KZU Studienwoche Sprachtheorie. Name:
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- Monika Bruhn
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1 KZU Studienwoche 2011 Sprachtheorie Name:
2 Sprachtheorie I Inhaltsverzeichnis 1 Sprachtheorie Definitionen von Sprache Phonologie Vergleich des deutschen und französischen Konsonanten-Inventars Morphologie Typologische Klassifikation der Sprachen Universalien oder «Warum ist Grammatik so, wie sie ist?» Kreolsprachen Glossar 9 2 Sprachwandel PPT-Präsentation: Latein und romanische Sprachen Glossar zu Kapitel Wichtige Lautgesetze und Entwicklungen vom Latein zum Französisch Glossar zu Kapitel Les Serments de Strasbourg Die Strassburger Eide 19 3 Soziolinguistik Grundsätzliches zur Soziolinguistik Welche Dimensionen hat Sprache? Ursprünge der Soziolinguistik Sind alle Sprachen gleichwertig? Welche Typen von Varietäten gibt es? Was sind wichtige Kennzeichen von «Standardsprache»? Glossar Auswahlbibliographie 24 4 Diglossie und Mehrsprachigkeit PPT-Präsentation zu Diglossie und Mehrsprachigkeit Arbeitsaufträge für die Gruppenarbeit Auswahlbibliographie 39
3 Sprachtheorie Seite 1 1 Sprachtheorie 1.1 Definitionen von Sprache Definition von E. Sapir (1921) Sprache ist eine ausschliesslich dem Menschen eigene, nicht im Instinkt wurzelnde Methode zur Übermittlung von Gedanken, Gefühlen und Wünschen mittels eines Systems von frei geschaffenen Symbolen. Kommentar Definition von G. Trager (1949) Eine Sprache ist ein System willkürlicher stimmlicher Symbole, mittels derer die Mitglieder einer Gesellschaft im Gesamtrahmen ihrer Kultur interagieren. Kommentar Definition von N. Chomsky (1957) Eine Sprache ist eine (begrenzte oder unbegrenzte) Menge von Sätzen, die jeweils in ihrer Länge begrenzt sind und aus einer begrenzten Menge von Elementen gebildet werden. Kommentar Definition von R.A. Hall (1964) Sprache ist die Einrichtung, durch die Menschen mittels gewohnheitsmässig verwendeter, willkürlicher oral-auditiver Symbole miteinander kommunizieren und interagieren. Kommentar
4 Sprachtheorie Seite 2 Abgrenzung zu anderen, v. a. tierischen Kommunikationssystemen links Rundtanz Nahrungsquelle nahe bei Bienenstock rechts Schwänzeltanz Nahrungsquelle weiter weg Richtung: Distanz: Kriterien für die Einzigartigkeit menschlicher Sprache Ø Ø Ø Ø Ø Ø Austauschbarkeit Willkürlichkeit Isolierbare Elemente Transfer Überlieferung Strukturelle Dualität
5 Sprachtheorie Seite Phonologie Minimalpaare ergeben die bedeutungsunterscheidenden Lautgrössen (Phoneme) z. B. Bier mir (b, w) Keim Reim (k, r) nicht jedoch: ach ich (unterschiedliche Aussprache der «ch»), stellungsbedingt (Allophone)
6 Sprachtheorie Seite Vergleich des deutschen und französischen Konsonanten-Inventars Deutsches Phonem-Inventar (Konsonanten) Artikulation labial koronal dorsal laryngal Plosive p, b t, d k, g Frikative f, v s, z, ʃ, Ʒ Χ h Affrikaten pf ts, tʃ Nasale m n Laterale l Vibranten Approximanten ʁ, R j Französisches Phonem-Inventar (Konsonanten) Artikulation labial koronal dorsal laryngal Plosive p, b t, d k, g Frikative f, v s, z, ʃ, Ʒ Χ h Affrikaten pf ts, tʃ Nasale m n ɲ Laterale l Vibranten Approximanten j, w, ɥ R
7 Sprachtheorie Seite Morphologie Morphem = bedeutungstragende Einheit Beispiel /alt/ - /kalt/ /lacht/ - /lache/ k, a, l, t: Phoneme, ohne Bedeutung t: Morphem, Bedeutung für 3.Person Singular Indikativ Präsens Aktiv Übung Führen Sie eine Morphemanalyse durch in folgendem aztekischen Dialekt: a ikalwewe = sein grosses Haus b ikalsosol = sein altes Haus c ikalcin = sein kleines Haus d komitwewe = grosser Kochtopf e komitsosol = alter Kochtopf f komitcin = kleiner Kochtopf g petatwewe = grosse Matte h petatsosol = alte Matte i petatcin = kleine Matte j ikalmeh = seine Häuser k komitmeh = Kochtöpfe l petatmeh = Matten m koyamecin = kleines Schwein n koyamemeh = Schweine Morpheme ikal = komit = petat = koyame = wewe = sosol = cin = meh =
8 Sprachtheorie Seite Typologische Klassifikation der Sprachen Isolierender Sprachbau Chinesisch Wo Mai Juzi chi Ich Kaufen Orange essen «Ich habe mir ein paar Orangen zum Essen gekauft.» Flektierender Sprachbau Lateinisch / Italienisch am- -o /lieben/ 1.Sg. Präsens Indikativ Aktiv «Ich liebe.» Agglutinierender Sprachbau Suaheli Mini ni- -na- -ku- -penda wewe mich /ich/ Präsens /du/ /lieben/ dich «Ich liebe dich.» Inkorporierender Sprachbau Tiwi (Australien) Ngi- -rru- -unthing- -apu- -kani /ich/ Präteritum Eine Zeit lang /essen/ wiederholt «Ich habe weitergegessen.» Aufgabe Was für eine Sprache ist Englisch? Isolierend: The boy will ask the girl. Flektierend: The biggest boys have been asking. Agglutinierend: anti-dis-establih-ment-arian-ism
9 Sprachtheorie Seite Universalien oder «Warum ist Grammatik so, wie sie ist?» Zwei universelle Mechanismen, die in der Sprache und der Sprachentwicklung am Werk sind: Ökonomie und Deutlichkeit. häufigere Kategorie seltenere Kategorie Sprache oft null-kodiert nie null-kodiert 3. Person Person deutsch (er) sang (du) sang-st spanisch canta canta-s Präsens Futur lateinisch laudat laudabit spanisch canta cantará Nominativ Akkusativ deutsch Affe Affe-n türkisch ev (Haus) ev-i Positiv Komparativ deutsch schön schön-er Affirmativ Negativ türkisch gel-di (er kam) gel-me-di (er kam nicht) Maskulin Feminin deutsch Müller Müller-in Das Verschwinden der Verwendungen im Englischen oder der starken Verben («fragte» statt «frug») im Deutschen sind Beispiele für Vereinfachung und somit für die Ökonomie in der Sprachentwicklung. Dieses Prinzip herrscht aber nie uneingeschränkt. Der Abbau der Kasusendungen vom Lateinischen zu den romanischen Sprachen wird kompensiert durch Wortstellungsregeln (SVO) gemäss dem Prinzip der Deutlichkeit Viele sprachliche Prozesse erklären sich aus dem Zusammenspiel von Ökonomie und Deutlichkeit.
10 Sprachtheorie Seite Kreolsprachen Die Kreolsprachen sind ein Sonderfall. Die neugeschaffene Grammatik dieser Sprachen ist besonders stark auf typologisch verständliche und einheitlich markierte Strukturen angewiesen. Inkonsequenzen wie die französische Wortstellung /son histoire, l histoire de sa mère/ (Besitzer Nomen vs. Nomen Besitzer) werden in den Kreolsprachen bewusst umgangen. Übung Versuchen Sie die folgenden Sätze zu begreifen (Vokabular: < französisch, Grammatik: neu) Haitianisch Li raconte papa-li istwa sa-a Pote sa pou mwen Nou pa te pou wè sa Li pa-jam tro ta pou chen enraje
11 Sprachtheorie Seite Glossar agglutinierend Dualität flektierend inkorporierend isolierend Bezeichnung eines Sprachbautyps, bei welchem grammatisch Beziehungen ausgedrückt werden durch das Anfügen einer Abfolge von Einheiten an das Wort (in festgelegter Reihenfolge), wobei jede Einheit prinzipiell für eine grammatische Information steht. Eigenschaft der menschlichen Sprache, der zufolge die Sprachlaute keine eigene Bedeutung haben, sondern durch Kombination zu grösseren Einheiten gehören, die dann ihrerseits erst Bedeutung tragen. = synthetisch = fusionierend: Bezeichnung eines Sprachbautyps, bei welchem grammatisch Beziehungen ausgedrückt werden durch Veränderungen in der Wortstruktur (Umlaute, Ablaute, Endungen), wobei jede Veränderung mehr als eine grammatische Bedeutung haben kann. Bezeichnung eines Sprachbautyps, bei welchem in einem Wort nicht nur grammatisch Beziehungen ausgedrückt werden durch eine geregelte Abfolge von Morphemen, sondern ganze Wörter und Satzglieder (Objekte, Adverbialien) in ein einziges Wort gepackt werden. Bezeichnung eines Sprachbautyps, bei welchem grammatisch Beziehungen ausgedrückt werden ohne morphologische Grammatikmittel, sondern lediglich durch die Wortstellung. Kreolsprache Durch (erzwungenen, unbefristeten) Kontakt von Sprechern sehr unterschiedlicher Sprachen entsprungene, neu kreierte Mischsprache (Pidgin), die nach der ersten Generation zur Muttersprache wird (Kreol). Minimalpaar Morphem Ökonomie Phonem Semiotik Transfer Universal Paar von zwei Wörtern, die sich in einem Phonem unterscheiden kleinste bedeutungstragende Einheit Prinzip der Vereinfachung sprachlicher Ausdrucksmittel zu geringstmöglichem Sprechaufwand kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit Lehre von allen möglichen (auch nichtsprachlichen Zeichensystemen) Möglichkeit der menschlichen Sprache, sich auf örtlich und zeitlich entfernte Dinge zu beziehen. Für alle Sprachen gültige Prinzipien
12 Sprachtheorie Seite 10 2 Sprachwandel 2.1 PPT-Präsentation: Latein und romanische Sprachen!"#$%&'()*&*(+&#,%")('-.+)& /0#"-.+)&+)1'1")*+)2& 3 4$'*+.)$)5&*+'%('-.+)&7+(-.+'&& & 3 $)1+#'-.(+*;(-.+&A)1B(->;$)5&*+'&@"1+()'&()&*+)&+#,C+#1+)& && D+C(+1+)E&C+5F)'G51&*$#-.&*(+&8('1")H&H$&7,%& & 3 &&&8(+&/0#"-.+&*+#&9:)*;+#&$)*&*+'&+()<"-.+)&=,;>+'&&&& &&&&$)1+#'-.+(*+1&'(-.&(%%+#&%+.#&?,%&>;"''('-.+)&@"1+()& 3 &&&A)1'1+.$)5&+()+'&'+#%,&?$;5"#('E&'+#%,&<"%(;("#('&&I& &&&&@"1+()('-.+&J%5")5''0#"-.+&&&!"#$%#&$'()*+,)"&-%./$ 0 $12%#34-.#&(5-$62%#34-.$7)"##%#34-8$9"&-%.$(.:$:-.$ $$;-,#34%-:-.-.$,<8".%#34-.$=>,"34-.$ $ $ 0 $*-#>,<34-.-#$9"&-%.?$:"#$:-.$4<34#>,"34)%34-.$@<,8-.$5-,.$ $$#&-4&$ $ $ $ 0 $'()*+,)"&-%.$%#&$.%34&$A;()*+,-#B$9"&-%.$C;()*(#$D$'<)7E$ $ 0 $F-.-#$9"&-%.?$:"#$;<.$:-.$G,"88"H7-,.$"I*-)-4.&$2(,:-?$$ $$"I-,$*-#>,<34-.$2(,:-?$I%#$#%34$:%-#-#$6($.-(-.$J<34#>,"34-.$$$$$$ $$CD$,<8".%#34-.$=>,"34-.E$5<,8%-,&-$
13 Sprachtheorie Seite 11!"#"$%&'()*#"+,-%&./'*,-%#&!!!!!!"#$%&'!!!!!!!!!!!!!!()#'*+,&,-.!!!/$#0&%'&,-.!!!!!!!12#'&,-.!!!!!34$5)56#'&,-.!! & & & & & & & & & & & & & & &!"#$%&'()*+',-#$"'.'( / *&'*(7*.(839,:'*;! ( "#$%&#'()*!.',()*+',-#$"'.(:<"-#$'*(54*&'*(7*.(37,:'*(12345'*(( &'$+(=',52,'*>(."'(?74*%+6+'*(<',.'*(.7,#$(@745"+4%='()*+',-#$"'.'( ',-'+:+0(AB6+',('*+-+'$'*("*(.'*(C'"-+'*(,2C4*"-#$'*(AB,4#$'*(*'7'( D4*&E(7*.(F7,:=2345'0( (( (
14 Sprachtheorie Seite 12!"#$%&'()*+,)-!! # +,()-! #'*5" # # #*'5A7=" # #7="# B,0" #'.>./ # #'(#',.>/ # #A# C&&"# #'.>.0 # #'%#',.> # #%.!%/'0! D%)"# #'.>( # # #A # # #A# $*5"# #'.>,# # #A # # #A# C;'" # #'.>,# # #A # # #A# E,&"# #'.>%F # #A # # #A# ## 1%- # #'*5" # # #*'5A7=" # #7="# B,0" #'.>( # # #'(#',.> # #A# C&&"# #'.>,/ # #'%/#',.>/ # #%.2!%/'02! D%)"# #'.>,=.0 # #A # # #A# $*5"# #'.>(/# # #A # # #A# C;'" # #'.>(/# # #A # # #A# E,&"# #'.>(F# # #A # # #A# # "#$%&#'()*!*./#%()%0#1%23/&*/.//4/5%0#%)56(2&%'5#/(23# *)78)9'(23#%()#:6%(&*/.//4/5%0"#123'(%//'(23#;'%(;5#()#<%)# 0%(/5%)#=,0*)(/23%)#1>=*23%)#).=#%()#%()?(9%=#@*/./#%=3*'5%)"# ##!"#$%&'()*+%&,# #*@ #7*1189 ### # #=0* #A*2.8& # #-(0)B/0*2.8& # # # #C/*&DE18165# # ##*>*2(/# # # # #.12#*>*2(1# # # #********+$*,-.*/+01* ####!"#$%"&'()*-./0(12#3.1#14& *11891:## 3*;</#$%&12/(=+%&#>82#?2/.,#&.(.1#*&* #7*1189"# * #F@ ###7./;.=2### #=0* #A*2.8& ## # # #-(0)B/0*2.8& # # # #C/*&DE18165# # # #*>*982## # # # ########5*F.2#*>*2(># # #*******+$*/*/+01*!"#$%"&'()**-./0(12#3.1#14& ./;.=21:#3*;</#$%&12/(=+%&# # >82#*9%8/G?2/.,#&.(.1#*&* #7./;.=2"### H*1#*02.#7./;.=2#5.8112#&(&#*&3./1,#I*11J#18>I0."# *!"#!$%&%'!!!!!!()*++,+"-.+!/*&.,0!!1%)23')*&.,0!!!$'*045+,+"-!!!!*6*7,&!!!!!*6*'.!-*7.&!!!!"#$!%&'$ ## (')"*'+,-.!8.%.+!$%&%'!*%+!90:0,;<!=!-*7.'.>!!!!!
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16 Sprachtheorie Seite Glossar zu Kapitel 2.1 analytische Sprache Kasusreduktion klassisches Latein Quantitätenkollaps «auseinander gelöste» Sprache, verschiedene sprachliche Bestandteile werden in mehreren Wörtern ausgedrückt (z. B.: il a aimé: er hat geliebt) Aus einem Sechskasussystem entwickelt sich anfänglich ein Zweikasussystem (die Anzahl der Kasus wird reduziert, nur Nominativ und Akkusativ bleiben übrig). Schliesslich bleibt in den meisten romanischen Sprachen nur ein einziger Kasus erhalten (meist aus dem Akkusativ entwickelt). hochstilisierte Literatursprache, ca. 1. Jh. v. Chr. bis 1. Jh. n. Chr. Typische Repräsentanten Prosa: Cicero, Cäsar; Poesie: Ovid, Vergil Im Lateinischen wurde zwischen kurzen und langen Vokalen unterschieden (Vokalquantitäten). Im Laufe der Zeit, etwa vom 3./4. Jahrhundert an, ging die Unterscheidung der Vokalquantitäten langsam verloren. Das bisherige Längen- und Kürzensystem brach zusammen (Quantitätenkollaps), dafür wurde vermehrt zwischen offenen und geschlossenen Vokalen unterschieden (qualitative Unterschiede). sermo vulgaris, sermo familiaris Lateinische Umgangssprache («gewöhnliche, vertraute Sprache», vulgus: Volk) synthetische Sprache «zusammengesetzte» Sprache, mehrere sprachliche Bestandteile werden in einem Wort ausgedrückt (z. B.: laudaverat: er hatte gelobt)
17 Sprachtheorie Seite Wichtige Lautgesetze und Entwicklungen vom Latein zum Französisch 1 Finden Sie die Regel der folgenden Lautentwicklung heraus: aurum l or auricula l oreille causa chose Regel: 2 Ergänzen Sie und finden Sie die Regel der folgenden Lautentwicklung heraus: manus la main fames urbanus Regel: 3 Welche Regel lässt sich aus folgenden Wortpaaren ableiten? mater la mère pater le père frater sal mare Regel: 4 Suche die französische Entsprechung zu: mundus vagabundus triumphus columba secundus unda Regel:
18 Sprachtheorie Seite 16 5 a servitudo la servitude Was wurde demzufolge aus: altitudo = latitudo = solitudo = Genus? Regel: b auctoritas une autorité Finden Sie die französische Entsprechung sowie die deutsche Bedeutung: dignitas = humanitas = voluntas = societas = necessitas = sanitas = civitas = (Hinweis: Bei den letzten beiden Wörtern ist ein wenig mehr ausgefallen als bei den ersten Beispielen, man nennt diesen Ausfall unbetonter Vokale «Synkope».) Genus? Regel: 6 Wie lässt sich wohl das t am Ende folgender französicher Wörter erklären? cliens, clientis le client dens, dentis la dent mors, mortis la mort ars, artis l art Regel: 7 Verbinden Sie jeweils die einander entsprechenden Wörter: castellum canis calor causa la chose le château le chien la chaleur Regel:
19 Sprachtheorie Seite 17 8 Suchen Sie jeweils die französische Entsprechung zu: tempestas = fenestra = bestia = estis = Regel: 9 Verbinden Sie die passenden Paare: rapere debere pauper habere ripa febris liber avoir pauvre devoir ravir la rive le livre la fièvre Regel: 10 Betrachten Sie die Beispiele: schola une école sponsa une épouse stella une étoile Was könnten folgende Wörter heissen? Wie lautet das entsprechende französische Wort? a spatium (Auch Affen waren schon dort) b scribere c status (Der Sonnenkönig soll gesagt haben: L..., c est moi.) d stomachus (Auch die Liebe geht sprichwörtlich da durch J ) e sperare (Verb) f spes (Substantiv) (Soll man nie aufgeben!) Regel: Nota bene: Oft wurden Lautgesetze durch spätere Relatinisierungen (Anpassungen an die lateinische Schriftsprache) wieder rückgängig gemacht.
20 Sprachtheorie Seite Glossar zu Kapitel 2.3 Diminutiv Verkleinerungsform eines Substantivs (z. B. «Öhrchen» / «auricula») Diphthongierung aus einem einfachen Vokal (Monophthong) wird ein Doppelvokal (Diphthong) (z. B. a > ai). Epenthese, prosthetischer Vokal Lauteinschub. Ergänzung eines Wortes um einen Sprachlaut zur Erleichterung der Aussprache (ohne etymologische Motivation; z. B.: vor «s impurum» (lat. Lautfolgen sp, sc, st) wird ein e (= prosthetischer «voran gesetzter» Vokal gesetzt). Lautgesetz Monophthongierung Nasal Palatalisierung Sonorisierung stimmlos, stimmhaft ein bestimmter regelhafter Lautveränderungsprozess Zwielaut/Doppellaut/Doppelvokal (Diphthong) wird zu einem einfachen Vokal (Monophthong) (z. B. au > o). ein nach seiner Artikulationsart benannter Konsonant (m, n). Bei den Nasalen wird ein oraler Verschluss erzeugt, so dass die Luft grösstenteils durch die Nase ausströmt. Der Nasenraum und die Mundhöhle dienen als Resonanzraum. Nasale sind meist stimmhaft (lat. nasus: Nase). stellungsbedingte Änderung eines Lautes durch Hebung des Zungenrückens in Richtung des harten Gaumens (lat. palatum, z. B. lat. c > frz. ch). «Stimmhaftwerdung»; ein stimmloser Laut wird stimmhaft (z. B. p > b). bezieht sich auf Vokale und Konsonanten. Stimmlose Laute: Laute, die ohne Beteiligung/Schwingung der Stimmbänder gebildet werden (z. B. p). Stimmhafte Laute: Laute, die mit Beteiligung/Schwingung der Stimmbänder gebildet werden (z. B. b). Suffix an ein Wort angehängte Ableitungs- oder Nachsilbe (z. B. ung, -chen, -heit; lat. suffixum: «Angehängtes»). Synkope Ausfall unbetonter Vokale.
21 Sprachtheorie Seite Les Serments de Strasbourg Die Strassburger Eide Vorbemerkungen Der französische Wortlaut dieser auf Altfranzösisch und Althochdeutsch geschworenen Eide gilt als der älteste erhaltene Text in französischer Sprache. Sie sind als Zitate in der lateinisch verfassten Chronik des Nithard (9. Jahrhundert) überliefert, die ihrerseits in einer Abschrift aus dem 10. Jahrhundert vorliegt. Die Eide wurden vom ostfränkischen König Ludwig dem Deutschen und dem westfränkischen König Karl dem Kahlen (Charles le Chauve) sowie ihren Gefolgsleuten geschworen, und zwar beim Abschluss eines Bündnisses dieser beiden Halbbrüder gegen ihren ältesten Bruder, Kaiser Lothar. Dieser gab sich nach dem Tod ihres Vaters, des Kaisers Ludwigs des Frommen (im Jahre 840), und der von ihm testamentarisch verfügten Dreiteilung des Frankenreichs nicht mit dem ihm zugewiesenen Mittelreich «Lotharingen» zufrieden, sondern beanspruchte, da er die Kaiserwürde geerbt hatte, die Oberhoheit über das gesamte Reich. Bei ihrem Treffen in Strassburg schworen zunächst die offenbar zweisprachigen beiden Könige: Ludwig der Deutsche in «romana lingua», damit er auch von den Gefolgsleuten Karls verstanden wurde, Karl danach in «teudisca lingua». Darauf schworen jeweils die offensichtlich nicht zweisprachigen Gefolgsleute, diejenigen Karls in ihrer «französischen» und diejenigen Ludwigs in ihrer «deutschen» Sprache. Der Text stellt somit ein schönes Beispiel für den Übergang der Sprache vom Latein zu den romanischen Sprachen dar. Wir befassen uns im Folgenden mit dem ersten Teil der Eide von Ludwig in «romana lingua»: Les Serments de Strasbourg (842) Pro deo amur et pro christian poblo et nostro commun salvament, d ist di in avant, in quant deus savir et podir me dunat, si salvarai eo cist meon fradre Karlo et in aiudha et in cadhuna cosa, si cum om per dreit son fradra salvar dist, in o quid il mi altresi fazet, et ab Ludher nul plaid nunquam prindrai, qui meon vol cist meon fradre Karle in damno sit. Übersetzung: Die Strassburger Eide (842) Für Gottes Liebe und für <die des> christlichen Volkes, und unsere gemeinsame Rettung, von diesem Tag <an> vorwärts (= in Zukunft), in soweit Gott mir Wissen und Können gibt, so werde ich diesem meinem Bruder Karl beistehen, sowohl in Hilfeleistung als auch in jeder Angelegenheit, so wie man seinem Bruder zu Recht beistehen soll, auf das, dass er mir genauso tue; und mit Lothar werde ich niemals ein Abkommen treffen, das nach meinem Willen diesem meinem Bruder Karl zum Schaden sei. Lateinische Spuren: «Romanische» Elemente:
22 Sprachtheorie Seite 20 3 Soziolinguistik 3.1 Grundsätzliches zur Soziolinguistik Verwendet wurde der Begriff «Soziolinguistik» (sociolinguistics) erstmals 1949 von Haver C. Currie in einem Vortrag, der 1952 im Southern Speech Journal erschien: «Der Gegenstand der Soziolinguistik ist die soziale Bedeutung (von Varietäten) des Sprachsystems und des Sprachgebrauchs.» Welche Dimensionen hat Sprache? 2 Soziale Dimension Welche sozialen Eigenschaften haben die an einer sozialen Interaktion Beteiligten (Alter, Geschlecht, Schichtzugehörigkeit, ethnischer Hintergrund, Familienstand?) Welchen Interaktionsnetzen gehören sie an? Sprachliche Dimension Welche sprachlichen Systeme, Register und Stile verwenden Handlungspartner? Was wird wie mitgeteilt? Welche Ausdrucksmittel verwenden die Handlungspartner, um auf Sachverhalte Bezug zu nehmen oder Gefühle zu äußern («referentielle oder emotionale Botschaften zu vermitteln»)? Interaktive Dimension Welche Absichten und Ziele prägen die Interaktion? Wie gestalten die Handlungspartner ihre Interaktion mit sprachlichen und nicht-sprachlichen Zeichen? Welche soziale Ordnung bringt die Interaktion hervor? Kontextdimension Unter welchen Bedingungen und Einflüssen (Raum, Zeit, Situation) wird die Interaktion eingeleitet, fortgeführt und vollendet? 3.3 Ursprünge der Soziolinguistik Der eigentliche Beginn der Soziolinguistik geht auf die Arbeiten von Basil Bernstein in den 1960er Jahren zurück, der die Sprache der sozialen Unterschicht sowie der Mittel- und Oberschicht untersuchte. Das Ergebnis war seine sogenannte Defizithypothese, die im Kern besagt, dass Angehörige der Unterschicht die Sprache nur in beschränktem Maß verwenden (restricted code: geringerer Wortschatz, einfachere syntaktische Strukturen etc.). Gebildete Schichten verwenden hingegen einen elaborated code, der z. B. durch einen grossen Wortschatz, den häufigen Gebrauch von Fachwörtern oder des Passivs, grammatikalische Korrektheit und logische bzw. argumentative Strukturierung gekennzeichnet ist. Dies sah der Sprachwissenschaftler William Labov jedoch als nicht legitime Bewertung und formulierte als Reaktion auf Bernstein die sogenannte Differenzhypothese, die die sprachlichen Unterschiede als gleichwertig ansah. Der Linguist Hugo Steger betrachtete 1973 die Variabilität in Sprachen und die Formen, in denen sie allgemein auftrat. Zur gleichen Zeit untersuchte der deutsche Soziolinguist Norbert Dittmar die gesellschaftlichen Bedingungen und die Anwendung 1 2 Dittmar 1997, S. 20 Dittmar 1997, S. 25
23 Sprachtheorie Seite 21 linguistischer und sozialwissenschaftlicher Methoden. Er strich auch die Bedeutung sozialer Aspekte in Sprachsystemen heraus und differenzierte die soziolinguistischen Fragestellungen und Themen (z. B. soziale Systeme, Image, Prestige und Stigmatisierung, Dialektologie). (adaptiert von: [ ] und [ ]) 3.4 Sind alle Sprachen gleichwertig? Jede Wertung hängt von der Persönlichkeit des Wertenden ab und von den Wertungszusammenhängen, in denen er sich befindet dennoch wird die Gleichwertigkeit aller Sprachen grundsätzlich anerkannt. Ungleichheit jedoch ist eine nicht zu leugnende Tatsache: Subjektive Ungleichheit: In den Augen vieler Sprecher gelten bestimmte Varietäten als wertvoller, richtiger oder freundlicher als andere. Diese Einschätzung beruht in der Regel auf Vorurteilen. Sprachliche Ungleichheit: Je nach Herkunft und Werdegang unterscheidet sich das sprachlich gespeicherte Wissen, über das verschiedene Sprecher verfügen. Kommunikative Ungleichheit: Nicht jeder Sprecher verfügt über Wege und Mittel, sein sprachliches Wissen so einzusetzen, dass er gesellschaftlichen Erfolg hat. In der Lebenswelt hat Sprache oft eine Torhüter-Funktion. Sie legt fest, wer zu bestimmten Gütern und Möglichkeiten Zugang erhält. Varietäten: Die Standardvarietät wird oft besser bewertet als andere Varietäten (Dialekt, Soziolekt, Pidgin, Lernervarietäten). Soziolekt: Sprechern aus den unteren Schichten bleibt der Zugang zu höheren Schichten verwehrt gleichzeitig lernen sie, ihre Sprachform als minderwertig einzustufen. Zweisprachigkeit: Kinder von Gastarbeitern werden in ihrem Werdegang eingeschränkt, wenn sie zweisprachig aufwachsen und eine der beiden Sprachen als minderwertig gilt. Sprechhaltung: Stil und sprachliches Register (Fachsprache) entscheiden oft über den Zugang zu Gruppen und Einrichtungen. 3.5 Welche Typen von Varietäten gibt es? Personale Varietäten: Varietäten, die von der Identität der Sprecher abhängen (Beispiel: Idiolekt). Diatopische Varietäten: Varietäten, die von der lokalen Identität der Sprecher abhängen. Beispiele: lokale Varietät (Ortssprache), regionale Varietät (Dialekt), städtische Varietät (Urbanolekt), überregionale Varietät (Regiolekt). Gruppenvarietäten: Varietäten, die von der Identität einer Gruppe abhängen. Beispiele: schichtabhängige Varietät (Soziolekt), geschlechtsspezifische Varietät (Sexolekt), altersabhängige Varietät (Gerontolekt, Jugendsprache), gruppenabhängige Varietäten (Rotwelsch, Argot, Slang), tätigkeitsbezogene Varietäten (Funktiolekt: z. B. Pressesprache, Werbesprache) Varietäten nach dem Grad ihrer Kodifizierung: Varietäten, die nach ihrem Grad an «Korrektheit» gemessen werden. (Beispiele: Standardvarietät, standardnahe Umgangssprache) Situative Varietäten: Varietäten, die nur in bestimmten Situationen auftreten und vom Wissen um Handlungsmuster abhängen. (Beispiele: Register, Stile) Kontaktvarietäten: Varietäten, die beim Aufeinandertreffen von Sprechergruppen oft unterschiedlicher Machtfülle entstehen. (Beispiele: Pidgin, Kreolsprachen)
24 Sprachtheorie Seite Was sind wichtige Kennzeichen von «Standardsprache»? Ø Ø Ø Ø Ø Ø Sie genießt in einer Sprachgemeinschaft das höchste Prestige. Sie ist von historischer Bedeutung (z. B. als Symbol für die Einheit einer Nation). Sie ist die Sprache der offiziellen Institutionen und der nationalen Eliten. Sie ist die Trägerin einer literarischen Tradition. Sie ist autonom und entwicklungsfähig, folgt aber klaren Regeln und Vorschriften. Sie prägt das Bild der Sprache im Ausland. 3.7 Glossar 3 Amtssprache Argot Diglossie Feld Funktiolekt Gerontolekt Idiolekt Standardisierte Sprachvarietät, die in Schulen, in der Verwaltung und in rechtlichen Zusammenhängen innerhalb einer politisch verfassten Sprechergemeinschaft gilt. (Historische) Geheimsprache französischer Krimineller und Kleingewerbetreiber am Rande der Legalität. Verbreitete Zweisprachigkeit in einer Sprechergemeinschaft. Sach- oder Tätigkeitsfeld, das die Sprachwahl mitbestimmt (Tennisdeutsch, Schachdeutsch). Variation einer Sprache bezogen auf ihren kommunikativen Zweck innerhalb eines Kommunikationsbereichs bzw. einer Tätigkeitssituation (Behördensprache, Werbesprache). Sprachvarietät, die von älteren Menschen verwendet wird. Varietät einer einzelnen Person, deren Sprecheigenarten bezeichnend. Interimlekt Sprachvarietät, die erwachsene Zweitsprachenlerner sprechen; eher elementar (Basilekt), ausgebaut (Mesolekt) oder zielsprachennah (Akrolekt). Jargon Jugendsprache Kontaktvarietät Sprachvarietät, die in einer beruflich oder außerberuflich verbundenen Gemeinschaft vorherrscht und der Bildung einer Gruppenidentität dient. Sprachvarietät, die bevorzugt von Jugendlichen verwendet wird. Varietät, die beim Aufeinandertreffen zweier Sprechergemeinschaften verwendet wird, die sich sonst nicht verständigen können. 3 zusammengestellt mit freundlicher Unterstützung von: Martin Baier (Germanist/Amerikanist, Lehrer für Deutsch und Englisch am Gymnasium Renningen, D)
25 Sprachtheorie Seite 23 Kreolisch Mehrheitssprache Migrationslinguistik Minderheitssprache Nationalsprache Pidgin Polyglossie Regiolekt Register Rotwelsch Sexolekt Situolekt Slang Soziolekt Standardvarietät einer Sprechergemeinschaft, die als Ausgleichssprache aus verschiedenen Einzelsprachen amalgamiert wurde. Sprache der Mehrheit einer Sprechergemeinschaft. Zweig der Sprachwissenschaft, der sich mit der Sprache der Einwanderer in eine Sprechergemeinschaft befasst. Sprache einer Minderheit in einer Sprechergemeinschaft, häufiges Auftreten von Diglossie, oft eingeschränkter Wortschatz, symbolischer Wert für die Identität der jeweiligen Minderheit, starker Einfluss der Mehrheitssprache. Sprache einer sich als Volk definierenden Sprechergemeinschaft; sprachgeschichtlich reiche Überlieferung, Verbreitung in zahlreichen Institutionen. Kontaktvarietät, die von Sprechern verschiedener Sprachen ausschließlich in Bezug auf feststehende Zwecke (Handel) als gemeinsame Sprache verwendet wird, aber niemandes Erstsprache ist und nach Aussetzen des Kontakts verschwindet. Pidgins sind inhaltlich und thematisch beschränkt, haben aber eigene Normen der Kommunikation. Verwendet wird es überwiegend in Schichten mit geringem Status. Verbreitete Mehr- oder Vielsprachigkeit in einer Sprechergemeinschaft. Als Umgangssprache ganzer Regionen eine Ausgleichvarietät zwischen dem Standard und den Dialekten (engl. vernacular). Sprachwahl, die von der momentanen Tätigkeit der Sprachbenutzer abhängt (z. B. Wettkampfdeutsch). (Historische) Geheimsprache oder Gaunersprache des kriminellen Milieus in Deutschland mit zahlreichen Lehnwörtern aus dem Jiddischen. Varietät, die bevorzugt von einem Rollengeschlecht (maskulin, feminin) verwendet wird. Varietät, die von kulturellen Normen und besonders auch von situativen Faktoren abhängt: wer spricht mit wem in welchem Umfeld über was? Umgangssprache der Unterschicht und der unteren Mittelschicht, besonders der Jugendlichen; geprägt durch das Vorkommen von Slangismen. Varietät, die innerhalb einer bestimmten sozialen Schicht vorherrscht (Arbeitersprache, Deutsch des Ruhrgebiets).
26 Sprachtheorie Seite 24 Standardvarietät Substandard Territorialsprache Urbanolekt Verkehrssprache Xenolekt Zweisprachigkeit, additive Zweisprachigkeit, subtraktive Geschriebene und kodifizierte Varietät, die in offiziellen Zusammenhängen (Recht, Verwaltung, Schule) als verbindlich gilt. Standardnahe, überregionale, gesprochene Varietät, die jedoch nicht allen Korrektheitsbedingungen des Standards genügt. Amtssprache eines geographisch fassbaren und gesetzlich definierten Territoriums mit eingeschränkter Geltung. Stadtsprache, Varietät, die in einer Großstadt vorherrscht. Sprache von hohem Gebrauchswert und mit großer Reichweite, ausgebildete Möglichkeiten zum Zweitspracherwerb und interkulturelle Kontaktregister. Sprachvarietät, die in der Kommunikation mit Sprachfremden eingesetzt wird (engl. foreigner talk). Der gleichzeitige Erwerb zweier Sprachen führt in beiden Sprachen zur Beherrschung: der Erwerb der einen Sprache stützt den Erwerb der zweiten. Beim gleichzeitigen Erwerb zweier Sprachen sind beide Sprachen nicht entwicklungsgemäß ausgebildet: der Erwerb der einen Sprache hemmt den Erwerb der zweiten. 3.8 Auswahlbibliographie Ammon, Ulrich (Hrsg.): Sociolinguistics: An international handbook of the science of language and society = Soziolinguistik. - Berlin [u.a.] : de Gruyter; (HSK, Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft; 3) Dittmar, Norbert: Grundlagen der Soziolinguistik: Ein Arbeitsbuch mit Aufgaben. - Tübingen: Niemeyer, 1997 (Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft; 57) Hartig, Matthias: Soziolinguistik des Deutschen. - 2., überarb. Aufl.. - Berlin: Weidler, 1998 (Germanistische Lehrbuchsammlung; 16 : Abt. 1, Sprache) Schlieben-Lange, Brigitte: Soziolinguistik: Eine Einführung. - 3., überarb. u. erw. Aufl.. - Stuttgart [u.a.] : Kohlhammer, 1991 (Urban-Taschenbücher ; 176) Veith, Werner H.: Soziolinguistik: Ein Arbeitsbuch mit 104 Abbildungen, Kontrollfragen und Antworten. - 2., überarb. Aufl. - Tübingen: Narr, 2005 (Narr- Studienbücher)
27 Sprachtheorie Seite 25 4 Diglossie und Mehrsprachigkeit 4.1 PPT-Präsentation zu Diglossie und Mehrsprachigkeit Diglossie und Mehrsprachigkeit Modulklasse 4 Diglossie (griech. «Zweisprachigkeit») beschreibt die Zweisprachigkeit einer ganzen Gesellschaft jeder Sprecher verfügt über die gleichen zwei (selten mehr) Sprachen: Dialekt und Standardsprache! funktionale Spezialisierung des Sprachvermögens! jede Sprache wird nur in einer bestimmten Situation verwendet Bilingualismus (Zweisprachigkeit) Fähigkeit eines Menschen, neben seiner ersten Sprache (Muttersprache) eine zweite mit ähnlich hoher Kompetenz zu gebrauchen.
28 Sprachtheorie Seite 26 Situation in der Schweiz Diglossie und Bilingualismus gesellschaftliche und individuelle Mehrsprachigkeit Frage 1 Wie viele Landessprachen hat die Schweiz? Landessprachen der Schweiz Gemäss Bundesverfassung: Vier Landessprachen (deutsch, französisch, italienisch, rätoromanisch)
29 Sprachtheorie Seite 27 Frage 2 Wie ist die prozentuale Verteilung der vier Landessprachen? Schätzen Sie! Verteilung der vier Landessprachen Französisch: 20.4% Deutsch: 63.7% Rätoromanisch: 0.5% Italienisch: 6.5%!"#$$#%&'()*+&,#-./#0%&!"#$%&'()$(*+%&$,-.(-*'#-!%&/'.0+&12234& Verteilung der vier Landessprachen!"#$%!"&$%!"'$%!"($%!""$% )$$$%!"#$%&'( )*+,( -.+/( -/+.( -0+1( -2+-( -2+)( %9%&'( *1+2(,:+.(,:+,(,:+/(,.+*( *1+/( ;$5<9"69%&'( 0+.(.+0(,,+.(.+:( )+-( -+0( =>$?4?@569%&'(,+1( 1+.( 1+:( 1+:( 1+-( 1+0( A6B"4"( 1+)(,+/( /+2( -+1(.+.(.+1( C#"<<"D(EFB9G(H"?4I"%D(!"#$%&'()$(*+%&$,-.(-*'#-!%&/'.0G(*110+(
30 Sprachtheorie Seite 28 Frage 3 Welche der vier Landessprachen sind auch Amtssprachen? Definition Amtssprache: Es ist die Sprache, die im Verkehr zwischen den Behörden sowie zwischen den Behörden und der Bevölkerung verwendet wird. Amtssprachen in der Schweiz Deutsch, Französisch und Italienisch. Laut Bundesverfassung:! Rätoromanisch hat eine besondere Stellung: «Im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache ist auch das Rätoromanische Amtssprache des Bundes.» Frage 4 Welche Kantone haben zwei oder mehrere Amtssprachen?
31 Sprachtheorie Seite 29 Mehrsprachige Kantone Zweisprachige Kantone:! Wallis! Bern! Freiburg Dreisprachiger Kanton:! Graubünden Frage 5 Wo trennt der «Röstigraben» die Deutschschweiz von der Romandie? Zeichnen Sie ihn auf der Karte ein. Der «Röstigraben»!"#$$#%&'()%**+,--,./01232-#4250,67*1232*82$#%9)65+'#.:;<:=>>>0).7&&?==0>@0=>AAB&
32 Sprachtheorie Seite 30 Frage 6 In der Schweiz gibt es vier zweisprachige Städte (deutsch und französisch). Zählen Sie sie auf! Zweisprachige Städte! Biel / Bienne! Freiburg / Fribourg! Murten / Morat! Siders / Sierre Frage 7 Welche Fremdsprachen werden in den einzelnen Sprachgebieten in der Primarschule unterrichtet?
33 Sprachtheorie Seite 31 Erste Fremdsprache im Unterricht 2. Landessprache (= Deutsch) 2. Landessprache (= Französisch) Englisch 2. Landessprache (= Dt., Ital. od. Rom.)!"#$$#%&'()%**+++,#-.,/'*-01*23245,)')&677,58,75229& 2. Landessprache Sprachtheorie MK 4 (= Französisch) SW 2011 Frage 8 Welche Nicht-Landessprachen wurden im Jahre 2000 in der Schweiz am häufigsten gesprochen? Nennen Sie die fünf häufigsten. Häufigste Nichtlandessprachen 1.6% 1.4% 1.2% 1.0% 0.8% 0.6% 0.4% 0.2% 0.0% Serbisch/Kroatisch Anteile der 15 häufigsten Nichtlandessprachen in der Wohnbevölkerung (2000) Albanisch Portugiesisch Spanisch Englisch Türkisch Tamil Arabisch Niederländisch Russisch Chinesisch Thai Kurdisch Mazedonisch!"#$!%&#'$(%)"#*#'$%+,$-#'$.#)+/&%&#'$-#*$01/2)345/+'6$78889$
34 Sprachtheorie Seite 32 Gesprochene! geschriebene Sprache Werden die vier Landessprachen in den entsprechenden Regionen einheitlich gesprochen oder gibt es auch Dialekte? Wenn ja, welche? Gesprochene! geschriebene Sprache Deutsche Schweiz: Geschrieben: Hochdeutsch Gesprochen: Alemannische Dialekte («Schweizerdeutsch») Gesprochene! geschriebene Sprache Rätoromanische Schweiz: Geschrieben: Rumantsch Grischun und auch rätoromanische Dialekte Gesprochen: Rätoromanische Dialekte
35 Sprachtheorie Seite 33 Gesprochene! geschriebene Sprache Italienische Schweiz: Geschrieben: Italienisch Gesprochen: Italienisch und auch galloitalische Dialekte Gesprochene! geschriebene Sprache Französische Schweiz: Geschrieben: Französisch Gesprochen: Französisch, nur noch sehr selten «Patois» (Dialekt) Das «Patois» Warum ist das «Patois» fast ausgestorben?
36 Sprachtheorie Seite 34 Das «Patois» Frankoprovenzalische Dialekte der Romandie haben an Bedeutung verloren! Wichtiger Faktor: Prestigefrage! Vergleich mit den Schweizerdeutschen Dialekten Das «Patois» Gibt es Orte in der Schweiz, in denen das «Patois» noch gesprochen wird? Wenn ja, wo und von wem? Das «Patois» Evolène im Wallis! Schweizer Einzigartigkeit! Grössere Gruppe von Kindern, die noch Frankoprovenzalisch sprechen. Ansonsten sind die «Patois» am Aussterben.
37 Sprachtheorie Seite 35 Vergleich mit den Nachbarländern Sind die geschriebenen Schweizer Landessprachen Französisch, Deutsch und Italienisch dieselben wie im entsprechenden Nachbarland? Deutsche Sprache Unterschiedlicher Wortschatz im deutschen, österreichischen und schweizerischen Deutsch (! Schweizerdeutsch!)! Es gibt kein «Standarddeutsch»! Deutsche Sprache Schweiz Deutschland Österreich Rahm Sahne Obers (das) Pausenplatz Schulhof Schulhof grillieren grillen grillen innert innerhalb innert Metzger Fleischer Fleischhauer
38 Sprachtheorie Seite 36 Deutsche Sprache Der Duden zeigt eine tolerante Haltung:! Helvetismen werden in die Standardsprache des Dudens aufgenommen.! Deutsch wird nach Regionen differenziert = Plurizentrischer Ansatz Französische Schweiz (Romandie) Lange war das Französische Frankreichs das einzig wahre und richtige. 1997: Veröffentlichung des «Dictionnaire Suisse Romand»! Plurizentrischer Ansatz beginnt sich in der Romandie zu verbreiten. Französische Schweiz (Romandie) Zunahme von regionalen Ausdrücken und Wörtern in der geschriebenen Sprache Zum Teil sogar Aufnahme in die Wörterbücher Beispiel: «tout de bon»
39 Sprachtheorie Seite 37 Italienische Schweiz Orientierung am italienischen Sprachmodell! kein plurizentrischer Ansatz ABER: Schriftsprache der italienischen Schweiz! Schriftsprache Italiens Beispiel: «nota» Fragen?
40 Sprachtheorie Seite Arbeitsaufträge für die Gruppenarbeit 1 «Warum soll parken richtiger sein als parkieren? Grillen richtiger als grillieren?» Das obenstehende Zitat stammt von Hans Bickel. Er ist Privatdozent für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Basel. Aufgaben Nennen Sie mögliche Gründe, weshalb die Schweiz eigene Ausdrücke (Helvetismen) benützt. Wie erklären Sie sich andererseits, dass Mundart-Ausdrücke allmählich durch standarddeutsche Ausdrücke ersetzt werden (heute sagen wir vermehrt «iichaufe» statt «poste» oder «Pferd» statt «Ross»). 2 «Unsere Muttersprache ist Deutsch in zwei Gestalten: Dialekt und Hochdeutsch, und zwar so selbstverständlich und von früher Kindheit an, wie das Fahrrad zwei Räder hat.» Das obenstehende Zitat stammt von Peter von Matt. Er war Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich. Von Matt ist u. a. Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und auch der Akademie der Künste Berlin. Aufgaben Überlegen Sie sich, in welchen Bereichen und/oder Situationen man in der Schweiz eher Hochdeutsch, wann eher Schweizerdeutsch spricht. Suchen Sie Begründungen, warum man genau diese Sprachwahl trifft. 3 «Nun hat sich aber in diesem Lande seit einiger Zeit der Wahn ausgebreitet, der Schweizer Dialekt sei die Muttersprache der Schweizer und das Hochdeutsche die erste Fremdsprache.» Das obenstehende Zitat stammt von Peter von Matt. Er war Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Zürich. Von Matt ist u. a. Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und auch der Akademie der Künste Berlin. Aufgabe Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass Deutschschweizer mit Deutschen lieber Mundart als Hochdeutsch sprechen? 4 «Wenn Bundesratsmitglieder Schweizerdeutsch sprechen, schliessen sie Westschweizer und Tessiner aus.» Das obenstehende Zitat stammt von Kurt Fluri. Er ist Anwalt, Stadtpräsident von Solothurn und Nationalrat. Aufgabe Diskutieren Sie das Zitat von Kurt Fluri: Sollten Bundesräte in der Öffentlichkeit Hochdeutsch statt Mundart sprechen?
41 Sprachtheorie Seite Auswahlbibliographie Bickel, Hans: «Deutsch in der Schweiz als nationale Varietät des Deutschen», in: Sprachreport, Heft 4, S Bickel Hans und Schmidlin, Regula: «Parken ist nicht besser als Parkieren», Interview, in: NZZ, [ ] Lüdi, Georges: «Sprachenlandschaft in der Schweiz», Bundesamt für Statistik, 2005 von Matt, Peter: «Der Dialekt als Sprache des Herzens? Pardon, das ist Kitsch!», in: Tagesanzeiger, [ ] Werlen, Iwar: «Zwischen Dialekten und Hochdeutsch», in: terra cognita, Heft 10, Werlen, Iwar: «Zur Sprachsituation in der Schweiz mit besonderer Berücksichtigung der Diglossie in der Deutschschweiz», in: Studer, Thomas; Schneider, Günther (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache in der Schweiz, Bulletin VALS/ASLA 79, S. 1 30, 2004.
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