VL Strafverfahrensrecht SS Rechtsmittel. Rechtsmittel. Hubert Hinterhofer
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- Ruth Beutel
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1 VL Strafverfahrensrecht SS 2009 Hubert Hinterhofer Rechtsmittel Allgemeines Definition: Anfechtung einer gerichtlichen Entscheidung mit dem Ziel der Aufhebung oder Abänderung Insb gegen Urteile oder Beschlüsse Fristen Anmeldungsfrist: 3 Tage ab Verkündung; mündlich zu Protokoll oder schriftlich Ausführungsfrist: 4 Wochen ab Zustellung; schriftlich Versäumnis: WE in vorigen Stand unter bestimmten Vr. Rechtsmittel Arten von RM Gegen Urteile des Schöffen- und Geschworenengerichts Nichtigkeitsbeschwerde ( 280; 345) Strafberufung ( 283; 346) Berufung wegen privatrechtlicher Ansprüche ( 283 Abs 1, 4) Gegen Urteile des ER und BG ( 464, 489) Nichtigkeitsberufung Schuldberufung Strafberufung Berufung wegen privatrechtlicher Ansprüche 1
2 Rechtsmittel Arten von RM Abwesenheitsurteile: Einspruch ( 427 Abs 3) Beschlüsse: Beschwerde ( 87 Abs 1) Nichtigkeitsbeschwerde Im kollegialgerichtlichen Verfahren Rechtskontrolle Verfahrens- und Urteilsfehler Keine Ermessensfragen Beweiswürdigung sehr eingeschränkt ( 281 Abs 1 Z 5a; 345 Abs 1 Z 10a) Nichtigkeitsbeschwerde Einteilung HV-Fehler/Urteilsfehler Absolute/Relative NG Formelle/materielle NG Formelle = Verfahrensfehler (Z 1-8) Materielle = Verstöße gegen materielles Recht (Z 9-11) Absolute NG Keine Rügepflicht Amtswegig wahrzunehmen Rügepflichtige/nicht rügepflichtige NG Z 1, 2 (echte Rüge = Widerspruch) und Z 4 (Antragstellung) 2
3 Besetzungsrüge ( 281 Abs 1 Z 1) Rügepflicht Besetzungsfehler des Gerichts Verstöße gegen die Zusammensetzung des Gerichts Nicht: Besetzungsfehler auf Anklägerseite Berufs- oder Laienrichter Falsche Anzahl Fehlerhafte geschlechtsspezifische Besetzung ( 32 Abs 2 StPO; 28 Abs 2 JGG) Besetzungsrüge ( 281 Abs 1 Z 1) Fehlende jugendspezifische Erfahrung bei Laienrichtern in Jugendstrafsachen ( 28 Abs 1 JGG) Ausgeschlossenheit von Richtern ( 43 StPO) Nicht alle Richter in HV physisch anwesend Verletzung der Geschäftsverteilung Verletzungen der Schöffen- und Geschworenendienstliste Nicht Sachliche oder örtliche Unzuständigkeit Verletzung der notwendigen Verteidigung ( 281 Abs 1 Z 1a) Fehlen eines Verteidigers in HV trotz notwendiger Verteidigung Notwendige Verteidigung ( 61) Insb Schöffen- oder Geschworenengericht ER: 3 Jahre übersteigende FS (abstrakt) Jugendstrafverfahren ( 39 JGG) 3
4 Verletzung der notwendigen Verteidigung ( 281 Abs 1 Z 1a) Versäumung wesentlicher Teile der HV genügt Selbst bei Verzicht des Angeklagten Keine große LU bei Kollegialgerichten Nicht Versäumung unwesentlicher Teile der HV (zb Befragung über persönliche Verhältnisse) Schlechte Qualität Fehlerhafte Verteidigerbestellung Mangelndes Vertrauen des Angeklagten in Verteidiger Verfahrensrüge ( 281 Abs 1 Z 2) Verstöße im Ermittlungsverfahren Ausdrücklich nichtig Einführung in HV durch Verlesung (Videovorführung) Rügepflicht: Widerspruch Verfahrensrüge ( 281 Abs 1 Z 2) Befangener SV ( 126 Abs 4) Ausgeschlossener Zeuge ( 155) Verstöße gegen 159 Verstoß gegen 166 Nicht Wenn keine ausdrückliche Nichtigkeit (zb: Nichtbeiziehung eines Dolmetschers) Heilung durch Einverständnis in die Verlesung nach 252 Abs 1 Z 4 4
5 Verfahrensrüge ( 281 Abs 1 Z 3) Verstöße in HV Ausdrückliche Nichtigkeit Genannte Bestimmungen der StPO: erschöpfend HM: auch Verletzung von Nebengesetzen (wenn ausdrücklich nichtig): zb 32 Abs 1 JGG; 41 Abs 6 BWG Abgrenzung zu 281 Abs 1 Z 2 Verfahrensrüge ( 281 Abs 1 Z 3) Nicht öffentliche Durchführung der HV ( 228 Abs 1) Zu kurze Vorbereitungszeit für den Beschuldigten bzw Verteidiger ( 221 Abs 2) Einvernahme von Zeugnisunfähigen: Verstoß gegen 155 Verstöße gegen 159 Umgehung des Aussageverweigerungsrechts bestimmter Zeugen ( 157 Abs 2) Verfahrensrüge ( 281 Abs 1 Z 3) Verstoß gegen die Verlesungsbeschränkungen des 252 Abs 1 Umgehung der Verlesungsbeschränkungen ( 252 Abs 4) Fehlerhaftes Abwesenheitsurteil ( 427 Abs 1 StPO; 32 Abs 1 JGG) Unzureichende Individualisierung im Strafurteil ( 260 Abs 1 Z 1-3) Verwendung unzulässiger Ergebnisse einer TK-Überwachung ( 140 Abs 1) 5
6 Verfahrensrüge ( 281 Abs 1 Z 4) Antrag des Beschwerdeführers Beschluss des Schöffengerichts ( 238) Verstoß gegen Grundrechte, insb gegen Art 6 EMRK (faires Verfahren) Wahrung grundrechtlicher Standards im Strafverfahren durch OGH Subsidiärer NG Korrekte Antragstellung Voraussetzung Prozessuale Willenserklärung In der HV Hauptfall: Beweisanträge ( 238 Abs 1 ivm 55 Abs 1) Verfahrensrüge ( 281 Abs 1 Z 4) Missachtung oder ungerechtfertigte Ablehnung von Beweisanträgen Beweisantrag: 55 Abs 1 Ablehnungsgründe: 55 Abs 2 Verletzung der Anleitungspflicht gegenüber nicht vertretenen Angeklagten (siehe 6 Abs 2) Unzuständigkeit des Gerichts Mängelrüge ( 281 Abs 1 Z 5) Innenkontrolle des Urteils Entscheidende Tatsachen Einfluss auf Subsumtion Schuld- oder Freispruch Welche strafbare Handlung? Abgrenzung zur Rechtsrüge (Z 9, Z 10) Völlig fehlende Feststellungen = Rechtsrüge Mangelhafte Feststellungen (Begründungsmängel) = Z 5 6
7 Mängelrüge ( 281 Abs 1 Z 5) 5 Anfechtungskategorien Undeutlichkeit der Feststellungen bzw Beweiswürdigung Unvollständigkeit der BW Innerer Widerspruch (Feststellungen bzw BW) Fehlende oder offenbar unzureichende Begründung (BW) Aktenwidrigkeit (Feststellungen und BW) Tatsachenrüge ( 281 Abs 1 Z 5a) Eingeschränkte Bekämpfung einer verfehlten Beweiswürdigung Erhebliche Bedenken aus Akten gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde gelegten Fakten Hauptbeispiel: Unvertretbare Würdigung der in der HV korrekt erhobenen Beweise Fehlende Plausibilität/grobe Unvernünftigkeit Zuständigkeitsrüge ( 281 Abs 1 Z 6) Bekämpfung eines unrichtigen Unzuständigkeitsurteils ( 261) Nicht Unzuständigkeit Unrichtiges Unzuständigkeitsurteil nach unten Rechtsirrige Verneinung jeglicher gerichtlichen Zuständigkeit (Z 9a) 7
8 Nichterledigung der Anklage ( 281 Abs 1 Z 7) Anklagegrundsatz Identität von Anklage- und Urteilsfaktum Freie rechtliche Beurteilung durch Gericht ( 262 letzter Satz) Nur durch Ankläger geltend zu machen Nichterledigung eines Verfolgungsbegehrens des Anklägers Fehlen eines staatsanwaltlichen Verfolgungsvorbehalts (siehe 263 Abs 2) im Urteil Anklageüberschreitung ( 281 Abs 1 Z 8) Anklagegrundsatz Verfolgungsantrag eines Anklägers erforderlich Fehlende Identität von Anklage- und Urteilsfaktum NG rein tatbezogen freie rechtliche Beurteilung eines angeklagten Faktums durch Gericht ( 262 letzter Satz) Kein Verfolgungsbegehren gegeben Ursprüngliche Anklage Kein Antrag auf Anklageausdehnung Verstoß gegen Informationspflicht gem 262 Rechtsrüge ( 281 Abs 1 Z 9) Unrichtige Beurteilung der gerichtlichen Strafbarkeit einer Tat (lit a) Unrichtige materiellrechtliche Gesetzesanwendung Unrichtige Annahme einer gerichtlich strafbaren Tat Unrichtige Verneinung einer gerichtlich strafbaren Tat Anwendungsbereich Objektive Tatbestandsvoraussetzungen Subjektiver Tatbestand (insb erweiterter Vorsatz) Objektive Bedingungen der Strafbarkeit Geltungsbereich der Strafgesetze ( StGB) Vorbereitung/Versuch Absolute/relative Untauglichkeit 8
9 Rechtsrüge ( 281 Abs 1 Z 9) Unrichtige Beurteilung von Strafbefreiungsgründen oder Verfolgungshindernissen (lit b) Strafaufhebung = Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs-, Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgrund Notwehr, Anhalterecht, Selbsthilfe Zurechungsunfähigkeit ( 11 StGB) Irrtümer gem 8 und 9 StGB Entschuldigender Notstand ( 10 StGB) Rücktritt vom Versuch ( 16 StGB) Tätige Reue ( 167 StGB) Verfolgungsverjährung ( 57 f StGB) Rechtsrüge ( 281 Abs 1 Z 9) Unrichtige Beurteilung von Strafbefreiungsgründen oder Verfolgungshindernissen (lit b) Verfolgungshindernisse Fehlende Ermächtigung Verbrauch des Anklagerechts (zb 263 Abs 2) Ne bis in idem Rechtsrüge ( 281 Abs 1 Z 9) Falscher Ankläger (lit c) Unrichtige Beurteilung der Anklagebefugnis StA/BA statt richtig Privatankläger Privatankläger statt richtig StA/BA Nicht: fehlende Ermächtigung bei ansonsten korrektem Ankläger = Z 9 lit b 9
10 Subsumtionsrüge ( 281 Abs 1 Z 10) Subsumtionsfehler (falscher Tatbestand) Abgrenzung zu Z 9 lit a Z 10 Gerichtliche Strafbarkeit der Tat fest stehend, doch wird die Tat einem falschen TB zugeordnet Freispruch nicht nach Z 10 anfechtbar Z 9 lit a: Frage, ob gerichtlich strafbarer TB erfüllt, wird falsch beurteilt Subsumtionsrüge ( 281 Abs 1 Z 10) Vollendung statt Versuch und umgekehrt Diebstahl statt Unterschlagung und umgekehrt Räuberischer Diebstahl statt Raub und umgekehrt Zusätzliche Qualifikation nicht gesehen Fehler im Rahmen der echten Konkurrenz Nicht Falsche Beurteilung der Beteiligungsform Alternative Mischtatbestände Diversionsrüge ( 281 Abs 1 Z 10 lit a) Feststellungen können die Nichtanwendung der Diversion nicht tragen Gänzliches Fehlen von Feststellungen zur Diversionsfrage Auf Basis der vom Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen Einbezogene Diversionsformen 199 StPO 37 SMG 10
11 Sanktionsrüge ( 281 Abs 1 Z 11) Verletzung von zwingendem Sanktionenrecht im Urteil Unvertretbarer Verstoß gegen Strafbemessungsvorschriften Nicht bloß Ermessensfehler = Strafberufung ( 283) Sanktionsrüge ( 281 Abs 1 Z 11) Missachtung des abstrakten Strafrahmens (inkl JGG!) Verstoß gegen Strafsatzgrenzen des 41 StGB Verstoß gegen die zwingenden Voraussetzungen in 37 StGB Fehlende oder unrichtige Probezeit Verletzung zwingender Voraussetzungen der StGB (dagegen: Bekämpfung der Gefährlichkeitsprognose = Strafberufung > Ermessen) Sanktionsrüge ( 281 Abs 1 Z 11) Fehlende Ersatzfreiheitsstrafe bei Geldstrafen Verstöße gegen das Doppelverwertungsverbot ( 32 Abs 2 Satz 1 StGB Geständnis als erschwerend Schadensgutmachung nicht als mildernd Missachtung des Vorrangs der Spezialprävention im JGG Nicht Ermessensfehler > Strafberufung ( 283) Anwendung oder Nichtanwendung des 39, 43, 313 StGB Fehlerhafte Prognoseentscheidungen 11
12 Geschworenengericht Fragenrüge ( 345 Abs 1 Z 6) Verfahrensfehler bei der Fragestellung an die Geschworenen ( ) Beispiele Fehlerhafte HF, EF, ZF Fehlerhafte Unterlassung einer Frage Fehlerhafte Zulassung einer Frage Instruktionsrüge ( 345 Abs 1 Z 8) Unrichtige Rechtsbelehrung ( 321, 323) Beispiele Verstoß gegen das StGB Unvollständig Undeutlich, widersprüchlich Einschränkung durch Rsp: erhebliche sachliche Unrichtigkeit = Voraussetzung für Anfechtung Antwortenrüge ( 345 Abs 1 Z 9) Undeutlicher, unvollständiger oder widersprüchlicher Wahrspruch Mängel aus Wahrspruch selbst Undeutliche Niederschrift genügt nicht 12
13 Moniturrüge ( 345 Abs 1 Z 10) Gesetzwidriges Moniturverfahren ( 332 Abs 4): Einleitung eines Verbesserungsverfahrens, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen Gesetzwidrig unterbliebenes Moniturverfahren: Behauptung eines Missverständnisses bei der Abstimmung durch zumindest einen Geschworenen Voraussetzung 13
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