TV-Gewinnspiele als Glücksspiel?
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- Horst Fried
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1 TV-Gewinnspiele als Glücksspiel? Symposium 2009 der Forschungsstelle Glücksspiel der Universität Hohenheim 24. September 2009 Ingo Nave Landesanstalt für Kommunikation
2 Thesen: Bei weitem nicht alle TV-Gewinnspiele sind zufallsabhängig Jedenfalls solange der Einsatz 50 Cent nicht übersteigt, liegt kein unzulässiges Glücksspiel im Sinne des GlüStV vor. Es besteht ein wirkungsvolles Instrumentarium, um TV-Gewinnspiele zu regulieren und den spezifischen Gefahren zu begegnen. 2
3 TV-Gewinnspiele Rechtliche Grundlagen Definition 2 der Gewinnspielsatzung: (Einzel-)Gewinnspiel: = Bestandteil eines Rundfunkprogramms (...), der den Nutzerinnen und Nutzern im Falle einer Teilnahme die Möglichkeit auf den Erhalt eines Vermögenswertes (...) bietet Gewinnspielsendung = inhaltlich zusammenhängender, nicht durch andere Programmelemente unterbrochener Teil eines Rundfunkprogramms von mehr als 3 Minuten Länge (...), bei dem die Durchführung eines oder mehrerer Gewinnspiele (...) den Schwerpunkt darstellt 3
4 TV-Gewinnspiele Rechtliche Grundlagen 8a Rundfunkstaatsvertrag: Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele sind zulässig. Gilt für den privaten wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowie für Teleshopping und gemäß 58 Abs.4 analog auch für Telemedien, die an die Allgemeinheit gerichtet sind 4
5 Gewinnspielregulierung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Festlegung der Ausgestaltung der Anforderungen des 8a RStV durch Richtlinien Interne Kontrolle durch Rundfunkrat/Fernsehrat (Gremien) Keine Sanktionen für Verantwortliche vorgesehen 5
6 Gewinnspielregulierung im privaten Rundfunk (und in Telemedien) Festlegung der Ausgestaltung der Anforderungen des 8a RStV durch die Gewinnspielsatzung Aufsicht durch die Landesmedienanstalt Umfangreiches Sanktionspotenzial: - Verwaltungsrechtszug: Beanstandung bis zum Lizenzentzug - Bußgeldverfahren gegen Sender und/oder gegen einzelne Verantwortliche, Abschöpfung des Erlangten 6
7 Landesmedienanstalten am Beispiel der Die LFK hat die Aufsicht über den privaten Rundfunk und in Telemedien. In länderübergreifenden Angeboten bedient sich die LFK hierfür zuständiger Organe: Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) Kommission für Aufsicht und Zulassung (ZAK) 7
8 Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) Zulassung/Aufsicht in bundesweiten Angelegenheiten Entscheidet verbindlich als Organ der jeweiligen Landesmedienanstalt Bestehend aus den 14 Direktoren 8
9 Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) Entgegennahme von Zuschauerbeschwerden, Koordinierung von Stichproben Bearbeitung durch die zuständige Landesmedienanstalt, Anhörung, Entscheidungsvorschlag an die ZAK Bindende Entscheidung der ZAK in Aufsichtsverfahren Ausfertigung der Bescheide durch die zuständige Landesmedienanstalt 9
10 (Einzel-)Gewinnspiele und Gewinnspielsendungen A. Einzelgewinnspiele Im öffentlich-rechtlichen und im privaten Rundfunk Bei reichweitenstarken öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Sendern und im Hörfunk Zweck: Einnahmegenerierung, aber auch: Steigerung der Markenbekanntheit; bei sog. Votings mit Gewinnmöglichkeit wird zudem mit der tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit auf die Sendung die Zuschauerbindung verstärkt Einzelgewinnspiele können sowohl unentgeltlich, als auch entgeltlich sein In der Regel ist die Fragestellung einfach, so dass ganz maßgeblich der Zufall über den Gewinner entscheidet. 10
11 Einzelgewinnspiele im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Beispiel Wetten dass...(zdf): Der Gewinner der DTM Michael Ekstroem ist in der Sendung. Gewinnspielfrage: Ist Michael Ekstroem aus a) Schweden? b) Holland? Beispiel Voting: Tor des Monats im Rahmen der Sportschau (ARD) 11
12 Einzelgewinnspiele im privaten Rundfunk Beispiel bei Fußballländerspielübertragung: Wer wurde 1974 Weltmeister? a) Holland b) Deutschland Beispiel Voting: Finale Deutschland sucht den Superstar (RTL): Wer ist dein Superstar? a) Sarah b) Daniel 12
13 Einzelgewinnspiele: Entgelte: Öffentlich-rechtlich: kostenlos oder Festnetz, bei Mehrwert-Nrn: 14, 25 oder 50 Cent Privat: kostenlos oder Festnetz, bei Mehrwert-Nrn: 14 oder 50 Cent (Achtung: Mobilfunk abweichend, dazu unten) 13
14 Einzelgewinnspiele: Fazit: Einzelgewinnspiele sind schon seit vielen Jahren Bestandteil von Rundfunksendungen (Tor des Monats: 1971). Einzelgewinnspiele haben in aller Regel eine triviale Lösung. Der Gewinn, der stets vergeben wird, ist somit vom Zufall der Auswahl abhängig. Einzelgewinnspiele können auch anderen Zwecken als der Einnahme der Teilnehmerentgelte dienen, vielfach werden keine Mehrwerttelefonnummern eingesetzt. Geschäftsmodelle von Einzelgewinnspielen setzen nicht auf die Mehrfacheinwahl, die Anzahl derjenigen, die mehr als einmal anrufen, ist begrenzt. 14
15 (Einzel-)Gewinnspiele und Gewinnspielsendungen B. Gewinnspielsendungen In der Regel vor wenig Publikum Gewinnspielsendungen weisen ein hohes Risiko selbstschädigender Mehrfachteilnahme auf. In der Vergangenheit wurde hierzu ebenso bewusst animiert, wie durch Täuschung eine erhöhte Gewinnwahrscheinlichkeit suggeriert wurde. Außer bei Sendern mit monothematischer Gewinnspielausrichtung (etwa 9Live) dient die Gewinnspielsendung bei anderen Sendern der Einnahmeerzielung in reichweitenschwachen und damit für die Werbung irrelevanten Zeiten. 15
16 Gewinnspielsendungen Tiere mit genau einem u Adersducker Eule Drusenkopf Gouldamadine Tuberkelhokko 16
17 (Einzel-)Gewinnspiele und Gewinnspielsendungen B. Gewinnspielsendungen Häufig wird (wurde) suggeriert, dass man der einzige sei, der die Lösung wisse, eine Lösung einfach sei (bei schweren Lösungen) eine Lösung sehr schwer sei (bei trivialen Lösungen), niemand anrufe, durch Freigabe von Leitungen die Durchstellwahrscheinlichkeit erhöht sei, bei wiederholten Anrufen eine hohe Durchstellwahrscheinlichkeit bestehe. Früher wurde über mehrere Stunden überhaupt kein Anrufer durchgestellt 17
18 (Einzel-)Gewinnspiele und Gewinnspielsendungen B. Gewinnspielsendungen Fazit: Gewinnspielsendungen dienen der Einnahmegenerierung Nur im privaten Rundfunk, in ARD und ZDF auch gesetzlich ausgeschlossen Entgelt immer 50 Cent (gesetzliche Höchstgrenze) Ausgelobte hohe Gewinnsummen werden dank der Exotik der Lösung in aller Regel nicht ausgekehrt Weil das Konzept darauf angelegt ist, Kosten zu vermeiden und deshalb keine hohen Gewinne zuzulassen, hängt der Gewinn angesichts der Schwierigkeit der Fragen in aller Regel nicht vom Zufall ab. 18
19 Zwischenergebnis Bei Einzelgewinnspielen steht die zufällige Auswahl im Vordergrund. In der Gesamtbetrachtung ist bei Einzelgewinnspielen das Gefährdungspotenzial geringer. Gewinnspielsendungen setzen vom Prinzip her auf eine (exzessive) Mehrfachteilnahme und fördern diese durch entsprechendes Animieren und Behauptungen mit z.t. wahrheitswidrigem Inhalt. Die Ausschüttung der hohen ausgelobten Gewinnsummen ist nicht Teil des Geschäftsmodells. Sollte es doch hierzu kommen, ist nicht ein zufälliges Durchstellen des Anrufers, sondern dessen exotischer Lösungsvorschlag entscheidend. 19
20 Gewinnspiel als Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags? 8a RStV gestattet Spiele mit Gewinnmöglichkeit, sofern der Einsatz nicht mehr als 50 Cent pro Anruf beträgt. Es wird für alle Spiele (ob zufallsabhängig oder nicht) ein verbindlicher Rechtsrahmen gesetzt, der einerseits einen Schutz vor wirtschaftlicher Selbstschädigung bieten soll, bei zufallsabhängigen Spielen zudem die Geringwertigkeitsgrenze des 284 StGB einhält. 8a RStV knüpft an eine jahrelange Praxis an, dass die Teilnahme über Mehrwertnummern unbeanstandet bleibt, solange die Kosten denen einer Postkarte entsprechen. 20
21 TV-Gewinnspiel als Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags? 3 Abs. 1 des GlüStV kennt die Geringwertigkeitsschwelle des 284 StGB nach dem Wortlaut nicht. Anders als die Glücksspielbehörden und Literaturmeinungen sehen die Obergerichte einen einheitlichen Glücksspielbegriff mit der Folge, dass nach entwickelter Rechtsprechung ein Einzeleinsatz von 50 Cent als unerheblich anzusehen ist. (z. B. OVG RLP, Beschluss v , 6B10778/08.OVG; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v , OVG 1 S ) 21
22 TV-Gewinnspiel als Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags? In Kenntnis der Praxis hat der Gesetzgeber im Rundfunkstaatsvertrag einen Korridor von bis zu 50 Cent geschaffen, in dem Gewinnspiele grundsätzlich zulässig sind. Bis zu einem Einsatz von 50 Cent handelt es zumindest dann nicht um ein Glücksspiel nach 284 StGB(und 3 Abs. 1 GlüStV), wenn nicht zur Mehrfachteilnahme aufgefordert wird. So OLG München (Beschl. v , 6 W 2181/05) 22
23 Problem: Mehrfachteilnahme = Glücksspiel? LG Köln 1 und VG Düsseldorf 2 bejahen dies bei Internet- Gewinnspielen (weil das mehrfache Klicken als kumulierter Einsatz bewertet wird, während die Wahlwiederholung am Telefon jeweils einen neue autonome Entscheidung voraussetzen soll) Differenzierung zwischen Internet und Telefon erscheint konstruiert. Keine auslegungsbedürftige Regelungslücke: Gewinnspielsatzung lässt die Mehrfachteilnahme grundsätzlich zu, stellt aber die Aufforderung zur Mehrfachteilnahme unter Strafe. 1 Urteil vom , 33 O 45/09 2 Beschluss vom , 27 L 415/09 23
24 Problem: Mobilfunkteilnahme = Glücksspiel? Einsatz pro Spiel erhöht sich je nach Mobilfunkprovider und Vertrag auf bis zu 1,99 Position des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Veranstalter: Es reicht, eine staatsvertragskonforme Teilnahmemöglichkeit zu eröffnen. Position der Landesmedienanstalten: 8a RStV verbietet Spiele mit einem Einsatz von mehr als 50 Cent. Maßgeblich ist die Anrufersicht. Folge: Beanstandung und Ordnungswidrigkeit nach Gewinnspielsatzung 3 Abs. 1 GlüStV bei zufallsbasierten Spielen möglicherweise einschlägig? 24
25 Konsequenz der Überschreitung der 50 Cent-Grenze des 8a RStV? Lösung 1: Einsatz überschreitet den Korridor, der vom Gesetzgeber im RStV als Privilegierung für TV-Gewinnspiele eingeräumt wird, damit ist die Anwendung des GlüStV eröffnet. Lösung 2: Mit der spezialgesetzlichen Regelung des 8a RStV ist der Weg zum GlüStV insgesamt versperrt, Sanktionierung innerhalb des RStV. Hierfür spricht das Bedürfnis nach Gleichbehandlung mit nicht zufallsbasierten Spielen. Gewinnspielsatzung sieht für die Überschreitung Bußgeld vor. 25
26 Alle Regulierungsziele des 8a RStV werden bei der Regulierung im privaten Rundfunk erreicht Mit Inkrafttreten der Gewinnspielsatzung sind Transparenzverpflichtungen einzuhalten, die Aufforderung zur Mehrfachteilnahme, Vorspiegeln von Zeitdruck und unwahre Behauptungen sind seither bußgeldbewehrt verboten. Ein Eilantrag von 9Live im Normenkontrollverfahren vor dem BayVGH ist gescheitert. Die Veranstalter sehen sich nicht in der Lage, Gewinnspielsendungen ohne Verzicht auf Täuschung wirtschaftlich erfolgreich durchzuführen. Die Einnahmen sind stark rückläufig. Die ZAK hat erste Bußgeldbescheide erlassen, weitere Sachverhalte befinden sich im Verfahren. 26
27 Kontakt: Ingo Nave Rotebühlstr Stuttgart Fon: Fax:
veröffentlicht im Thüringer Staatsanzeiger Nr. 5/2009 S. 276 am 2. Februar 2009
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