Kapitel 2 Besteuerung von Altersvorsorgeprodukten Dr. Alexander Kling apl. Prof. Dr. Jochen Ruß www.ifa-ulm.de
Vorbemerkung Die Besteuerung von Altersvorsorgeprodukten in Deutschland ist extrem komplex. Es erfolgt daher lediglich ein stark vereinfachter Überblick über die (teilweise subjektiv ausgewählten) wichtigsten Grundprinzipien. 2 November 2013 Kapitel 2
Kapitel 2: Besteuerung von Altersvorsorgeprodukten Agenda Das 3-Schichten-Modell der Altersvorsorge in Deutschland 1. Schicht: Basisvorsorge 3. Schicht: private Lebensversicherung 3 November 2013 Kapitel 2
Die drei Schichten der Altersvorsorge 3-Schichten-Modell der Altersvorsorge in Deutschland Alterseinkünftegesetz (AEG) mit Gültigkeit seit dem 1.1.2005 Drei-Schichten-Modell 3. Schicht: u.a. private Lebensversicherung (Rente, Kapital) betriebliche Altersversorgung, Riester-Rente 1. Schicht: Basisvorsorge gesetzliche Rentenversicherung, Basisrente (Rürup) 4 November 2013 Kapitel 2
1. Schicht Basisvorsorge 1. Schicht: Basisvorsorge gesetzliche Rentenversicherung, Basisrente (Rürup) 1. Schicht: Basisvorsorge a) gesetzliche Rentenversicherung ca. 50 Mio. Versicherte derzeit ca. 20 Mio. Rentner Rentenhöhen und Rentenanpassungen werden in Zukunft geringer ausfallen Wir haben gesehen, dass die gesetzliche Rentenversicherung alleine in Zukunft für viele Menschen nicht mehr ausreichen wird, um den Lebensstandard im Alter zu finanzieren Daher wurden gewisse staatlich geförderte kapitalgedeckte Systeme eingeführt. 5 November 2013 Kapitel 2
1. Schicht Basisvorsorge 1. Schicht: Basisvorsorge gesetzliche Rentenversicherung, Basisrente (Rürup) 1. Schicht: Basisvorsorge b) Basisrente (auch: Rürup-Rente, seit 1.1.2005) Kapital gedeckte Basisvorsorge (als Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung) lebenslange, monatliche Leibrente frühestens ab Alter 62 ( Zwangsverrentung ) Ansprüche sind nicht vererbbar Hinterbliebenenrente möglich Ansprüche dürfen (wie die gesetzliche Rente) nicht veräußerbar, nicht übertragbar, nicht beleihbar und nicht kapitalisierbar sein. sukzessiver Übergang zur nachgelagerten Besteuerung steuerbegünstigte Prämienzahlungen (Sonderausgabenabzug) Besteuerung aller Leistungen 6 November 2013 Kapitel 2
2. Schicht staatlich geförderte Zusatzvorsorge betriebliche Altersversorgung, Riester-Rente a) Betriebliche Altersversorgung 119,2 Aufteilung der Deckungsmittel in der bav auf die 5 Durchführungswege (in Mrd. EUR, 2011) 26,2 55,7 35 264,6 Direktzusagen Unterstützungskasse Pensionsf onds Pensionskassen Direktversicherung Zudem Unterscheidung in Art der Finanzierung Entgeltumwandlung Arbeitgeberfinanzierung Art der Zusage Leistungszusage Beitragsorientierte Leistungszusage Beitragszusage mit Mindestleistung Reine Beitragszusage existiert in Deutschland nicht, d.h. Produkte benötigen garantierte Leistungen 7 November 2013 Kapitel 2
2. Schicht staatlich geförderte Zusatzvorsorge betriebliche Altersversorgung, Riester-Rente a) Betriebliche Altersversorgung Interne Durchführungswege (Direktzusage, Unterstützungskasse) kein Lohnzufluss in der Anwartschaftsphase Leistungen sind vollständig als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu versteuern ( volle nachgelagerte Besteuerung) Externe Durchführungswege (Pensionsfonds, Pensionskasse, Direktversicherung) Beitragszahlungen sind grundsätzlich steuerpflichtiger Arbeitslohn, in gewissen Grenzen jedoch steuerfrei möglich. 3 Nr. 63 EStG: 4% GRV-BBG (West) [in 2014: 2.856 EUR] + 1.800 EUR p.a.) auch Riester-Förderung möglich Leistungen aus steuerfreien Beiträgen sind vollständig (d.h. zu 100%) als sonstige Einkünfte zu versteuern ( insoweit nachgelagerte Besteuerung). Die übrigen Leistungen sind wie in der 3. Schicht zu versteuern. 8 November 2013 Kapitel 2
2. Schicht staatlich geförderte Zusatzvorsorge betriebliche Altersversorgung, Riester-Rente b) Riesterrente staatlich geförderte private Altersvorsorge (seit 1.1.2002) Förderung in Form von Zulagen auf privat eingezahlte Beiträge oder Steuerersparnis auch innerhalb der betrieblichen Altersversorgung möglich Anforderungen an die Produkte (Auswahl Stand 2013) staatlich zertifiziert (Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz, AltZertG) keine Auszahlung vor Alter 62 max. 30% als Einmalzahlung, Rest als lebenslange Leibrente Auszahlungsplan mit Restverrentung ab 85 möglich Bruttobeitragsgarantie bei Beginn der Rente erforderlich 9 November 2013 Kapitel 2
2. Schicht staatlich geförderte Zusatzvorsorge betriebliche Altersversorgung, Riester-Rente b) Riesterrente Grundidee der Besteuerung/Zulagen Förderung in Form von Zulagen auf privat eingezahlte Beiträge oder Steuerersparnis Grundzulage (max. 154 EUR) Kinderzulage pro Kind (max. 185 EUR bzw. 300 EUR für ab 2008 Geborene) volle Zulage, falls Gesamtbeitrag (incl. Zulagen) mindestens 4% des Vorjahreseinkommens, mindestens aber 60 EUR Eigenbeitrag Evtl. Sonderausgabenabzug in Höhe des die Zulagen übersteigenden Teils des hypothetischen Steuervorteils, falls dies günstiger ist. hypothetischer Steuervorteil = Steuerersparnis, die sich ergeben hätte, wenn Beiträge in Höhe von maximal 2.100 EUR pro Jahr steuerfrei gewesen wären (sog. Günstigerprüfung) Besteuerung der Leistungen Soweit die Auszahlungen auf geförderten Beiträgen beruhen, sind sie als sonstige Einkünfte zu 100% steuerpflichtig; die übrigen Leistungen sind wie in der 3. Schicht zu versteuern. Schädliche Verwendung (im Gegensatz zur Basisrente grundsätzlich möglich) bei frühzeitiger Leistung (z.b. Kündigung oder vollständige Auszahlung bei Rentenbeginn) Folge: Rückzahlung der Zulagen und Steuervorteile 10 November 2013 Kapitel 2
3. Schicht private Lebensversicherung 3. Schicht: u.a. private Lebensversicherung (Rente, Kapital) 3. Schicht: private Lebensversicherung restliche Altersvorsorgeprodukte Vorbemerkung: Besteuerung in der 3. Schicht erfolgt vorgelagert, d.h. die Beiträge werden aus versteuertem Einkommen gezahlt und von den Leistungen sind (lediglich) die Erträge zu versteuern. aber: Für Versicherungsprodukte existieren gewisse Vergünstigungen für Kapitalversicherungen Unter bestimmten Voraussetzungen ist nur die Hälfte der Erträge steuerpflichtig. für Rentenversicherungen In der Rentenphase ist nur der Ertragsanteil der Rente zu versteuern, d.h. für aufgeschobene Renten: die Erträge in der Ansparphase sind steuerfrei. Grundsätzlich: Besteuerung erst wenn der Kunde eine Leistung erhält! Für die Besteuerung als Versicherungsprodukt ist eine nennenswerte Risikotragung erforderlich explizit ausgenommen: Vermögensverwaltende Verträge. 11 November 2013 Kapitel 2
3. Schicht private Lebensversicherung 3. Schicht: u.a. private Lebensversicherung (Rente, Kapital) 3. Schicht: private Lebensversicherung restliche Altersvorsorgeprodukte Besteuerung einer Kapitalversicherung und anderer Einmalzahlungen Besteuerung einer Einmalzahlung Art der Auszahlung ist dabei ohne Einfluss auf Besteuerung, d. h. die Regelung für planmäßige Erlebensfallleistung gilt z. B. auch für den Rückkaufswert. Fall 1) Der Steuerpflichtige ist bei Erhalt der Leistung älter als 62 Jahre und der Vertrag läuft bereits seit mehr als 12 Jahren und der Vertrag weist eine nennenswerte Risikotragung auf Besteuerung von 50% des so genannten Unterschiedsbetrags (mit individuellem Steuersatz) Unterschiedsbetrag = Leistung Beiträge Fall 2) Die Bedingungen aus 1) sind nicht erfüllt Besteuerung von 100% des Unterschiedsbetrags seit 2009: mit Abgeltungsteuer (einziger Fall, in dem die Abgeltungsteuer die Versicherung direkt betrifft) 12 November 2013 Kapitel 2
3. Schicht private Lebensversicherung 3. Schicht: u.a. private Lebensversicherung (Rente, Kapital) 3. Schicht: private Lebensversicherung restliche Altersvorsorgeprodukte Besteuerung einer lebenslangen Rente Besteuerung hängt nicht davon ab, ob es sich um eine sofort beginnende oder eine aufgeschobene Rente handelt Jede Rente ist mit dem so genannten Ertragsanteil zu besteuern. Der Ertragsanteil ist eine Näherung für die Zinserträge, die der Versicherte nach Rentenbeginn mit seinem Kapital erwirtschaftet Details s. nächste Folien Aufgeschobene Renten: Alle Erträge, die vor Rentenbeginn angefallen sind, steuerfrei! Aber: Dies gilt nur, wenn gewisse Regeln eingehalten werden: gleich bleibende oder steigende Renten in Euro; lebenslange Rentenzahlung; Übernahme eines Langlebigkeitsrisikos bereits bei Vertragsbeginn; Rentengarantiezeit darf die auf volle Jahre aufgerundete mittlere Lebenserwartung der versicherten Person bei Rentenbeginn nicht übersteigen All das ist stark vereinfacht es gibt nach wie vor Grauzonen, die Jahre nach der Einführung der aktuellen Regeln noch nicht klar sind! 13 November 2013 Kapitel 2
3. Schicht private Lebensversicherung 3. Schicht: u.a. private Lebensversicherung (Rente, Kapital) 3. Schicht: private Lebensversicherung restliche Altersvorsorgeprodukte Besteuerung einer lebenslangen Rente: Was ist eigentlich der Ertragsanteil? Die Rentenzahlungen bestehen zu einem Teil aus Rückzahlung des verrenteten Kapitals, zu einem Teil aus Erträgen. Wie hoch der Anteil der Erträge exakt ist, weiß man für jeden Kunden jedoch erst nach dessen Ableben. Die steuerlich relevanten Ertragsanteile sind eine grobe Annäherung des Finanzministeriums für diesen Anteil. Vereinfachende Annahmen: Jeder Kunde lebt genau bis zu seiner Lebenserwartung. konstanter Zins auf die Erträge bis dahin Die so berechneten Ertragsanteile sind im Einkommensteuergesetz tabelliert. Beispiel: Ein bei Rentenbeginn 60-Jähriger muss 22% jeder Rentenzahlung versteuern, ein bei Rentenbeginn 65-Jähriger nur 18%. (Diese beiden Werte sind in der folgenden Tabelle hervorgehoben). 14 November 2013 Kapitel 2
3. Schicht private Lebensversicherung 3. Schicht: u.a. private Lebensversicherung (Rente, Kapital) 3. Schicht: private Lebensversicherung restliche Altersvorsorgeprodukte: Ertragsanteil Alter Alter Alter Alter Ertragsanteil Ertragsanteil Ertragsanteil Ertragsanteil 0-1 59 30-31 44 51-52 29 71 14 2-3 58 32 43 53 28 72-73 13 4-5 57 33-34 42 54 27 74 12 6-8 56 35 41 55-56 26 75 11 9-10 55 36-37 40 57 25 76-77 10 11 12 54 38 39 58 24 78-79 9 13 14 53 39-40 38 59 23 80 8 15 16 52 41 37 60-61 22 81-82 7 17 18 51 42 36 62 21 83-84 6 19 20 50 43-44 35 63 20 85-87 5 21-22 49 45 34 64 19 88-91 4 23 24 48 46-47 33 65-66 18 92-93 3 25 26 47 48 32 67 17 94-96 2 27 46 49 31 68 16 ab 97 1 28-29 45 50 30 69-70 15 Je länger die Lebenserwartung bei Rentenbeginn, desto höher der Anteil der Erträge an der gezahlten Rente. 15 November 2013 Kapitel 2
3. Schicht private Lebensversicherung 3. Schicht: u.a. private Lebensversicherung (Rente, Kapital) 3. Schicht: private Lebensversicherung restliche Altersvorsorgeprodukte Konsequenzen: 1. Benachteiligung von verrenteten Kapitallebensversicherungen Üblicherweise besitzen aufgeschobene Rentenversicherungen ein Kapitalwahlrecht. Wird dieses ausgeübt, so wird die Kapitalabfindung am Ende der Ansparphase gleich besteuert wie eine Kapitalleistung einer Kapitallebensversicherung. Ferner besitzen Kapitallebensversicherungen oft eine Verrentungsoption. Wird diese ausgeübt, so entsteht ein steuerlicher Nachteil! Es wird zunächst der zur Verfügung stehende Betrag besteuert (als wäre er dem Kunden als Einmalzahlung zugeflossen) nur der Rest kann dann verrentet werden. Rente mit Kapitalwahloption ist also einer KLV mit Rentenoption vorzuziehen. Deshalb werden nahezu keine Kapitallebensversicherungen mehr verkauft. 2. Garantien werden noch langfristiger Aus steuerlichen Gründen muss bei aufgeschobenen Renten ein Langlebigkeitsrisiko bereits bei Vertragsbeginn übernommen werden. Der Versicherer muss also i. Wes. schon bei Vertragsabschluss garantieren, zu welchen Konditionen er das angesparte Geld verrentet. Dies erfordert oft auch das Abgeben einer Zinsgarantie. 16 November 2013 Kapitel 2