Beobachten, Beraten und Fördern in der Schule II
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- Krista Beyer
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1 Beobachten, Beraten und Fördern in der Schule II ADHS - frühe Affektregulationsstörung? Frankfurter Präventionsstudie psychosozialer Integrationsstörungen bei Kindergartenkinder Sitzung vom 23. April 2008
2 Übersicht 1. Übergang: Videobeispiele: frühe Regulations- Störungen 2. Frankfurter Präventionsstudie 3. Film Der Zappelphillip 4. Diskussion
3 Beispiel für aktuellen interdisziplinären Dialog Psychoanalyse und Neurowissenschaften Neuroforum Frankfurt: Das Gehirn auf der Couch 18. April 2008 Vortrag des Nobelpreisträgers Prof. Dr. Eric Kandel Columbia University NY Prof. Dr. Wolf Singer Prof. Dr. M. Leuzinger-Bohleber Ausstrahlung auf 3sat: scobel 24. April 2008, 21 Uhr
4 Die Frankfurter Präventionsstudie: Ein Beispiel extraklinischpsychoanalytischer Forschung
5 Forschungsteam Universität Kassel /Sigmund-Freud-Institut: Yvonne Brandl, Betty Caruso, Katrin Einert, Stephan Hau, Paula Herrmann, Jantje Heumann, Gerlinde Göppel, Julia König, Jochen Lendle, Marianne Leuzinger- Bohleber,Sibylle Steuber, Judith Vogel Universität München: Prof. Bernhard Rüger Universität Göttingen: Prof. Gerald Hüther Institut fur Analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, Frankfurt: Angelika Wolff, Adelheid Staufenberg und 20 Kindertherapeuten und Supervisoren In Kooperation mit dem Städtischen Schulamt (Dipl.Psych. Monika Berkenfeld u.a., Städträtin Jutta Ebeling) Kinderpsychiatrische und -analytische Consultants: Prof. Dieter Bürgin, Prof. Peter Riedesser, Dr.med.Annette Streek-Fischer, Dr.med.Hans von Lüpcke, Bernd Henke Erziehungswissenschaftliche Consultants: Prof. Dr. Ariane Garlichs, Prof. Dr. Friederike Heinzel, Dr.Kerstin Weike-Bierbüsser
6 Interdisziplinäre Konzeptualisierung der Studie Psychosoziale Integrationsstörungen (insbes. ADHS): im Spannungsfeld zwischen genetisch/ neurobiologischen, entwicklungspsychologischpsychoanalytischen, institutionellen (erziehungswissenschaftlichen) und gesellschaftlichen Erklärungsansätzen: Medikalisierung sozialer Probleme?
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8 Gesellschaftliche Determinanten Veränderte Kindheit (vgl. Amft, 2006) Veränderungen im familiären Kontext. Erhöhung des Erwerbsvolumens der Frau (vgl. Problematik des Job-Sharings versus Job-Verdoppelung ) Veränderung familiärer Strukturen (hohe Scheidungsrate, hoher Anteil Alleinerziehender) Gesellschaftliche Anpassungszwänge ( flexibler Mensch, Sennett) Neue Strukturen der Arbeitswelt, Dynamisierung des Arbeitsmarktes (Arbeitslosigkeit, Flexibilisierung, Mobilität)--> Diskontinuitäten und Brüche Menschen nicht mehr Subjekte ihrer individuellen und kollektiven Geschichte ( Entsubjektivierung ) heterogene Entwicklungsbedingungen
9 Gesellschaftliche Determinanten Veränderte Kindheit (vgl. Amft, 2006) Medien-Kindheit Feminisierung der Pädagogik Leben wird von psychologischer Manipulation beherrscht (Werbung, behaviorale Erziehungstechniken) Armut als Risikofaktor: Auseinanderklaffen der sozialen Schere Migration als Risikofaktor schulgerechtes Kind versus kindgerechte Schule
10 Alternatives Gedächtnismodell in der Embodied Cognitive Science: Bedeutung für ADHS : Verhalten und Erinnern sind Funktionen des gesamten Organismus. Das Gehirn in ein ganzheitliches informationsverarbeitendes System. Die Analogie mit einem Computer mit einem Fehler auf der Festplatte, der durch eine statische Korrektur behoben werden kann, ist falsch. Sogar wenn ein genetisch oder organisch bedingter Faktor bei ADHS Kindern vorliegt, kann das Gehirn in neuen Interaktionen umlernen bzw. neue Informationsverarbeitungs- und Kontrollmöglichkeiten entwicklen: Dies ist die grundlagentheoretische Begründung für psychoanalytische Therapien besonders im frühen Kindesalter.
11 Entwicklung des primären und sekundären Repertoires an neuronalen Netzwerken (Neuronaler Darwinismus nach Gerald Edelman) )
12
13 a How the body shapes the way we think A new view of intelligence Rolf Pfeifer and Josh Bongard Illustrations by Shun Iwasawa Foreword by Rodney Brooks MIT Press, 2006 (popular science style) two views of intelligence Shun Iwasawa
14 Ulrich Moser Psychische Mikrowelten Neuere Arbeiten Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht: 2005
15 Hauptfragestellung der Frankfurter Präventionsstudie Kann ein zweijähriges, analytisch orientiertes, nicht medikamentöses Präventions- und Interventionsprogramm die Anzahl der Kinder mit psychosozialen Desintegrationsstörungen (insbes. Von ADHS) bei der Einschulung statistisch signifikant verringern? Fernziel: Sensibilisierung für KiTas als zentrale frühe Bildungsinstitutionen (frühe Prävention födert Begabungen und verhindet Fehlentwicklungen) Ziel der Folgestudie: Durch professionelles Angebot zu Abklärungen und Beratungen in den KiTas und den ersten Schuljahren können spezifische Begabungen gefördert und Fehlentwicklungen verhindert werden.
16 Durchführung der Studie Herbst 2003 : Basiserhebung in allen Städtischen Kindertagesstätten (n=5300 Kinder)--> Zufallsstichprobe von je 14 KiTas mit ca 500 Kinder in der Präventionsgruppe und ebenso viele in der Kontrollgruppe April Juli 2006 : Durchführen der Prävention / Intervention
17 Durchführung der Studie Ganzheitliches Präventions- und Interventions-programm bestehend aus folgenden Bausteinen: Supervisionen (14 täglich mit erfahrenen Supervisoren) Wöchentliche Arbeit in den KiTas von PsychologInnen (Beratung der Erzieherinnen, Eltern, Beobachtung von Kindern, pädagogische Angebote etc.) Elternschulung und -beratung Für extreme Einzelfälle: Psychotherapien in den KiTas selbst Zusammenarbeit mti Kinderärzten, Familienhilfe, Sozial- und Jugendamt etc. Im 2. Jahr: FAUST-LOS Gewaltpräventionsprojekt
18 Frankfurter Kindergartenstudie: Erste Ergebnisse Stichprobe: Basiserhebung in 114 städtischen Kindergärten Kinder des Geburtsintervalls: Döpfner-Erzieher-Fragebogen zur Verhaltensbeurteilung eines Kindes Systematische Zufallsauswahl (50%-ige Stichprobe) Auswertung 3 Skalen
19 Rücklaufquote Basiserhebung Tabelle 1 : Anzahl der im Zeitfenster geborenen Kinder. Rücklaufquote des Döpfner-Fra gebogens (50%ige Basiserhebung) 1 KITA (N) Kinder (N absolut ) Rücklauf (N absolut ) Rücklauf (N in % )
20 Frankfurter Kindergartenstudie Skalen des Döpfner-Erzieher-Fragebogens: 1. Hyperaktivität (10 Items, Summenscore 0-40, 80%-Stanine: 26) 2. Aggressivität (12 Items, Summenscore 0-48, 80%-Stanine: 18) 3. Ängstlichkeit (12 Items, Summenscore 0-48, 80%-Stanine: 16) Globalbeurteilung: 1. Hyperaktivität (Stufen 0,1,2,3; c krit = 2) 2. Aggressivität (Stufen 0,1,2,3; c krit = 2) 3. Ängstlichkeit (Stufen 0,1,2,3; c krit = 2)
21 Frankfurter Kindergartenstudie Repräsentative Stichprobenerhebung Clusterbildung der Kindergärten nach Sozialstruktur, Häufigkeiten psychisch auffälliger Kinder Präventions- und Kontrollgruppe Zufällige Ziehung einer Präventionsgruppe aus den Clustern der repräsentativen Grundgesamtheit Bildung der Kontrollgruppe nach der matched pairs method Jeweils beide Kindergärten gehören demselben Cluster an und haben eine möglichst ähnliche Struktur nach Größe und Anteil von Ausländer-/Aussiedlerkindern
22 Frankfurter Kindergartenstudie Messinstrumente und Messzeitpunkte Döpfner-Fragebogen für Erzieher (DÖP) Erhebung vor Beginn der Prävention (t1) Erhebung nach der Prävention zur Einschulung (t4) Conners-Welss-Fragebögen (CWF) Child Behavior Check Lists (CBC)
23 Clusterbildung Sozialstruktur eher problematisch Sozialstruktur eher unproblematisch Hyp. hoch Aggr. hoch Hyp. hoch Aggr. niedrig Hyp. niedrig Aggr. hoch Hyp. niedrig Aggr. niedrig Cluster 1 Cluster 2 Cluster 3 Cluster 4 Cluster 5 Cluster 6 Cluster 7 Cluster 8 Ohne Cluster 9 Cluster 10 Fragebogenrücklauf # * Innerhalb der 8 Clu ster gebildet aus den Skalen Hyp und Aggr wurden diejenigen markiert die a uf Ängst hohe Ausprägung aufwi esen. # Die Kindergärten ohne R ücklauf des Döpfner-Fragebogens wurden gesondert gruppiert. S ie konnten nur in die beiden Clu ster nach Sozialstruktur eingeteil t werden.
24 Cluster Analysis Social structure problematic Social structure unproblematic Sum Hyperactivity high [1] Aggression high [1] Cluster 1: 13*, 47, 63, 71*, 77*, 84*, 101, 117*, 120*, 122, 127 Cluster 2: 18, 54, 69*, 75, 80, 85, 89, 95*, 103, 112, 124*, Hyperactivity high [1] Aggression low [0] Cluster 3: 1, 25*, 28*, 70*, 72, 74*, 79*, 113*, 116*, 123*, 128, 135* Cluster 4: 31, 38*, 61*, 82*, 91*, 97*, 104*, Hyperactivity low [0] Aggression high [1] Cluster 5: 22, 34, 81, 132* Cluster 6: 39, 49*, 56, 59*, 67, 76, 96*, 107, 111, 114*, 129, 130*, 131* 17 Hyperactivity low [0] Aggression low [0] Cluster 7: 7*, 20, 27*, 30, 43, 48*, 58*, 83*, 87*, 92, 100*, 102*, 108*, 109, 125* Cluster 8: 15, 19, 23, 52, 78, 93, 115, 121, 133, 134*. 137* 26 No return of questionnaire Cluster 9: 9. 16, 37, 55, 57, 60, 65, 66, 88, 99, 105, 110 Cluster 10: 4, 17, 21, 35, 36, 40, 41, 45, 46, 68, 73, 86, 94, 106, 118, Sum * = day care centres with a high level of anxiety and inhibition (above median)
25 Rücklaufquote Basiserhebung t1 N absolut N Rücklauf N in% Prävention % Vergleichstichprobe % Gesamt %
26 Frankfurter Kindergartenstudie Globale Gruppenvergleiche Prä-Post-Messungen des Präventions-Kindergartens im Vergleich mit dem Kontroll-Kindergarten Lokale Gruppenvergleiche Bildung verschiedener Fallgruppen (z.b. hyperaktiv stark auffälliger Kinder) und Vergleich bzgl. Häufigkeit und Ausmaß erreichter Verbesserungen Individuelle Vergleiche matched pair -Vergleich von Kindern aus der Präventionsgruppe mit solchen aus der Kontrollgruppe
27 Rücklauf t1/t4 Frankfurter Präventionsstudie t4 N t1 N t1+t4 N in% Prävention % Vergleichsstichprobe % Gesamt %
28 Findings of the Frankfurter Preventionstudy: Aggressiveness N Präv = 177 N Kon = 185 Effekt Zeit* Gruppe : F= 5.90; p<.02* Rückgang der Aggressivität in der Präventionsgruppe (statistical analyses: Dr. Tamara Fischmann, SFI) Rote Linie: Interventionsgruppe 10,00 9,00 8,00 7,00 6,00 Geschätztes Randmittel von Aggressivität Grüne Linie.: Kontrollgruppe 1 2 zeit Zugehörigkeit im Untersuchungsdesign Präventionsgruppe Kontrolgruppe
29 Findings of the Frankfurter Preventionstudy : Anxiety N Präv = 177 N Kon = 184 Effekt Zeit* Gruppe : F = 4.96; p <.03* Rückgang der Ängstlichkeit in der Präventionsgruppe 14,00 12,00 Geschätztes Randmittel von Ängstlichkeit 10,00 l 8, zeit Zugeh örigkeit im Untersuchungsde sign Präventionsgruppe K ontrollgruppe
30 Findings of the Frankfurter Preventionstudy: Hyperactivity- Girls N Präv weibl = 87 N Kon weibl = 71 Effekt Zeit* Gruppe : F = 5.57; p <.02* Rückgang der Hyperaktivität in der Präventionsgruppe 14,00 13,00 12,00 11,00 Geschätztes Randmittel von Hyperaktivität - Mädchen 10,00 9,00 8,00 7, zeit Zugehörigkeit im Untersuchungsdesign Präventionsgruppe Kontrollgruppe
31 Aktuelle Weiterführung der Studie A. Dauerhafter Implementierung der erfolgreichen Bausteinen der Frankfurter Präventionsstudie: FRÜHSTART Programm B. Diskurs um Wirksamkeit von Psychotherapien (Wissenschaftlicher Beirat für Psychotherapie): Präventionsstudie als Vorstudie zu prospektiver Therapiewirksamkeitsstudie: Vergleich von psychoanalytischen and verhaltenstherapeutisch/pharmakologischen Therapien bei hyperaktiven Kindern (ICD- 10 Diagnosen, F 90, F 90.1) (finanziert durch VAKJP) C. EARLY STEPS: Prevention of antisocial behaviour (IDeA Projekt im Rahmen des LOEWE Förderungsprogramm des Landes Hessen, Excellenz Cluster)
32 Zusammenfassung. Erste Resultate und Beobachtungen Extrem unterschiedliche Kindheiten in einer multikulturellen Gesellschaft mit extrem divergierenden sozioökonomischen Familien ( Zweidrittel-Gesellschaft, Alleinerziehende, Patchwork-Familien etc.) Das Projekt wurde nach langer, vorsichtiger Phase der Annäherung von allen Teams angenommen Die Supervisionen erweisen sich als sehr hilfreiches Instrument, die holding und containing function der Teams und dadurch ihre Professionalität zu stärken (vgl. Desintegrations- Ausstoßungs- und Fragmentierungstendenzen bei Streß und Überforderung) Nach anfänglichen Schwierigkeiten sind auch pädagogisch-psychoanalytische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Team und Eltern angenommen worden und werden als Berater im Sinne einer Triangulierung produktiv genutzt
33 Zusammenfassung. Erste Resultate und Beobachtungen Die Therapien in den Kindertagesstätten sind zwar alles andere als einfach. Gelingt es aber, das Vertrauen der Eltern in Not zu gewinnen, erweisen sie sich als ausgesprochen hilfreich und lohnenswert. Die bisherigen Einzelfallstudien zeigen, dass es dadurch gelingt, gravierende Fehlentwicklungen zu verhindern bzw. abzumildern. Die Kindertagesstätten leisten eine fast unvorstellbare Integrationsarbeit (nicht nur in den sozialen Brennpunktgebieten, sondern ganz allgemein: vgl. Sprachprobleme, kulturelle Divergenz, familiäre Dramen etc) Die psychosozialen Integrationsstörungen sind enorm verbreitet und bilden ein (potentiell und schon teilweise reales) großes gesellschaftliches Problem
34 Ergebnisse gewonnen mit qualitativen Methoden Ergebnisse der empirisch-quantitativen Teile der Studie belegen: Frühprävention ist wirksam: Die Anzahl der Kinder mit schweren Aggressionsproblemen konnte in der Präventionsgruppe verglichen mit der Kontrollgruppe statistisch signifikant gesenkt werden.
35 Frühprävention ist notwendig und wirksam Kinder sind die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft. Die Humanität einer Gesellschaft zeigt sich in ihrem Umgang mit Schwachen - auch mit ihren Kindern Verliert eine Gesellschaft Empathie, Freude und Fürsorge für ihre Kinder, verliert sie ihre Zukunft
36 Aufgaben für Kurze Skizze über die verschiedenen Entwicklungsphasen der Kinderzeichnung oder Drei Thesen zum Dialog Psychoanalyse - Neurowissenschaften, 3 SAT, , 21h
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