Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz

Transkript

1 Untervazer Burgenverein Untervaz Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz 2017 Besuch bei der Rega Untervaz Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter erhältlich. Beilagen der Jahresberichte Anno Domini unter

2 Besuch bei der Rega Untervaz Bündner Woche BüWo - Bündner Woche Nr. 44. vom 1. November Seite 28/29.

3 - 3 - Wir sitzen an einem Holztisch. In einer Ecke des Raumes steht eine grosszügige Küche, in der anderen ein Flachbildfernseher, daneben ein rotes Sofa. Die Kaffeemaschine läuft, auf dem Tisch stehen Gipfeli. Alles erinnert an eine Frühstücksszene in einem Schweizer Haus halt. Doch das täuscht. Die Szene spielt nämlich im Aufenthaltsraum der Rega-Basis Untervaz. Am Tisch sitzen der Pilot Michael Spörri, die Notärztin Claudia Leippold und der Basisleiter und Rettungssanitäter Markus Adank. Um acht Uhr beginnt ihr Morgenbriefing. Man bespricht die Tagesaktualitäten, der Pilot informiert über die Wetterlage und mögliche Gefahren im Luftraum, es wird über vergangene Einsätze, über benötigtes Material und das eigene Befinden gesprochen. «Ich bin heute etwas erkältet», sagt Adank. «Ich auch», ergänzt Leippold. Scheint eine unwichtige Information zu sein. «Ihr müsst mir einfach ein Zeichen geben, falls ich zu schnell absinke», betont Pilot Spörri. Wohl doch keine unwichtige Information. Wenn eine Person erkältet sei, könne das während eines Fluges schmerzhafte Konsequenzen haben. Dann müsse man langsamer absinken oder nochmals auf eine Höhe aufsteigen, auf der der Druckausgleich stattfinden könne, so Spörri. Die dreiköpfige Crew, die sich aus einem Pilot, einem Sanitäter und einem Notarzt zusammensetzt, ist durch die gute Kommunikation ein eingespieltes Team. Auch wenn die Basis nicht rund um die Uhr besetzt ist, sind die Mitarbeiter jederzeit einsatzbereit. Einfach von zu Hause aus. «Wir führen hier nicht so ein intensives WG-Leben wie andere Basen», scherzt Spörri. Sie würden nicht alle zusammen Zähne putzen. Und trotzdem verbindet das Team sehr viel. Sie arbeiten nicht nur zusammen, sie kochen auch auf der Basis, essen gemeinsam und sprechen über dieses und jenes. Eben doch wie in einer WG. Für eine Wohngemeinschaft ist das Rega-Team aber sehr strukturiert, organisiert und ordentlich. Leere Getränkedosen und angebrochene Chipspackungen sucht man im Aufenthaltsraum vergeblich. Es ist alles sehr sauber, alles hat seinen Platz, es ist aufgeräumt. Ordnung, Struktur und Organisation - herrschen nicht nur im Aufenthaltsraum, sondern bestimmen die ganze Arbeitsweise der Rega. Das beweist Spörri beim «Daily Check» des Helikopters. Im Hangar steht rot glänzend der Helikopter der Rega. Jeden Tag muss dieser auf Mängel überprüft werden.

4 - 4 - «Daily Check»: Die Notärztin Claudia Leippold kontrolliert die medizinischen Hilfsmittel auf ihre Funktionstauglichkeit. «Am ganzen Helikopter gibt es verschiedene Türchen und Verschalungen, hinter denen sich etwas verbirgt, was ich kontrollieren muss», so Spörri. Dafür benötigt er eine Taschenlampe und ein Tuch. Auch hier sind Ordnung und Genauigkeit gefragt. Nach dem Check müssen die beiden Utensilien wieder am gleichen Ort auf der Werkbank liegen wie vor dem Check. «So weiss ich, dass ich nichts im Helikopter vergessen habe.» Spörri öffnet den Spitz des Helikopters, in dem sich die Avionik befindet. Das sind elektrische und elektronische Geräte, die Flugdaten aufzeichnen und sammeln. Spörri kontrolliert, ob ein Stecker lose ist oder «sich eine Maus darin versteckt». Spörri lacht. Er ist fröhlich, aufgestellt und gelassen. Das ist wohl wichtig in einem Job wie diesem, in dem Stress und manchmal auch traurige Schicksale dazugehören. Das nächste Türchen geht auf, Spörri leuchtet hinein, kontrolliert und schliesst es wieder. Für jeden Kontrollposten gibt es eine Checkliste. Spörri hat diese Listen im Kopf und der «Daily Check» geht speditiv über die Bühne. «Selten finde ich einen Fehler, denn die Helis werden oft gewartet und Teile werden regelmässig ausgetauscht», erklärt der Pilot. Auch heute scheint alles in Ordnung. Doch wieso ist ein Stück des Hecksporns mit schwarzem Isolierband umwickelt? Ist da der Vorgängerpilot unsanft gelandet und hat sein Malheur mit etwas Klebeband zu vertuschen versucht? «Das erleichtert uns die Sichtkontrolle.

5 - 5 - Falls das Heck irgendwo touchieren sollte, würde das Isolierband beschädigt werden. Wenn das Band aufgeschürft wäre, müsste man das Heck genauer kontrollieren.» Das Isolierband ist intakt, alles ist in Ordnung. Nicht nur der Pilot, auch der Notarzt muss den «Daily Check» durchführen. Er kontrolliert, ob alle Medikamente aufgefüllt sind und ob die medizinischen Geräte funktionieren. Leippold steht vor einer Reihe von Listen. Genau wie der Pilot folgt auch sie verschiedenen Checklisten. Das sind viele administrative Aufgaben, die aber für eine reibungslose Kommunikation und die stete Einsatzbereitschaft unverzichtbar sind. «Das ist unser Herzstück», sagt Leippold und zieht ein laptopgrosses Gerät zur Helikoptertür. Dieser Monitor überwacht die Vitalparameter - Blutdruck, Puls, Herzkurve und Sauerstoffsättigung. Der Stromstoss aus dem eingebauten Defibrillator kann bei einem Herznotfall lebensrettend sein. Leippold testet das Gerät, kontrolliert alle Schläuche und überprüft die Elektronik. Über das Gerät können gewisse medizinische Informationen des Patienten direkt ans nächste Spital gesendet werden. «Und das ist unser anderes Herzstück», sagt Leibholz, als sie einen grossen, schweren Rucksack aus dem Inneren des Helikopters zieht. Darin verstaut sind allerlei medizinische Hilfsmittel und Medikamente. Dieser Rucksack kann an den Unfallort mitgenommen werden und ist so gepackt, dass er für möglichst jede Situation das passende Utensil bietet. Alles im Helikopter ist so eingerichtet, dass in vielen medizinischen Notsituationen Hilfe geleistet werden. kann. Und das auf sehr engem Raum. Auch hier sind Ordnung, Struktur und gute Organisation gefragt. Auch der dritte im Bunde, der Rettungssanitäter und Basisleiter Markus Adank, hat sich der genauen Arbeitsweise verschrieben. In einem Nebenraum des Hangars ist ein Medizinraum eingerichtet. «Wir bedienen uns nicht in den Spitälern, sondern verfügen über unseren eigenen Medikamenten- und Materialvorrat», so Adank. Das Lager ist so eingerichtet, dass auch mehrere Patienten hintereinander versorgt werden können. Gerade an hochfrequentierten Tagen ist dies unumgänglich. «Heute ist der Vorrat etwas aufgebraucht, da wir einige intensive Rettungseinsätze hinter uns haben.» Doch aufgeräumt ist der Raum auch nach diesen arbeitsintensiven Einsätzen immer noch. «Es hat alles seinen Platz. Jeder weiss genau, wo was hingehört.» Die Arbeit bei der Rega sei sehr strukturiert, betont Adank.

6 - 6 - Deshalb ist die Rega-Crew tagsüber inner halb von fünf Minuten in der Luft, in der Nacht spätestens nach 30 Minuten. Zudem sind die Rega-Einsatzbasen in der ganzen Schweiz so verteilt, dass jeder Unfallort innerhalb von 15 Flugminuten erreicht werden kann. Insgesamt gibt es zwölf dieser Basen, die alle von der Einsatzzentrale im Rega-Center am Flughafen Zürich koordiniert werden. Nur durch genaues Planen und Vorbereiten können die Crew-Mitglieder am Unfallort spontan und schnell reagieren. Dadurch kann die Rega auch unterschiedlichste Einsätze durchführen. «Einerseits fliegen wir Primäreinsätze, andererseits Sekundäreinsätze», so Adank. Bei einem Primäreinsatz wird direkt an den Unfallort geflogen, der Patient wird vor Ort - zum Beispiel in den Bergen auf einer Wanderung oder auf der Skipiste - medizinisch versorgt. Ein Sekundäreinsatz ist ein Verlegungseinsatz, bei dem der Patient vom Spital in eine andere medizinische Einrichtung geflogen wird. Die Primäreinsätze der Rega-Basis Untervaz gehen meist auf Unfälle zurück, die in der Freizeit geschehen. «Wir sind eine Freizeitbasis», scherzt Notfallärztin Leippold. Am häufigsten fliegt die Rega Untervaz im Winter und im Sommer. Im Jahr sind dies zwischen 750 und 800 Einsätze. An diesem Morgen bleibt es still auf der Rega-Basis Untervaz und die Crew- Mitglieder können sich nochmals zu einem Kaffee treffen. Das ist selten. Normalerweise ist die Rega Untervaz auf Einsätzen unterwegs und so muss nicht nur der Kaffee, sondern auch das Morgen- und Mittagessen oft ausgelassen werden. Internet-Bearbeitung: K. J. Version 11/