1 Einführung in die Pastoraltheologie 9. Sitzung,
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- Markus Schenck
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1 1 Einführung in die Pastoraltheologie 9. Sitzung, ) Das Beispiel Hiob Schilderung des Überstiegs von der Sündenthese auf andere Deutungsmuster; Frage dahinter: Wie ist Leid in menschliche Existenz zu integrieren? Das Leben ist nicht einfach zu kategorisieren, es ist chaotisch; eine Lösung findet der Mensch, wenn er der größeren Weisheit Gottes vertraut: Prinzip der Aussage Jesu Glaube nur! 4 ) Differenzierte Betrachtung Zwei Faktoren verändern die Deutung vom Schuldprinzip zur vertrauenden Ergebenheit: die Erfahrung, dass der Zusammenhang von Krankheit und Sünde nicht immer gilt und der Einfluss der griechischen Naturphilosophie, die mit empirischen Methoden erste Naturgesetze entdecken. Krankheit wird so zum erforschbaren Phänomen, der Mediziner vom kultischmagischen Medizinmann zum Heiltechniker; Medizin wird zu einer menschlichen Aufgabe und ethischen Forderung (Hippokrates). Dennoch bleibt Raum für religiöses Erkennen, das aber nicht mehr auf den Krankheit- Sünde-Zusammenhang fixiert war; Krankheit wurde als Prüfung, Läuterung, Warnung verstanden; in der prophetischen Verkündigung als Metapher für Untreue Israles gebraucht, in dem sich der grundlegende Unheilszustand offenbart. bb) Krankheitsdeutungen im NT und in der christlichen Tradition 1 ) Jesu Relativierung der Sündenproblematik In der Umwelt Jesu war der alte Tun-Ergehens-Zusammenhang noch präsent, was Heilung mit Vergebung verbindet (vgl. Lk 13,11.16; Joh 9,2; Apg 12,23; 1 Kor 11,30-32 u.a.); Jesus relativiert diese Ansicht aber durch den Hinweis, dass die Heilung der Verherrlichung Gottes dient (Joh 9,3; 11,4), seine Heilungen sind Zeichen des anbrechenden Gottesreichs; Paulus rühmt sich seiner Schwäche (2 Kor 12,9-10). 2 ) Heilung als Verkündigung Die Gabe der Heilung ist ein besonderes Charisma (1 Kor 12,9.28ff); sie zeigt, dass Gott am Werk ist: der eigentliche Arzt ist Christus.
2 2 Einführung in die Pastoraltheologie 9. Sitzung, ) Praxis in der Tradition Die christliche Tradition faltet diesen Gedanken des Heilung-Erlösungs- Zusammenhangs aus: Christen besuchen Kranke, verbessern ihre Lage, pflegen sie. Zielgruppe sind nicht nur Christen, sondern alle Kranke, sogar Pestkranke; in den Kranken erkennen Christen das Antlitz Christi (vgl. Mt 25). Krankendienst ist Verkündigung als theologischer Ort des wirkenden Gotteswortes: Christen lassen andere teilnehmen am eigenen Glauben, der eigenen Hoffnung; wo Christus verkündigt wird ist sein Wort heilend wirksam; Krankendienst wird so zu Gottesdienst. b) Außerreligiöse Deutungsversuche aa) Philosophische Aussagen 1 ) Seneca Krankheit als dolor corporis, der die Lebensfreude aufhebt und Furcht vor dem Tod bringt; Krankheit ist für den Menschen die Gelegenheit, der Wirklichkeit des Todes würdig und beherrscht entgegenzutreten, dadurch ist Freude möglich, die aus Selbstbeherrschung und Eigenverantwortung kommt. 2 ) Blaise Pascal Ein Unfall seines Vaters und eigene Krankheit lassen Pascal in der Krankheit den natürlichen Zustand des Menschen sehen, die ihm die Fixierung auf Äußerliches nimmt und zur Beschäftigung mit der eigentlichen, geistlichen Wirklichkeit. Krankheit ist also funktional hilfreich für den Menschen. 3 ) Georg Wilhelm Friedrich Hegel Leben ist für ihn ohne Krankheit nicht zu denken und eigentlich selbst Krankheit; dahinter steht eine Sicht der Erlösung, die durch eine Wendung ins Allgemeine und die Auflösung in den Weltengeist eine Heilung sieht.
3 3 Einführung in die Pastoraltheologie 9. Sitzung, ) Karl Jaspers Krankheit wird als Chance der Selbstverwaltung durch Grenzsituation beschrieben; wer ein existentielles Problem hat, wird sich der eigenen Hinfälligkeit bewusst und der Chance, die sich darin bietet: im Widerstand zu Grenzen wachsen die Kräfte, innere Aktivität wird durch Krise angeregt. bb) Krankheit im Urteil unterschiedlicher Interessen Nach Z. J. Lipowski kann Krankheit acht verschiedene Bedeutungen annehmen: Krankheit als Herausforderung, die Lebensplanung behindert, aber Anlass sein kann, die Zeit danach anders zu planen und den Erkenntniszuwachs zu nutzen. Krankheit als Feind, der Lebenspläne bedroht, einen Zeitverlust bringt, Lebensqualität mindert, sich als sinnlos erweist. Krankheit als Strafe im religiösen oder profanen Sinn (z.b. Krebs als Strafe für Rauchen). Krankheit als Schwäche, die Kräfte einschränkt; Mangel an Lebenskraft. Krankheit als Erleichterung wegen erzwungener Ruhe. Krankheit als strategische Möglichkeit, zu fliehen (bspw. im Krieg), Erwartungen nicht erfülen zu müssen (Kinder!). Krankheit als Beschädigung und Verlust von Lebensqualität. Krankheit als Wertesteigerung (z.b. Frührente); religiös motiviert: Erfahrung der besonderen Liebe Gottes. 4. Krankenseelsorge als theologische Begleitung auf Zeit Krankenseelsorge kann der sozialen und personalen Defiziterfahrung mit den Mitteln des Gesprächs und des Rituals begegnen. a) Gesprächs-Partnerschaft auf Zeit mit den Kranken aa) Umfeld des Gesprächs Der Kranke ist gewohnt, dass Fremde zu ihm kommen um etwas mit ihm zu machen (Pfleger, Arzt, Versicherungsmensch); er darf dabei auch Skepsis äußern, wenn der
4 4 Einführung in die Pastoraltheologie 9. Sitzung, Seelsorger kommt. Wichtig: Klarstellung, dass der Seelsorger als Vertreter der Kirche kommt, Seelsorger sind Rollenträger als Mann / Frau der Kirche. Seelsorge kann helfen in Bereichen, für die es sonst kaum jemand gibt; Skepsis wird von Kranken möglicherweise mit Vertrauenstests zu überwinden versucht, wichtig dabei ist, eine gemeinsame Basis zu beziehen (gemeinsames Interesse o.ä.) bb) Theologie im Gespräch Theologie in menschlicher Kommunikation ist zwar schwer, aber bei Krankenseelsorge unabdingbar nötig. Religiöse Fragen müssen bei Optionen des Patienten ansetzen, bei seiner Aussicht und Hoffnung auf Heilung etc., durch diese Zukunftsahnungen kommt Grundhaltung der Seele und evtl. sein Glaube (fides qua) zum Ausdruck (oft indirekt); daran lässt sich ansetzen und die Nähe Gottes in neuen Formen bezeugen. Die fides quae kann in unterschiedlicher Weise angesprochen werden: am einfachsten im Krankengottesdienst, wo biblische oder theologische Aussagen in die Situation der Kranken hin gesagt werden; oder im persönlichen Zuspruch, bei dem darauf zu achten ist, dass das Gespräch nicht nur auf die Krankheit fixiert bleibt; oder in einer Diskussion (nicht Streitgespräch!), in der ich überzeugen, nicht überreden will. Wichtig in solchen Gesprächen ist biblische Auslegungskunst, die über historischkritische Methoden hinausgeht: der Patient kann sich z.b. in der Situation des David sehen. Nachtrag: Bewältigung der inneren Ängste 1. Die Frage nach dem Woher der Krankheit Woher kommt die Krankheit? Diese Frage ist auch dort nicht müßig, wo die Antwort klar ist, sondern trägt zur Einordnung des Phänomens bei, ermöglicht eine stimmige Lebensaussicht. Warum gerade ich? Dahinter stehen oft Protest oder Widerstand gegen Fakten, Anklagen gegen Gott oder das Schicksal. In diesem Fall sollte man nicht Wehleidigkeit zum Vorwurf machen, aber die Antwort muss der Patient selbst finden; die Seelsorge kann helfen, die Fixierung auf das Ich zu lösen helfen und den Blick auf das Umfeld zu weiten.
5 5 Einführung in die Pastoraltheologie 9. Sitzung, Wozu ist die Krankheit gut? Wie geht es weiter? Das meint nicht nur den Verlauf der Krankheit und eine eventuelle Rehabilitation, sondern auch die zukünftige Lebensform; die Seelsorge kann zu diesen Bereichen wenig beitragen; jedoch kann sie das Gespräch so lenken, dass der Patient von illusorischen Ideen abkommt und die Realität anerkennt und Hoffnung findet. 2. Seelsorge durch Riten a) Krankenkommunion Seelsorger kann einem Patienten die Krankenkommunion unaufdringlich und ohne Erwartungszwang anbieten. b) Krankensalbung In einzelner Feier oder als gemeinsamer Gottesdienst möglich; man sollte den Gesundungscharakter nicht übertreiben, das Sakrament bringt zum Ausdruck: der lebendige Gott ist mein Retter.
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