Allgemeine Staatslehre. Einführung
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- Julius Baum
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1 Allgemeine Staatslehre Einführung Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker Wintersemester 2016/17 A. Staatslehre als Gegenstand der Vorlesung Staatlichkeit nicht im Besonderen, sondern im Allgemeinen Georg Jellinek( ), Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1929, S. 9 f.: Die allgemeine Staatslehre sucht das Fundament der gesamten Staatslehre zu legen, indem sie die Erscheinung des Staates überhaupt sowie die Grundbestimmungen, die er darbietet, wissenschaftlicher Forschung unterzieht. Ihre Resultate werden nicht durch die Untersuchung einer staatlichen Einzelindividualität, sondern vielmehr der gesamten geschichtlich-sozialen Erscheinungsformen des Staates gewonnen. Erkenntnisinteresse: Wesen der (gegeben) Staaten, nicht des perfekten Staates (Staatsphilosophie) Gemeinsamkeiten und Differenzen gegebener Staaten Erkenntnisproblem: allgemeine Definition (induktiv) möglich/für Kritik vorausgesetzt? Juristisches Problem: Das Positivismusdilemma (Geltung/Recht) Allgemeine Staatslehre als Staatsgrundlagenforschung interdisziplinärer Ansatz erforderlich Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker, Allgemeine Staatslehre, Einführung 2 1
2 von innen betrachtet: Staat = Hans Kelsen( ), Allgemeine Staatslehre (1925), S. 18: Das positive Recht [ist] identisch mit dem wirklichen, dem historisch konkreten Staat. Einheit von Staat und Recht von außenbetrachtet: Staat = Völkerrechtssubjekt (nicht zu verwechseln mit internal/external point of view wesentliche Unterscheidung in der Rechtstheorie: Teilnehmer-und Beobachterperspektive) Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker, Allgemeine Staatslehre, Einführung 3 I prägt, gestaltet und bestimmt den Staat Recht als Rahmenordnung des Staates Einhaltung des Rahmens kann das Recht gegenüber der (letztlich) nicht gewährleisten dienende Funktion des Rechts II Staaten sind geschichtliche Phänomene Wandlungen in Herrschaftsformen (Fundamenten der ) als Zäsur oder Kontinuum? Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker, Allgemeine Staatslehre, Einführung 4 2
3 I II IV. Staat und Verfassung heute: Staat als verfasster Staat, als Verfassungsstaat Staat und Verfassung bilden im Verfassungsstaat eine integrale Einheit, J. Isensee (* 1937), HStRI, 1. Aufl. 1987, 13 Rn. 3. Staatsverfassungals rechtliche Grundordnung des Staates begrifflich zu unterscheiden von der Verfassung als (Grund)Gesetz, aber durch sie konstituiert Verfassungsstaatgilt als Staatstypus des Konstitutionalismus und wird mit Inhalten konnotiert, insb. Demokratie Grund- und Menschenrechte Rechtsstaatlichkeit zunehmend auch Sozialstaatlichkeit Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker, Allgemeine Staatslehre, Einführung 5 I II IV. Staat und Verfassung 1. Begriff des Staates Aufkommen im 15. Jahrhundert ( État ; estado ; state ) Ableitung von lat. status(zustand, Verfassung) aber Rom: populus romanus oder res publica Begriffsprägung erkennbar in Niccolò Machiavelli ( ), Il Principe: lostato ; Beginn des 16. Jahrhunderts Staat als Herrschaftsordnung (klassischer Staatsbegriff; Staat i.w.s.) Unterwerfung eines Kreises von Menschen [ Volk ] in einem bestimmten, abgrenzbaren Gebiet [ Territorium ] unter eine Hoheitsgewalt (faktisches Element) zur Wahrung und Durchsetzung gemeinsamer Interessen und Zwecke (normatives Element) Staat als qualifizierte Herrschaftsordnung (moderner Staatsbegriff; Staat i.e.s.; Staat der Neuzeit) Qualifikation durch Prozeduren und Werte (seit 18. Jh. insb. Demokratie, Menschenrechte) Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker, Allgemeine Staatslehre, Einführung 6 3
4 I II IV. Staat und Verfassung 1. Begriff des Staates 2. Begriff der Verfassung Verfassung und Konstitution( constitution ) als Staatsverfassung(Verfassung i.e.s.) rechtliche Grundordnung eines Staates Hans Kelsen ( ), Reine Rechtslehre: Staat = Verfassung Verfassungsgeschichte meist: Verfassungsgeschichte der Neuzeit heute: Parallelität von (modernem) Staatsbegriff und (modernem) Verfassungsbegriff Verfassung als Kodifikation der politisch-rechtlichen Grundordnung (Staatsorganisation) unter Einschluß prägender Grundprinzipien(insb. Demokratie, Menschenrechte) Konzentration auf die letzten 2-3 Jahrhunderte (1776/1787 USA; 1791 Frankreich) als rechtliche Grundordnung eines Gemeinwesens (Verfassung i.w.s.) Insb. zwischenstaatlicher Organisationen (EU, UNO), auch Kommunen(Kommunalverfassungsrecht) Gegenwärtige Debatte: Konstitutionalisierung des Völkerrechts (enger, normativer Verfassungsbegriff); besser: präzise Rede von spezifischen Zielen, statt Konstitutionalisierung Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker, Allgemeine Staatslehre, Einführung 7 I II IV. Staat und Verfassung der Allgemeinen Staatslehre Erkenntnismethode und Erkenntnisgegenstand bedingen sich wechselseitig Weimarer Methodenstreit Hans Kelsen ( ): Normativismus Staat = = normative Ordnung Hermann Heller ( ): soz. Rechtslehre Staat = organisierte Entscheidungs- und Wirkungseinheit = Carl Schmitt( ): Dezisionismus Staat = fakt. Machtorganisation = überindividuelle Einheit Rudolf Smend( ): Integrationslehre Staat = gesellschaftliche Wirklichkeit = Integrationssumme aller Individuen Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker, Allgemeine Staatslehre, Einführung 8 4
5 I II IV. Staat und Verfassung und Theorie Grundlage: induktive Methode Ziel: Erkennen und Systematisieren des Gegebenen durch Typisierung oder (besser) Theoriebildung Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker, Allgemeine Staatslehre, Einführung 9 II. Realtypus und Idealtypus Realtypus als Ausgangspunkt des induktiven Ansatzes welche Grundprinzipien prägen den Verfassungsstaat der USA/Großbritanniens/BRD? Idealtypus als verallgemeinertes, (möglichst) vollständiges Deutungsmodell verschiedener Staatsformen Der (demokratische) Verfassungsstaat (des Westens) ist gekennzeichnet durch Die Regierungsformen des demokratischen Verfassungsstaats des Westens sind die parlamentarische oder die Präsidialdemokratie, die gekennzeichnet sind durch Beachte: Idealtypus ist kein regulatives Ideal (deduktiver Ansatz; Theoriebildung als Ausgangspunkt) Wertungen sind deswegen allenfalls komparativ möglich: Der demokratische Verfassungsstaat ist im Vergleich zu allen anderen gegenwärtigen Staatsformen die beste in Bezug auf das Kriterium X. Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker, Allgemeine Staatslehre, Einführung 10 5
6 II. Realtypus und Idealtypus III. Falsifikation statt Verifikation Wissenschaftliche Erkenntnis steht (skeptisch: immer) unter dem Vorbehalt späterer Widerlegung Karl Popper( ), Logik der Forschung, 1934 Staat ist wandelbar, da Staaten und Staatenformen evolvieren Allgemeine Staatslehre kann nicht den Anspruch auf Endgültigkeit erheben (keine Staatsethik) Ziel also: Wiedergabe des neuesten Stand[s] unwiderlegten möglichen Irrtums, BVerfGE 49, 89 (143) Schneller Brüter Vgl. Ls. 6: Vom Gesetzgeber im Hinblick auf seine Schutzpflicht eine Regelung zu fordern, die mit absoluter Sicherheit Grundrechtsgefährdungen ausschließt, die aus der Zulassung technischer Anlagen und ihrem Betrieb möglicherweise entstehen können, hieße die Grenzen menschlichen Erkenntnisvermögens verkennen und würde weithin jede staatliche Zulassung der Nutzung von Technik verbannen. Für die Gestaltung der Sozialordnung mußes insoweit bei Abschätzungen anhand praktischer Vernunft bewenden. Ungewißheiten jenseits dieser Schwelle praktischer Vernunft sind unentrinnbar und insofern als sozialadäquate Lasten von allen Bürgern zu tragen. Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker, Allgemeine Staatslehre, Einführung 11 II. Realtypus und Idealtypus III. Falsifikation statt Verifikation IV. Zukunftsgewandtheit Allg. Staatslehre ist nicht (nur) wertende Verallgemeinerung der Verfassungsgeschichte sondern auch und gerade zukunftsgerichtet zu begreifen als Instrumentarium des Verständnisses (nicht primär: des Bewertens) gegenwärtiger und zukünftiger Staaten Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker, Allgemeine Staatslehre, Einführung 12 6
7 II. Realtypus und Idealtypus III. Falsifikation statt Verifikation IV. Zukunftsgewandtheit C. Abgrenzung von anderen Disziplinen I. Interdisziplinarität der Allg. Staatslehre Früher verbreitet institutionell gewährleistet Üblichkeit der Rechts-und Staatswissenschaftlichen Fakultäten (Juristen, Volkswirtschaftler, Soziologen, wissenschaftler, Philosophen) heute (überwiegend) spezialisierte/isolierte Juristische Fakultäten bzw. Fachbereiche Entfernung vom Grundlagendenken Entfremdung der Disziplinen Versuch der (Re-)Interdisziplinierung Staatswissenschaftals Studienfach heute kaum noch präsent (außer Passau/Erfurt/Darmstadt), dann aber eher als Staatsklugheit angelegt Priv.-Doz. Dr. Carsten Bäcker, Allgemeine Staatslehre, Einführung 13 7
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