Wissen was (wirklich!) hilft- medizinisches Wissen auf dem Prüfstand
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- Louisa Raske
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Transkript
1 Wissen was (wirklich!) hilft- medizinisches Wissen auf dem Prüfstand
2 Wie entsteht medizinisches Wissen? Warum brauchen wir geprüftes Wissen und Wissens-Synthesen? Welche Formen von Synthesen gibt es zu Ihrer Verfügung? Integration von Wissen und ärztlicher Erfahrung
3 Wie entsteht medizinisches Wissen?
4 Klinische Studien sind Experimente am Menschen zur Überprüfung der Wirksamkeit einer Intervention hinsichtlich des Nutzens aber auch des möglichen Schadens für zukünftige Patienten. Die experimentelle therapeutische Überprüfung entstammt einer Wissenschaftstheorie, die fordert, Annahmen über die Wirksamkeit in Versuchen zu überprüfen, die möglichst verlässliche Aussagen über die Wirksamkeit einer Therapie zulässt. Die aus den Studien gewonnen Hinweise (Evidenz) können den Entscheidungsprozess des individuellen Patienten und seiner Ärzte unterstützen immer im Bewusstsein der methodischen Möglichkeiten und Grenzen der wissenschaftlichen Methoden.
5 Grundprinzipien von Wissenschaftlichkeit Eine Annahme über ein natürliches Phänomen wird in einem Experiment überprüft Die Ergebnisse müssen transparent und nachvollziehbar dargelegt werden. Die Experimente müssen wiederholt reproduziert werden, um so die Ergebnisse zu bestätigen (verifizieren) oder zu verwerfen (falsifizieren) Selbstregulierung durch Begutachtung durch Gleiche (Peers) Auseinandersetzung im Diskurs mit anderen Ergebnissen Generierung von Wissenschaft ist ein fortschreitender Prozess
6 Die erste Studie James Lind ( ) Im siebenjährigen Krieg starben mehr Soldaten an Skorbut als in den Kampfhandlungen 1747 erstes kontrolliertes Experiment mit Zitrusfrüchten gegen Skorbut Veröffentlicht 1753 Umgesetzt 80 Jahre später
7 Medizin, Statistik und die Entwicklung der klinischen Forschung 16. Jhdt. Erste Sterblichkeits- Statistiken
8 Phasen der Klinischen Forschung Vorklinische Phase Grundlagenforschung: Theoretisch (Modelle, Methoden und Techniken) und angewandt (u.a. Tierund Zellstudien, Gensequenzierung ) Klinische Phase Forschung am Menschen Phase I (15 30) Phase II (unter 100) Phase III (mehr als 100) Nach Zulassung und Einführung: Implementierungsforschung, Sekundärforschung Phase IV Innovation Evaluation Transfer in die Versorgungspraxis
9 Studientypen in der klinischen Forschung Studien - Designs Beobachtungsstudien: Der Forscher studiert die bereits vorhandenen Fälle, ohne einzugreifen Experimentelle (Interventions-) Studien: der Forscher greift steuernd in die Realität ein und beobachtet dann systematisch, was passiert Querschnitts-Studien Kohorten - Studien Fall-Kontroll-Studien Randomisierte kontrollierte Studien Quasi- Experimentelle Studien
10 Warum brauchen wir geprüftes Wissen und Wissenssynthesen?
11 Überliefertes Wissen
12 Geprüftes Wissen Prüfung in einem Experiment: Kohlensäuregehalt nach 24 Stunden: Mit Löffel: ca. 40 % Ohne Löffel: ca. 40 % Stanford News Release, , John Matson, Fact or Fiction: Does a Spoon in the Bootle keep champagne bubbly? Scientific American )
13 Studien, weil.. Wissen aus Studien ist auch nie absolut aber verlässlicher als das Wissen aus unkontrollierten Alltagserfahrungen Unsere subjektive Wahrnehmung - unterliegt Störeinflüssen (z.b. optische Täuschungen) Das Wissen über einen erwarteten Effekt - kann genau diesen hervorrufen (beim Patienten, wie beim Forscher)
14 Transfer von Forschung in die Praxis ~ 2 Mio. Publikationen / Jahr in ~ Fachzeitschriften Medline: > Clinical Trials > RCTs > RCTs/Jahr Forschung / Daten / Studien 50 % Evidenz - Produktion? Behandelnde Ärztinnen und Ärzte Gesundheitsbehörden Krankenkassen, Institutionen Klinische Forschung Patienten ~ 2 Mio. Publikationen / Jahr in ~ Fachzeitschriften Medline: > Clinical Trials > RCTs > RCTs/Jahr Evidenz - Nutzung
15 Verschwendung von Wissen Nicht publiziert (z.b. negative Ergebnisse) Nicht auffindbar (nicht in den großen Datenbanken indexiert) Nicht zugänglich (nicht elektronisch verfügbar) Mangelnde Qualität der Publikation (selektives Berichten) Sprachbarriere (globales Wissen wird Englisch veröffentlicht) Technische Barrieren (keine Lizenzen, Abonnements o. IT Ausstattung) John PA Ioannidis, Clinical trials: what a waste. Trials that are unregistered, unfinished, unpublished, unreachable, or simply irrelevant. BMJ 2014;349:g7089. doi: /bmj.g7089
16 Antiarrythmika nach Herzinfarkt 70er Jahre Einführung, vielfache Anwendung, Studien 1980 Studie abgebrochen (kommerzielle Gründe) nach 9 / 1 Todesfälle in Behandlungs- / Kontrollgruppe : Nicht berichtet 1983 Systematischer Review (14 Studien): Kein Nachweis des Effekts 1993 Systematischer Review ( 51 Studien): Mehr Todesfälle in der Behandlungsgruppe! 80er Jahre Tode pro Jahr in USA Moore Publikation Cowley et al Moore TJ (1993) Deadly Medicine: Why Tens of Thousands of Heart Patients Died in America's Worst Drug Disaster Cowley AJ, Skene A, Stainer, Hampton JR (1993). The effect of lorcainide on arrhythmias and survival in patients with acute myocardial infarction. International Journal of Cardiology 40:
17 Plötzlicher Kindstod 1944 Empirische Untersuchung: 2/3 der gestorbenen Kinder lagen auf dem Bauch Erste Fall-Kontroll-Studien 60er Jahre Um 1970 Zunahme der Empfehlungen für Bauchlage Ausreichend Evidenz: Signifikant erhöhtes Risiko durch Bauchlage Empfehlungen für Bauchlage ca vermeidbare Tode R. Gilbert, G. Salanti, M. Harden and S. See (2005). Infant sleeping position and the sudden infant death syndrome: systematic review of observational studies and historical review of recommendations from 1940 to 2002, International Journal of Epidemiology 34(4):
18 Informationsflut und Lesezeit Artikel in den 10 führenden Zeitschriften der inneren Medizin/ Monat Für einen Allgemeinmediziner 19 Artikel/ Tag Selbsteinschätzung Lesezeit: unter 40 Minuten/ Woche aktive Journals mit monatlich Artikeln in primary care Epidemiologische erfahrene Ärzte würden schätzungsweise 157 Stunden/ Woche brauchen, um diese Artikel kritisch zu lesen Informationsflut Verfügbare Lesezeit Systematische Arbeit mit wiss. Literatur um Wissenstransfer zu ermöglichen Sackett DL (2000) Surveys of self-reported reading times of consultants in Oxford, Birmingham, Milton-Keynes, Bristol, Leicester, and Glasgow. In: Rosenberg WMC et al. Evidence-based medicine. London: Churchill Livingstone; Alper, BS (2004) How much effort is needed to keep up with the literature relevant for primary care? J Med Libr Assoc. 92(4):
19 Welche Formen von Synthesen gibt es zu Ihrer Verfügung?
20 Randomisierte Kontrollierte Studien Kohorten-Studien Fehleranfälligkeit Fall-Kontroll-Studien Fall Serien, Fall Berichte Expertenmeinungen
21 Evidenzgrade und Evidenz-Informationsprodukte Haynes, RB. Of studies, summaries, synopses, and systems: the 5S evolution of information services for evidence-based healthcare decisions. ACP J Club 2006;145:A-8
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26 Beispiele Zeitschriften: British Medical Journal The Lancet New England Journal JAMA Nachschlagewerke: UpToDate BMJ Best Practice Clinical Evidence Datenbanken: PubMed, ERIC, CINAHL, EMBASE, Cochrane Library, Guidelines International Network Für alle Bürger Norwegens frei zugänglich -
27 Good doctors use both individual clinical expertise and the best available external evidence, and neither alone is enough. Without clinical expertise, practice risks becoming tyrannised by evidence, for even excellent external evidence may be inapplicable to or inappropriate for an individual patient. Without current best evidence, practice risks becoming rapidly out of date, to the detriment of patients. David Sackett et al (1996) Evidence based medicine: what it is and what it isn't. BMJ 1996; 312, doi:
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