Olson, Mancur (1996): Big Bills Left on the Sidewalk: Why Some Nations are Rich, and Others Poor, Journal of Economic Perspectives 10 (2), 3-24.

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Transkript:

Olson, Mancur (1996): Big Bills Left on the Sidewalk: Why Some Nations are Rich, and Others Poor, Journal of Economic Perspectives 10 (2), 3-24. Sitzung vom 10.7.2012 Mancur Olson: http://de.wikipedia.org/wiki/mancur_olson Kernfrage: Warum sind einige Länder arm und andere reich? Antwort: Der Grund ist die unterschiedliche Qualität ihrer Institutionen und der Wirtschaftspolitik. Ausgangspunkt der Analyse: Es gibt Renten, die nicht realisiert werden ( Big Bills left on the Sidewalk ) die Idee, dass sämtliche Renten in durch effiziente Verhandlungen realisiert werden (à la Coase) ist irreführend. 157

Zwei mögliche Erklärungen für unterschiedlichen Wohlstand von Nationen: Unterschiedliche Ausstattung mit Ressourcen (Land, Humankapital, etc.) Unterschiedliche Politik und Institutionen: Arme Länder haben keine adäquaten Anreize, damit Ressourcen effizient/produktiv verwendet werden. Vorgehensweise: Unterschiede in der Ausstattung mit Kapital, Land (natürliche Ressourcen) oder Arbeit können internationale Einkommensunterschiede nicht erklären. Ebenso wenig können diese durch einen unterschiedlichen Zugang zu Technologien erklärt werden Technologietransfer ist relativ günstig. Also muss es an den unterschiedlichen Institutionen liegen. 158

Beispiel: Migration von Süd nach Nord Theorie: Ausgleich der Löhne/Arbeitsproduktivität durch Migration Empirie: Das scheint nicht zu geschehen Big Bills left on the Table. 159

Und: Bevölkerungsdichte kann unterschiedlichen Wohlstand ebenso wenig erklären wie Ausstattung mit natürlichen Ressourcen. Dasselbe gilt für Kapitalausstattungen, da Kapital ohnehin international mobil ist. Kulturelle Unterschiede? Aber Migranten verdienen relativ viel in reichen Nationen! Gedankenexperiment: Vergleich von Migranten aus Haiti und Deutschland in den USA (S. 17-19). Conclusio: Institutionelle Unterschiede sind entscheidend! Exkurs: Olson s Buch über den Aufstieg und den Niedergang von Nationen : Kleine Koalitionen mit homogenen Interessen sichern sich Vorteile (Monopole, Protektionismus) zum Nachteil aller, aber für die Mehrheit sind diese Nachteile kaum spürbar (Beispiel: Seelotsen, 19. Hauptgutachten der Monopolkommission). Über die Zeit bremsen immer mehr dieser Koalitionen Fortschritt und Wachstum. 160

Douglass North: Eine neoklassische Theorie des Staates Frage: Was ist ein Staat? A: Laut North (1981/1988) ist der Staat eine mit einem komparativen Vorteil der Gewaltanwendung ausgestattete Organisation, die sich über ein Gebiet der Erdoberfläche erstreckt, dessen Grenzen durch ihre Steuerhoheit bestimmt sind (S.21) Frage: Worin liegt North zufolge der Schlüssel zum Verständnis des Staates? A: In seiner Möglichkeit der Gewaltanwendung zu dem Zweck, die Verfügung über materielle Mittel zu erlangen. Ohne Rückgriff auf die Eigentumsrechte lässt sich der Staat keiner sinnvollen Analyse unterziehen. (S.21). Das heißt, North versteht den Staat als eine Organisation, die die Möglichkeit hat, Eigentumsrechte zu spezifizieren und durchzusetzen. 161

Zwei Arten der Erklärung des Staates: Ausbeutungstheorie (Politische Ökonomie): der Staat als Machtinstrument einer Gruppe oder Klasse; Vertragstheorie: der Staat basierend auf einem freiwilligen Gesellschaftsvertrag aller zum Wohle aller. Fokus der Ausbeutungstheorie ist das Verhalten staatlicher Entscheidungsträger, wenn erst mal ein Staat existiert. Fokus der Vertragstheorie ist die grundlegende Frage, warum es überhaupt Staaten gibt und wie es zur Staatenbildung kommt (Ausgangspunkt: John Locke, 1690) 162

Norths neoklassische Theorie des Staates hat drei Elemente: 1. der Staat bietet zwei Dienstleistungen an: Schutz und Gerechtigkeit. Die Erstellung dieser Dienstleistungen hat steigende Skalenerträge; 2. der Staat versucht sein Einkommen zu maximieren; und 3. staatliche Entscheidungsträger stehen nach innen und außen im Wettbewerb. Der Staat liefert die grundlegenden Spielregeln, die Ordnung also, die zwei Ziele verfolgt: (a) die Erträge der Herrschenden zu maximieren und (b) dabei die Transaktionskosten des Tauschs zu reduzieren, sodass wirtschaftliches Wachstum begünstigt wird. 163

Bei Gesetzgebung, Rechtdurchsetzung und Verteidigung gibt es dabei steigende Skalenerträge. Zwischen Ziel (a) und (b) gibt es eine gewisse Spannung, einen Zielkonflikt. Zur Erreichung der Ziele ist eine Delegation von Macht von oben nach unten erforderlich, d.h. wir haben es mit Prinzipal-Agent-Beziehungen zu tun. Der Staat dehnt sich laut North soweit aus, bis die Grenzkosten des Schutzes dem marginalen Steueraufkommen entsprechen. Der Staat ergreift Maßnahmen zur Senkung der Transaktionskosten (z.b. Standardisierung). 164

Staatliche Entscheidungsträger stehen nach innen und außen im Wettbewerb, d.h.: die Herrschenden haben Rivalen im Inneren um die Herrschaft im Staat; und es gibt konkurrierende Staaten. Dementsprechend können die Beherrschten einen anderen Herrscher unterstützen oder auswandern. Albert Hirschman (1974) hat dies als Widerspruch ( voice ) und Abwanderung ( exit ) bezeichnet. Der Herrscher wird daher insgesamt durch zwei Faktoren in seinem Verhalten diszipliniert: (potenziellen) Wettbewerb; und Transaktionskosten. 165

Ineffiziente Eigentumsstrukturen bedrohen laut North das Überleben des Staates im Umfeld weniger ineffizienter Nachbarn. Wachstum führ zu einer Destabilisierung existierender Eigentumsrechtsstrukturen und somit zu einer Instabilität des Staates. Veränderung der staatlichen Herrschaftsform lassen sich laut North auf Veränderungen von Relativpreise erklären (die wiederum z.b. aus Fortschritten bei der Militärtechnik resultieren). Frage: Wie ergeben und vollziehen sich die notwendigen Anpassungsprozesse? Wer treibt diese voran, wer kümmert sich darum? Problem des Trittbrettfahrerverhaltens ( free rider ) bei Revolutionen. 166

Norths Hypothesen: Institutionelle Neuerungen gehen in der Regel von den Herrschenden aus; Revolutionen sind in der Regel Palastrevolutionen. Weitere Aspekte der NIÖ des Staates Der demokratische Rechtsstaat und das Problem der glaubwürdigen Selbstbindung (vgl. Weingast, 1995, JLEO) Die Rolle von Verfassungen andere Mechanismen der Selbstbindung? Die Rolle politischer Märkte Unterschiede zwischen politischem und wirtschaftlichem Wettbewerb? (Wahlen, Lobbyismus, politisches Engagement) Effizienz politischen Wettbewerbs? Besonderheiten internationaler Beziehungen das besondere Problem der Glaubwürdigkeit. 167