Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz

Transkript

1 Untervazer Burgenverein Untervaz Texte zur Dorfgeschichte von Untervaz 2016 Hüte von Verena Philipp Weitere Texte zur Dorfgeschichte sind im Internet unter erhältlich. Beilagen der Jahresberichte Anno Domini unter

2 Hüte von Verena Philipp Walter Tschopp in: Die Schweiz am Sonntag. Nr. 71 vom 13. März Seite 35.

3 Hut ab, Chapeau! Die Modistin Verena Philipp im kleinsten Churer Haus Eine kreative Frau pflegt ein altes Kunsthandwerk: Hinter dem Bahnhof Chur betreibt Verena Philipp mit Erfolg ein Hutatelier. Aktive Berufskolleginnen gibt es in der Schweiz nur noch eine Handvoll. von Walter Tschopp (Text und Bilder) Das kleinste Haus von Chur steht an der Gürtelstrasse, am Westausgang des Bahnhofes und ist nur wenige Quadratmeter gross. Wer aus der Unterführung hochsteigt und ein Restaurant oder eine Gartenwirtschaft ansteuert, bemerkt das kleine gelbe Häuschen kaum. Ein grosser Baum verdeckt die Sicht. Eine Frau mit Perret öffnet an diesem Morgen kurz nach neun die Türe neben dem Schaufenster, macht das Licht an und setzt die Kaffeemaschine in Betrieb. Das kleine Lokal ist Verkaufsraum und Atelier zugleich. «Viele Details fallen erst beim zweiten Blick auf» Verena Philipp Modistin An den Wänden hängen Hüte und Mützen, auf der Ablage vor dem Schaufenster reihen sich hölzerne Hutformen dekorativ auf. Wer hier einen Hut kauft, kann sicher sein, dass es diesen Hut nur einmal gibt. Verena Philipp ist eine der letzten Hutmacherinnen der Schweiz, die handgefertigte Kopfbedeckungen. nach Mass herstellen. Ganz selten verlassen auch Kleinstserien ihr Atelier. Die Modistin prüft verschiedene Rohlinge und entscheidet sich dann für einen geflochtenen Cones aus der Innenrinde des Affenbrotbaumes. Daraus entsteht in stundenlanger Handarbeit ein Sommerhut. Laien nennen es einen Strohhut, weil Geflecht und Farben dem traditionellen Strohhut ähneln. MIT EINEM ZERSTÄUBER wird das Material immer wieder befeuchtet und die Handwerkerin bearbeitet den Rohling mit einem Bügeleisen. Sie presst und streicht oben und rundherum über das Material. Nach der ersten halben Stunde zeichnen sich Konturen ab und man er kennt den Spiegel, die Delle auf der Kopfplatte des Herrenhutes. Eine Arbeit, die Verena Philipp ganz besonders mag: «Ich liebe das genaue Arbeiten mit den Händen an kleinen Details und freue mich, wenn das Material sich meinen Ideen annähert. Wer als Modistin arbeiten will, muss Materialien gerne haben, Nähen können und braucht Ausdauer und Konzentration.»

4 - 4 - Gut behütet Im kleinsten Haus Churs stellt Verena Philipp ihre Hüte Schritt für Schrift her und stellt sie dann zum Verkauf aus. Nähen deshalb, weil neben den geformten Hüten viele Kopfbedeckungen aus den unterschiedlichsten Materialen nach Schnittmustern zusammengenäht werden. Skizzen macht sie sich wenig, ihr Kopf ist dafür voller Ideen. Diese holt sie sich nicht etwa aus Modejournalen, sondern in der Natur oder setzt Formen und Details aus der Architektur um. DER SOMMERHUT BEKOMMT einen Rand und dafür schneidet die Künstlerin den unteren Teil des Rohlings mit der Schere weg. Die kleine Krempe wird später geformt und angenäht. Zusätzlich verstärkt ein Draht den Rand, damit die Form erhalten bleibt. Verena Philipp nennt sich bescheiden Handwerkerin, auch wenn viele Details ein Beweis für sicheren künstlerischen Geschmack und Ästhetik sind. «Natur und Architektur inspirieren mich stark.» «Ich möchte etwas Zeitloses herstellen.» Verena Philipp. Modistin Verena Philipp. Modistin Dass sie Hutmacherin oder eben Modistin geworden ist, war ein längerer Prozess. Die Eltern wünschten sich, dass die Tochter Vera einen richtigen Beruf erlerne, solle und diese arbeitete zuerst zehn Jahre als Arztgehilfin, bevor sie dann im Jahr 2000 in Basel die dreijährige Lehre als Modistin begann.

5 - 5 - Dafür gab es noch eine gemischte Berufsschulklasse in Zürich. «Eine Pro- Specie-Rara-Klasse mit den seltenen Berufen Kürschner, Pelznäherinnen und Modistinnen», wie Verena lachend vermerkt. Heute besuchen die Modistinnen zusammen mit den Schneiderinnen die Berufsschule. Kann man davon leben und hat sie genügend Kunden? Das hat sie und leben kann sie auch davon, bescheiden zwar, wie viele Kunsthandwerker. BÖSE ZUNGEN BEHAUPTEN, dass Kennedy den Niedergang der Hutindustrie eingeläutet habe. Er war der erste Präsident, der den Eid ohne Hut schwor. «Mann trägt Hut» war darum bis vor wenigen Jahren out. Und nun zeichnet sich ein Revival auch bei ganz jungen Leuten ab. US-Rapper sind prägende Vorbilder wie auch die einheimische Band Bombay Street. Verena Philipp kann es recht sein, sie fertigt Unikate für jeden Anlass. Für Jäger hat sie gar die legendäre Colani-Mütze aus Bündner Tuch auferstehen lassen. Die Bündner Stiftung für Kunsthandwerk belohnte Verena Philipp mit einem Förderpreis für ihre Arbeit als Modistin, Mützen- und Huterfinderin. Internet-Bearbeitung: K. J. Version 03/