Vorstellung der DGUV-Information Prävention von Gewalt und Aggression im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege
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- Miriam Hermann
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1 Vorstellung der DGUV-Information Prävention von Gewalt und Aggression im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege Gewalt und Aggressionen gehören zu den großen Herausforderungen mit denen sich Mitarbeitende in Einrichtungen der Behindertenhilfe fast täglich konfrontiert sehen wurde im Heilpädagogische Therapie- und Förderzentrum St. Laurentius (HPZ) eine Gefährdungsanalyse zum Thema Gewalt im Berufsalltag durchgeführt: Die dabei ermittelten Werte zu den Gewalterfahrungen der Mitarbeitenden waren erschreckend hoch. Seitdem hat Gewaltprävention im HPZ einen hohen Stellenwert: Mit Unterstützung der BGW qualifizierten sich Beschäftigte des HPZ zu innerbetrieblichen Deeskalationstrainerinnen und -trainern. Dieses Team schult intern Kolleginnen und Kollegen und setzt ein Konzept zur Sensibilisierung für Gewalt, zur Vermeidung von Übergriffen und zur Betreuung von Betroffenen um, um den Beschäftigten und Betroffenen im Rahmen eines professionellen Deeskalationsmanagements mehr Schutz und Sicherheit zu geben. Der Diplompsychologe Hans-Joachim Kix begleitet das Projekt seit über sieben Jahren. Er informiert über Anlass und Vorgehen, berichtet über Fortschritte wie Stolpersteine. Da er an der Erstellung der DGUV-Information als Praktiker mitgewirkt hat, verdeutlicht er, warum diese Broschüre so wichtig ist und für Verantwortliche in allen sozialen Bereichen hilfreich sein kann. Deutlich wird vor allem, dass es sich lohnt, das Thema Gewalt und Aggression konsequent anzugehen. Hans Joachim Kix, Diplompsychologe im Heilpädagogische Therapie- und Förderzentrum St. Laurentius (HPZ), Warburg
2 3. DGUV-Fachgespräch Wohlfahrtspflege EINSTIEG: Wie der Referent zum Experten für die Thematik wurde Vorstellung der DGUV-Information Prävention von Gewalt und Aggressionen im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege Referent: Joachim Kix, Dipl.Psych. HPZ St. Laurentius, Warburg Relevanz des Themas / der Broschüre Exemplarische Erfahrungen aus der Praxis: AHA-Erlebnisse der Mitarbeitenden durch die Einführung eines Deeskalationsmanagements - Gewaltprävention und Deeskalation Situationsbeispiel Fußballtraining fällt heute aus Der Anlass meiner intensiven und systematischen Befassung mit dem Thema war nicht freiwillig, sondern wurde durch einen Brief der BGW im Februar 2009 angestoßen Christian : 19 Jahre, leichte geistige Behinderung Intelligenzniveau: 9-12 Jahre => Fundamentale Weichenstellung für unsere Einrichtung: Deeskalationsmanagement : interne Trainer ausbilden und freistellen (statt weiter immer wieder externe Referenten anheuern) -> finanzielle Förderung durch die BGW -> Präsenz auch in konkreten Situationen (Krisen) -> spezifische Angebote zugeschnitten auf Kollegen und Klienten -> kontinuierliche Begleitung der Umsetzung einer umfassenden Gewalt-Präventions- Konzeption Die Planung, Durchführung und Koordination sämtlicher Maßnahmen für einen optimalen Umgang mit Gewalt und Aggression in einem System z.b. einer Institution, einer Station oder eines Teams.
3 Maßnahmen des Arbeitsschutzes betreffen: Folge des konsequenten Ansatzes eines Deeskalationsmanagements: Davor Ereignis Danach 1.Prävention von Gewalt, Aggression 2.Unterstützung und Intervention während des Ereignisses 3.Nachsorge - Hilfeleistung für betroffene Beschäftigte bei eingetretenen kritischen Ereignissen Sensibilisierung von Mitarbeitenden und Führungskräften -> Veränderungsprozesse in der gesamten Einrichtung! Art der Gewalt Erfahrungen mit KH Stat. A WFB Beschimpfung 77% 75% 65% Rassistische Belästigung 7% - 7% Sexuelle Belästigung 10% 13% 7% Schläge 28% 35% 21% Tritte 22% 17% 16% Bisse 11% 11% 8% Kratzen 42% 52% 20% Einsatz von Gegenständen 13% 15% 25% 38 (2%) der Fälle wurden als Arbeitsunfall gemeldet Schablon A, Zeh A, Wendeler D, Peters C, Wohlert C, Harling M, Nienhaus A; 2012 Besondere Situation bei Beratungs-/Betreuungs- /Pflegeberufen: Scheinbarer berufsethischer Widerspruch: Betreute: Sich-Wehren <---> Betreuungsverhältnis - Kognitive und emotionale Einschränkungen - können Verhalten nicht steuern => Müssen Aggression und Gewalt in Berufen des Gesundheitsdienstes und der Wohlfahrtspflege hingenommen werden? NEIN! => UMDENKEN! 1. Aha-Erlebnis für Fachkräfte: Ich muss Gewalt nicht hinnehmen! (Ich werde nicht dafür bezahlt, mich [körperlich oder/und psychisch] verletzen zu lassen ) Die Leidensbereitschaft in Betreuungsberufen ist wahrscheinlich zu hoch!? Die Leidensbereitschaft in Betreuungsberufen in der Behindertenhilfe ist möglicherweise mancherorts zu hoch!?
4 Gewalt darf nicht als selbstverständlich hingenommen werden. => Umdenken für die Mitarbeitenden: Die eigene Sicherheit hat Priorität Dies darf niemand schon gar nicht eine Führungskraft von den Fachkräften erwarten Flucht als Form professionellen Handelns -> Flucht- u. Abwehrtechniken (schonend) -> beziehungserhaltende Begleittechniken (ohne Schmerzreize; kein Polizeigriff) Alle Beschäftigten in Deutschland: gesetzlicher Anspruch auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen Grundlage: Gefährdungsbeurteilung gem. DGUV-Vorschrift 1 Arbeitsschutzgesetz: Gefährdung für das Leben und physische und psychische Gesundheit möglichst vermeiden bzw. geringstmöglich halten in Verbindung mit 4 5 Arbeitsschutzgesetz (incl. Gefährdungen durch traumatische Ereignisse wie gewalttätige Übergriffe) 2. Aha-Erlebnis: Tabuisieren von Gewalt hat massive Folgen! Hilfen, ein Präventionskonzept zu entwickeln: passende Rahmenbedingungen schaffen ein Aggressions- und Deeskalationsmanagement aufbauen Richtlinien für das Handeln im Notfall Programm für die Nachsorge für betroffene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen => vgl. TOP-Ansatz Deans, 2003, Nurses and Occupational Violence
5 Wenn Gewaltereignisse nicht berichtet werden Kann kaum Unterstützung stattfinden Fühlen Fachkräfte sich alleine gelassen Verlieren das Vertrauen in Ltg./sich selbst Gewaltlevel steigt Fachkräfte neigen selbst eher zu Gewalt Zynismus, Vermeidung, bis zu innerer Kündigung Normalitätsempfinden verschiebt sich Wenn Sie ein Deeskalationsmanagement so aufwändig implementieren (z.b. Freistellung für Deeskalationstrainings) etc. dann müssen aber die Zahlen dramatisch sinken..! Antwort: Die Zahlen werden erst einmal steigen!!!???? - Weil die Dunkelziffer sinken wird! - Weil die Mitarbeiter aufgefordert werden, Gewalt konsequenter zu dokumentieren, zu melden, anzusprechen..! 3. AHA-Erlebnis: Dokumentieren auch von psychischen Verletzungen und Bagatellverletzungen ist professionell es geht nicht um einstecken können, sondern um Selbstschutz => subjektives Gewalterleben => Fachkräfte sind ihr eigenes Werkzeug => Fachkräfte werden aufgefordert, Gewalt konsequenter zu dokumentieren, zu melden, anzusprechen..! 4. AHA-Erlebnis: Es gibt Möglichkeiten hochangespannte Klienten zu beruhigen, ohne sich in Gefahr zu bringen! Es geht dabei um mehr als neue Erkenntnisse => andere Haltung / Verhaltensalternativen Neue Sicht und Kultur von Professionalität nötig doppelte Haltungsschule => Dafür braucht es Übungsräume und -zeiten Deeskalationstraining(s) Deeskalationstechniken verbal und non-verbal Beispiel Christian verpflichtend für alle Fachkräfte mit Klientenkontakt Freistellung für viertägigen Basiskurs/bzw. bedarfsangepasste Module in Kleingruppen mit Einzeltraining und Videofeedback
6 5. AHA- Erlebnis: Wir brauchen für den Notfall geeignete/effektive Notrufmöglichkeiten Überprüfung und update der Notrufmöglichkeiten besonderer Schutz von Einzelarbeitsplätzen -> PNA Regelung für Notfälle / Zuständigkeiten Einführung von zusätzlichen Rufbereitschaftsdiensten 6. AHA- Erlebnis: Belastungsempfinden aufgrund von Gewalt Wir brauchen ein Nachsorgekonzept für Kollegen und Klienten nach Gewalterfahrungen Belastungsempfinden (alle) Gemessen auf einer Skala von 1-10 Niedrig (1-3 nicht/wenig belastend) Mittel (4-7 belastend) Hoch (8-10 sehr belastend) 32% 36% 32% Schablon A, Zeh A, Wendeler D, Peters C, Wohlert C, Harling M, Nienhaus A; 2012 Klientenübergriffe und mögliche Folgen Bluthochdruck Schlafstörung Respektlosigkeit Körperliche Symtome Gewichts- zu oder abnahme Erschöpfung Verminderte Arbeitsleistung schlechtere Arbeitsbeziehungen Soziale Symptome Schlechteres Verhältnis zu Klienten Unsicherheiten in der Arbeitsumgebung Selbstzweifel Kompetenzzweifel Vorzeitige Jobaufgabe Kognitive Symptome Schulderleben Vermeidungssymptome Verleugnung des Geschehenen Angstreaktionen Ärger Aggressivität Depression Emotionale Symptome Wut Stressreaktionen Frustrationen Demotivation Qualitätsstandards einer betrieblichen Nachsorgekonzeption für betroffenen Mitarbeiter jeder Mitarbeiter erfährt nach einem Übergriff grundsätzlich Nachsorge (d.h. zunächst kollegiale Ersthilfe) egal ob er traumatisiert ist oder nicht (Vermeidung der Stigmatisierung tatsächlich traumatisierter Mitarbeiter) Jeder Mitarbeiter kennt die Nachsorgekonzeption (insbesondere die Vorgesetzten)
7 Nach einem Übergriff gilt für jeden Betroffenen Ziele der Qualitätsstandards der Nachsorgekonzeption: die Möglichkeit einer Auszeit (kurzfristige Freistellung vom Dienst Dauer abhängig von der Einschätzung des Ersthelfers bzw. evtl. konsultiertem Deeskalationstrainer und des unmittelbaren Vorgesetzten) in einem geschützten Bereich (Abstand zum Geschehen und zum Täter ) in kollegialer Begleitung (Betroffene werden auf keinen Fall allein gelassen!) Selbstverständlichkeit ( Kultur ) im Umgang mit Gewalterfahrungen (siehe Leitbild ) keine Stigmatisierung tatsächlich traumatisierter Mitarbeiter keine Hemmschwelle, im Falle einer Traumatisierung Hilfe annehmen zu können 7. AHA-Erlebnis: Die Einrichtung ist kein rechtsfreier Raum Übergriffe / Vorkommnisse nicht vertuschen oder verharmlosen Prozesse nicht nur intern abwickeln => ggf. Einschalten zuständiger externer Instanzen (Polizei, ) Wir müssen Klienten nicht vor der Polizei schützen Klienten haben nicht nur Rechte = wichtiges Signal für Mitarbeitende 8. AHA-Erlebnis: Unsere Klienten erleben bei uns (strukturelle) Gewalt, teilweise in erheblichem Maß Subjektives Gewalterleben! => Gewalterleben erzeugt Gegengewalt => Sensibilisierung für und Abbau von struktureller Gewalt 9. AHA-Erlebnis: Von struktureller Gewalt sind nicht nur Klienten, sondern auch Fachkräfte/Kollegen betroffen Umgang in der Institution/im Unternehmen Umgang Führungskräfte Fachkräfte Abbau von Hierarchien/Eigenverantwortung Belastungsgrenzen achten/überlastung vermeiden Unternehmenskultur : angstfrei, wertschätzend,
8 Führungskräfte: aktives Führungsverhalten 10. AHA-Erlebnis: Es gibt für Mitarbeitende, Führungskräfte und Einrichtungen Unterstützung von außen, z.b. durch die BGW!!! => Für gebahnte Wege sorgen: Präsenz: Betroffene von Gewalt nicht allein lassen Mitarbeitenden Vertrauen signalisieren -> Handlungsspielräume zusichern -> Ängste ernst nehmen / abbauen - Aufnahme und Pflege von Kontakten zu Berufsgenossenschaft/UK und deren Kooperationspartnern (z.b. Traumatherapeuten) - Betriebsarzt aktiv einbinden - Durchgangsärzte einbinden - Polizei vor Ort einbinden 11. AHA-Erlebnis Ein kurzer Vortrag reicht nicht aus, um die Vielzahl an Baustellen und Entwicklungen zu vermitteln Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!!! Möglichkeit zu Rückfragen, zur Diskussion
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