6 Produktdifferenzierung und Produktvielfalt. 6.1 Produktvielfalt. In diesem Abschnitt untersuchen wir:

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Transkript:

Wettbewerbstheorie und -politik 6-1 Dr. Florian Englmaier 6 Produktdifferenzierung und Produktvielfalt In diesem Abschnitt untersuchen wir: Wie viele verschiedene Güter werden im Gleichgewicht angeboten? Welche Rolle spielt die Produktvielfalt als Strategie zur Abschreckung von Marktzutritt? 6.1 Produktvielfalt Für unsere Analyse der Produktvielfalt unterstellen wir, dass jeder Anbieter ein anderes Gut anbietet. Wir fragen, wie viele verschiedene Anbieter im Gleichgewicht am Markt vertreten sein werden, wenn es außer fixen Kosten des Marktzutritts keine Marktzugangsbarrieren gibt. Diese Frage analysieren wir im Modellrahmen einer Kreis- Stadt von Salop. Im Straßenmodell treten bei mehr als zwei Anbietern Asymmetrien zwischen den Anbietern auf. Dies kann im Salop-Modell vermieden werden. c Monika Schnitzer 2008

Wettbewerbstheorie und -politik 6-2 Dr. Florian Englmaier Das Modell: Die Stadt besteht aus einer Kreisstraße mit einem Umfang von 1. Die Konsumenten sind auf dieser Straße gleichförmig verteilt, mit Dichte m. D.h. die Gesamtzahl der Konsumenten ist gleich m. Jeder Konsument möchte eine Einheit des Gutes kaufen, der Bruttonutzen aus dem Konsum ist s. Die Transportkosten sind linear und betragen t pro Entfernungseinheit. Die Stückkosten der Produktion jedes Anbieters sind c. Bei Marktzutritt entstehen einem Anbieter Fixkosten in Höhe von F.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-3 Dr. Florian Englmaier Wir betrachten das folgende Zwei-Stufen-Spiel: Stufe 1 In Stufe 1 entscheiden alle potentiellen Anbieter simultan über ihren Marktzutritt zu Kosten von F. Sobald n 0 Anbieter in den Markt eingetreten sind, werden sie automatisch gleichmäßig auf der Kreisstraße angeordnet. D.h. maximale Produktdifferenzierung wird unterstellt. (Diese maximale Produktdifferenzierung kann in einem Drei-Stufen-Spiel endogen abgeleitet werden (Economides)). Stufe 2 In Stufe 2 befinden sich alle n Anbieter im Preiswettbewerb.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-4 Dr. Florian Englmaier Da keine Marktzugangsbarrieren bestehen, müssendie Gleichgewichtsgewinne der Unternehmen, die in den Markt eintreten, gleich Null sein (bis auf das Ganzzahligkeitsproblem). Wir lösen das Spiel durch Rückwärtsinduktion: Stufe 2 Da alle Anbieter symmetrisch positioniert sind, suchen wir nach einem symmetrischen Nash-Gleichgewicht in Preisen, in dem jeder Anbieter den Preis p wählt. Betrachten wir Anbieter i. Dieser Anbieter hat praktisch nur zwei richtige Konkurrenten, Anbieter i+1 und Anbieter i-1. Angenommen Anbieter i wählt p i. Dann wird seine Nachfrage bestimmt durch den marginalen Konsumenten zwischen i und i+1 (und symmetrisch zwischen i und i-1). Dieser marginale Konsument wird durch folgende Bedingung charakterisiert: p i + tx = p + t( 1 n x) = x = p p i + t n 2t (6.1) Da Anbieter i zwei Konkurrenten hat, die jeweils einen symmetrischen Preis p bieten, ist die Gesamtnachfrage von Anbieter i gegeben durch

Wettbewerbstheorie und -politik 6-5 Dr. Florian Englmaier p i + D i (p i, p) =2xm = p t n m (6.2) t Die Gewinnfunktion von Anbieter i ist also π i = p i + (p i c) p t n m F (6.3) t π i = m p p i + t n (p i c) p i t π i p i p i =p = m p + t n + c t p = c + t n (6.4) = 0 (6.5) x = 1 2n = t/n 2t (6.6) Die Gewinnmarge (p c) ist um so kleiner, je größer die Zahl der Anbieter n, und sie ist um so größer, je größer die Transportkosten t. Der Gewinn als Funktion von n ist deshalb: π i (n) =(p c)2xm F = t 2t/n n 2t m F = tm n F (6.7) 2

Wettbewerbstheorie und -politik 6-6 Dr. Florian Englmaier Stufe 1 Die Zahl der Anbieter, die in Stufe 1 in den Markt eintreten, wird bestimmt durch die Nullgewinnbedingung. Im Gleichgewicht treten genau n Anbieter in den Markt ein, so dass π i (n ) 0 π i (n + 1) < 0 (6.8) Der Gleichgewichtspreis ist also tm n F 0 (6.9) 2 tm F (6.10) n 2 n 2 tm (6.11) F n tm (6.12) F p = c + t mt F = c + tf m (6.13)

Wettbewerbstheorie und -politik 6-7 Dr. Florian Englmaier Fazit: Die Anbieter wählen einen Preis, der über den Grenzkosten liegt, machen aber im Gleichgewicht Nullgewinne. Die positive Gewinnspanne ist notwendig, um die Fixkosten des Marktzutritts abzudecken. Wenn die Fixkosten F steigen, nimmt die Zahl der Anbieter, die in den Markt eintreten, ab. Wenn statt dessen F gegen Null geht, konvergiert die Zahl der Anbieter, die in den Markt eintreten, gegen unendlich und die Gewinnmarge geht gegen Null. Eine Zunahme der Transportkosten t erhöht die Gewinnmarge und erhöht so die Zahl der Anbieter am Markt. Das gleiche gilt, wenn die Zahl der Konsumenten steigt. Je größer die Gesamtnachfrage m, desto mehr Anbieter können in den Markt eintreten. Die Gewinnmarge pro Konsument nimmt ab, aber dies wird überkompensiert durch die Zunahme der Zahl der Konsumenten. Wenn die Zahl der Konsumenten gegen unendlich geht, geht die Zahl der Anbieter am Markt ebenfalls gegen unendlich. Der Marktanteil eines individuellen Anbieters geht gegen Null. Dieses Ergebnis wird Fragmentierungsergebnis genannt. (Dieses Ergebnis gilt nicht notwendigerweise bei vertikaler Produktdifferenzierung).

Wettbewerbstheorie und -politik 6-8 Dr. Florian Englmaier Beachten Sie: Wir haben implizit unterstellt, dass im Gleichgewicht alle Konsumenten eine Einheit kaufen. Dies ist erfüllt, wenn F hinreichend klein und deshalb die Zahl der Anbieter hinreichend groß ist, oder wenn s hinreichend groß ist, so dass jeder Konsument einen positiven Nutzen daraus zieht, eine Einheit des Gutes zu kaufen.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-9 Dr. Florian Englmaier Wie zuvor wollen wir bestimmen, ob die Gleichgewichtszahl der Anbieter größer oder kleiner als die sozial optimale ist. Dazu vergleichen wir wieder das Gleichgewicht bei freiem Marktzutritt mit der Allokation, die durch einen sozialen Planer gewählt würde. Beachten Sie: Wenn im Gleichgewicht alle Konsumenten eine Einheit kaufen, ist die Zahl der eintretenden Anbieter völlig irrelevant für die gesamte verkaufte Menge. Ein sozialer Planer wählt deshalb n so, dass die Gesamtsumme von Transportkosten und Marktzutrittskosten minimiert wird. 1 min n nf + t 2nm 2n 0 xdx (6.14) = = = nf + t2nm 1 2 x2 1 2n 0 (6.15) 1 1 nf + t2nm 24n 2 (6.16) nf + tm (6.17) 4n

Wettbewerbstheorie und -politik 6-10 Dr. Florian Englmaier Die Bedingung erster Ordnung ist FOC: F tm4 16n = 0 (6.18) 2 Die sozial optimale Zahl der Anbieter ist also n W = tm 4F = 1 2 tm F = 1 2 n (6.19) Vom normativen Standpunkt aus gesehen ist die Zahl der Anbieter im Gleichgewicht mit freiem Marktzutritt also zu groß.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-11 Dr. Florian Englmaier 6.2 Abschreckung von Marktzutritt durch Produktvielfalt In diesem Abschnitt untersuchen wir, ob es sich für einen etablierten Anbieter lohnt, durch Ausdehnung der Produktpalette potentiellen Marktzutritt abzuschrecken. Der Markt für Frühstückszerealien Die Produktion von Frühstückszerealien war in den Vereinigten Staaten der Nachkriegszeit auf wenige Anbieter konzentriert. Die vier größten Anbieter hatten einen gemeinsamen Marktanteil von mindestens 85 Prozent, die größten sechs Anbieter von mindestens 95 Prozent. Die führenden Anbieter machten sehr hohe Gewinne. Zwischen 1940 und 1970 erlangte kein neuer Produzent einen nennenswerten Marktanteil. Zwischen 1950 und 1972 führten die sechs führenden Produzenten über 80 neue Frühstückszerealiensorten ein. Anfang der 70er Jahre traten mehrere große neue Anbieter in Markt ein und verkauften sogenannte natürliche Zerealien (Müsli).

Wettbewerbstheorie und -politik 6-12 Dr. Florian Englmaier Was erklärt, dass es vor 1972 trotz der hohen Gewinne keinen Marktzutritt gab? Im April 1972 erhob die US Federal Trade Commission Anklage gegen die vier größten US Produzenten von RTE (ready to eat) Zerealien, Kellog, General Mills, General Foods und Quaker Oats. Die FTC argumentierte, dass durch Product Proliferation hohe Marktzutrittsschranken errichtet wurden, die einen Marktzugang und damit verschärften Preiswettbewerb verhinderten. Der Prozess begann im April 1976. Richard Schmalensee trat als Experte für die FTC auf und entwarf dazu ein ökonomisches Modell. Wir diskutieren den Sachverhalt anhand eines vereinfachten Modells, das auf Fudenberg und Tirole (1986) zurückgeht. Es gibt eine lineare Straße der Länge 1. Die Konsumenten sind gleichförmig entlang der Straße verteilt. Beim Einkauf entstehen lineare Transportkosten t pro Distanz zum Anbieter. Es gibt nur zwei mögliche Standorte für einen Laden: bei x=0 und bei x=1.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-13 Dr. Florian Englmaier Es gibt unendlich viele Perioden. In Periode 0 ist die Gesamtzahl der Konsumenten gleich 1. In Periode T (T ist eine gerade Zahl) verdoppelt sich diese Zahl auf 2 für alle zukünftigen Perioden. In Periode 0 gibt es einen etablierten Anbieter (Anbieter 1), dessen Laden sich am Standort x=0 befindet. Er bedient den ganzen Markt von diesem Standort aus. Es gibt einen potentiellen zweiten Anbieter, Anbieter 2. Die beiden Anbieter können sich abwechselnd entscheiden, ob sie einen Laden am Standort x=1 errichten, zu Periodenfixkosten von F. Anbieter 1 kann dies in ungeraden Perioden tun, Anbieter 2 in geraden. Zukünftige Gewinne werden abdiskontiert. Beachten Sie: Im Gleichgewicht wird es nie passieren, dass beide Anbieter einen Laden am rechten Ende der Straße errichten. In dem Fall würde Bertrand-Wettbewerb zu Nullgewinnen führen und keiner der Anbieter könnte seine Fixkosten decken. Wer tritt in den Markt und wann kommt es zu Marktzutritt?

Wettbewerbstheorie und -politik 6-14 Dr. Florian Englmaier Notation Periodengewinn von Anbieter 1 vor Periode T: π0 M, wenn Anbieter 1 einen Laden hat, π1 M, wenn Anbieter 1 zwei Läden hat, π d, wenn es zu Marktzutritt durch Anbieter 2 kommt. Analog dazu sind die Periodengewinne von Anbieter 2 π d, wenn Anbieter 2 in den Markt eintritt, und 0, wenn Anbieter 2 nicht in den Markt eintritt. Ab Periode T verdoppeln sich diese Periodengewinne. Wir unterstellen, dass π M 1 >π M 0 π M 1 > 2π d (6.20) Diese Bedingungen sind recht allgemein gültig. Wenn die Konsumenten jeweils eine Einheit nachfragen, ihr Bruttonutzen aus dem Konsum gleich s (und s groß ) ist und die Produktionskosten gleich Null sind, dann gilt π0 M = s t, π1 M = s t 2 and πd = t 2, und die Bedingungen sind damit erfüllt.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-15 Dr. Florian Englmaier Angenommen, die folgenden Bedingungen gelten. 2π d > F > π d (6.21) Dann möchte Anbieter 2 in Periode T in den Markt eintreten, wenn Anbieter 1 dies bis dahin noch nicht getan hat. Ab Periode T ist der Periodengewinn positiv, vorher negativ im Falle eines Marktzutritts. Wenn die Gefahr besteht, dass Anbieter 1 schon vorher einen Laden am rechten Ende der Straße errichtet, wird Anbieter 2 erwägen, schon früher in den Markt einzutreten. Definition: T 2 < T sei die größte gerade Periodennummer, für die gerade noch gilt, dass die Summe der Periodenverluste π d F zwischen T 2 und T kleiner oder gleich der Summe der Periodengewinne 2π d F ab Periode T sind. Wir unterstellen ferner, dass π M 1 π M 0 < F. (6.22) Das heißt, ohne Gefahr eines Marktzugangs durch Anbieter 2 zieht es Anbieter 1 vor, nicht vor Periode T zu investieren.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-16 Dr. Florian Englmaier Wir lösen das Spiel durch Rückwärtsinduktion. Wir beginnen in Periode T. In Periode T möchte Anbieter 2 in den Markt eintreten, falls Anbieter 1 am rechten Straßenrand noch keinen Laden errichtet hat. Dies antizipierend, wird Anbieter 1 bereits in Periode T-1 investieren, um den Marktzutritt von Anbieter 2 zu verhindern. Anbieter 2 will demzufolge schon in Periode T-2 in den Markt eintreten, und so weiter. Anbieter 2 wird nicht vor Periode T 2 in den Markt kommen, selbst wenn in der nächsten Periode Anbieter 1 einen zweiten Laden errichten wird. Um Marktzutritt zu verhindern, muss Anbieter 1 also spätestens in Periode T 2 1 seinen Laden errichten.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-17 Dr. Florian Englmaier Ob sich der Marktzutritt für Anbieter 1 zu diesem Zeitpunkt lohnt, zeigt der folgende Vergleich: Im Falle eines Marktzutritts macht Anbieter 1 Periodenverluste von π1 M F vor T und Periodengewinne von F.nachT 2π M 1 Wenn Anbieter 1 nicht in den Markt eintritt, wird Anbieter 2 dies in der nächsten Periode tun. Dann erzielt Anbieter 1 Periodengewinne von π d vor bzw. 2π d nach T. Der Gewinnzuwachs für Anbieter 1, wenn er den Laden jetzt errichtet, ist also π M 1 F π d vor T und 2π M 1 F 2π d nach T. Beachten Sie, dass π M 1 π d >π d, (6.23) d.h. der Anreiz des etablierten Anbieters, den Markt durch Neueröffnung eines Ladens zu verteidigen, ist in jeder Periode größer als der Anreiz eines Neulings, in den Markt zuzutreten. Anbieter 1 wird deshalb vor Anbieter 2 den Laden eröffnen und Anbieter 2 bleibt dem Markt fern.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-18 Dr. Florian Englmaier Das teilspielperfekte Gleichgewicht hat die folgenden beiden interessanten Eigenschaften: 1. Persistenz des Monopols: Der etablierte Anbieter kommt dem potentiellen Neuanbieter zuvor und besetzt die freie Marktnische. Das Persistenz des Monopols Ergebnis ist ganz allgemein gültig und rührt daher, dass π1 M 2π d. Der Anreiz eines Marktneulings, in den Markt einzutreten, ist π d, wohingegen der Anreiz eines etablierten Anbieters, den Neuling vom Markt fernzuhalten, π1 M π d ist; d.h. sein Gewinn, wenn er den zweiten Laden eröffnet, abzüglich der Opportunitätskosten (wenn der Neuling stattdessen den Laden eröffnet und er künftig nur noch Duopolgewinne macht). Der Anreiz des Monopolisten, den Laden zu eröffnen, ist größer, da er mehr zu verlieren hat als der Neuling. 2. Die Neueröffnung eines Ladens erfolgt, bevor die Nachfrage steigt. D.h. ein Teil der Monopolrente geht verloren, denn aufgrund des drohenden Marktzutritts eröffnet er den neuen Standort, bevor es für ihn optimal ist. In unserem Beispiel ist dies auch aus wohlfahrtstheoretischer Sicht ineffizient.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-19 Dr. Florian Englmaier Das Persistenz des Monopols Ergebnis wurde von Judd (1985) in Frage gestellt. Er argumentiert, dass der Monopolist keinen Vorteil daraus zieht, den neuen Standort zu eröffnen, falls seine Investition keinen bindenden Charakter hat. Stellen wir uns vor, dass der etablierte Anbieter einen Laden am zweiten Standort eröffnet und der Marktneuling ebenfalls. Wenn beiden Anbieter diesen Laden beibehalten, wird es zu Bertrandwettbewerb kommen und beide machen Nullgewinne an diesem Standort. Der etablierte Anbieter macht aber immer noch positive Gewinne am linken Standort, da die Güter differenziert sind. Der Gewinn am linken Standort wird aber durch den harten Preiswettbewerb am rechten Standort negativ beeinflusst. Welcher der beiden Anbieter hat den größeren Anreiz, den Laden am rechten Standort wieder zu schließen? Angenommen, die Marktzutrittskosten F sind versunken, können also bei Marktaustritt nicht wieder rückgängig gemacht werden. Es entstehen aber keine weiteren Kosten durch den Marktaustritt.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-20 Dr. Florian Englmaier Anbieter 2 hat keinen Anreiz, aus dem Markt auszutreten, er macht in jedem Fall Nullgewinne. Anbieter 1 hingegen stellt sich besser, wenn er den rechten Standort aufgibt. Dies wirkt sich positiv auf die Gewinne am linken Standort aus, da der Bertrandwettbewerb am rechten Standort und damit die negative Externalität auf den linken Standort vermieden wird. Im Gleichgewicht sollte also Anbieter 1 aus dem rechten Standort verschwinden und Anbieter 2 bleiben, falls beiden am rechten Straßenende zugetreten sind. Das stellt das Persistenz des Monopols Ergebnis auf den Kopf. Das Gesamtgleichgewicht des Spiels impliziert also, dass Anbieter 1 keinen Laden am rechten Standort eröffnet, weil er mit dem Marktzutritt von Anbieter 2 rechnen muss und in diesem Fall den Markt gleich wieder verlässt. Anbieter 2 kann auf den für ihn günstigsten Zeitpunkt T warten. Fazit: Wenn ein Multiproduktanbieter mit einem Einproduktanbieter konkurriert, hat der Multiproduktanbieter den größeren Anreiz, den Markt wieder zu verlassen, wenn der Wettbewerb auf diesem Markt eine negative Externalität auf seine Gewinne auf anderen Märkten hat.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-21 Dr. Florian Englmaier Diskussion: Eine wichtige Erkenntnis der Persistenz des Monopols Debatte ist, dass unter sehr allgemeinen Bedingungen einetablierteranbietereinengrößeren Anreiz hat, Marktzutritt zu verhindern, als der Neuling, in den Markt neu zu kommen. Trotzdem ist das vorzeitige Eröffnen eines neuen Ladens als marktzutrittsverhindernde Strategie nur effektiv, wenn die Investition bindenden Charakter hat. Die Strategie kann auch dann nicht zum Einsatz kommen, wenn der etablierte Anbieter nicht Zugang zur gleichen Technologie wie der Marktneuling hat. Auch dann nicht, wenn der Marktzutritt nicht absehbar oder nur mit Unsicherheit kalkulierbar ist, oder wenn die dafür notwendige Technologie beiden erst zum gleichen Zeitpunkt zur Verfügung steht. In diesenfällen kann der Etablierte dem Neuling nicht oder nicht mit Sicherheit zuvor kommen.

Wettbewerbstheorie und -politik 6-22 Dr. Florian Englmaier Der Frühstückszerealienfall - Epilog Die Produzenten stritten alle Vorwürfe ab. Sie gaben ein Gutachten in Auftrag, das zeigte, dass Arbeitsplätze von Gewerkschaftsmitgliedern gefährdet seien, wenn sich die Regierung mit ihren Vorwürfen durchsetzen würde. So gewannen sie die Unterstützung der Gewerkschaften. Eine Woche vor der Wahl zum Präsidenten schickte Reagan einen Brief an den Präsidenten von Kellog, mit dem Inhalt: It is clear to me that the cereal case under consideration has very little basis in fact und that a favorable ruling on behalf of the FTC would have a chilling effect on American industry. Kurz vor Ende des Prozesses wurde der Richter disqualifiziert, on procedural grounds. Der neue Richter hörte die letzten Zeugen und lehnte den Fall dann ab.