Ringvorlesung Einführung in die Methoden der empirischen Sozialforschung II
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- Ingeborg Lorentz
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1 Ringvorlesung Einführung in die Methoden der empirischen Sozialforschung II Auswahlverfahren - Begriffe und theoretische Grundlagen 1
2 USA 1936: - Wahlstudie mit Probestimmzetteln - Quelle: Telefonverzeichnis und Liste der KFZ-Besitzer, davon Rücklauf - Ergebnis: 19%-Punkte daneben! Probleme: 1. geringer Rücklauf 2. falscher Auswahlrahmen ABER: Quotenstichprobe mit n = 1.500: Das Ergebnis stimmte, Roosevelt gewann die Wahl. Merke (1): Kleine Stichproben können besser sein als große, n alleine sagt nichts über die Qualität der Stichprobe. Begriffe Stichprobe: Auswahl von Elementen der Grundgesamtheit, n Erhebungseinheiten: Elemente, auf die sich die Auswahl bezieht Stichprobenumfang: Zahl der ausgewählten Elemente Grundgesamtheit: Alle Elemente, über die eine Aussage getroffen werden soll Menge, welche aufgrund einer bestimmten Eigenschaft für den Forscher von Interesse ist; N Totalerhebung: Alle Elemente der Grundgesamtheit werden in die Erhebung einbezogen Frame = Auswahlrahmen, Ziehungsgrundlage Undercoverage: Nicht alle Elemente der Grundgesamtheit sind im Frame nicht vertreten Overcoverage: Elemente der Grundgesamtheit sind im Frame mehrfach vertreten 2
3 Stichprobe oder Totalerhebung? Volkszählung 1987: mehr als DM = (relativ) teuer Blutuntersuchungen, Weinproben... (???) Grundgesamtheit würde zerstört Beispiel: Bürgerbefragung zum Haushalt einer Stadt Verteilung an die Haushalte über Stadtanzeiger, aber auch als download und per Telefon Von Bögen zurück Probleme: Geringer Rücklauf (7,7% der Bögen???) keine ausreichende Kontrolle der Rekrutierung völlig sinnlose Daten Oft sind deshalb Stichproben die einzige Möglichkeit. Weshalb kann man annehmen, dass aufgrund einer Auswahl nur relativ weniger Elemente Aussagen (Prognosen) über die Grundgesamtheit treffen können? Überlegung: Urne, mit allen 100 Elemente der Grundgesamtheit (Kugeln) 10 weiße und 90 schwarze Stichprobe von 10 Elementen (Kugeln) wird gezogen Mögliche Ergebnisse: Alle zehn gezogenen Kugeln weiß, neun der Kugeln sind weiß, alle sind schwarz... Zweiter Schluss: Das Ziehen von Stichproben liefert unsichere Ergebnisse. Wiederholung der Ziehung:... Dritter Schluss: Das Ziehen von Stichproben liefert stets unsichere Ergebnisse. Neue Überlegung: Was passiert bei einem viermaligen Wurf einer Münze? 3
4 Mögliche Ergebnisvarianten bei einem viermaligen Wurf einer Münze Variante Wurf K = Kopf Z = Zahl 1 K K K K K K K K Z Z Z Z Z Z Z Z 2 K K K K Z Z Z Z K K K K Z Z Z Z 3 K K Z Z K K Z Z K K Z Z K K Z Z 4 K Z K Z K Z K Z K Z K Z K Z K Z Wahrscheinlichkeit für ein kein-, ein-, zwei, drei- und viermaliges Auftreten des Ereignisses Zahl (Z) bei einem viermaligen Wurf einer Münze Ereignis Häufigkeit Quotient Prozentwert Z (0) 1 x 1 / Z (1) 4 x 4 / Z (2) 6 x 6 / Z (3) 4 x 4 / Z (4) 1 x 1 / Voraussetzung: Nichts ist manipuliert Z (0): das Ereignis Zahl tritt nicht ein, Z (1): das Ereignis Zahl tritt ein Mal ein... Ergebnisse des viermaligen Münzwurfs und Normalverteilungskurve Häufigkeit ,00 2,00 3,00 4,00 5,00 Wurf Mean = 3,00 Std. Dev. = 1,0328 N = 16 4
5 Merke (4): Man weiß noch immer nicht, was genau passiert (s.o.) aber: man kann nun die Wahrscheinlichkeit bestimmter Ereignisse berechnen. Der Stichprobenfehler e Überlegung Grundgesamtheit (100 Kugeln) mit bestimmten Parametern (= Farbe einer Kugel) mit einer bestimmten Häufigkeit (zehn Prozent aller Kugeln sind weiß) Man kann nicht erwarten, dass bei einer beliebigen Ziehung exakt zehn Prozent aller gezogenen Kugeln weiß ist! Mal werden mehr und mal weniger Kugeln dieser Farbe gezogen werden. Merke (5): Die Differenz zwischen der Ausprägung eines Parameters in der Grundgesamtheit und dessen Ausprägung in der Stichprobe wird als Stichprobenfehler bezeichnet. Der Stichprobenfehler ist normalverteilt. Das Konfidenz- bzw. Vertrauensintervall Der Stichprobenfehler ist bei Zufallsstichproben und bei ausreichend vielen Wiederholungen normalverteilt! Das bedeutet, 95 Prozent der Werte liegen im Bereich von ± 1,96 Standardabweichungen, diesen Bereich bezeichnet man den 95%-Konfidenzintervall. Bei 100 gezogenen Stichproben liegt in 95 Fällen der gefundene Wert im Bereich von ± 1,96 Standardabweichungen, dementsprechend in fünf Fällen außerhalb dieses Bereiches b e i
6 Berechnung des Vertrauensintervalls: I 1,2 = p ± z w p (1-p) / N Mit: I 1,2 : Vertrauensintervall p: Der Schätzwert aus der Stichprobe (hier 0.5 beziehungsweise 50 Prozent) z w : Die Grenzen der Normalverteilung (bei 95 Prozent 1.96; bei 99 Prozent 2.58) n Stichprobengröße (hier 1.000). I 1,2 = 0,5 ± 1,96 0,5 (1 0,5) / = 0,5 ± 1,96 * 0,0158 = 0,5 ± 0,031 Überlegung: 50 Prozent der befragten Wahlberechtigten gab an, mit der Regierung zufrieden zu sein. Der wirkliche Wert liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von 95% zwischen 46,9 und 53,1 Prozent. Bestimmung der Stichprobengröße Beispiel: Stichprobenuntersuchung, Grundgesamtheit Studierende der TU Dresden, Problem: Zufriedenheit mit dem Mensaessen 1. Sicherheit bestimmen, hier: Wir wollen uns nur maximal in 3 Prozent irren 2. Vermutung, p = 50 Prozent sind mit dem Mensaessen zufrieden, deshalb konservative Schätzung vornehmen 3. Größe der Grundgesamtheit berücksichtigen 6
7 Bestimmung der Stichprobengröße Minimaler Stichprobenumfang für gegebenen absoluten Stichprobenfehler e, bei Irrtumswahrscheinlichkeit α = 0.05 für Anteile p = 0.05 und p = 0.08 (oder p = 0.02) (nach Borg 2003:188) p = 50 Prozent p = 80 Prozent (oder 20 Prozent) N e = 0.03 e = 0.05 N e = 0.03 e = Wechsel der Sichtweise: Wo liegt das Vertrauensintervall bei verschiedenen Stichprobengrößen? Anteilwerte in der Stichprobe (in Prozent) n =... 1 / 99 5 / / / 8 20 / / / / / ADM 1999:150 7
8 Auswahlverfahren - Übersicht 1. Wahrscheinlichkeitsauswahl (= Zufallsauswahl = Random Sample): Jedes Element hat eine angebare Wahrscheinlichkeit, in die Stichprobe aufgenommen zu werden. 2. Bewusste Auswahl (Quoten-Verfahren, typische Fälle) 3. Willkürliche Auswahl (Stichprobenziehung wird nicht kontrolliert) Merke (6): Wenn Parameter der Grundgesamtheit zu schätzen sind, kommt willkürliche Auswahl nicht infrage Arten von Wahrscheinlichkeitswahlen -Einfache Zufallsauswahl: Einstufige Auswahl, alle Elemente haben die gleiche Chance, Voraussetzung: Liste mit allen Elementen, Realisierung? - Mehrstufige Zufallsauswahl: Auswahl über mehrere Ebenen - Klumpenstichprobe z.b. Schulklassen, Spezialfall einer mehrstufigen Auswahl (PISA-Studie) 8
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