Taschenlehrbuch Medizinische Mikrobiologie
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- Mathilde Kruse
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1 Taschenlehrbuch Medizinische Mikrobiologie von Fritz H. Kayser, Erik Christian Böttger, Rolf M. Zinkernagel 12., überarb. Aufl. Thieme 2010 Verlag C.H. Beck im Internet: ISBN Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
2 .20 Masernvirus 51 Klinik und Pathogenese. Das Virus wird vermutlich durch Tröpfchen- und Schmierinfektion übertragen und führt zu Atemwegserkrankungen, die denen bei RSV gleichen. Die HPV-Infektion scheint allerdings eher ältere Säuglinge und Kleinkinder zu betreffen und einen etwas milderen Verlauf zu nehmen als RSV. Die Bedeutung des HMPV bei immunsupprimierten und älteren Personen ist noch unklar. Diagnostik. Der Virusgenomnachweis mittels RT-PCR ist möglich. Serologische Tests sind in Entwicklung. Prophylaxe und Therapie. Keine..20 Masernvirus Das Masernvirus erzeugt eine schwere, hoch fieberhafte Erkrankung, die typischerweise im Kindesalter auftritt. Die Masern sind wegen der möglichen, gravierenden Komplikationen gefürchtet. Sie sind weltweit immer noch für eine hohe Zahl an Todesfällen bei Kindern unter fünf Jahren verantwortlich. Die aktive Schutzimpfung mit attenuierten Lebendimpfviren hinterlässt eine langjährige Immunität. Allgemeine biologische Eigenschaften des Masernvirus. Das Masernvirus gehört zur Gattung der Morbilliviren der Familie der Paramyxoviren. Es gibt nur einen einzigen Serotyp, der nur beim Menschen vorkommt. Das Virus hat den für Paramyxoviren typischen Aufbau und besteht aus einem Negativ-Strang-RNA-Genom (15, kb), das zusammen mit dem Nukleoprotein (NP), der Polymerase (L-Protein) und dem Phosphoprotein (P) das helikale Nukleokapsid ausmacht (Abb..24). Das pleomorphe Viruspartikel ist umhüllt und hat einen Durchmesser von nm. Die Virushülle ist innen mit dem Matrixprotein (M) ausgekleidet und trägt zwei Oberflächenglykoproteine. Das Hämagglutinin (H) ist für die Anlagerung an den zellulären Rezeptor CD150 (SLAM) verantwortlich. Das Fusionsprotein (F) vermittelt nach der Adsorption an die Zielzelle die Fusion mit der Zellmembran von außen. Das Masernvirus infiziert CD150-tragende Lymphozyten und Makrophagen und eine Reihe weiterer Zielzellen und verursacht eine vorübergehende Immunsuppression. Die attenuierten Impfstämme sind in ihrem Hämagglutinin so verändert, dass sie nicht mehr an CD150 binden, sondern ein anderes Molekül (CD46) als Rezeptor benutzen. Klinik und Pathogenese. Das Masernvirus wird durch Tröpfcheninfektion übertragen und ist hoch kontagiös. Nach Infektionen der Schleimhäute des Nasopharynx kommt es zur klassischen generalisierten Infektion, die in 0% klinisch manifest wird, d. h. fast jeder Infizierte erkrankt. Die Erkrankung verläuft in Stadien und beginnt mit uncharakteristischen katarrhalischen Symptomen. Das sog. Prodro-
3 520 Viren als Krankheitserreger Abb..24 Masernvirus. a Schematischer Aufbau. Das Masernvirus hat ein helikales Nukleokapsid bestehend aus dem unsegmentierten Negativ- Strang-RNA-Genom ((-)-RNA-Genom), dem Nukleoprotein (NP), der RNA-abhängigen RNA-Polymerase (L-Protein) und dem Phosphoprotein (P), das funktionell einen Polymerase-Kofaktor darstelllt. Die Lipidmembran der Virushülle ist innen vom Matrix-Protein (M) ausgekleidet und trägt die beiden Glykoproteine H (Hämagglutinin) und F (Fusionsprotein). b Anordnung der viralen Gene auf der einzelsträngigen RNA des Masernvirus. malstadium ist gekennzeichnet durch Fieber, Konjunktivitis, Schnupfen, Husten und das Auftreten von Koplik-Flecken auf der Wangenschleimhaut (Abb..25a). Zu diesem Zeitpunkt scheiden die Patienten massiv Virus aus. Die fortschreitende Entzündung des Respirationstraktes kann unterschiedliche Grade annehmen mit Pharyngitis, Tracheitis, Bronchitis bis hin zur seltenen Masernpneumonie. Nach einigen Tagen entsteht das bekannte makulopapulöse Masernexanthem (Abb..25b) das mehrere Tage andauert (Exanthemstadium). In unkomplizierten Fällen kommt es danach zur Entfieberung und Rekonvaleszenz. Die Krankheitsdauer beträgt ca. 10 Tage. Das Masernexanthem ist die Folge einer Immunvaskulitis, bedingt durch eine zelluläre Immunreaktion gegen Virusbestandteile in den Endothelzellen der Kapillaren und in infizierten Hautzellen. Nach durchgemachter Infektion besteht eine lebenslange Immunität.
4 .20 Masernvirus 521 a b Abb..25 Symptomatik einer Masern-Infektion. a Koplik-Flecken auf der Wangenschleimhaut, b Masernexanthem. Komplikationen der Masernvirusinfektion. Masernpneumonie (Riesenzellpneumonie). Sie beginnt meist nach dem Höhepunkt der Masernerkrankung und ist histopathologisch durch Riesenzellbildung charakterisiert. Gefährdet sind in erster Linie Säuglinge und Kleinkinder, sowie Personen mit Immundefekten, Mangelernährung oder Patienten unter Immunsuppression. Mittelohrentzündung (Otitis media) und schwere Laryngitis (Krupp). Beide Komplikationen kommen bei sonst gesunden Kindern vor und sind durch die teilweise schwere Immunsuppression bei Masern mitbedingt. Masernenzephalitis. Es gibt drei unterschiedliche Erscheinungsformen der Masernvirus-bedingten Enzephalitis (Tab..): & Akute postinfektiöse Enzephalitis (Autoimmunenzephalitis): Sie tritt bei ca. einer von 2000 Maserninfektionen auf und entwickelt sich meist etwas verzögert etwa 1 2 Wochen nach dem Masernexanthem, seltener gleichzeitig mit dem Exanthem. Die Erkrankung wird mit einer Autoimmunreaktion gegenüber zelleigenen Bestandteilen (basisches Myelin) erklärt und äußert sich durch Entmarkung der Myelinscheiden. Das Masernvirus ist im Gehirn nicht nachweisbar. Betroffen sind vor allem Kinder, die älter als zwei Jahre sind. Die Erkrankung führt in 10 20% mit Lähmungen, Delirium und Koma zum Tod. & Akute progressive infektiöse Enzephalitis (Einschlusskörperchen-Enzephalitis, engl. MIBE für Measles Inclusion Body Encephalitis ): Sie tritt nur bei immundefizienten Personen auf, die das Masernvirus nicht kontrollieren können. Das Virus dringt in das Gehirn vor und vermehrt sich in Neuronen und Gliazellen, die charakteristische Einschlusskörperchen (Inclusion Bodies) aufweisen. Die
5 522 Viren als Krankheitserreger Tabelle. Masernenzephalitiden Virusnachweis im Gehirn Virusvermehrung Einschlusskörperchen Letalität akute postinfektiöse Enzephalitis (Autoimmunenzephalitis) akute progressive infektiöse Enzephalitis (Einschlusskörperchen- Enzephalitis) subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) nein nein nein 10 20% ja ja ja 100% ja, mit vielen Mutationen überwiegend defekt wenige 100% & akut progressiv verlaufende Enzephalitis entsteht erst 6 10 Monate nach dem Masernexanthem und verläuft ausnahmslos tödlich. Subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE): Es handelt sich um eine seltene Spätkomplikation, die erst Jahre nach der akuten Masernerkrankung mit einer Wahrscheinlichkeit von 1: auftritt. Ein gewisses Erkrankungsrisiko scheint die Erstinfektion im frühen Kleinkindesalter (unter zwei Jahren) darzustellen. Im Gehirn der Erkrankten lassen sich stark veränderte Viren mit Mutationen in verschiedenen Genbereichen nachweisen. Es kommt zu einer starken intrathekalen Antikörperbildung gegen Masernvirusbestandteile, insbesondere gegen das Nukleoprotein. Trotz der intrathekalen Antikörperproduktion verläuft die Infektion progredient und führt unter allmählichem (subakutem) Verlust der Hirnfunktionen stets zum Tode. Diagnostik. Die Maserndiagnostik stützt sich in erster Linie auf den IgM-/IgG-Antikörpernachweis im Serum mittels ELISA, HHT oder anderer serologischer Verfahren. In der Frühphase der Infektion oder bei immunsupprimierten Patienten (Riesenzellpneumonie) ist der direkte Virusnachweis mittels Virusisolierung oder RT-PCR aus Nasen-Rachensekret, Blutmonozyten oder Urin möglich. Der Nachweis viraler RNA aus Hirnbiopsiematerial sichert die Diagnose der akuten progressiven infektiösen Enzephalitis. Bei SSPE wird die intrathekale (oligoklonale) Antikörpersynthese gegen Masernvirusbestandteile nachgewiesen. Prophylaxe. Empfohlen wird die aktive Impfung zum Ende des ersten und Beginn des zweiten Lebensjahres (bevorzugt mit dem trivalenten Masern-, Mumps-, Röteln- [MMR] Kombinationsimpfstoff). Eine zweite Impfung bis Ende des zweiten
6 .21 Mumpsvirus 523 Lebensjahres dient der Schließung von Impflücken. Bei Masernexposition kann eine postexpositionelle aktive Impfung innerhalb von drei Tagen die Erkrankung verhindern. Bei seronegativen Schwangeren und Immunsupprimierten ist eine postexpositionelle passive Immunisierung mit Immunglobublinen möglich. Ein erklärtes Ziel der Gesundheitspolitik ist die Eliminierung der Masern dank hoher Durchimpfungsraten (mehr als 5%). Dies ist in einigen europäischen Ländern und Nordamerika bereits realisiert. Therapie. Es gibt keine spezifische antivirale Therapie..21 Mumpsvirus Das Mumpsvirus verursacht die Parotitis epidemica (Mumps). Es ist ferner eine häufige Ursache für eine aseptische (abakterielle) Meningitis und Meningoenzephalitis im Kindesalter und kann Entzündungen in vielen weiteren Organen verursachen. Allgemeine biologische Eigenschaften des Mumpsvirus. Das Mumpsvirus gehört zur Familie der Paramyxoviren (s. Masern) und kommt nur beim Menschen vor. Es gibt attenuierte Impfstämme. Klinik und Pathogenese. Das Mumpsvirus wird durch Tröpfcheninfektion oder direkten Kontakt übertragen. Es verursacht in der kalten Jahreszeit oft kleinere Epidemien. Das Virus vermehrt sich in den Epithelzellen des Nasen-Rachen- Raumes und führt zu einer generalisierten Infektion. Es kann eine Vielzahl von Organen infizieren und zu schmerzhaften Entzündungen führen. Das klassische Bild ist die einseitige oder nacheinander beidseitige Schwellung der Ohrspeicheldrüsen (Parotis). Nach der Pubertät kann es beim Mann zur Infektion des Hodens kommen mit einseitiger oder beidseitiger Entzündung und ödematöser Anschwellung, die sehr schmerzhaft ist und bei beidseitiger Hodenatrophie zur Sterilität führen kann. Bei Frauen können die Ovarien und Brustdrüsen befallen sein ohne negative Folgen. Häufig kommt es auch zum Befall des Pankreas mit schmerzhafter Pankreatitis, seltener zu Störungen des Innenohrs (Labyrinth) mit einseitiger Schwerhörigkeit. Recht häufig verursachen Mumpsviren eine Meningitis oder seltener eine Meningoenzephalitis, die meist folgenlos ausheilen. Pankreatitis und Meningitis können auch ohne manifeste Parotitis auftreten. Das Virus wird über Speichel, Urin und Muttermilch ausgeschieden. Die Infektion hinterlässt eine langjährige Immunität. Diagnostik. Die Mumpsdiagnostik stützt sich auf den serologischen Nachweis von spezifischen Antikörpern. Bei aseptischer Meningitis/Meningoenzephalitis ist der Virusgenomnachweis mittels RT-PCR möglich.
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