Empirische Verfahren in Lexikologie und Lexikographie
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- Edmund Kalb
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1 Empirische Verfahren in Lexikologie und Lexikographie Stefan Engelberg Hauptseminar, Uni Heidelberg, WS 2008/09 Webseite_EmpVerfLex/EmpVerfLex.html Stefan Engelberg, Empirische Verfahren, WS 2008/09, Uni Heidelberg [Folie 1] Theorien Am ENDE wissenschaftlicher Unteruchungen Theorie Eine Theorie ist eine Menge zusammenhängender Aussagen über einen Ausschnitt der Wirklichkeit. Diese Menge an Aussagen beinhaltet Beschreibungen, Erklärungen und Gesetze. Die Aussagen sind falsifizierbar. Eine Theorie erlaubt es immer, Aussagen über noch nicht beobachtete Sachverhalte des Wirklichkeitsausschnitts zu machen. Stefan Engelberg, Empirische Verfahren, WS 2008/09, Uni Heidelberg [Folie 2] 1
2 Beispiele für Aussagen in Theorien [ ] die Universalgrammatik (UG) ist die Charakterisierung eines spezifischen Systems mentaler Strukturen, das die Voraussetzung für den Spracherwerb bildet. Sie ist das, was die menschliche Sprach(erwerbs)fähigkeit ausmacht und wodurch sich der Mensch von anderen Lebewesen unterscheidet. [ ] Die UG charakterisiert also einen bestimmten Aspekt der biologischen Ausstattung des Menschen, d.h. jene genetisch determinierten Eigenschaften der menschlichen Kognition, die speziell für den Erwerb von Sprache die Voraussetzung bilden. Spracherwerb lässt sich also als ein Zusammenspiel von UG-Prinzipien und konkreter sprachlicher Erfahrung ansehen. [ ] Von allen mit einer bestimmten Datenlage kompatiblen Strukturbeschreibungen wird das Kind daher nur diejenigen in Erwägung ziehen, die mit den universalen Prinzipien übereinstimmen, d.h. diese nicht verletzen. Fanselow, Gisbert & Sascha W. Felix: Sprachtheorie. Bd. 1: Grundlagen und Zielsetzungen. Tübingen: Francke 1987, S Frage: Wie kommt man zu solchen Aussagen? Trotz [ ] Schwankungen gibt es verlässliche sprachwissenschaftliche Schätzungen zur Größe des deutschen Wortschatzes. Ihnen zufolge gibt es im Deutschen zwischen und Wörter. Newsletter-Archiv des Duden, Newsletter vom archiv.php?id=11. Stefan Engelberg, Empirische Verfahren, WS 2008/09, Uni Heidelberg [Folie 3] Beispiele für Aussagen in Theorien Duden Sinn- und sachverwandte Wörter. Neudruck der 2. Aufl. Mannheim: Bibliographisches Institut und Brockhaus PC- Bibliothek 3.0 akzeptieren <akzeptierst, akzeptierte, hat akzeptiert> mit OBJ jmd. akzeptiert jmdn. / etwas eine Person oder Sache in ihrer Eigenart annehmen einen Vorschlag / einen Vorgesetzten akzeptieren Pons Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache. Stuttgart: Klett Als schwach produktiv oder unproduktiv gelten beispielsweise deverbale Derivate auf -ling oder -bold zur Benennung von Personen (Impfling, Saufbold). Hochproduktiv ist z. B. die deverbale Derivation mit -ung zur Bildung von Geschehensbezeichnungen [ ]. Duden Die Grammatik. 7. völlig neu erarbeitete und erweiterte Auflage Hg. von der Dudenredaktion. Mannheim et al.: Dudenverlag, 2006, S Frage: Wie kommt man zu solchen Aussagen? anmailen Neologismentyp: Neulexem [ ] Aufkommen: seit Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts in Gebrauch [ ] Bedeutungsangabe einem Adressaten eine schicken Neologismen der 90er Jahre. In: OWID. Institut für deutsche Sprache Stefan Engelberg, Empirische Verfahren, WS 2008/09, Uni Heidelberg [Folie 4] 2
3 Am ANFANG wissenschaftlicher Unteruchungen Das Staunen (thaumázein) Denn gar sehr ist dies der Zustand eines Freundes der Weisheit, die Verwunderung; ja es gibt keinen andern Anfang der Philosophie als diesen. (Sokrates zu Theodoros in Theaitetos, 155d) Denn Verwunderung war den Menschen jetzt wie vormals der Anfang des Philosophierens, indem sie sich anfangs über das nächstliegende Unerklärte verwunderten, dann allmählich fortschritten und auch über Größeres Fragen aufwarfen, z. B. über die Erscheinungen an dem Mond und der Sonne und den Gestirnen und über die Entstehung des Alls. (Aristoteles, Metaphysik, I, 2, 982b12) Stefan Engelberg, Empirische Verfahren, WS 2008/09, Uni Heidelberg [Folie 5] Der WEG empirischer wissenschaftlicher Untersuchungen Das Staunen Das Verwundern über einen bestimmten Sachverhalt; eine Warum -Frage Recherche Auseinandersetzung mit bestehenden Theorien über das Phänomen Hypothese Explizite Formulierung einer als wahr vermuteten, begründbaren Aussage über das Phänomen Forschungsdesign Entwurf einer empirischen Untersuchung Falsifizierung Nacherhebung von Daten Theorie Interpretation der Daten, Formulierung theoretischer Aussagen Datenanalyse Klassifikation, Typologie, qualitative Analyse, Datenaufbereitung Transkription, Datenerfassung in Datenbanken, Bereinigung von Korpusdaten, Datenerhebung Fragebogen, psycholinguistisches Experiment, Korpusrecherche, Stefan Engelberg, Empirische Verfahren, WS 2008/09, Uni Heidelberg [Folie 6] 3
4 Zwei Typen empirischer Untersuchungen prüfende Untersuchung (s. vorangehende Folie): Ausgangspunkt: eine aus einer Theorie, Voruntersuchung oder persönlichen Grundannahme abgeleitete Hypothese. Resultat: die Bestätigung oder die Falsifikation der Hypothese. erkundende Untersuchung: Ausgangspunkt: die Untersuchung und Systematisierung von Daten, aus denen sich über generelle Zusammenhänge und Erklärungen der Zusammenhänge generieren lassen. Resultat: wissenschaftliche. Stefan Engelberg, Empirische Verfahren, WS 2008/09, Uni Heidelberg [Folie 7] Was ist eine wissenschaftliche Hypothese? Wir sprechen von einer wissenschaftlichen Hypothese, wenn eine Aussage oder Behauptung die folgenden vier Kriterien erfüllt: 1. Eine wissenschaftliche Hypothese bezieht sich auf reale Sachverhalte, die empirisch untersuchbar sind. 2. Eine wissenschaftliche Hypothese ist eine allgemein gültige, über den Einzelfall oder ein singuläres Ereignis hinausgehende Behauptung (»All-Satz«). 3. Einer wissenschaftlichen Hypothese muss zumindest implizit die Formalstruktur eines Konditionalsatzes (»Wenn-dann-Satz«bzw.»Je-desto-Satz«) zugrunde liegen. 4. Der Konditionalsatz muss potenziell falsifizierbar sein, d. h. es müssen Ereignisse denkbar sein, die dem Konditionalsatz widersprechen. Bortz, Jürgen & Nicola Döring: Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. 4. überarb. Aufl. Heidelberg: Springer 2006, S.4. Stefan Engelberg, Empirische Verfahren, WS 2008/09, Uni Heidelberg [Folie 8] 4
5 Zu Kriterium 1 ( Eine wissenschaftliche Hypothese bezieht sich auf reale Sachverhalte, die empirisch untersuchbar sind. ) Keine guten : (a) Der Ausdruck schnitzeln ist ein Wort des Deutschen oder er ist kein Wort des Deutschen. [Tautologie; nicht empirisch untersuchensbedürftig] (b) Marsmenschen verwenden keine Adjektive. [kein realer Sachverhalt; nicht empirisch untersuchbar] (c) Also echt, verkasematuckeln ist wirklich ein super Wort. [subjektive Einstellung; (zumindest in dieser Form) nicht empirisch untersuchbar] Stefan Engelberg, Empirische Verfahren, WS 2008/09, Uni Heidelberg [Folie 9] Zu Kriterium 2 ( Eine wissenschaftliche Hypothese ist eine allgemein gültige, über den Einzelfall oder ein singuläres Ereignis hinausgehende Behauptung (All- Satz). ) Auch über einzelne Entitäten haben oft eine allgemeine Komponente: Herr M. spricht das r als Zungenspitzen-R. >> Wann immer Herr M. einen R-Laut spricht, spricht er ihn als Zungenspitzen-R. Keine sind Behauptungen über einen singulär auftretenden Sachverhalt: Goethe hat den letzten Konsonanten in Ach neige, Du Schmerzensreiche [ ] als stimmhaften palatalen Frikativ konzipiert. Stefan Engelberg, Empirische Verfahren, WS 2008/09, Uni Heidelberg [Folie 10] 5
6 Zu Kriterium 3 ( Einer wissenschaftlichen Hypothese muss zumindest implizit die Formalstruktur eines Konditionalsatzes (Wenn-dann-Satz bzw. Je-desto-Satz) zugrunde liegen. ) Beispiele: (a) Jedes Wort im Deutschen gehört einer Wortart an. >> Wenn etwas ein Wort des Deutschen ist, dann gehört es einer Wortart an. (b) Das Verb helfen regiert den Dativ. >> Wenn das Verb helfen mit einem Objekt auftritt, dann steht dieses Objekt im Dativ. (c) Das Suffix -tum ist im Gegenwartsdeutschen nicht produktiv. >> Wenn das Suffix -tum im Gegenwartsdeutschen auftritt, dann tritt es nur in bereits lexikalisierten Wörtern auf. (d) Mit schwindender Kasusmorphologie reduziert sich die Freiheit der Satzgliedstellung. >> Je weniger ausgeprägt die Kasusmorphologie in einer Sprache ist, desto so weniger frei ist die Satzgliedstellung. Stefan Engelberg, Empirische Verfahren, WS 2008/09, Uni Heidelberg [Folie 11] 6
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