungen, der UmweltLügengeschichten zu erzählen Vertraue nicht! Deine Wahrnehmung stimmt nicht. Nur was Deine Eltern Dir sagen, ist wahr (Also: Papa hat nichts getrunken! ). stürzt Kinder in Verwirrung, weil eigene Wahrnehmungen von Eltern negiert werden Kontakt zum eigenen ICH wird gestört bzw. kann nicht gesund entwickelt werden, weil sich eigene Wahrnehmungen nicht mit dem decken, was Eltern sagen Kinder entwickeln das Gefühl, nicht richtig zu sein suchtbedingte Unberechenbarkeit der wichtigsten Bezugspersonen vermittelt den Kindern, dass auf niemanden Verlass ist Fühle nicht! Verstecke Deine eigenen Gefühle, wenn Du Dich fürchtest, traurig oder wütend bist. Für Deine Gefühle gibt es keinen Grund, denn bei uns ist alles in Ordnung. Kinder verlieren Kontakt zu ihren Emotionen Gefühle von Trauer, Schmerz, Wut, Angst können von den Kindern nicht ausgedrückt werden und werden bis ins Erwachsenenalter hinein verdrängt Abwehr eigener Gefühle ist schmerzhaft und kann später zu gleichen Bewältigungsstrategien führen: Alkohol, Zigaretten, Drogen, Tabletten 1
Kinder in suchtbelasteten Familien Kinder entwickeln meist verschiedenste Rollenmuster (z. B. Held, Sündenbock, verlorenes/stilles Kind, Clown etc.) und Bewältigungsstrategien, die dem emotionalen Überleben im süchtigen Familiensystem dienen Schutzmauern vor der Unberechenbarkeit des süchtigen aber auch co-abhängigen Elternteils Kinder zeigen große Loyalität gegenüber den Eltern: durch angepasstes Verhalten Ablenkung vom Suchtproblem im Elternhaus wollen und sollen Familiengeheimnis Sucht um jeden Preis gegenüber der Umwelt geheim halten Welchen Rahmen braucht es in Krisensituationen? Auch wenn es schwer fällt: Versuchen Sie sich in die Eltern hineinzuversetzen. Wie würden Sie gern von den Erzieher/innen der Kita/des Hortes Ihres Kindes auf das Suchtproblem angesprochen werden? Wann könnten Sie sich gut auf ein solch kritisches Gespräch einlassen? Wichtigstes Ziel: In Beziehung mit den Eltern sein und bleiben! Kein Tür- und Angel-Gespräch, sich Zeit nehmen Welche/r Erzieher/in hat den besten Kontakt zu den Eltern? Mit Ich-Botschaft zum Gespräch einladen ( Ich mache mir Sorgen um/über und möchte deshalb gern mit Ihnen in Ruhe darüber sprechen. ) Wenn Terminvorschlag für Eltern nicht passt, auf Alternativvorschlag einigen Gespräch gut vorbereiten und genügend Zeit einplanen Was ist mein Ziel? Was habe ich beobachtet und wie dokumentiert? Wer sind die richtigen Gesprächsteilnehmer? abhängig von Situation, also z. B. erstes Gespräch oder aber schon mehrfach besprochen ohne dass etwas verändert wurde etc. Ruhiger Raum, einladend gestalten Sitzordnung nicht direkt gegenüber, sondern über Eck oder runder Tisch, erwachsenengerechte Stühle evt. Getränk anbieten es tut manchmal gut, etwas in den Händen zu halten Krisenhafte Gespräche führen Wie können Gespräche lösungsorientiert gestaltet werden? 2
Das Kommunikationsquadrat (nach Friedemann Schulz von Thun) Man kann nicht nicht kommunizieren! (Watzlawick u. a., 2010, S. 53) Quelle: http://www.berufsstrategie.de/bewerbung-karriere-soft-skills/kommunikationsmodelle-eisberg-modell.php, 15.03.2012, 12:33 Uhr Jeder Sender sendet, ob er/sie will oder nicht, mit vier Schnäbeln gleichzeitig Der Selbstkundgabe-Schnabel was ich von mir zu erkennen gebe: Gefühle, Werte, Eigenarten, Bedürfnisse explizit (Ich-Botschaft) o. implizit, bewusst o. unbewusst Der Sachinformations-Schnabel worüber ich informiere: Daten, Fakten, Sachverhalte Der Beziehungshinweis-Schnabel was ich von dir halte und wie ich zu dir stehe, durch Formulierung, Tonfall, Mimik, Gestik implizit o. explizit Der Appell-Schnabel was ich bei dir erreichen möchte durch Wünsche, Ratschläge, Appelle, Handlungsanweisungen offen o. verdeckt Jede Äußerung trifft auf die vier Ohren des Empfängers: Das Selbstkundgabe-Ohr Was ist das für einer? Wie ist er gestimmt? Was ist mit ihm? usw. Das Sach-Ohr Sind die Aussagen/Infos wahr oder unwahr? Sind sie relevant oder irrelevant? Sind sie hinlänglich oder unzureichend? Das Beziehungs-Ohr Werde ich wertgeschätzt oder abgelehnt? Missachtet der/die mich? Oder werde ich geachtet, respektiert oder gedemütigt? Das Appell-Ohr Was soll ich jetzt (nicht) machen, denken oder fühlen? Lösungsorientiert heißt, eine gemeinsame Lösung für die Zukunft zu erarbeiten, die in diesen Fällen immer am Wohl des jeweiligen Kindes orientiert sein muss und nicht in den Gründen und Ursachen zu forschen Sprechen Sie von sich und Ihren Beobachtungen und Wahrnehmungen: Ich bzw. wir habe(n) beobachtet ; Ich bzw. wir machen(n) uns Sorgen ; Ich bzw. wir nehme(n) in letzter Zeit wahr, dass Beziehen Sie sich ggf. auf Ihre Dokumentationen evt. auch auf Teamgespräch bzw. Fallberatung, je nach Zeitpunkt des Gesprächs und Notwendigkeit 3
Bewerten oder verurteilen Sie den Drogenkonsum nicht Wissen um die Freiheit des Konsumenten Das Gegenüber fühlt sich sonst schnell in einer Verteidigungs- und Rechtfertigungsrolle Behalten Sie stets das Kind im Blick Ich mache mir Sorgen um, weil Wenn nötig, dann können bzw. müssen Sie auch auf Ihren Schutzauftrag zur Kindeswohlgefährdung nach 8a SGB VIII bzw. 55a ThürSchulGhinweisen mit der Erklärung, wie der Verfahrensweg sich gestaltet Ressourcen aktivierende Fragen als Türöffner konstruktive W-Fragen: die offenen oder W-Fragen fordern den anderen dazu auf, mehr als nur ja oder nein zu sagen liefern Informationen, regen zum Nachdenken und Konkretisieren an, fördern konstruktive Suchprozesse Was wäre denn als erster kleiner Schritt denkbar? : Konjunktiv lässt Lösung im Möglichkeitsraum Fialka, V., 2010, Management kompakt: Wie Sie die Zusammen-arbeit mit Eltern professionell gestalten Bildungs-und Erziehungspartnerschaft, Sonderheft von kindergartenheute Die Fachzeitschrift für Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern, Verlag Herder Ressourcen aktivierende Fragen als Türöffner nicht fragen, ob etwas geschieht, sondern fragen, wie, was und welche dadurch wird nicht unterstellt, dass etwas noch nicht geschehen ist Sondern? oder Was stattdessen? Denkimpuls, sich über Ziele bewusst zu werden Gibt es Ausnahmen? kann auf positive Beispiele verweisen und diese können nach ihrem Anderssein zur üblichen Situation überprüft werden Fialka, V., 2010, Management kompakt: Wie Sie die Zusammen-arbeit mit Eltern professionell gestalten Bildungs-und Erziehungspartnerschaft, Sonderheft von kindergartenheute Die Fachzeitschrift für Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern, Verlag Herder Führen Sie ein BeRATungsgesprächnur, wenn Sie einen Auftrag (z. B. von Eltern) dafür haben! Denn auch RATschlägesind Schläge., wenn sie nicht gewünscht sind. Holen Sie sich vorher das Einverständnis Ihres Gegenübers! Darf ich Ihnen eine Frage stellen? Ich hätte dazu eine Idee. Darf ich Ihnen diese sagen? Denken Sie vor allem im Konfliktfall an die Eisberge! Die Art, wie ich kommuniziere ist Ausdruck meiner inneren Haltung zu meinem Gegenüber! meiner Wertschätzung Interesse und Akzeptanz der Person des Gegenübers mit eigenen Wert-und Normvorstellungen Akzeptanz der Gleichwürdigkeit der Wirklichkeitsvorstellungen meines Gesprächspartners es gibt nicht die per se richtige oder falsche Vorstellung von der Wirklichkeit meiner Authentizität Echtheit/Übereinstimmung des Gesagten mit der eigenen Person und nonverbalem Verhalten Die Art, wie ich kommuniziere ist Ausdruck meiner inneren Haltung zu meinem Gegenüber! meiner Empathie das Einfühlungsvermögen in den Anderen meiner Neugierde auf die Ideen, Gedanken und Vorstellungen meines Gegenübers meiner Trennung zwischen Person und Verhalten es ist leichter die Umstände von Situationen zu verändern, als die persönlichen Eigenschaften meines Verzichts auf Ironie und Zynismus verbirgt eine Kritik oder Schwäche, die man nicht offen ansprechen möchte 4
Quellen Fialka, V., 2010, Management kompakt: Wie Sie die Zusammenarbeit mit Eltern professionell gestalten Bildungs-und Erziehungspartnerschaft, Sonderheft von kindergartenheute Die Fachzeitschrift für Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern, Verlag Herder. Haufschild, A., Alles total geheim, Kinder aus suchtbelasteten Familien, Chancen und Grenzen im Kita-Alltag, Eine Veranstaltung der Fachstellen für Suchtprävention in Sachsen, http://www.institut3l.de/index.php?module=010400&dbpage=27&cmsa rgs=6&menu_id=38, zuletzt aufgerufen: 12.02.2014, 10:25 Uhr Lambrou, U., 2012, 3. Aufl., Familienkrankheit Alkoholismus, Im Sog der Abhängigkeit, rororo. Mielke, H., Kinder in alkoholkranken Familien, NACOA Deutschland, http://www.nacoa.de/index.php/fakten/kinder-von-alkoholikern?start=1, zuletzt aufgerufen: 12.02.2014, 10:20 Uhr Watzlawick, P.; Beavin, J. H.; Jackson D., D.,2000, 10. Aufl.; Menschliche Kommunikation, Formen, Störungen, Paradoxien, Verlag Hans Huber. 5