MASTERARBEIT. Provisionsansprüche des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
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- Gerburg Katarina Jaeger
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1 MASTERARBEIT Universität Bern Rechtswissenschaftliche Fakultät Prof. Dr. iur. Roland Müller, Rechtsanwalt, Titularprofessor an der Universität St.Gallen und Lehrbeauftragter an der Universität Bern Provisionsansprüche des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Eingereicht am 28. September 2012 von Claudia Burri Grünweg Biel/Bienne Tel.: Matrikelnummer:
2 Verzeichnisse Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis... I Literaturverzeichnis... V Materialienverzeichnis... VII Abkürzungsverzeichnis... VIII Abbildungsverzeichnis... XI 1 Einleitung... 1 I. Problemstellung... 1 II. Zielsetzung... 2 III. Methodik... 2 IV. Begriffsbestimmungen... 2 A. Allgemeines... 2 B. Begriffe Arbeitsverhältnis Arbeitsvertrag Handelsreisendenvertrag Lohn Zeitlohn Leistungslohn Erfolgslohn Fixum... 5 V. Abgrenzungen Theoretischer Teil... 7 I. Einleitung zum theoretischen Teil... 7 II. Die Provision... 7 A. Begriff und Qualifikation... 7 B. Erscheinungsformen Vermittlungsprovision Abschlussprovision Bezirks- oder Rayonprovision... 9 C. Zweck und Vorkommen D. Höhe und Berechnung III. Der Provisionsanspruch I -
3 Verzeichnisse A. Entstehung des Provisionsanspruchs In sachlicher Hinsicht In zeitlicher Hinsicht a) Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses i. Grundsatz (Art. 322b Abs. 1 OR) ii. Ausnahme: Entstehungsaufschub (Art. 322b Abs. 2 OR) b) Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses i. Grundsatz (Art. 322b Abs. 1 OR) ii. Ausnahme: Entstehungsaufschub (Art. 322b Abs. 2 OR) In persönlicher Hinsicht B. Umfang des Provisionsanspruchs Allgemeines Spezialbestimmung für den Handelsreisenden (Art. 350a Abs. 1 OR) C. Nachträglicher Wegfall des Provisionsanspruchs In sachlicher Hinsicht In zeitlicher Hinsicht a) Wegfall nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses b) Rückforderung bereits ausbezahlter Provision D. Fälligkeit des Provisionsanspruchs Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses (Art. 323 OR) a) Grundsatz b) Aufschub der Fälligkeit Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Art. 339 OR) a) Grundsatz: Sofortige Fälligkeit (Art. 339 Abs. 1 OR) b) Ausnahme: Fälligkeitsaufschub (Art. 339 Abs. 2 OR) c) Weitere Ausnahmen? Spezialbestimmung für den Handelsreisenden (Art. 349b Abs. 3 OR) E. Provisionsabrechnung Allgemeines Pflicht zur Provisionsabrechnung Kontrolle der Provisionsabrechnung Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses IV. Besondere Problembereiche A. Provisionszahlung bei Verhinderung an der Arbeitsleistung Ferien Ungerechtfertigte fristlose Kündigung Freistellung B. Verzichtsverbot C. Arbeitszeugnis II -
4 Verzeichnisse D. Abgangsentschädigung V. Folgerungen aus dem theoretischen Teil Praktischer Teil I. Einleitung zum praktischen Teil II. Empirische Studie A. Einführung Untersuchungsziel Zielgruppen Methodik Untersuchungsgrenzen B. Ergebnisse Überblick Versicherungsgewerbe a) Allgemeines b) Entschädigungsmodell c) Vertragliche Regelwerke d) Provisionsanspruch i. Arten ii. Entstehung iii. Fälligkeit iv. Abrechnung e) Rechtslage nach beendetem Arbeitsverhältnis f) Problembereiche Inseratenvermittlung a) Entschädigungsmodell b) Vertragliche Regelwerke c) Provisionsanspruch d) Rechtslage nach beendetem Arbeitsverhältnis Automobilhandel a) Entschädigungsmodell b) Vertragliche Regelwerke c) Provisionsanspruch d) Rechtslage nach beendetem Arbeitsverhältnis Detailhandel III. Fall aus der Praxis A. Einführung B. Sachverhalt C. Rechtliche Würdigung III -
5 Verzeichnisse D. Fazit IV. Folgerungen aus dem praktischen Teil Zusammenfassung und Empfehlungen I. Zusammenfassung der Ergebnisse II. Empfehlungen für die Praxis Anhang 1: Checkliste für Arbeitgeber Anhang 2: Musterklauseln Anhang 3: Provisionsarten im Versicherungsrecht Anhang 4: Verzeichnis der Gesprächs- und Interviewpartner Anhang 5: Interviewleitfaden Anhang 6: Begleitschreiben zur Umfrage Anhang 7: Umfrage (inkl. Ergebnisse) IV -
6 Verzeichnisse Literaturverzeichnis Zitierweise: Wo nichts anderes vermerkt ist, wird auf Zitate im Text mit dem Nachnamen des Autors/der Autoren sowie mit der Fundstelle im Werk (Note oder Seite) hingewiesen. AMSTUTZ MARC/BREITSCHMID PETER/FURRER ANDREAS/GIRSBERGER DANIEL/HUGUENIN CLAIRE/MÜLLER-CHEN MARKUS/ROBERTO VITO/RUMO-JUNGO ALEXAND- RA/SCHNYDER ANTON K./TRÜEB HANS RUDOLF (Hrsg.), Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2. Aufl., Zürich 2012 [zit.: HK - BEARBEITER/IN]. BRAND DANIEL/DÜRR LUCIUS/GUTKNECHT BRUNO/PLATZER PETER/SCHNYDR AD- RIAN/STAMPFLI CONRAD/WANNER ULRICH, Der Einzelarbeitsvertrag im Arbeitsrecht, Kommentar zu den Art a, 361/362, Schweizerischer Gewerbeverband (Hrsg.), Muri/Bern BRÜHWILER JÜRG, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, OR Art , 2. Aufl., Bern BRUNNER CHRISTIANE/BÜHLER JEAN-MICHEL/WAEBER JEAN-BERNARD/BRUCHEZ CHRISTIAN, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht (gemäss Obligationenrecht), in: Schriftenreihe Schweizerischer Gewerkschaftsbund SGB (Hrsg.), 3. Aufl., Basel/ Genf/ München BRUNNER KURT, Das Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Vermittlungsagent und seine Drittwirkungen, Diss. Zürich GEISER THOMAS, Arbeitsrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit Leistungslohn, in: AJP 4/2001, S. 382 ff. [zit.: GEISER, AJP 4/2011]. GEISER THOMAS/MÜLLER ROLAND, Arbeitsrecht in der Schweiz, 2. Aufl., Bern HAUSHEER HEINZ/WALTER HANS PETER (Hrsg.), Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Update, Arbeitsrecht, Bd. 1, Art b OR, 7. Ergänzungslieferung, Bern 2011 [zit.: BK-Update]. HIRT THOMAS, Versicherungswirtschaft und Vermittlerrecht, 5. Aufl., Zürich HONSELL HEINRICH/VOGT NEDIM PETER/WIEGAND WOLFGANG (Hrsg.), Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, Art OR, 5. Aufl., Basel 2011 [zit.: BSK - BEARBEITER/IN]. JABORNEGG PETER, Die Provision als Arbeitsentgelt, in: JABORNEGG PETER/SPIELBÜCHLER KARL (Hrsg.), Festschrift der Professoren der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Johannes-Kepler-Universität Linz für Rudolf Strasser zum 70. Geburtstag, Wien 1993, S. 137 ff. - V -
7 Verzeichnisse KREN KOSTKIEWICZ JOLANTA/NOBEL PETER/SCHWANDER IVO/WOLF STEPHAN (Hrsg.), Schweizerisches Obligationenrecht, Kommentar, 2. Aufl., Zürich 2009 [zit.: KK - BEARBEITER/IN]. MEYER BEAT, Das Anstellungsverhältnis des Handelsreisenden, Diss. Zürich MORF PETER, Lohn und besondere Vergütungsformen im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis, in: PORTMANN WOLFGANG/STÖCKLI JEAN-FRITZ (Hrsg.), Schriften zum schweizerischen Arbeitsrecht, Heft 73, Bern REHBINDER MANFRED, Kommentar zu den Art OR, in: HAUSHEER HEINZ (Hrsg.), Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bd. VI, 2. Abteilung, 2. Teilbd., 2. Abschnitt, 2. Aufl., Bern 1992 [zit.: BK - REHBINDER]. REHBINDER MANFRED/STÖCKLI JEAN-FRITZ, Einleitung und Kommentar zu den Art b OR, in: HAUSHEER HEINZ/WALTER HANS PETER (Hrsg.), Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bd. VI, 2. Abteilung, 2. Teilbd., 1. Abschnitt, Bern 2010 [zit.: BK - REHBINDER/STÖCKLI]. REINERT PETER, Variable Gehaltssysteme aus arbeitsrechtlicher Sicht, in: AJP 1/2009, S. 3 ff. [zit.: REINERT, AJP 1/2009]. SCHMID CHRISTOPH OLIVER, Möglichkeiten und Grenzen von leistungs- und erfolgsorientiertem Lohn im privatrechtlichen Arbeitsvertrag Ein Beitrag zur Lehre des Betriebsrisikos, Diss. St. Gallen STAEHELIN ADRIAN, Obligationenrecht, Der Arbeitsvertrag, Art a OR, in: GAUCH PE- TER/SCHMID JÖRG (Hrsg.), Zürcher Kommentar zum schweizerischen Zivilrecht, Teilbd. V 2c, 4. Aufl., Zürich 2006 [zit.: ZK - STAEHELIN]. STAEHELIN ADRIAN/VISCHER FRANK, Obligationenrecht, Der Arbeitsvertrag, Art OR, in: GAUCH PETER/SCHMID JÖRG (Hrsg.), Zürcher Kommentar zum schweizerischen Zivilrecht, Teilbd. V 2c, 3. Aufl., Zürich 1996 [zit.: ZK - STAEHELIN/VISCHER]. STREIFF ULLIN/VON KAENEL ADRIAN/RUDOLPH ROGER, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art OR, 7. Aufl., Zürich VISCHER FRANK, Der Arbeitsvertrag, in: VON BÜREN ROLAND/GIRSBERGER DANIEL/KRAMER ERNST A./SUTTER-SOMM THOMAS/TERCIER PIERRE/WIEGAND WOLFGANG (Hrsg.), Schweizerisches Privatrecht, 7. Bd., 4. Teilbd., 3. Aufl., Basel/Genf/München VI -
8 Verzeichnisse Materialienverzeichnis Botschaft Nr. 140 vom 25. August 1967 des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Revision des Zehnten Titels und des Zehnten Titels bis des Obligationenrechts (Der Arbeitsvertrag) [zit.: BBl 1967 II 241]. Botschaft Nr. 50 vom 6. Dezember 1940 des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden [zit.: BBl 1940 I 1317]. - VII -
9 Verzeichnisse Abkürzungsverzeichnis a.m. anderer Meinung Abs. Absatz AG Arbeitgeber/Aktiengesellschaft AGer Arbeitsgericht AGVE Aargauische Gerichst- und Verwaltungsentscheide AJP Aktuelle Juristische Praxis AN Arbeitnehmer AppGer Appellationsgericht Art. Artikel ARV Zeitschrift für Arbeitsrecht und Arbeitslosenversicherung Aufl. Auflage BBl Bundesblatt Bd. Band BezGer Bezirksgericht BGE Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts BGer Bundesgericht BK Berner Kommentar BR Bundesrat BSK Basler Kommentar bspw. beispielsweise Bst. Buchstabe BVG Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [SR ] bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CA Cour d'appel ca. circa d.h. das heisst Diss. Dissertation E. Erwägung EAV Einzelarbeitsvertrag et al. et alii/et aliae etc. et cetera evtl. eventuell f./ff. folgende/fortfolgende Fn. Fussnote - VIII -
10 Verzeichnisse gem. gemäss gl.m. gleicher Meinung HK Handkommentar HR Handelsreisender HRAG Bundesgesetz vom 13. Juni 1941 über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden (aufgehoben seit der Revision des Arbeitsvertragsrechts vom 25. Juni 1971) Hrsg. Herausgeber i.d.r. in der Regel inkl. inklusive insb. insbesondere i.s./i.s.v. im Sinne / im Sinne von i.v.m. in Verbindung mit i.z.m. in Zusammenhang mit JAR Jahrbuch des Schweizerischen Arbeitsrechts KGer/TC Kantonsgericht/Tribunal cantonal KK Kurzkommentar lit. littera max. maximal m.e. meines Erachtens Mio. Million N (Rand-)Note Nr. Nummer OGer Obergericht OR Bundesgesetz vom 30. März 1911 betreffend die Ergänzung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Fünfter Teil: Obligationenrecht) [SR 220] Rspr. Rechtsprechung S. Seite s. siehe SAE Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheide sog. sogenannte(r) SR Systematische Sammlung des Bundesrechts TC/KGer Tribunal cantonal/kantonsgericht Teilbd. Teilband Tph Tribunal des prud'hommes u.a. unter anderem u.u. unter Umständen v.a. vor allem - IX -
11 Verzeichnisse vgl. vergleiche VVG Bundesgesetz vom 8. April 1908 über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) [SR ] z.b. zum Beispiel Ziff. Ziffer zit. zitiert ZK Zürcher Kommentar ZPO Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 [SR 272] ZR Blätter für Zürcherische Rechtsprechung - X -
12 Verzeichnisse Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Auswertung Frage Abb. 2: Auswertung Frage Abb. 3: Auswertung Frage Abb. 4: Auswertung Frage Abb. 5: Auswertung Frage Abb. 6: Auswertung Frage Abb. 7: Auswertung Frage Abb. 8: Auswertung Frage XI -
13 1 Einleitung I. Problemstellung 1 Einleitung I. Problemstellung Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zieht viele Konsequenzen nach sich. Grundsätzlich entfallen durch die Beendigung alle Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis, insbesondere die Arbeits- und Lohnzahlungspflicht. Allerdings hat das beendete Arbeitsverhälntis auch gewisse Nachwirkungen. Zu erwähnen sind namentlich die Fälligkeit aller Forderungen, die Unverzichtbarkeit zwingender Ansprüche während der Dauer eines Monats, die Verpflichtungen aus einem vertraglichen Konkurrenzverbot, der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis und eine allfällige Abgangsentschädigung sowie weitere Folgen je nach Vertragsverhältnis. Tritt nun zum Fixlohn des Arbeitnehmers auch noch ein variabler Lohnbestandteil in Form einer Provision auf bestimmten Geschäften hinzu - was in der heutigen, sehr leistungsorientierten Gesellschaft häufig vereinbart wird - können sich aus dem beendeten Arbeitsverhältnis zahlreiche Rechtsprobleme ergeben. Entsprechend der gesetzlichen Regelung ist die Provision - ohne gegenteilige Abrede - erfolgsorientiert. Sie entsteht mit gültigem Geschäftsabschluss (Art. 322b Abs. 1 OR) und fällt bei unverschuldeter fehlender Geschäftsausführung wieder dahin (Art. 322b Abs. 3 OR). Da die Provision aber eine Form des Arbeitslohnes darstellt, ist sie für die geleistete Arbeit des Arbeitnehmers geschuldet, selbst wenn diese erst nach beendetem Arbeitsverhältnis zum Geschäftsabschluss bzw. zur Geschäfsausführung führt. Im Gegenzug fällt die Provision auch nach beendetem Arbeitsverhältnis wieder dahin, wenn die Geschäftsausführung nicht stattfindet. So endet bei einer Entlöhnung auf Provisionsbasis die Lohnzahlungspflicht also nicht automatisch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern es kann über das Vertragsverhältnis hinaus ein Anspruch auf Provision entstehen oder wegfallen. Folglich lassen sich die Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis - entgegen dem zwingenden Art. 339 Abs. 1 OR - nicht immer sofort mit dessen Beendigung bereinigen. Die nachvertragliche Entstehung und der nachvertragliche Wegfall eines Provisionsanspruchs sind in Literatur und Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt. Nicht genügend geregelt sind hingegen die Folgen, die sich aus dieser Rechtslage ergeben. Denn das Bestehen arbeitsrechtlicher Forderungen über das Arbeitsverhältnis hinaus, wirft zahlreiche Fragen auf, bspw. die folgenden: Wie kann ein Arbeitnehmer wissen, dass noch Geschäfte mit von ihm vermittelten Kunden abgeschlossen wurden; wann werden seine nachvertraglichen Provisionsansprüche abgerechnet und ausbezahlt; was verändert sich bei Provisionsansprüchen auf Geschäften, deren Erfüllung sukzessiv erfolgt; wo liegen die Grenzen des Provisionsanspruchs des ausgeschiedenen Arbeitnehmers bzw. wo beginnt der Provisionsanspruch des nachfolgenden Arbeitnehmers? - 1 -
14 1 Einleitung II. Zielsetzung Dies ist nur ein exemplarischer Ausschnitt zahlreicher Problembereiche, welchen nachfolgend unter dem Titel Provisionsansprüche des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachgegangen wird. II. Zielsetzung Der vorliegenden Masterarbeit liegen drei Hauptziele zugrunde, es sind dies die folgenden: Darstellung der Rechtslage anhand von Literatur und Judikatur. Herauskristallisieren der Probleme aufgrund dieser Rechtslage. Ausarbeitung einer Empfehlung für die arbeitsvertragliche Regelung in der Praxis. III. Methodik Die Erarbeitung dieser Masterarbeit erfolgt in drei Schritten: In einem ersten Schritt ( 2) wird anhand der Literatur und Botschaften zu den einschlägigen Artikeln des Arbeitsvertrages und des Handelsreisendenvertrages sowie anhand der Judikatur das Thema Provisionsansprüche des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter theoretischen Aspekten beleuchtet und zusammengefasst. In einem zweiten Schritt ( 3) erfolgt eine praktische Untersuchung des Themas mittels drei verschiedenen Methoden. Erstens wird eine qualitative Studie anhand von Interviews mit Arbeitgebern, die ihre Arbeitnehmer auf Provisionsbasis entlöhnen sowie zweitens eine quantitative Studie anhand von Umfragen ebenfalls auf Arbeitgeberseite durchgeführt. Drittens wird zur Veranschaulichung der Brisanz des Themas ein aktueller Einzelfall aus der Praxis dargestellt und rechtlich gewürdigt. In einem dritten und letzten Schritt ( 4) werden die theoretischen Aussagen den Ergebnissen aus der praktischen Untersuchung gegenübergestellt. Abschliessend werden aus den gewonnenen Erkenntnissen Empfehlungen für die Praxis hergeleitet, um die erkannten Probleme mit Provisionsansprüchen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestmöglich zu verhindern. IV. Begriffsbestimmungen A. Allgemeines Die wichtigsten Begriffe, die für die späteren Ausführungen dieser Masterarbeit als Verständnisgrundlage dienen sollen, werden hier kurz definiert. Der Begriff der Provision wird weggelassen, da dieser im Theorieteil der Arbeit ( 2, II, A) ausführlich erläutert wird. Der Einfachheit halber wird für Personen jeweils nur die männliche Form verwendet, sie gilt selbstverständlich für beide Geschlechter
15 1 Einleitung IV. Begriffsbestimmungen B. Begriffe 1. Arbeitsverhältnis Als Arbeitsverhältnis ist jenes Rechtsverhältnis zu verstehen, welches aufgrund des Abschlusses eines Arbeitsvertrages zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht. 1 Der Arbeitsvertrag, geregelt in Art. 319 ff. OR, ist ein privatrechtlicher Schuldvertag, dessen Hauptcharakteristikum die Arbeitsleistung gegen Entgelt ist. 2 Lehre und Rechtsprechung nennen vier Begriffsmerkmale des Arbeitsvertrages: Erbringung einer Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer; Entschädigung durch den Arbeitgeber; Weisungsgebundene Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation (Subordinationsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber); Leistung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit (Dauerschuldverhältnis) Arbeitsvertrag Gesetzessystematisch umfasst der Arbeitsvertrag als Oberbegriff den Einzelarbeitsvertrag, die besonderen Einzelarbeitsverträge (Lehrvertrag, Handelsreisendenvertrag, Heimarbeitsvertrag) sowie den Gesamt- und den Normalarbeitsvertrag. Ist allerdings im Folgenden von Arbeitsvertrag die Rede, ist der gewöhnliche Einzelarbeitsvertrag i.s.v. Art OR gemeint. 3. Handelsreisendenvertrag Unter Handelsreisendenvertrag ist der besondere Einzelarbeitsvertrag nach den Art a OR 4 zu verstehen, auf den die Bestimmungen des allgemeinen Arbeitsvertragsrechts (Art OR) gemäss Art. 355 OR nur subsidiär Anwendung finden. Ein solcher liegt vor, wenn sich der Handelsreisende auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages verpflichtet, auf Rechnung des Inhabers eines Handels-, Fabrikations- oder anderen nach kaufmännischer Art geführten Geschäfts, gegen Lohn Geschäfte jeder Art ausserhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebers zu vermitteln oder abzuschliessen (Art. 347 Abs. 1 OR). 5 Kennzeichnendes Unterscheidungsmerkmal des Handelsreisendenvertrages vom gewöhnlichen Arbeitsvertrag ist die Arbeit ausserhalb der Geschäftsräume. 6 Dabei ist entscheidend, dass der Handelsreisende die Reisetätigkeit überwiegend ausübt, d.h. mehr als die Hälfte der Arbeitszeit ausserhalb der Ge Vgl. MORF, N 29 ff. GEISER, AJP 4/2001, N 1.2. Vgl. zu den einzelnen Voraussetzungen BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 319 OR, N 1 ff.; GEISER/MÜLLER, N 100 ff. Der Handelsreisendenvertrag war bis 1971 durch das Bundesgesetz über das Anstellungsverhältnis der Handelsreisenden vom 13. Juni 1941 (HRAG) geregelt. Vgl. zu den einzelnen Begriffsmerkmalen MEYER, S. 5 ff. GEISER/MÜLLER, N 150; VISCHER, S
16 1 Einleitung IV. Begriffsbestimmungen schäftsräume verbringt (Art. 347 Abs. 2 OR). Irrelevant für die Qualifizierung als Handelsreisender ist die im Vertrag gewählte Bezeichnung Lohn Die Zahlung des Lohnes ist gemäss Art. 319 Abs. 1 OR die zwingend vorgesehene Gegenleistung des Arbeitgebers für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers. 8 Somit ist für den Arbeitsvertrag gesetzlich ein zwingendes Austauschverhältnis von Lohn und Arbeit statuiert. 9 Lohn ist, wie vorne ( 1, IV, B, 1) bereits dargestellt, Wesensmerkmal des Arbeitsvertrages. 10 Nach der Lohnbemessungsgrundlage können drei grundsätzliche Lohnformen unterschieden werden: Zeitlohn, Leistungslohn und Erfolgslohn Zeitlohn Zeitlohn meint die Entlöhnung nach Zeiteinheiten (i.d.r. nach Monaten oder Stunden, denkbar aber auch nach Wochen oder Jahren). 12 Der Arbeitnehmer wird dabei für die Zeit entlöhnt, in der er dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung zur Verfügung stellt, ohne Berücksichtigung des Arbeitsergebnisses (ein ungenügendes Ergebnis kann eine Sorgfaltspflichtverletzung i.s.v. Art. 321a Abs.1 i.v.m. 321e OR, nicht aber eine Lohnkürzung zur Folge haben) Leistungslohn Der gegenteilige Berechnungsmassstab zum Zeitlohn gilt beim Leistungslohn. Bei diesem hängt die Höhe der Vergütung vom individuell erzielten Abeitsergebnis ab, unabhängig der dafür aufgewendeten Zeit. 14 Hauptfall des Leistungslohnes ist der Akkordlohn (Art. 326, 326a OR). Zu unterscheiden ist zwischen echtem und unechtem Leistungslohn. Echter (reiner) Leistungslohn meint eine Entlöhnung ausschliesslich nach der individuellen Leistung des Arbeitnehmers, darunter fallen der Einzelakkordlohn, die Provision (Art. 322b OR) und die Prämie. 15 Beim unechten Leistungslohn stellt die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nur eine von mehreren Bemessungsfaktoren für die Lohnhöhe dar. Zum unechten Leistungslohn gehört der Gruppenakkordlohn, die Beteiligung am Geschäftsergebnis (Art. 322a OR) und teilweise auch bestimmte Bonusarten MEYER, S. 7. BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322 OR, N 1. MORF, N Vgl. auch BBl 1967 II 241, S SCHMID, S. 47. GEISER/MÜLLER, N 393. HK-EMMEL, Art. 322 OR, N 6. BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322 OR, N 31. BSK-PORTMANN, Art. 322 OR, N 33; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322 OR, N 2. BSK-PORTMANN, Art. 322 OR, N 34; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322 OR, N
17 1 Einleitung V. Abgrenzungen 7. Erfolgslohn Erfolgslohn bemisst sich nach dem Ergebnis der Arbeit. 17 Erfolgsvergütungen liegen zwischen dem Zeit- und dem Akkordlohnsystem. 18 Darunter fallen der Anteil am Geschäftsergebnis (Art. 322a OR) sowie die Provision (Art. 322b OR). Solche Beteiligungsformen gehören - mit Ausnahme der Vermittlungs- und Abschlussprovision - trotz ihrer leistungsorientierten Berechnungsgrundlage zum Zeitlohnsystem, da die Entlöhnung nicht ausschliesslich am Arbeitsergebnis des einzelnen Arbeitnehmers, sondern an ein Gesamtergebnis anknüpft Fixum Das Fixum, auch Fixlohn genannt, ist der periodisch auszuzahlende Zeitlohn mit vorbestimmter Höhe. 20 Im Gegensatz zur Provision fehlt ihm jede Erfolgs- und Leistungsbezogenheit. 21 Unter das Fixum fällt auch eine sog. Mindest- oder Minimalprovision (Garantiefixum), soweit sie leistungsunabhängig, d.h. ungeachtet der tatsächlich vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte, geschuldet ist. 22 Ein solches Garantiefixum liegt vor, wenn zwar ausschliesslich Provision vereinbart wurde, der Arbeitgeber aber ein bestimmtes monatliches Mindestprovisionseinkommen unabhängig vom Arbeitserfolg verspricht. 23 V. Abgrenzungen Diese Arbeit beschränkt sich auf Provisionsansprüche, die sich für den Arbeitnehmer aus dem (beendeten) Arbeitsverhältnis ergeben, entscheidend ist somit das Vorliegen eines Arbeitsvertrages (Art. 319 ff. OR). Nicht berücksichtigt werden die Provisionsansprüche des Selbständigerwerbenden aus anderen (beendeten) Vertragsverhältnissen, wie namentlich aus Agenturvertrag (Art. 418a-v OR), Mäklervertrag (Art OR) oder einfachem Auftrag (Art. 394 ff.). Hauptkriterium zur Unterscheidung des Arbeitnehmers vom Selbständigerwerbenden ist sein Subordinationsverhältnis zum Arbeitgeber. 24 Gegenstand dieser Arbeit sind die einschlägigen Normen des Schweizersichen Obligationenrechts zum EAV (Art OR) sowie zum Handelsreisendenvertrag als besonderen EAV (Art a OR). Die Abhandlung beschränkt sich somit auf das privatrechtliche Arbeitsverhältnis, ohne Ausführungen zum öffentlichen Arbeitsverhältnis. Auch nicht einbezogen werden die Nebengesetze der jeweiligen Branchen (wie u.a. das VVG für das Versicherungswesen). Das würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen SCHMID, S. 48. BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322 OR, N 32; GEISER/MÜLLER, N 396. BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322 OR, N 32. BK-REHBINDER, Art. 349a OR, N 4. BK-REHBIDER, Art. 349a OR, N 5. BK-REHBINDER, Art. 349a OR, N 4; ZK-STAEHELIN/VISCHER, Art. 349a OR, N 2. BK-REHBINDER, Art. 349a OR, N 4. Vgl. BRUNNER, S. 58 ff
18 1 Einleitung V. Abgrenzungen Ebenso behandelt die Arbeit (mit wenigen Ausnahmen im Handelsreisendenvertragsrecht) weder historische noch rechtsvergleichende Aspekte. In zeitlicher Hinsicht wurde versucht, der entsprechenden Literatur und Rechtsprechung, welche bis Ende August 2012 publiziert worden ist, Rechnung zu tragen
19 2 Theoretischer Teil I. Einleitung zum theoretischen Teil 2 Theoretischer Teil I. Einleitung zum theoretischen Teil Der theoretische Teil beginnt mit allgemeinen Ausführungen zu Begriff und Wesen der Provision. Darauffolgend werden die Rechtsgrundlagen des Provisionsanspruchs jeweils vor und nach beendetem Arbeitsverhältnis anhand von Lehre und Rechtsprechung dargestellt. Dabei werden jeweils das Arbeitsvertragsrecht sowie parallel dazu das besondere Handelsreisendenvertragsrecht behandelt. In einem weiteren Teil werden einzelne gesonderte Problembereiche im Zusammenhang mit Provisionsansprüchen nach beendetem Arbeitsverhältnis aufgegriffen und kurz dargestellt. Abgerundet wird der Theorieteil mit einer Zusammenfassung und Folgerung aus dem bis dahin Festgestellten. II. Die Provision A. Begriff und Qualifikation Provision ist eine i.d.r. in Prozenten festgelegte Beteiligung des Arbeitnehmers am Wert der einzelnen von ihm vermittelten oder abgeschlossenen Geschäfte. 25 Sie setzt eine entsprechende Vereinbarung durch Einzel-, Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag voraus. 26 Aufgrund ihrer systematischen Stellung im OR (Art. 322b) handelt es sich bei der Provision um eine Lohnzahlung. 27 Folglich finden sämtliche Reglungen zum Lohnschutz auch auf die Provision Anwendung. 28 Wie bereits in den Begriffsbestimmungen (vorne 1, IV, B, 6, 7) ersichtlich besteht keine Einigkeit in der Literatur hinsichtlich der Qualifikation der Provision. Während die einen 29 die Provision als echten (reinen) Leistungslohn bzw. als Unterart des Akkordlohnes bezeichnen, wird dies von einem anderen Teil der Lehre kritisiert. So sehen MORF wie auch SCHMID in der Provision unechten Leistungslohn (oder wie sie ihn bezeichnen: Erfolgslohn), da die gesetzliche Regelung nicht bloss auf die individuelle Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, sondern letztlich auf einen tatsächlichen Geschäftserfolg abstellt (insb. die spezielle Regelung zur Entstehung und zum nachträglichen Wegfall des Provisionsanspruchs in Art. 322b Abs. 2 und 3 OR). 30 Auch BRUNNER vertritt die Ansicht, dass die Provision nicht dem Akkordlohn gleich Vgl. BGE 128 III 174, E. 2b S. 176; BGE 90 II 483, E. 2 S. 486 ff.; BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 1; BSK-PORTMANN, Art. 322b OR, N 1; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322b OR, N 2. ZK-STAEHELIN, Art. 322b OR, N 3. GEISER, AJP 4/2011, N 3.21; MORF, N 523. MORF, N 523. Vgl. BSK-PRORTMANN, Art. 322 OR, N 33; GEISER, AJP 4/2011, N 3.20; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322 OR, N 2; VISCHER, S. 101; teilweise auch BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 3; ZK- STAEHLIN, Art. 322b OR, N 1; BRÜHWILER, Art. 322a OR, N 1. MORF, N 526; SCHMID, S. 71 f
20 2 Theoretischer Teil II. Die Provision gestellt werden darf, da der Akkordlohn allein von den Fähigkeiten und dem Arbeitswillen des Arbeitnehmers abhänge, währenddem die Provision zu einem grossen Teil auch von Faktoren abhänge, die der Arbeitnehmer nur beschränkt beeinflussen könne, wie von der Marktstellung des Arbeitgebers, der Qualität der angebotenen Produkte bzw. Dienstleistungen sowie auch von der Konjunkturlage. 31 Ein weiterer Teil der Lehre 32 bezeichnet - entsprechend der Botschaft 33 - die Provision (Art. 322b OR) sowie den Anteil am Geschäftsergebnis (Art. 322a OR) als Erfolgsvergütung. Wobei sich die beiden Lohnformen insofern unterscheiden, als die Provision die Beteiligung eines einzelnen Arbeitnehmers am individuellen Arbeitserfolg darstellt, während sich beim Anteil am Geschäftsergebnis die Erfolgsbeteiligung nach dem Gesamterfolg des Unternehmens bzw. eines Unternehmensteils richtet. 34 In der Lehre unumstritten ist, dass es sich bei der Provision um eine variable Entlöhnung handelt. Dabei ist es v.a. die uneinheitliche Terminologie der Lehre, die zu Verwirrung und Unsicherheit bzgl. der Rechtsnatur der Provision führt. Gesamthaft kann aber gesagt werden, dass die Provision - unabhängig von der gewählten Terminologie - sowohl leistungs- als auch erfolgsbezogen sein kann. Sie kann ein von der Leistung des Arbeitnehmers, aber auch von der Markt- und Geschäftslage abhängiges Entgelt in der Form einer Erfolgsvergütung sein. Der Erfolg besteht in Geschäftsvermittlungen bzw. -abschlüssen. Somit hat die Provision in dem vom Arbeitnehmer beeinflussbaren Bereich den Charakter eines Leistungslohnes, im beschränkt beeinflussbaren Bereich führt sie dagegen zu einer gewissen Überwälzung des Unternehmensrisikos vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer. 35 B. Erscheinungsformen 1. Vermittlungsprovision Bei der Vermittlungsprovision besteht die Aufgabe des Arbeitnehmers darin, für den Arbeitgeber zu werben und potenzielle Kunden zu suchen. 36 Sollte es zu einem Vertragsschluss kommen, wird dieser durch den Arbeitgeber vorgenommen bzw. genehmigt, dem Arbeitnehmer kommt grundsätzlich keine rechtliche Kompetenz zu, mit Kunden Verträge im Namen und auf Rechnung des Arbeitgebers abzuschliessen. 37 Insofern besteht immer die Vermutung einer blossen Vermittlungsvollmacht, sofern keine anderslautende schriftliche Abrede getroffen wurde BRUNNER, S BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322 OR, N 32; Art. 322b OR, N 1; BRAND/DÜRR et al., Art. 322b OR, N 1; GEISER/MÜLLER, N 396; MEYER, S. 62. BBl 1967 II 241, S. 316 f. GEISER/MÜLLER, N 397, 400; ZK-STAEHELIN, Art. 322a OR, N 10. Vgl. JABORNEGG, S. 138 ff. MORF, N 530. BRÜHWILER, Art. 322b OR, N 2; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322b OR, N 2. So explizit für den Handelsreisenden in Art. 348b Abs. 1 OR
21 2 Theoretischer Teil II. Die Provision 2. Abschlussprovision Bei der Abschlussprovision ist der Arbeitnehmer - gestützt auf eine schriftliche Vollmacht i.d.r. im Arbeitsvertrag - berechtigt und beauftragt im Namen und auf Rechnung des Arbeitgebers Verträge abzuschliessen. 39 Dabei handelt der Arbeitnehmer als direkter Stellvertreter (Art. 32 ff. OR) des Arbeitgebers. 40 Der Arbeitnehmer hat sich an seine Abschlusskompetenzen 41 und an die ihm vom Arbeitgeber erteilten Instruktionen hinsichtlich Vertragskonditionen (z.b. bzgl. der Preisgestaltung) zu halten, andernfalls kann er schadenersatzpflichtig werden Bezirks- oder Rayonprovision Die Bezirks- oder Rayonprovision setzt voraus, dass dem Arbeitnehmer ein bestimmter Bezirk bzw. ein bestimmtes Rayon exklusiv zur Bearbeitung übertragen wird. 43 Der Arbeitnehmer hat dann Anspruch auf Provision für alle Geschäfte, die mit Kunden in diesem Bezirk bzw. Rayon abgeschlossen werden, unabhängig davon, ob er tatsächlich zum Geschäftsabschluss beigetragen hat oder nicht. 44 Im Gegensatz zur Vermittlungs- und Abschlussprovision erlaubt diese Provisionsform dem Arbeitnehmer unter Umständen auch von der Tätigkeit des Arbeitgebers oder von anderen Arbeitnehmern zu profitieren. Damit erhält die Bezirks- bzw. Rayonprovision Merkmale einer Beteiligung am Geschäftsergebnis (in einem bestimmten Gebiet). 45 Die Rechtsprechung unterscheidet die Provision von der Umsatzbeteiligung aber dahingehend, dass für die Entstehung des Provisionsanspruchs nach Art. 322b Abs. 1 OR einzig der Vertragsschluss massgebend sei, während für den Anspruch am Umsatz nach Art. 322a Abs. 1 OR der Umsatz in der entsprechenden Periode auch tatsächlich realisiert sein muss, mithin nicht nur der Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts, sondern auch die Erfüllung der Verpflichtung notwendig ist. 46 Anders als die Vermittlungs- und Abschlussprovision wird diese Provisionsform dem Zeitlohnsystem zugeordnet (vgl. vorne 1, IV, B, 7), da sie an einem Gesamterfolg (eines bestimmten Gebiets) anknüpft So explizit für den Handelsreisenden in Art. 348b Abs. 2 OR. MORF, N 531. So wird insb. die Inkasso- und Stundungsbefugnis, d.h. die Befugnis Zahlungen vom Kunden entgegenzunehmen oder besondere Zahlungsfristen zu bewilligen, nicht im Rahmen der Abschlussvollmacht vermutet, sondern es bedarf dazu einer besonderen Vollmacht (vgl. Art. 348b Abs. 1 OR). MEYER, S. 45; ZK-STAEHELIN, Art. 322b OR, N 5. MORF, N 532. So ausdrücklich in Art. 349b Abs. 1 OR für den Handelsreisenden. MORF, N 533; SCHMID, S. 76. Entscheid des AGer ZH vom , in: ZR 1998, Nr. 61, S. 171 f.; Entscheid des KGer ZG vom , in: JAR 1986, S. 88 ff. BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322 OR, N 32; GEISER/MÜLLER, N
22 2 Theoretischer Teil II. Die Provision C. Zweck und Vorkommen Der Zweck der Provision liegt darin, den Arbeitnehmer durch Beteiligung am Erfolg derjenigen Geschäfte, welche aufgrund seiner Arbeitsleistung herbeigeführt wurden, zu motivieren Geschäftsmöglichkeiten und -abschlüsse zu erarbeiten. 48 Zudem wirkt die Provision auch als natürliches Steuerungsinstrument, das den Arbeitnehmer dazu bringen soll, sich für seine Arbeit zu interessieren und einzusetzen, da sich gerade die Tätigkeit im Aussendienst durch den Arbeitgeber nur schwer kontrollieren lässt. 49 Als Entlöhnungsform geeignet ist die Provision immer dann, wenn es um die Vermittlungs- und Akquisitionstätigkeit geht. Sie setzt grundsätzlich voraus, dass die Tätigkeiten der einzelnen Mitarbeiter klar voneinander abgrenzbar sind. 50 Sinnvoll ist sie zudem nur, wenn der Geschäftsgang mindestens in gewissem Umfang vom Einsatz und den Fähigkeiten des Arbeitnehmers abhängt. 51 Die Provision ist die regelmässige Lohnform des Handelsreisenden und kann bei diesem unter Umständen sogar die einzige Art des Lohnes sein. 52 In einem solchen Fall ist die Lohnschutzbestimmung von Art. 349a Abs. 2 OR einzuhalten, wonach die Abrede, dass der Lohn überwiegend oder ausschliesslich in einer Provision besteht, nur dann gültig ist, wenn sie erstens schriftlich erfolgt und zweitens 53 ein angemessenes Entgelt für die Tätigkeit des Handelsreisenden darstellt. 54 Bei anderen Arbeitsverhältnissen stellt die Provision dagegen i.d.r. einen zusätzlichen Bestandteil zum Fixlohn dar, so v.a. beim Verkaufspersonal des Gross- und Einzelhandels, beim Bedienungspersonal des Gastgewerbes sowie in der Versicherungsbranche. 55 Nach Lehre und Rechtsprechung kann die Provision aber auch hier als einzige Lohnart vereinbart werden. 56 Dabei wird aber von der vorherrschenden Lehre gefordert, dass der reine Provisionslohn analog zur Bestimmung des Handelsreisendenrechts immer ein angemessenes Entgelt darstellen muss, um das sog. Provisionsunwesen, nämlich die ungerechtfertigte Abwälzung des Lohnrisikos auf den Arbeitnehmer, zu bekämpfen. 57 So hat auch das Obergericht des Kantons Aar MORF, N 522; BGE 128 III 174, E. 2b S MEYER, S. 54 f. GEISER, AJP 4/2011, N BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, Art. 322b OR, N 1. BBl 1967 II 241, S. 317; BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 2. Diese zweite Voraussetzung gilt nicht für die Probezeit, sondern hier gilt während einer Höchstdauer von zwei Monaten der Grundsatz der Freiheit in der Lohnbestimmung (Art. 349a Abs. 3 OR). Ein angemessenes Entgelt liegt dann vor, wenn es dem Handelsreisenden, unter Berücksichtigung seines Arbeitseinsatzes, seiner Ausbildung, seiner Dienstjahre, seines Alters und seiner sozialen Verpflichtungen, ermöglicht auf zufriedenstellende Weise zu leben (BGE 129 III 664, E. 6.1 S. 670). BBl 1967 II 241, S. 317 f.; BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 2. Vgl. statt mehrerer MORF, N 586; Entscheid des CA GE vom , in: JAR 1985, S. 91 ff. BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 2; BSK-PORTMANN, Art. 322b OR, N 1; HK-EMMEL, Art. 322b OR, N 1; GEISER, AJP 4/2001, N 3.25; MORF, N 586; SCHMID, S. 73; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322b OR, N 5; ZK-STAEHELIN, Art. 322b OR, N 1; kritisch REINERT, AJP 1/2009, S
23 2 Theoretischer Teil II. Die Provision gau entschieden, indem es die analoge Anwendung von Art. 349a Abs. 2 OR als allgemeine Vorschrift des Einzelarbeitsvertragsrechts erklärte. 58 D. Höhe und Berechnung Der Gesetzgeber regelt weder die Höhe der Provision (mit Ausnahme von Art. 349a Abs. 2 OR, welcher bei einer reinen Provisionsentlöhnung ein angemessenes Entgelt fordert) noch wie eine allfällige Provision konkret zu berechnen ist, entsprechend gilt volle Vertragsfreiheit bzgl. Höhe und Berechnung der Provision. 59 Es ist möglich, die Berechnung der Provision vom mengenmässigen (Stückprovision) oder finanziellen (Umsatzprovision) Volumen oder vom Gewinn (Gewinnprovision) des vermittelten bzw. abgeschlossenen Geschäfts abhängig zu machen. 60 Es ist möglich, einen festen Betrag oder einen bestimmten Prozentsatz des Umsatzes festzulegen. In der Praxis kommen Prozentabreden am häufigsten vor, so dass dem Arbeitnehmer auf dem Betrag des provisionsberechtigenden Geschäfts regelmässig ein bestimmter Prozentsatz zusteht. 61 In der Praxis kommen teilweise auch Provisionsstaffeln oder Provisionstabellen zum Einsatz, welche auf der Gewinnmarge, dem Umsatz, dem Deckungsbeitrag oder einer anderen wirtschaftlich sinnvollen Grösse beruhen. 62 Provisionsvereinbarungen können weiter auch eine untere und obere Limite für provisionsberechtigte Geschäfte vorsehen, in concreto heisst das, dass Kleingeschäfte nicht berücksichtigt werden sollen und grössere Einzelgeschäfte einen maximalen Provisionsbetrag nicht überschreiten können. 63 Zudem ist auch die Vereinbarung einer (z.b. monatlichen oder jährlichen) Maximalprovision zulässig, wodurch allerdings der mit der Provisionsabrede verfolgte Motivationszweck eingeschränkt wird. 64 Haben die Parteien eine Entlöhnung auf Provisionsbasis vereinbart, ohne die Berechnung der Provision festzulegen, so ist die Provision zu zahlen, die in der betreffenden Branche bei einem vergleichbaren Geschäft üblich ist, im Zweifel entscheidet der Richter nach Billigkeit. 65 Mangels abweichender vertraglicher Regelung berechnet sich die Provision nach vorherrschender Ansicht vom Umsatz der durch den Arbeitnehmer abgeschlossenen oder vermittel Entscheid des OGer AG vom , in: AGVE 2005, E. 2b S. 29 f.; sowie auch weitere darauf folgende Entscheide: Entscheid des CA GE vom , in: JAR 2006, S. 441 ff.; Entscheid des AGer ZH vom , in: JAR 2009, S. 703 ff.; Entscheid des TC VD vom , in: JAR 2010, S. 655 ff.; Entscheid des AGer ZH vom , in: JAR 2010, S. 675 ff. BBl 1967 II 241, S MORF, N 571. BBl 1967 II 241, S. 317; MEYER, S. 75; MORF, N 571, 584. MORF, N 571. Solche Abreden sind aber nur zulässig, wenn damit nicht eine Umgehung, des von Art. 349a Abs. 2 OR zwingend vorgeschriebenen angemessenen Entgelts bezweckt wird (so BGE 75 II 237, E. 3 S. 244 für den Fall, dass eine Provision das Erreichen eines Mindestumsatzes bedingt). BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322c OR, N 2; MORF, N 571. Vgl. Art. 322 Abs. 1 OR für den Arbeitnehmer allgemein sowie Art. 349b Abs. 1 OR für den Handelsreisenden; BSK-PORTMANN, Art. 322 OR, N 6 f.; MORF, N 584; SCHMID, S
24 2 Theoretischer Teil III. Der Provisionsanspruch ten Geschäfte. 66 Berechnungsgrundlage ist jeweils der für das betreffende Geschäft fakturierte Rechnungsbetrag und zwar der Nettobetrag (Bruttobetrag abzüglich 67 Mehrwertsteuer, Rabatte, Versicherungsprämien und Spesen z.b. für Fracht, Versand, Zoll, Verpackung etc., jedoch ohne Abzug des Barzahlungsskontos, da die Barzahlung der finanziellen Liquidität des Arbeitgebers zugute kommt), so die Mehrheitsmeinung. 68 Um Streitigkeiten vorzubeugen sollte die genaue Berechnungsweise vertraglich festgehalten werden. III. Der Provisionsanspruch A. Entstehung des Provisionsanspruchs 1. In sachlicher Hinsicht Für die Entstehung des einzelnen Provisionsanspruchs muss nach Art. 322b Abs. 1 OR ein rechtsgültiger Geschäftsabschluss vorliegen. Ein nichtiges Geschäft lässt den Anspruch also nicht entstehen, dasselbe gilt für ein rechtswirksam angefochtenes und damit ex tunc dahingefallenes Geschäft. 69 Der Geschäftsabschluss muss dabei auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers zurückzuführen sein, wobei bereits blosses Mitverursachen für die Entstehung des Provisionsanspruchs genügt. 70 Sofern nichts anderes vereinbart worden ist, muss der Arbeitnehmer während des Vertragsverhältnisses entweder das konkrete Geschäft vermittelt oder den Dritten als Kunden für Geschäfte dieser Art geworben haben, es muss also ein Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit des Arbeitnehmers und dem anspruchsbegründenden Geschäft bestehen. 71 Sowohl bei der Vermittlungs- als auch bei der Abschlussprovision muss der Arbeitnehmer zum Vertragsschluss einen nicht wegzudenkenden Beitrag i.s. einer conditio sine qua non geleistet haben. 72 Bei der Bezirks- und Rayonprovision hingegen ist eine natürliche Kausalität nicht zwingend erforderlich. 73 Der provisionsberechtigte Akt stellt bei der Ab BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 5; ZK-STAEHELIN, Art. 322b OR, N 9; BSK-PORTMANN, Art. 322b OR, N 1; BRÜHWILER, Art. 322b OR, N 1; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322b OR, N 2; MORF, N 572; HK-EMMEL, Art. 322b OR, N 1; KK-T. KOSTKIEWICZ, Art. 322b OR, N 3; wohl auch GEI- SER, AJP 4/2001, N Welche einzelnen Posten vom Bruttobetrag abzuziehen sind, ist umstritten. ZK-STAEHELIN, Art. 322b OR, N 9; BSK-PORTMANN, Art. 322b OR, N 1; BRÜHWILER, Art. 322b OR, N 1; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322b OR, N 6; GEISER, AJP 4/2001, N 3.23; HK-EMMEL, Art. 322b OR, N 4; KK-T. KOSTKIEWICZ, Art. 322b OR, N 3; a.m. BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322c OR, N 1, nach ihnen sind lediglich Rabatte abziehbar, nicht jedoch Drittkosten sowie Barzahlungsskonto; BRAND/DÜRR et al., Art. 322c OR, N 4, die allein den Warenwert als entscheidende Berechnungsgrundlage betrachten, während alle anderen Kosten unter das Unternehmensrisiko des Arbeitgebers fallen. BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 5; MORF, N 549; für die Folgen der Vertragsanfechtung vgl. BGE 129 III 320, E S Vgl. statt mehrerer BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 6. BGE 128 III 174, E. 2b S. 176 f. (= JAR 2003, S. 209); BSK-PORTMANN, Art. 322b OR, N 2; BRUN- NER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, Art. 322b OR, N 2; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322b OR, N 2. MORF, N 541. Das ergibt sich bereits aus der Definition der Bezirks- und Rayonprovision vorne in 2, II, B, 3 (vgl. auch MORF, N 541)
25 2 Theoretischer Teil III. Der Provisionsanspruch schlussprovision bereits die Unterzeichnung des Bestellscheins durch den Kunden dar. 74 Bei der Vermittlungsprovision dagegen entsteht der Provisionsanspruch erst mit Vertragsabschluss zwischen Arbeitgeber und Kunden bzw. mit Bestätigungsschreiben des Arbeitgebers, sofern sich der Arbeitgeber bloss die Genehmigung vorbehalten hat. 75 Da es sich bei Art. 322b Abs. 1 OR um eine relativ zwingende Norm (Art. 362 OR) handelt, darf die Entstehung des Provisionsanspruchs zu Lasten des Arbeitnehmers nicht noch an weitere Voraussetzungen gebunden werden. Möglich ist aber vertraglich ein erleichtertes Entstehen des Provisionsanspruchs vorzusehen, so etwa indem verabredet wird, dass bereits die Vermittlung eines Kunden zu einem Provisionsanspruch führt, ohne dass es effektiv zu einem Vertragsschluss kommen muss. 76 Nach getaner Arbeit des Arbeitnehmers, liegt es - zumindest bei der Vermittlungsprovision - in der Hand des Arbeitgebers, ob es zu einem rechtsgültigen Geschäftsabschluss und damit zur Entstehung des Provisionsanspruchs kommt. Dem Arbeitgeber steht es nämlich grundsätzlich frei, ob er mit dem vom Arbeitnehmer vermittelten Kunden einen Vertrag abschliesst oder ob er einem vom Arbeitnehmer unter Genehmigungsvorbehalt abgeschlossenen Vertrag zustimmt. 77 Dennoch wird im Hinblick auf den Arbeitnehmerschutz verlangt, dass sich der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung nach Treu und Glauben verhalten muss. 78 Er darf ein vermitteltes Geschäft, das wirtschaftlich sinvoll und durchführbar ist, nicht bloss deswegen ausschlagen, um den Provisionsanspruch des Arbeitnehmers zu schmälern oder zu vereiteln, andernfalls kann dieser die Provision ohne Rücksicht auf den fehlenden Abschluss gestützt auf Art. 156 OR 79 fordern. 80 Als Kehrseite sind aber auch die Interessen des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Dem Arbeitgeber muss bei der Auswahl seiner Geschäfte ein gewisser unternehmerischer Ermessensspielraum eingeräumt werden. 81 Nicht treuwidrig handelt der Arbeitgeber nach dem Obergericht des Kantons Luzern etwa dann, wenn kein Geschäftserfolg erfolgt, weil das Geschäft die Produktionskapazitäten des Arbeitgebers übersteigen würde, weil die Konkurrenz Preisnachlässe gewährt oder weil der Arbeitgeber den Kunden aufgrund ungenügender Organisation nicht für sich gewinnen kann BRÜHWILER, Art. 322b OR, N 2; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322b OR, N 2; MEYER, S. 63. BRÜHWILER, Art. 322b OR, N 2; STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322b OR, N 2; MEYER, S. 64. BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 5. ZK-STAEHELIN, Art. 322b OR, N 7. BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 5; ZK-STAEHELIN, Art. 322b OR, N 7; MORF, N 545. Nach Art. 156 OR gilt eine Bedingung als erfüllt, wenn ihr Eintritt von der einen Partei wider Treu und Glauben verhindert worden ist. ZK-STAEHELIN, Art. 322b OR, N 7; MORF, N 545. MORF, N 547. Entscheid des OGer LU vom , in: JAR 2003, E. 3.4 S
26 2 Theoretischer Teil III. Der Provisionsanspruch 2. In zeitlicher Hinsicht a) Während der Dauer des Arbeitsverhältnisses i. Grundsatz (Art. 322b Abs. 1 OR) Nach Art. 322b Abs. 1 OR ensteht der Provisionsanspruch des Arbeitnehmers, sobald das Geschäft mit dem Dritten rechtsgültig abgeschlossen ist. Bei der Vermittlungsprovision geschieht dies durch den Arbeitgeber, bei der Abschlussprovision durch den Arbeitnehmer. Da es sich bei der Provision um eine Form des Arbeitslohnes handelt, gilt allerdings gemäss einem Teil der Lehre der Anspruch darauf bereits mit der Erbringung der entsprechenden Arbeitsleistung als entstanden. 83 Dies führt dazu, dass - entgegen dem Gesetzeswortlaut - der Provisionsanspruch bereits vor dem rechtsgültigen Vertragsabschluss des Arbeitgebers mit dem Kunden entstehen kann, sofern lediglich die Vermittlung von Geschäften als Arbeitsleistung vereinbart wurde. 84 Der Anspruch steht dann aber vorerst unter der Suspensivbedingung des rechtsgültigen Abschlusses des provisionspflichtigen Geschäfts und anschliessend unter der Resolutivbedingung der Abwicklung des Geschäfts (vgl. Art. 322b Abs. 3 OR). 85 Ein anderer Teil der Lehre vertritt hingegen die Ansicht, der Provisionsanspruch entstehe - entsprechend dem Gesetzeswortlaut - stets erst mit Abschluss des provisionspflichtigen Geschäfts zwischen dem Arbeitgeber und dem Kunden, da nur so dem Charakter der Provision als Erfolgsvergütung gerecht werden könne. 86 Doch selbst wenn man dieser Ansicht folgt, ändert es nichts am Ergebnis, dass zugunsten des Arbeitnehmers auch etwas anderes verabredet werden kann (z.b. eine Provisionszusage für die Vermittlung einer blossen Abschlussgelegenheit), das ergibt sich aus dem relativ zwingenden Charakter (Art. 362 OR) des Art. 322b Abs. 1 OR. Der einzige Unterschied zur vorher ausgeführten Ansicht bleibt, dass die Arbeitsleistung (zumindest bei der Vermittlungsprovision) von Gesetzes wegen als nicht ausreichend betrachtet wird, um den einzelnen Provisionsanspruch zu begründen. 87 ii. Ausnahme: Entstehungsaufschub (Art. 322b Abs. 2 OR) Der Grundsatz von Art. 322b Abs. 1 OR, wonach die Provisionsforderung mit rechtsgültigem Vertragsabschluss entsteht, ist zwar zweckmässig und durchführbar für Geschäfte, die durch einmalige Leistungen der Parteien erfüllt werden. Nicht gerecht wird der Grundsatz hingegen, wie die Botschaft 1967 ausführt, den Geschäften, die von einer der Parteien durch mehrere sukzessiv folgende Leistungen erfüllt werden und sich ihre Durchführung somit über einen ZK-STAEHELIN, Art. 322b OR, N 6; GEISER, AJP 4/2011, N Diese Lehrmeinung, die eine Provision in die Nähe des Zeitlohns rückt, vermag nach MORF, angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes, nicht zu überzeugen (MORF, N 544). ZK-STAEHELIN, Art. 322b OR, N 6; GEISER, AJP 4/2011, N BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 5; teilweise auch STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322b OR, N 2, 4. MORF, N
27 2 Theoretischer Teil III. Der Provisionsanspruch längeren Zeitraum erstreckt. 88 Daher hat der Gesetzgeber in Art. 322b Abs. 2 OR für Geschäfte mit gestaffelter Erfüllung (z.b. Sukzessivlieferungsverträge, Abzahlungsgeschäfte, Inseratengeschäfte) sowie für Versicherungsverträge die Möglichkeit geschaffen, schriftlich zu vereinbaren, dass der Provisionsanspruch auf jeder Rate mit ihrer Fälligkeit oder mit ihrer Leistung entsteht. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer nicht schon mit Abschluss des Geschäftes einen Anspruch auf volle Provision, sondern die Anspruchsentstehung wird auf die Fälligkeit oder tatsächliche Erfüllung jeder einzelnen Teilleistung aufgeteilt. Dabei ist gemäss Botschaft 1967 sowie nach einigen Meinungsäusserungen in der Literatur unerheblich, ob die gestaffelte Erfüllung durch den Arbeitgeber oder den Dritten erfolgt. 89 Anderer Meinung ist hingegen MORF, für ihn ist nicht verständlich, weshalb der Arbeitgeber, der gestaffelt leisten muss, die volle Kundenzahlung aber bereits erhalten hat, gegenüber der Grundregel in Art. 322b Abs. 1 OR privilegiert werden soll. 90 Da es sich bei der Grundsatzvorschrift von Art. 322b Abs. 1 OR um eine zugunsten des Arbeitnehmers zwingende Norm handelt (Art. 362 OR), sind solche Abreden über einen späteren Zeitpunkt des Entstehens des Provisionsanspruchs nur unter den Bedingungen der gesetzlichen Ausnahmevorschrift von Art. 322b Abs. 2 OR wirksam. 91 Zudem darf die Entstehung eines Teilprovisionsanspruchs nicht noch von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden, denn auch Abs. 2 hat relativ zwingenden Charakter (Art. 362 OR). 92 So wäre die Abrede, dass die gesamte Provision erst mit der letzten Teilzahlung entstehen soll, nichtig, dagegen wäre eine Besserstellung, wie etwa die Abrede, dass bei Eingang der ersten Rate die ganze Provision fällig wird, natürlich immer möglich. 93 b) Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses i. Grundsatz (Art. 322b Abs. 1 OR) Keine klare Regelung enthält das Gesetz für den Fall, dass der Arbeitnehmer während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ein Geschäft vermittelt oder abschliesst, der Vertragsschluss bzw. die Vertragsabwicklung aber erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Das Bundesgericht bejahte in BGE 90 II 483, E. 2c S. 488 schon früh, dass ein Provisionsanspruch auch für ein Geschäft besteht, das vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen, aber erst danach erfüllt worden ist. 94 Zudem nimmt die Lehre fast einhellig einen Provisionsanspruch sogar dann an, wenn das Geschäft erst nach Beendigung des Arbeitsvertrages BBl 1967 II 241, S BBl 1967 II 241, S. 318; ZK-STAEHELIN, Art. 322b OR, N 11; BRAND/DÜRR et al., Art. 322b OR, N 7. MORF, N 553. BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 7; BRAND/DÜRR et al., Art. 322b OR, N 7. BK-REHBINDER/STÖCKLI, Art. 322b OR, N 7. Vgl. MEYER, S. 65 f. Nach STREIFF/VON KAENEL/RUDOLPH, Art. 322b OR, N 4 ist diese frühere Praxis nach neuem Recht sogar die logische Konsequenz von Art. 322b Abs. 1 OR, da die Provision eine Form von Arbeitslohn darstellt
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