Ermittlungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft bei unzulässiger Zusammenarbeit
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- Steffen Brandt
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1 Staatsanwaltschaft Braunschweig Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen Ermittlungsmöglichkeiten der Staatsanwaltschaft bei unzulässiger Zusammenarbeit Staatsanwalt André Schmidt 1
2 Grundlagen 152 StPO [Anklagebehörde, Legalitätsgrundsatz] (1) Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen. (2) Sie ist, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. 170 StPO [Erhebung der öffentlichen Klage; Einstellung des Verfahrens] (1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht. 203 StPO [Beschluss über die Eröffnung] Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint. 2
3 Deliktsfelderim Bereich des Gesundheitssystems: Betrug und Untreue 263, 266 StGB Abrechnungsmanipulationen Umsatzabhängige Rückvergütungen 3
4 Amtsdelikte, 331ff. StGB Beamte, angestellte Ärzte, Pflegekräfte und sonstige Mitarbeiter in Universitätskliniken und öffentlichen Krankenhäusern Beauftragtenbestechung, 299 StGB Belegärzte in öffentlichen Krankenhäusern, angestellte Ärzte in privaten Kliniken, Vertragsärzte?, beauftragte Ärzte einer Praxis, Angestellte einer Praxis 4
5 331 Vorteilsannahme (1) Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) 1 Ein Richter oder Schiedsrichter (3) Die Tat ist nicht nach Absatz 1 strafbar, wenn der Täter einen nicht von ihm geforderten Vorteil sich versprechen lässt oder annimmt und die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Befugnisse entweder die Annahme vorher genehmigt hat oder der Täter unverzüglich bei ihr Anzeige erstattet und sie die Annahme genehmigt. 5
6 Ausgangspunkt Tatbestandliche Weite der 331, 333 StGB: Annahme eines Vorteils für die Dienstausübung Ausreichend ist es, dass der Vorteil von den Beteiligten ganz allgemein mit der Dienstausübung verknüpft wird BGH NJW 2008, 3580 Unter Dienstausübung ist dabei grundsätzlich jede dienstliche Tätigkeit zu verstehen. Diese muss nach den Vorstellungen der Bet. nicht noch nicht einmal in groben Umrissen konkretisiert sein; daher genügt es, wenn der Wille des Vorteilsgebers auf ein generelles Wohlwollen bezogen auf künftige Fachentscheidungen gerichtet ist, das bei Gelegenheit aktiviert werden kann. 6
7 Anforderungen an den Nachweis der Unrechtsvereinbarung bei Vorteilsgewährung /Vorteilsannahme: BGH a.a.o: Ob der Vorteilsgeber ein solches von 333 StGB pönalisiertes oder ein anderes Ziel verfolgt, ist Tatfrage. Die Grenzbestimmung hat in wertender Beurteilung zu erfolgen, die mit oftmals schwierigen Beweisfragen einhergeht. Pauschale Bewertungen in Anlehnung an Begrifflichkeiten wie allgemeine Klimapflege oder Anfüttern verbieten sich dabei Indizien: Plausibilität einer anderen Zielsetzung Stellung des Amtsträgers und Beziehung des Vorteilsgebers zu dienstlichen Aufgaben Vorgehensweise bei Angebot/ Annahme (Heimlichkeit oder Transparenz?) Art und Wert der Vorteile Gesamtschau aller Indizien erforderlich 7
8 Für 331, 333 kein Nachweis (mehr) erforderlich, dass Drittmittel als Vorteile für konkrete Beschaffungsentscheidungen zugewendet wurden Auch Drittvorteile werden erfasst (Zuwendungen an die Anstellungsbehörde des Amtsträgers) Nach Ansicht der Rspr. kommt es bei Verträgen mit Amtsträgern nicht auf die Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung an Grund:Vorteil kann schon der Vertrag als solcher sein 8
9 332 Bestechlichkeit (1) 1 Ein Amtsträgeroder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter, der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlungvorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. 2 In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. 3 Der Versuch ist strafbar. (2) Ein Richter (3) Falls der Täter den Vorteil als Gegenleistung für eine künftigehandlung fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, so sind die Absätze1 und2 schon dann anzuwenden, wenn er sich dem anderen gegenüber bereit gezeigt hat, 1.bei der Handlung seine Pflichten zu verletzen oder, 2.soweit die Handlung in seinem Ermessen steht, sich bei Ausübung des Ermessens durch den Vorteil beeinflussen zu lassen. 9
10 Fall (BGH NJW 2003, 763) Universitätsprofessor U ist im Rahmen seiner Tätigkeit für das Universitätsklinikum für Beschaffungsentscheidungen (mit-)verantwortlich. Er erhielt von diversen Firmen, die seiner Abteilung auf Bestellung medizintechnische Produkte lieferten, bestimmte Leistungen (Bezahlung von Kongressreisen, Übernahme der Kosten für Betriebs- und Weihnachtsfeiern seiner Abteilung), die jedoch nicht erkennbar zu einer Bevorzugung der leistenden Firmen bei Beschaffungsentscheidungen führten (Fall A). Ferner wurde vereinbart, dass ihm von einer bestimmten Firma ein medizintechnisches Gerät leihweise zur Verfügung gestellt wurde, wobei er im Gegenzug eine Bestellung einer jährlichen Mindestanzahl von Herzklappen für die nächsten 3 Jahre zusicherte (Fall B). Die Vorgänge hielt er gegenüber der Universitätsleitung geheim. 10
11 Lösung Fall A: - Verurteilung (nur) wegen Vorteilsannahme - zwar Dienstpflicht schon durch Annahme der Vorteile verletzt - Aber: Vorteil muss, verknüpft durch die Unrechtsvereinbarung, für eine darüber hinausgehende pflichtwidrige Handlung versprochen bzw. erbracht werden - Grund: Unterschied zwischen 331, 332 StGB 11
12 - Problem bei Ermessensentscheidungen, 332 Abs. 3 Nr. 2 StGB Der Täter einer Bestechlichkeit muss sich durch die Annahme des Vorteils jedenfalls stillschweigend dazu bereit zeigen, sich bei seinen künftigen (konkreten) Ermessensentscheidungen von sachwidrigen Erwägungen leiten zu lassen, selbst wenn die konkret getroffene Entscheidung später inhaltlich zutreffend bzw. vertretbar sein mag. -( + ): Vorteil kommt ausschließlich dem Empfänger (privat) zu Gute, - falls dienstlicher Verwendungsbezug : genaue Einzelfallprüfung erforderlich (Wert der Vorteile, Verhalten des Empfängers aus Sicht des Gebers, Unterstützung mehrerer Anbieter) 12
13 Fall B: Bestechlichkeit (+), da rechtswidrige Kopplungsvereinbarung, U hat Vorteil bei seiner Ermessensausübung mit in die Waagschale gelegt (Beeinflussung durch den Vorteil), weiteres Indiz: fehlende Transparenz 13
14 299 Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr Voraussetzungen: 1. Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes 2. Handeln im geschäftlichen Verkehr 3. Vorteil für sich oder einen Dritten 4. Fordern, sich versprechen lassen oder annehmen 5. Vorteil als Gegenleistung für unlautere Bevorzugung eines anderen im Wettbewerb bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen 6. Vorsatz, Rechtswidrigkeit, Schuld 14
15 299 StGB: Anforderungen an den Tatnachweis der Unrechtsvereinbarung: Gegenleistung für künftige Bevorzugung im Wettbewerb des Gebers mit Konkurrenten Bevorzugung bei Bezugvon Waren oder gewerblichen Leistungen (erfasst: Warenbezug des Geschäftsherrn oder des Vorteilsgebers im Wettbewerb) Unlauter: Umgehung der Regeln des Wettbewerbs, sachwidrige Motive Es reicht die Vorstellung des Täters Nicht erfasst: - Belohnungen für vergangene Tätigkeit - Herbeiführung allgemeinen Wohlwollens, Klimapflege 15
16 Fall 1: R arbeitet in der Einkaufsabteilung des Klinikkonzerns H. Er wird mit der Beschaffung von Operationsleuchten beauftragt und bekommt zufällig mit, dass der Oberarzt Dr. H die Leuchten des Fabrikats M bevorzugt. Dies teilt er dem Lieferanten G mit, der ihm für den Tipp 6.000,- zukommen lässt. G gewinnt aufgrund der Entscheidung des Dr. H die Aus- schreibung. Fall 2: S ist Inhaber eines dentaltechnischen Labors. Zur Anhebung seines Umsatzes lässt er dem Zahnarzt Dr. U Zuwendungen zukommen. Dr. U lässt daraufhin die zahntechnischen Arbeiten im Labor des S ausführen. 16
17 Fall 3: (OLG Braunschweig vom ) Apotheker S lässt der onkologischen Praxisgemeinschaft Dres. M und A monatliche Mietkostenzuschüsse zukommen. In den hierzu getroffenen schriftlichen Vereinbarungen heißt es, dass die Zuschüsse für die Dauer der vereinbarten guten geschäftlichen Zusammenarbeit gewährt werden. Zuvor hatte S bereits Umzugskosten und Vertragsstrafen der Ärzte übernommen, um sie dazu zu bewegen, ihre Praxis in unmittelbare Nähe der Apotheke zu verlegen. S stellt für die Praxis Zytostatikalösungen her. Seit der Übernahme der Mietzahlungen ist ein enormer Zuwachs der Umsätze der Apotheke zu verzeichnen. 17
18 31 ff. MBO Ärzte 31: Dem Arzt ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. 32: Dem Arzt ist es nicht gestattet, von Patienten oder Anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinträchtigt wird. 11 ApothG: [Ärztebevorzugungsverbot] (1) 1 Erlaubnisinhaber und Personal von Apotheken dürfen mit Ärzten oder anderen Personen, die sich mit der Behandlung von Krankheiten befassen, keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die eine bevorzugte Lieferung bestimmter Arzneimittel, die Zuführung von Patienten, die Zuweisung von Verschreibungen oder zum Gegenstand haben. (2) Abweichend von Abs. 1 darf der Inhaber einer Erlaubnis zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke auf Grund einer Absprache anwendungsfertige Zytostatikazubereitungen, unmittelbar an den anwendenden Arzt abgeben. 18
19 Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom Vorteilsgeber muss beim Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb unlauter bevorzugt werden Vorteil aus der örtlichen Nähe nicht ausreichend, da lediglich Reflex aus dem Standortvorteil und der Entscheidung des Patienten Verstoß gegen die in 11 ApothekenGverbotenen Handlungen erforderlich Einwirkung auf Patienten, Rezepte in der Apotheke S einzulösen Exklusive Herstellung von Medikamenten in der Apotheke S Konkrete Anhaltspunkte erforderlich, Umsatzermittlungen der Krankenkassen begründen nur einen Anfangsverdacht 19
20 Fall 4: LG Stade 12 KLs 19/09 BGH 3 StR 458/10 Die A-Gesellschaft handelt mit sog. T- Geräten, die für die elektromagnetische Reizstromtherapie bestimmt sind. Sie sind Hilfsmittel gemäß 33 SGB V. Die Gesellschaft hatte einen VertragmitderAOKNiedersachsennach 127SGBVüberdie Abgabe der Geräte geschlossen. Dieser Vertrag sah u.a. ein Beeinflussungsverbot der Ärzte vor. Gleichwohl gab der für den Vertrieb verantwortliche Mitarbeiter den für die A tätigen Handelsvertretern vor, Ärzten hochwertige medizinische Geräte für den Praxisbetrieb kostenfrei zur Verfügung zu stellen, sofern die Vertragsärzte T-Geräte in bestimmtem Umfang verordnen. Hinweise darauf, dass Geräte auch ohne medizinische Indikation verordnet worden, ergaben sich nicht. 20
21 Ermittlungsansätze Aufspüren wirtschaftlicher Vorteile: Kontenabfragen bei BAFiN Kontenverdichtung bei Banken Steuerfahndung/Betriebsprüfung im Fall des 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG = Mitteilungspflicht der Finanzbehörden falls Geber Schmiergeldzahlungen als Betriebsausgaben geltend machen wollen nicht: Empfänger der Zuwendung 21
22 Zugriff auf Steuerakten versus Steuergeheimnis? Ziel:Gewinnung relevanter Daten des Steuerpflichtigen für die Sachaufklärung (Einkünfte? Geldverkehrsrechnung ) 1. Verfolgung von Steuerstraftaten ( 30 Abs. 4 Nr. 1 AO) 2. Verfolgung von (gravierenden) Wirtschaftsstraftaten ( 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. b AO) Vor.: Anfangsverdacht 152 Abs. 2 StPO 22
23 Nachweis der Unrechtsvereinbarung (Vor-) Ermittlungen bei der Aufsichtsbehörde, auch KV oder KK ( 81a, 197 a SGB V) vorgesehenes Verfahren eingehalten? Dokumentationspflicht beachtet? Umgehung von Kontrollmechanismen? Häufung von Entscheidungen zugunsten bestimmter Personen / Umsatzsteigerungen zeitlicher Zusammenhang Vorteil/ Entscheidung 23
24 37 BeamtStG Verschwiegenheitspflicht (1) 1 Beamtinnen und Beamte haben über die ihnen bei oder bei Gelegenheit ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen dienstlichen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren (2) 1 Absatz1 gilt nicht, soweit 1.Mitteilungen im dienstlichen Verkehr geboten sind, 2.Tatsachen mitgeteilt werden, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen, oder 3.gegenüber der zuständigen obersten Dienstbehörde, einer Strafverfolgungsbehörde oder einer durch Landesrecht bestimmten weiteren Behörde oder außerdienstlichen Stelle ein durch Tatsachen begründeter Verdacht einer Korruptionsstraftat nach den 331 bis 337 des Strafgesetzbuches angezeigt wird 24
25 Nachweis der Unrechtsvereinbarung Durchsuchungsmaßnahmen: gemäß 102 StPO bei Vorteilsgeber und nehmer gemäß 103 StPO bei Dritten Beschlagnahme von Beweismitteln: 94ff. StPO, Beschlagnahmeverbote 97 StPO 25
26 Welche Unterlagen kommen als Beweismittel in Betracht? Vereinbarungen / Verträge Geber-Nehmer oder mit nahestehenden Personen Terminkalender Quittungen/Notizen über Gespräche / (Auslands-) Konten Hinweise auf gerichtliche Auseinandersetzungen Umsatzabhängige Rückvergütungen Konditionen von Darlehens-/Nebentätigkeits- /Arbeitsverträgen 26
27 Vernehmung von Zeugen/Mitarbeitern Eigene Beobachtungen über erhaltene Zuwendungen Besonderheiten im Zusammenwirken der Beteiligten (Telefaxspeicher!) Häufigkeit von dienstlichen Kontakten 27
28 Maßnahmen der Gewinnabschöpfung 73 StGB Verfall des Erlangten Vorl. Sicherung: Beschlagnahme, 111b, c StPO 73a StGB Verfall von Wertersatz Vorl. Sicherung: dinglicher Arrest und Pfändung, 111d, f StPO Rückgewinnungshilfe zugunsten der Verletzten, 111b Abs. 5 StPO Verfallsentscheidung gegen Dritte: 73 Abs. 3 StGB, 30 OwiG 28
29 Fazit? 29
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