Kardiale Toxizität beim Mamma-Ca René Baumann, Jürgen Dunst Klinik für Strahlentherapie Christian-Albrechts-Universität Kiel/ UKSH Kiel seit 350 Jahren ganz weit oben 1. Daten aus historischen Studien EBCTCG-Meta-Analysen: Häufigkeit und Dosiswirkungs-Beziehung in historischen Studien Update der Daten (James et al., New Engl J Med 2012) 2. Daten aus aktuellen Studien ARO-Studien Studien mit LK-Bestrahlung 3. Aktuelle Publikation (JCO 2015): kardiale Toxizität von Trastuzumab (und Einfluss der RT)
Early Breast Cancer Trialists Group Daten der Meta-Analysen Stand 2005 Interpretation: Es gibt signifikant mehr kardiale Todesfälle nach RT. Das Risiko ist absolut aber gering (hier: 1,6%-Punkte Differenz nach 20 Jahren). Es gibt eine Dosis-Wirkungsbeziehung (nächste Folie): kein signifikant erhöhtes Risiko bei Herzdosen (D mean ) <5Gy Diese Dosen wurden in den historischen Studien regelmäßig überschritten, wenn die parasternalen LK bestrahlt wurden (übernächste Folie)
EBCTCG-Daten, Stand 2005
0 10 20 30 Herzdosen bei der Radiotherapie des Mammakarzinoms Interpretation: Bei Bestrahlung nur der Brust bzw. Brustwand wurden kritische Dosen auch in historischen Studien nicht erreicht. LK- Bestrahlung (damals üblich) war aber kritisch Right 6MV breast tangential pair Left 6MV breast tangential pair Right 6MV direct internal mammary field Target and field arrangement Left 6MV direct internal mammary field EBCTCG-Daten, Stand 2005
Herzdosis und kardiale Toxizität Originalarbeit: James et al., N Engl J Med 2012; 366: 1477-1488: Signifikanz-Grenze: Herzdosis >3Gy Strahlendosis am Herzen erhöht Risiko für spätere kardiale Ereignisse und kardiale Mortalität. Ein signifikanter Effekt ist aber erst bei Strahlendosen >3Gy (Dmean) nachweisbar. Höhere Dosen (>3Gy) sollten daher vermieden werden. Nebenbemerkung: Die hochrangig publizierte Arbeit erregte großes öffentliches Interesse (v.a. auch in USA), bestätigte aber nur altbekannte Daten, die schon seit Jahren bei der Bestrahlungsplanung berücksichtigt werden.
Kardiale Toxizität der RT: Daten aus aktuellen Radiotherapie-Studien
ARO-Studie 2010-01: Herzdosen (Nebenbefund) Signifikanz-Grenze der EBCTCG-Daten: Herzdosis >3Gy Herzdosis in ARO-Studie Abbildung aus Originalarbeit: James et al., N Engl J Med 2012; 366: 1477-1488: ARO-2010-01 war eine multizentrische Phase-I-Studie der ARO, in der erstmals eine Hypofraktionierung mit simultan-integriertem Boost eingesetzt wurde (N=151, 7 Prüfzentren, davon 4 Praxen). Die mediane Herzdosis betrug 1,48 Gy + 1,08 Gy Fazit: moderne Strahlentherapie ist sicher!!
Lymphknotenbestrahlung beim Mamma-Ca: MA-20-Studie Spättoxizität Grad 2-4 Adjuvante RT ohne nodale RT (N=916) Adjuvante RT plus nodale RT (N=916) Kardiale Toxizität 0,4% 0,9% p=0,26 Lymphödem 4,5% 8,4% p=0,001 Neuropathie 1,8% 2,5% p=0,42 Pneumonitis/Fibrose 0,3% 0,4% p=0,72 Gelenkbeschwerden 1,5% 2,4% p=0,23 Hautveränderungen 4,3% 6,9% p=0,02 Subkutanes Gewebe 2,0% 4,1% p=0,01 Zweitkarzinome 10,0% 11,0% p=0,54 Whelan et al., N Engl J Med 2015 Fazit: keine erhöhte kardiale Toxizität trotz LK-Bestrahlung
Lymphknotenbestrahlung beim Mamma-Ca: EORTC-Studie 22922/10925 (Bestrahlung der medialen LK-Stationen) Toxizität Adjuvante RT ohne nodale RT (N=2002) Adjuvante RT plus nodale RT (N=2002) Lungenfibrose 1,7% 4,4%, p=0,001 Herzfibrose 0,6% 1,2%, p=0,06 Herzerkrankungen 5,6% 6,5%, p=0,25 Zweitmalignome 11,1% 9,5% Kontralaterales Mamma-Ca 5,2% 4,8% Poortmans et al., N Engl J Med 2015 Fazit: keine wesentlich erhöhte kardiale Toxizität trotz LK-Bestrahlung
Kardiale Toxizität der RT: Ist Kombination von RT und Trastuzumab ein Risikofaktor?
Adjuvante Chemotherapie + Trastuzumab: Kardiotoxizität Advani et al., J Clin Oncol 2015 Epub September 2015 Informationen zur Studie NCCTG (Alliance) N9831 war eine große (N=3129) randomisierte Studie zur adjuvanten Chemotherapie (AC gefolgt von Paclitaxel) + Trastuzumab (Herceptin schon während Paclitaxel oder erst im Anschluss) bei Patientinnen mit HER2- positivem Mamma-Ca. Die Daten zeigen (wie andere Studien auch) einen Vorteil durch Hinzunahme von Trastuzumab (Ergebnisse publiziert von Perez et al., JCO 2014). Erste Daten zur Kardiotoxizität wurden bereits publiziert (Russell et al, JCO 2010). Jetzt publiziert wurde eine Auswertung der kardialen Ereignisse nach längerer Nachbeobachtung (medianes Follow-up jetzt 9,2 Jahre).
Adjuvante Chemotherapie + Trastuzumab: Kardiotoxizität Advani et al., J Clin Oncol 2015 Ergebnisse: kumulative Inzidenz von kardialen Ereignissen war 0,6% in Arm A (kein Trastuzumab) bzw. 2,8% / 3,4% in den Armen B und C mit Trastuzumab Ergebnisse entsprechen den Daten aus der früheren Analyse: keine Erhöhung der kardiale Toxizität bei wesentlich längerer Nachbeobachtung! Kardiotoxizität von Trastuzumab entsteht in den ersten 1-2 Jahren (während der Behandlung) Risikofaktoren für kardiale Ereignisse unverändert wie in erster Analyse
Adjuvante Chemotherapie + Trastuzumab: Kardiotoxizität Advani et al., J Clin Oncol 2015 Ergebnisse Risikofaktoren für kardiale Ereignisse waren: Alter 60 Jahre Eingeschränkte Herzfunktion (LVEF <65%) Antihypertensive Medikation Einsatz von RT war dagegen nicht mit erhöhter kardialer Toxizität verbunden! Hazard-ratio war bei bestrahlten Patienten sogar niedriger!
Kardiale Toxizität beim Mammakarzinom: Fazit Historische Daten Erhöhte kardiale Sterblichkeit ist nachweisbar in den Daten der EBCTCG. Effekt ist aber nicht mehr nachweisbar/signifikant in Studien, die nach ca. 1985 rekrutierten Eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung Hohe Strahlendosen früher vor allem bei parasternaler RT, ganz besonders bei linkseitiger Lokalisation und parasternaler RT Aktuell Niedrige (unkritische) Strahlendosen am Herzen sind in Studien nachgewiesen (z.b. ARO-2010-01). Keine erhöhte Rate an kardialer Toxizität in aktuellen Studien mit Lymphknotenbestrahlung (EORTC-Studie, kanadische MA-20-Studie) Leicht erhöhte Rate an kardialen Ereignissen nach Trastuzumab, aber Radiotherapie erhöht die kardiale Toxizität von Trastuzumab nicht!