Analysis III, WS 2011/2012 Montag $Id: masse.tex,v /10/31 15:48:07 hk Exp $

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$Id: masse.tex,v 1.8 2011/10/31 15:48:07 hk Exp $ 2 Maßräume 2.2 Meßbare Abbildungen Der nächste Grundbegriff sind die meßbaren Abbildungen. Erinnern Sie sich daran das wir eigentlich einen Integralbegriff konstruieren wollen und Begriffe wie meßbare Mengen nur Schritte auf dem Weg dorthin sind. Die meßbaren Abbildungen werden die Kandidaten für die integrierbaren Funktionen sein, eine integrierbare Funktion wird eine meßbare Funktion sein, die eine gewisse Zusatzbedingung erfüllt. Wir führen den Begriff schon an dieser Stelle ein, da er zum einen auf der Ebene der Meßräume definiert ist, und zum anderen beim Aufbau der Theorie hilfreich ist. Definition 2.3 (Meßbare Funktionen) Seien (Ω 1, Σ 1 ) und (Ω 2, Σ 2 ) zwei Meßräume. Eine Abbildung f : Ω 1 Ω 2 heißt meßbar wenn für jede meßbare Menge A Σ 2 auch das Urbild f 1 (A) Σ 1 meßbar ist. Eine Abbildung ist also meßbar wenn Urbilder meßbarer Mengen wieder meßbar sind. Beachte die Analogie zur Stetigkeit, eine Abbildung f : M 1 M 2 zwischen metrischen Räumen war ja nach [Schütt, 4.3, Satz 28] genau dann stetig wenn die Urbilder offener Mengen wieder offen sind. Sprechen wir im Zusammenhang mit metrischen Räumen von meßbaren Abbildungen, so ist damit stets die Meßbarkeit bezüglich der jeweiligen Borelschen σ-algebren gemeint. Bevor wir zur Untersuchung meßbarer Abbildungen kommen, wollen wir noch eine kleine Anmerkung zur Notation machen. Die Meßbarkeit einer Abbildung f : Ω 1 Ω 2 hängt von den auf Ω 1 und Ω 2 betrachteten σ-algebren ab. Um diese hervorzuheben, sprechen wir auch von einer meßbaren Abbildung f : (Ω, Σ 1 ) (Ω 2, Σ 2 ), dies ist weiterhin einfach eine Abbildung von Ω 1 nach Ω 2, die Zusatzangaben machen nur explizit bezüglich welcher σ-algebren diese Abbildung meßbar ist. In der Literatur spricht man zu diesem Zweck oftmals auch von einer Σ 1 -Σ 2 -meßbaren Abbildung, diese etwas klumpige Notation wollen wir hier aber nicht verwenden. Wir listen zunächst einige unmittelbar einsichtige Eigenschaften meßbarer Abbildungen auf. Sei dazu (Ω i, Σ i ) für i = 1, 2, 3 ein Meßraum. Dann gelten: 1. Die identische Abbildung id M1 : (M 1, Σ 1 ) (M 1, Σ 1 ) ist meßbar, denn für jedes A Σ 1 gilt id 1 M 1 (A) = A Σ 1. 2. Jede konstante Abbildung f : (Ω 1, Σ 1 ) (Ω 2, Σ 2 ) ist meßbar, denn für überhaupt jede Teilmenge A Ω 2 ist f 1 (A) {, Ω 1 } Σ 1. 3-1

3. Sind f : (Ω 1, Σ 1 ) (Ω 2, Σ 2 ) und g : (Ω 2, Σ 2 ) (Ω 3, Σ 3 ) meßbar, so ist auch die Hintereinanderausführung g f : (Ω 1, Σ 1 ) (Ω 3, Σ 3 ) meßbar. Ist nämlich A Σ 3, so ist zunächst g 1 (A) Σ 2 und damit auch (g f) 1 (A) = f 1 (g 1 (A)) Σ 1. 4. Ist A Ω 1, so ist die Inklusion i : (A, Σ 1 A) (Ω 1, Σ 1 ) meßbar denn für jedes B Σ 1 gilt i 1 (B) = A B Σ 1 A. 5. Sind f : (Ω 1, Σ 1 ) (Ω 2, Σ 2 ) eine meßbare Abbildung und A Ω 1, so ist auch die Einschränkung f A : (A, Σ 1 A) (Ω 2, Σ 2 ) meßbar. Wir wissen schon das die Inklusion i : (A, Σ 1 A) (Ω 1, Σ 1 ) meßbar ist, und damit ist auch f A = f i meßbar. 6. Sind f : Ω 1 Ω 2 eine Abbildung und A Ω 2 mit f(ω 1 ) A, so ist f : (Ω 1, Σ 1 ) (Ω 2, Σ 2 ) genau dann meßbar wenn f : (Ω 1, Σ 1 ) (A, Σ 2 A) meßbar ist. Dies ist klar denn für jede Teilmenge B Ω 2 gilt stets f 1 (B) = f 1 (A B). 7. Seien I eine abzählbare Menge und (A i ) i I ein Tupel meßbarer Mengen A i Σ 1 für i I mit Ω 1 = i I A i. Dann ist eine Abbildung f : (Ω 1, Σ 1 ) (Ω 2, Σ 2 ) genau dann meßbar wenn f A i : (A i, Σ 1 A i ) (Ω 2, Σ 2 ) für jedes i I meßbar ist. Die Implikation von links nach rechts ist nach Aussage (5) dabei klar. Sei nun umgekehrt f A i für jedes i I als meßbar vorausgesetzt. Sei B Σ 2. Für jedes i I folgt dann mit Lemma 3.(b) stets f 1 (B) A i = (f A i ) 1 (B) Σ 1 A i Σ 1, und da I abzählbar ist, ist damit auch f 1 (B) = i I (f 1 (B) A i ) Σ 1. Wir können diese Aussagen dazu verwenden eine erste Beispielklasse meßbarer Funktionen einzuführen. Diese sehen zunächst nicht besonders spektakulär aus, werden sich aber als wichtig herausstellen. Definition 2.4 (Einfache Abbildungen) Seien (Ω 1, Σ 1 ) und (Ω 2, Σ 2 ) zwei Meßräume. Eine Funktion f : Ω 1 Ω 2 heißt einfach wenn ihr Bild f(ω 1 ) endlich ist und f 1 (y) Σ 1 für jedes y Ω 2 gilt. Weiter bezeichne T (Ω, Σ 1 ; Ω 2 ) die Menge aller einfachen Abbildungen f : Ω 1 Ω 2. Beachte das jede einfache Abbildung f : (Ω 1, Σ 1 ) (Ω 2, Σ 2 ) meßbar ist. Denn das Bild I := f(ω 1 ) Ω 2 ist endlich, es gilt Ω 1 = y Y f 1 (y) und für jedes y Y sind f 1 (y) Σ 1 und f f 1 (y) ist konstant also insbesondere meßbar. Damit ist auch f meßbar. In Wahrheit kennen wir noch eine weitere grosse Beispielklasse meßbarer Funktionen, wir wollen einsehen das jede stetige Abbildung zwischen metrischen Räumen auch meßbar ist. Eine kleine Umformulierung der Meßbarkeitsdefinition ist hierzu hilfreich. Seien Ω, Ω zwei Mengen und f : Ω Ω eine Abbildung. Ist dann Σ eine σ-algebra auf Ω, so können wir über f auch die σ-algebra f (Σ) := {A Ω f 1 (A) Σ} 3-2

auf Ω definieren. Dies ist tatsächlich eine σ-algebra. Zunächst ist wegen f 1 ( ) = Σ auch f (Σ). Ist A f (Σ), also f 1 (A) Σ, so ist auch f 1 (Ω \A) = Ω\f 1 (A) Σ, also Ω \A f (Σ). Ist schließlich (A n ) n N eine Folge in f (Σ), also f 1 (A n ) Σ für jedes n N, so ist auch f 1 ( n=0 A n) = n=0 f 1 (A n ) Σ, also n=0 A n f (Σ). Direkt nach Definition der Meßbarkeit ist f : (Ω, Σ) (Ω, f (Σ)) meßbar. In der Tat ist f (Σ) die größte σ-algebra auf Ω für die f meßbar ist, d.h. ist Σ eine beliebige σ-algebra auf Ω, so gilt f : (Ω, Σ) (Ω, Σ ) ist meßbar Σ f (Σ). Über die Abbildung f können wir also eine σ-algebra von Ω auf Ω übertragen. Hiermit können wir jetzt das folgende Lemma beweisen: Lemma 2.4: Sei (Ω, Σ) ein Meßraum. (a) Seien Ω eine weitere Menge, f : Ω Ω eine Abbildung und Λ P(Ω ) eine Menge von Teilmengen von Ω. Dann ist f : (Ω, Σ) (Ω, σ(λ)) genau dann meßbar wenn für jedes A Λ stets f 1 (A) Σ gilt. (b) Ist M ein metrischer Raum, so ist eine Abbildung f : (Ω, Σ) (M, B(M)) genau dann meßbar wenn f 1 (U) Σ für jede offene Menge U M gilt. (c) Eine Abbildung f : (Ω, Σ) (R, B(R)) ist genau dann meßbar wenn die Menge {x Ω f(x) < c} Σ für jedes c R meßbar ist. (d) Eine Abbildung f : (Ω, Σ) (R, B(R)) ist genau dann meßbar wenn die Menge {x Ω f(x) < c} Σ für jedes c R meßbar ist. Beweis: (a) Genau dann ist f 1 (A) Σ für jedes A Λ wenn Λ f (Σ) gilt, und da f (Σ) eine σ-algebra auf Ω ist, ist dies weiter zu σ(λ) f (Σ) gleichwertig. Letzteres bedeutet aber genau die Meßbarkeit von f : (Ω, Σ) (Ω, σ(λ)). (b) Klar nach (a) da die Borelalgebra B(M) definitionsgemäß von den offenen Teilmengen von M erzeugt wird. (c) Wie schon früher gesehen gilt B(R) = σ({(, c) c R}), und da für jedes c R stets f 1 ((, c)) = {x Ω f(x) < c} ist, ist auch diese Aussage eine Folgerung aus (a). (d) Analog zu (c) unter Verwendung von Aufgabe (1.c). Teil (a) dieses Lemmas besagt das es zum Nachweis der Meßbarkeit einer Funktion ausreicht die Urbilder von Erzeugern der σ-algebra zu betrachten, da diese im Gegensatz 3-3

zu den Elementen von σ(λ) meist explizit gegeben sind, ist dies ein enormer Fortschritt. Insbesondere erhalten wir die angekündigte Aussage über stetige Abbildungen. Satz 2.5 (Stetigkeit impliziert Meßbarkeit) Seien M, N zwei metrische Räume und f : M N eine stetige Abbildung. Dann ist f : (M, B(M)) (N, B(N)) auch meßbar. Beweis: Klar nach [Schütt, 4.3, Satz 28] und Lemma 4.(b). Es gibt noch eine weitere Grundkonstruktion für Meßräume die wir nun einführen wollen, die Bildung von Produkträumen. Wir werden meist nur Bedarf für Produkte von zwei, oder höchstens endlich vielen, Faktoren haben, die Definition ist aber problemlos für völlig beliebige, sogar überabzählbare, Indexmengen möglich. Erinnern sie sich zunächst an die mengentheoretische Definition des cartesischen Produkts, dort hat man eine durch eine Indexmenge I indizierte Familie (M i ) i I von Mengen, und das cartesische Produkt i I M i ist die Menge aller auf I definierten Funktionen x mit x i M i für jedes i I, man schreibt die Elemente dann typischerweise als Tupel (x i ) i I. Für jeden Index i I definiert die Auswertung in i eine Abbildung pr i : j I M j M i ; x x i, genannt die Projektion auf die i-te Komponente. Ist M eine weitere Menge und ist für jedes i I eine Abbildung f i : M M i gegeben, so kann man eine Abbildung f := (f i ) i I : M i I M i ; x (f i (x)) i I definieren, man nennt f i für i I dann die i-te Komponente von f, explizit ist f i = pr i f. Mit diesen Bezeichnungen ergibt sich der folgende Satz über Produkte von Meßräumen. Satz 2.6 (Produkte von Meßräumen) Sei (Ω i, Σ i ) i I eine Familie von Meßräumen. Schreibe Ω := i I Ω i und für jedes i I bezeichne pr i : Ω Ω i die Projektion. Die σ-algebra Σ := i I Σ i := σ({pr 1 i (A) i I, A Σ i }) auf Ω heißt das Produkt der σ-algebren (Σ i ) i I und (Ω i, Σ i ) := (Ω, Σ) i I heißt der Produktmeßraum der Familie (Ω i, Σ i ) i I. Dabei ist Σ die kleinste σ-algebra auf Ω für die alle Projektionen pr i : (Ω, Σ) (Ω i, Σ i ) für alle i I meßbar sind. Ist 3-4

(Ω, Σ ) ein weiterer Meßraum und ist f i : Ω Ω i für jedes i I eine Abbildung, so ist f := (f i ) i I : Ω Ω; x (f i (x)) i I genau dann meßbar wenn f i : Ω Ω i für jedes i I meßbar ist. Beweis: Ist Σ eine σ-algebra auf Ω, so sind genau dann alle Projektionen pr i : (Ω, Σ ) (Ω i, Σ i ) für i I meßbar wenn {pr 1 i (A) i I, A Σ i } Σ gilt, und dies ist genau dann der Fall wenn Σ Σ gilt. Damit ist die erste Aussage bewiesen. Wir kommen zur zweiten Aussage. Ist f : (Ω, Σ ) (Ω, Σ) meßbar, so ist für jedes i I auch f i = pr i f : (Ω, Σ ) (Ω i, Σ i ) meßbar. Nun sei dies umgekehrt vorausgesetzt. Sind dann i I und A Σ i, so ist f 1 (pr 1 i (A)) = (pr i f) 1 (A) = (A) Σ, also ist f : (Ω, Σ ) (Ω, Σ) nach Lemma 4.(a) meßbar. f 1 i Wollen wir eine entsprechende Aussage für die Borelschen σ-algebren metrischer Räume beweisen, so kommen einige neue Schwierigkeiten hinzu. Zum einen ist ein beliebiges Produkt metrischer Räume kein metrischer Raum mehr. Für abzählbare Produkte kann man noch eine Produktmetrik konstruieren, aber wir wollen uns hier auf den einfachen Fall zweier Faktoren beschränken, dies wird für unsere Zwecke ausreichen. Seien also (M i, d i ) für i = 1, 2 zwei metrische Räume. Auf dem Produkt M := M 1 M 2 können wir dann die Metrik d((x, y), (x, y )) := max{d 1 (x, x ), d 2 (y, y )} für x, x M 1, y, y M 2 einführen. Leider ist im allgemeinen B(M 1 M 2 ) B(M 1 ) B(M 2 ). Es gibt aber einen guten Fall in dem diese Identität doch gilt, nämlich wenn M 1 und M 2 separabel sind. Dabei wurde ein metrischer Raum separabel genannt wenn er eine abzählbare, dichte Teilmenge besitzt. Sind M 1, M 2 zwei separable metrische Räume, so ist tatsächlich B(M 1 M 2 ) = B(M 1 ) B(M 2 ). Dies alles zu beweisen wird eine Übungsaufgabe sein. Wir wenden dies nun speziell auf die reellen Zahlen an. Seien n, m N mit n, m 1 gegeben. Als Metrik des R n beziehungsweise R m verwenden wir die durch die Norm gegebene Metrik. Die Produktmetrik auf R n R m = R n+m ist dann wieder durch die Norm gegeben, also gilt Insbesondere ist B(R n+m ) = B(R n ) B(R m ). (R n, B(R n )) = n (R, B(R)), und nach Satz 6 ist eine Funktion f : (Ω, Σ) (R n, B(R n )) genau dann meßbar wenn sämtliche Komponenten f i : (Ω, Σ) (R, B(R)) für 1 i n meßbar sind. Interpretieren wir C = R 2, so folgt auch das eine Abbildung f : (Ω, Σ) (C, B(C)) genau dann meßbar ist wenn Real- und Imaginärteil Re f, Im f : (Ω, Σ) (R, B(R)) meßbar 3-5 i=1

sind. Damit können wir auch die arithmetischen Eigenschaften meßbarer Funktionen nachweisen. Lemma 2.7 (Summen und Produkte meßbarer Funktionen) Seien (Ω, Σ) ein Meßraum, K {R, C} und n N mit n 1. (a) Sind f, g : (Ω, Σ) (K n, B(K n )) meßbar, so ist auch die Summe f +g : (Ω, Σ) (K n, B(K n )) meßbar. (b) Sind f : (Ω, Σ) (K, B(K)) und g : (Ω, Σ) (K n, B(K n )) meßbar, so ist auch f g : (Ω, Σ) (K n, B(K n )) meßbar. (c) Die Menge L(Ω, Σ; K n ) := {f : (Ω, Σ) (K n, B(K n )) f ist meßbar} ist ein Untervektorraum von K Ω. Beweis: (a) Wegen B(K 2n ) = B(K n ) B(K n ) ist nach Satz 6 auch (f, g) : (Ω, Σ) (K 2n, B(K 2n )) meßbar. Da die Addition + : K 2n K n stetig ist, ist sie nach Satz 5 auch meßbar, und somit ist auch f + g = + (f, g) meßbar. (b) Analog zu (a). (c) Klar nach (a,b). 3-6