Phonetik/Phonologie II
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- Clemens Friedrich
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1 Phonetik/Phonologie II Artikulationsmerkmale Segmentale Phonologie Minimalpaare Phonologische Prozesse Phonetik/Phonologie II 1
2 Vokale Vokale werden nach anderen Parametern klassifiziert als Konsonanten (welche wir in der letzten Sitzung kennengelernt haben). Man unterscheidet sie nach der Zungenstellung bei der Aussprache (siehe Extrablatt Sagittalschnitt): auf der Achse von den Zähnen bis zum Rachen unterscheidet man zwischen: vorne zentral hinten auf der Achse zwischen Zunge und Palatum unterscheidet man zwischen: tief mittel hoch (wie hoch ist die Zungenposition?) Daraus ergibt sich das Vokaltrapez. ( siehe nächste Folie & Extrablatt des Sagittalschnitts) Phonetik/Phonologie II 2
3 Vokaltrapez Phonetik/Phonologie II 3
4 Zentralvokale Im Deutschen gibt es zwei sogenannte Zentralvokale. Sie heißen so, weil sie in der zentralsten Position artikuliert werden. Die Zunge wird weder gehoben noch gesenkt, weder nach vorne noch nach hinten bewegt: Schwa [ə] Mücke, Dschungel Vokalisiertes r [ ɐ ] Ohr, Uhr Letzeres existiert v.a. im norddeutschen Sprachraum. Süd(west)deutsche Sprecher artikulieren auch in solchen Fällen [ ʁ ]. Phonetik/Phonologie II 4
5 Vokale des Deutschen Eine weitere Klassifizierung der Vokale wird nach den Parametern Vokallänge (lang vs. kurz), Lippenstellung (rund vs. gespreizt) und Gespanntheit (insbes. der Zungenmuskulatur) (gespannt vs. nicht gespannt) vorgenommen. Daraus ergibt sich folgende Merkmalsmatrix: i: ɪ e: ɛ ɛ: y: ʏ ø: oe ɑ: a u: ʊ o: Ɔ ə ɐ Hinten vorn hoch tief rund gespannt lang Phonetik/Phonologie II 5
6 AUFGABE Ermitteln Sie die vokalischen Laute in den folgenden Wörtern und beschreiben Sie ihre artikulatorischen Eigenschaften. Transkribieren Sie das ganze Wort in IPA. a. Hummer b. Muli c. Hölle Phonetik/Phonologie II 6
7 AUFGABE a. Hummer [ ʊ] hinten, hoch, rund, nicht gespannt, kurz; [ ɐ] hinten, zentral, kurz [hʊm ɐ] b. Muli [u:] hinten, hoch, rund, gespannt, lang; [i:] vorne, hoch, gespannt, gespreizt, lang [mu:li:] c. Hölle [œ] vorn, mittel, rund, kurz, nicht gespannt; [ə] zentral, nicht gespannt, kurz [hœlə] oder auch [hœlɛ] Phonetik/Phonologie II 7
8 Diphtonge Eine spezielle Gruppe unter den Vokalen bilden die Diphtonge. Hierbei handelt es sich um eine Kombination von 2 Vokalen in einer Silbe (dies wird durch Unterstreichen dargestellt). Das Deutsche hat 3 Diphtonge: [aɪ] (Reise, Blei, Eis, Waise) [aʊ ] (Hau] (Haus, auch, Clown, Kakao) [ɔɪ] (heute, teuer, Säule, ahoi) Auch die Kombination aus Vokal und darauf folgendem vokalisiertem "r" bilden einen Diphtong: Uhr, ihr, für, etc. [u:ɐ], [i:ɐ], [fy:ɐ] Phonetik/Phonologie II 8
9 Phonem Phoneme sind zentrale Einheiten in der Phonologie. Sie sind mit dem Begriff des sprachlichen Zeichens von Saussure verknüpft. Saussures Zeichen sind Formen, die an einen Inhalt gekoppelt sind. Immer wenn sich der Inhalt ändert, soll sich auch die Form ändern. Dies gilt z.b. für folgende Wörter: [hʊnt], [bʊnt], [fʊnt] Bei den Wörtern oben macht sich der Bedeutungsunterschied in genau einem Segment fest, z.b. /h/ vs. /b/ vs. /f/. Ein Phonem ist daher die kleinste Einheit, die zu eben dieser Bedeutungsunterscheidung beiträgt. Phoneme kontrastieren. Sie selbst haben allerdings keine Bedeutung!! Phonetik/Phonologie II 9
10 Minimalpaare Diese Opposition bzw. Bedeutungsunterscheidung lässt sich an sogenannten Minimalpaaren festmachen. Bein Pein /b/ - /p/ Bus Busch /s/ - / ʃ/ Guss Kuss /g/ - /k/ Rand Land / ʁ / - /l/ Dank Tank /d/ - /t/ Stock Stuck / ɔ/ - / ʊ / Wein fein /v/ - /f/ Hölle Hülle /œ/ - / ʏ/ Phoneme werden in Schrägstriche eingefasst. Ein Phonem kann in einem Kontext als ein bestimmtes Phon, in einem anderen Kontext als ein anderes Phon realisiert werden. Phoneme sind minimal distinktiv, kontrastierend in Eigenschaften und die kleinsten bedeutungsunterscheidenden Einheiten. Phonetik/Phonologie II 10
11 Phon vs. Phonem Phone hingegen werden in eckige Klammern geschrieben und nach artikulatorischer Hervorbringung klassifiziert. Hierbei werden nicht die Bedeutungsunterschiede betrachtet. Kleinste lautliche Einheit. Bsp: <Hund> <rund>: unterscheiden sich in /h/ vs. / ʁ /, was sich in der Bedeutung niederschlägt. Hierbei ist es völlig egal, ob das/ ʁ/ in <rund> als [r], [R] oder [ ʁ ] realisiert wird. Phone sind die Realisation der Phoneme Äußerungsakt. im konkreten mehr zur Unterscheidung Phon/Phonem/Allophon siehe auch Hamm/Grewendorf/Sternefeld 1998, S Phonetik/Phonologie II 11
12 Phon vs. Phonem Bloomfield betrachtet daher ein Phonem als ein Bündel distinktiver Merkmale. Diese Merkmale sind die, nach denen die Konsonanten und Vokale klassifiziert wurden: z.b. stimmlos/stimmhaft, Artikulationsart und Artikulationsort. Ein Phonem kann gesehen werden als Gesamtheit der phonologisch relevanten Eigenschaften eines Lautgebildes (Trubetzkoy 1939). Manche Lauteigenschaften von Segmenten sind nicht bedeutungsunterscheidend, z.b. Aspiration/Behauchung im Deutschen [ h ]. Die Aspiration kennzeichnet lediglich Wortgrenzen (deliminative Funktion) und kommt bei stimmlosen Plosiven vor. Jedes Phonem hat nun auch noch Varianten, z.b. ein aspiriertes [ph ]und ein nicht-aspiriertes [p]. Diese heißen Allophone. Phonetik/Phonologie II 12
13 Allophone Der Zusammenhang zwischen einem Phonem und seinen Allophonen kann so veranschaulicht werden: /p/ /k/ [p h ] [p] [p ] ] [k h ] [k] [k ] ] Beispiele [p h ]: Peter vs. Apfel oder dir vs. Tier oder engl. [t h ] nitrate vs. night rate. [p ]] und [k ]] sind nicht gelöste Verschlusslaute. Diese stehen im Deutschen vor anderen Verschlusslauten: Pappplakat, Tickkiste. Es gibt nun verschiedene Arten der Variation von Phonemen: die komplementäre Distribution und die freie Variation. Phonetik/Phonologie II 13
14 Variation Komplementäre Verteilung von Allophonen liegt dann vor, wenn sie nie im selben Lautkontext vorkommen. Klassische komplementäre Allophone des Deutschen sind [x] und [ç]. [x] steht nur nach Hintervokalen ([u], etc.) und Zentralvokalen ([a:], etc.): Ach, Buch, hoch, Loch, Lache, Sucht, Bauch [ç] steht nur nach Vordervokalen, nach Konsonanten und am Morphemanfang: ich, Becher, rächen, Flüche, euch, Milch, München, Chemie, Frauchen, Biochemie Freie Variation gibt es dann, wenn zwei Allophone im gleichen Lautkontext ausgetauscht werden können, ohne dass sich die Bedeutung ändert. Freie Variationen sind oft regional oder sozial bedingt. Rede, Rabe: standard- oder baierisches R. Phonetik/Phonologie II 14
15 Aufgabe Transkribieren Sie die folgenden Wörter in IPA. In welchen distinktiven Merkmalen unterscheiden sich die markierten Laute? a. Fach Dach b. Akt alt c.vase - Phase Phonetik/Phonologie II 15
16 Aufgabe Transkribieren Sie die folgenden Wörter in IPA. In welchen distinktiven Merkmalen unterscheiden sich die markierten Laute? a. Fach [fax] Dach [dax] /f/: labiodental, frikativ, stl; /d/: alveolar, plosiv, sth b. Akt [akt] alt [alt] /k/: velar, plosiv, stl; /l/: alveolar, lateral, sth c.vase [vɑ:z/sə] Phase [fɑ:z/sə] /v/: sth; /f/: stl Phonetik/Phonologie II 16
17 Phonologische Prozesse Es gibt verschiedene Typen von phonologischen Prozessen. Diese hängen von Faktoren wie Lautkontext, Position eines Lauts im Wort oder den morphologischen Bedingungen ab. Beispiel: Leben [le:bən] [le:bn] [le: bm] [le: m] Es gibt folgende phonologische Prozesse: 1. Assimilation 2. Dissimilation 3. Tilgung 4. Hinzufügen von Segmenten/Epenthese 5. Neutralisierung Phonetik/Phonologie II 17
18 Assimilation Bei einer Assimilation gleicht sich ein Segment in bestimmten artikulatorischen Merkmalen anderen Segmenten im Kontext an. Leben [le:bn] [le: bm] (Nasalassimilation). Hier wird der Artikulationsort angepasst. /b/ und /m/ sind beide +bilabial, wohingegen /n/ -bilabial (und dafür +alveolar) ist. Gleicht sich etwas an ein vorangehendes Segment an (wie im Bsp. oben), handelt es sich um progressive Assimilation. Eine Assimilation an ein folgendes Segment nennt man regressive Assimilation: unklar [ʊnklɑ:ʁ] [ ʊŋklɑ:ʁ]. Hier wird ebenfalls der Artikulationsort angepasst: /ŋ/ und /k/ sind beide +velar, wohingegen /n/ +alveolar ist. Phonetik/Phonologie II 18
19 Dissimilation Bei Dissimilation werden Segmente einander unähnlicher gemacht. Dies spielt (meist) in der Sprachentwicklung vom Mdh. zum Nhd. eine Rolle: vuhs Fuchs, dahs Dachs, wahs Wachs, luhs Luchs <h> im Mhd wird [x] ausgesprochen: [daxs]. [xs] wird also zu [ks]: x und s sind beides Frikative und daher gleich in ihrer Artikulationsart. [k] hingegen ist ein Plosiv und unterscheidet sich dahingehend mehr vom folgenden [s]. Phonetik/Phonologie II 19
20 Tilgung Auslassung: Leben [le:bən] [le:bn] [le: bm] [le:m] mehr Beispiele siehe Meibauer et al. 2002, S. 95 unten Oft besteht ein Zusammenhang zwischen Tilgung und Assimilation. Das Schwa in Leben wird getilgt, und erst dadurch rückt das [n] an das [b] heran und kann so assimiliert werden. Tilgung ist oft feststellbar im Vergleich von Standard vs. umgangssprachlichen Formen. Phonetik/Phonologie II 20
21 Hinzufügen von Segmenten Auch Epenthese, ist der Umkehrfall der Tilgung und dient häufig zur Erleichterung der Aussprache. a. Kommt, kommst: [kɔmt], [kɔmst] [kɔmpt], [kɔmpst] b. rennst: [ʁɛnst] [ ʁɛntst] c. singst: [ziŋst] [ziŋkst] Meist wird zwischen einem Nasal und einem Plosiv/Frikativ ein Plosiv eingeschoben, der am gleichen Artikulationsort gebildet wird wie der Nasal Phonetik/Phonologie II 21
22 Neutralisierung Zwischen Phonemen bestehende Kontraste können in bestimmten Kontexten aufgehoben (oder neutralisiert) werden. Ein häufiger Fall im Deutschen ist die Auslautverhärtung von Obstruenten. Kontraste von stimmhaften und stimmlosen Varianten werden im Silbenauslaut aufgehoben. Tag: *[t ɑ:g] [t ɑ:k] Tage: [t ɑ:ge] *[t ɑ:ke] Rad: *[ʁ ɑ:d] [ ʁ ɑ:t] Räder: [ʁ ɛ:d ɐ] *[ ʁ ɛ:t ɐ] Phonetik/Phonologie II 22
23 Aufgabe Transkribieren Sie den folgenden Satz (ein einziger Lautstrom in einer einzigen Klammer). Bauen Sie phonologische Regeln und kontextbedingte Variationen in Ihre Transkription ein! Er hat mich gefragt, ob wir nicht mitkommen wollen. Phonetik/Phonologie II 23
24 Aufgabe Transkribieren Sie den folgenden Satz (ein einziger Lautstrom in einer einzigen Klammer). Bauen Sie phonologische Regeln und kontextbedingte Variationen in Ihre Transkription ein! So etwas kommt nicht in der Klausur dran! Es gibt hier viele "richtige" Lösungen!! (Hier: südwestdeutsche umgangssprachliche Version) [ɛʁhadmɪçgfʁɑ:ktɔbmʁnɪçmɪtkɔmvɔln] Phonetik/Phonologie II 24
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