Anwendungsnahe Bildungsforschung
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- Axel Heidrich
- vor 7 Jahren
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1 Anwendungsnahe Bildungsforschung Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in der Praxis vs. Forschung in, mit und durch die Praxis Qualitätssicherung in der Bildungsforschung 13./14. September 2010 Wien
2 Gliederung 1. Was ist Wissenschaft 2. Anwendungsbezogene Wissenschaft 3. Forschung in und mit der Praxis 4. Wissenschaftliche Qualitätsstandards
3 1. Was ist Wissenschaft Weit verbreitetes Verständnis Allgemeingültigkeit Objektivität Ausdifferenzierung Abstraktion allg. Gesetze, Regeln Dekontextualisierung Verstandesmäßig Rational Formal logisch Tatsachen Abgrenzung gegenüber praktischem Handeln Institutionalisierung Professionalisierung Grundsatz: Je mehr dieser Kriterien erfüllt sind, umso größer die Wissenschaftlichkeit 3
4 1. Was ist Wissenschaft Ideal-Typ Formale Systeme Mathematik, Logik, Kybernetik allgemeingültig objektiv ausdifferenziert abstrakt logisch-rational eigenständig 4
5 1. Was ist Wissenschaft These Grenzen der Allgemeingültigkeit, Objektivität und Ausdifferenzierung - kein Mangel an Wissenschaftlichkeit sondern - strukturelles Merkmal von Wissenschaft in modernen Gesellschaften Erkenntnistheoretische/Methodische Grundlagen und Ansprüche/Ziele von Wissenschaft 5
6 1. Was ist Wissenschaft Wissenschaft in modernen Gesellschaften (seit dem 16./17. Jhdt.) Verbindung von Abstrakte Begriffs- /Theoriebildung deduktiv-logischer Beweis Wahrheitssuche/ Erklärung menschlicher Existenzbedingungen und und Empirischer Beobachtung Realitätsbezug gegenüber Spekulationen Gestaltung und Veränderung menschlicher Lebensbedingungen praktischer Nützlichkeit Keine Verbindung in den traditionellen Wissenschaften (China, Griechenland u.a.) (vgl. Münch: S. 200ff.) 6
7 1. Was ist Wissenschaft Wissenschaft in modernen Gesellschaften (seit dem 16./17. Jhdt.) Anspruch auf universelle Erkenntnis Wissenschaft als Leitbild von Erkenntnis und richtigem Wissen Ersetzung, Verdrängung, Abwertung anderen Wissens - Glaube, Eingebung usw. - Erfahrungswissen Offenheit des Gegenstandsbereichs 7
8 1. Was ist Wissenschaft Allgemeingültigkeit Objektivität Ausdifferenzierung Korrespondenz Abstrakte Begriffs- und Theoriebildung Deduktiv-logischer Beweis Verstandesmäßig rationale Analyse und Begründung 8
9 1. Was ist Wissenschaft Allgemeingültigkeit Objektivität Ausdifferenzierung Spannungsverhältnis Empirische Fundierung (Verbindung von Theorie und Empirie) Praktische Nützlichkeit (Anwendungsbezug) Universalität (Offenheit des Gegenstandsbereiches) 9
10 1. Was ist Wissenschaft Empirische Fundierung Empirische Phänomene - Vielfältig (konkret), kontextgebunden - Vermittelt durch sinnliche Wahrnehmung (subjektiv) -Teil der Praxis (Einbindung in Lebenszusammenhänge) 10
11 1. Was ist Wissenschaft Empirische Forschung (Naturwissenschaft) Auflösung des Spannungsverhältnisses durch systematisch wissenschaftliche Beobachtung und Experiment Anpassung/Zurichtung empirischer Phänomene durch - Reduktion (Isolierung einzelner Phänomene) - Eindeutigkeit (Eingrenzung sinnlicher Wahrnehmung) - Konstruktion (Herauslösung aus Lebenszusammenhängen) Labor-Forschung oder/und Auswahl geeigneter Gegenstandsbereiche 11
12 1. Was ist Wissenschaft Paradox der `Labor -Forschung Je größer die Wissenschaftlichkeit umso geringer der Bezug auf die Mannigfaltigkeit und Komplexität konkreter Gegebenheiten Selektivität und realitätsferne wissenschaftliche Forschung Eingrenzung wissenschaftlicher Erkenntnis anstelle universeller Erkenntnis 12
13 1. Was ist Wissenschaft Paradox der `Labor -Forschung Je komplexer und vielfältiger konkrete Gegebenheiten umso geringer erscheint die Möglichkeit ihrer wissenschaftlichen Erforschung exakte vs. weiche Wissenschaften Astronomie -> Physik -> Chemie -> Psychologie -> Soziologie Grenzen der Wissenschaftlichkeit oder Grenzen der wissenschaftlichen Labor-Forschung 13
14 1. Was ist Wissenschaft Paradox der `Labor -Forschung Quantitativ, Hypothesengeleitete empirische Forschung Qualitativ-explorative empirische Forschung vs. Eingrenzung empirischer Phänomene Ausweitung empirischer Phänomene Je mehr die Mannigfaltigkeit und Komplexität konkreter Gegebenheiten berücksichtigt wird umso weniger entspricht dies der Wissenschaftlichkeit 14
15 1. Was ist Wissenschaft Empirische Forschung Eingrenzung und Selektion empirischer Phänomene Realitätsferne Eingrenzung von Wissenschaft vs. Ausweitung und Öffnung für empirische Phänomene Realitätsnähe Ausweitung von Wissenschaft 15
16 1. Was ist Wissenschaft These Die Verbindung von Theorie und Empirie erfordert eine gegenstandsbezogene Verbindung von Allgemeingültigkeit und Kontextbezug Objektivität und Subjektivität Ausdifferenzierung und praktische Einbindung unterschiedliche Reichweite der Abstraktion, Generalisierung Konstruktion von Wissen Empirische Feldforschung, praktische Experimente 16
17 2. Anwendungsbezogene Wissenschaft Anspruch und Ziel von Wissenschaft Erklärung und praktische Nützlichkeit Verwissenschaftlichung praktischen Handelns Gesellschaftliche Anforderungen an Wissenschaft 17
18 2. Anwendungsbezogene Forschung Neue Entwicklung Diversifizierung und Pluralisierung der Orte wissenschaftlicher Forschung (Gibbons u.a. 1994; Willke 2002, 2007) Verallgemeinerung und Entgrenzung wissenschaftlicher Forschung (Weingart 2001) These: Die Erwartung an praktisch nützliches Wissen erfordert die Öffnung von Wissenschaft zu Praxis Verschränkung von Wissenschaft und Praxis 18
19 2. Anwendungsbezogene Forschung Verwissenschaftlichung Wissenschaftliche Forschung Einfaches Modell Differenzierung/Entwicklung Anwendung wiss. Erkenntnisse der Praxis Wiss. Forschung Grundlagen Angewandte Forschung Anwendung wiss. Erkenntnisse in der Praxis Wiss. Forschung Grundlagen Angewandte Forschung Forschung vor Ort Anwendung wiss. Erkenntnisse in der Praxis Wiss. Forschung Grundlagen Angewandte Forschung Forschung vor Ort Forschung in und mit der Praxis Anwendung wiss. Erkenntnisse in der Praxis 19
20 2. Anwendungsbezogene Forschung Wissenschaft traditionell Praxis Grundlagen Angewandt Experten Laien Forschung neu Anwendung Grundlagen Wissenschaft Angewandt Wissenschaft in und mit der Praxis Experten Praxis Laien 20
21 3. Forschung in und mit der Praxis Rolle von Wissenschaft Bereitstellung praktisch nützlichen Wissens Veränderung und Gestaltung durch Wissenschaft Anwendung und Genese wissenschaftlicher Erkenntnis durch Veränderung und Gestaltung Veränderung und Gestaltung durch Wissenschaftler Veränderung und Gestaltung durch Wissenschaftler und Praktiker Forschung durch Wissenschaftler und Praktiker 21
22 3. Forschung in und mit der Praxis These Action Research Konsequente Weiterentwicklung der Verwissenschaftlichung gesellschaftlicher Praxis Veränderung und Gestaltung sozio-ökonomischer und sozio-kultureller Lebensbedingungen mit Wissenschaft Menschen als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung und Anwender und Erzeuger wissenschaftlicher Erkenntnisse 22
23 3. Forschung in und mit der Praxis Action Research Merkmale Verbindung anwendungsbezogener Forschung mit der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnis Erkenntnis aus Analyse/Beschreibung und Veränderung/Gestaltung Beteiligung des Gegenstands der Forschung und der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnis an der Forschung (Aufhebung der Subjekt-Objekt-Spaltung) aber 23
24 3. Forschung in und mit der Praxis Action Research Merkmale Aufrechterhaltung der Differenz zwischen Wissenschaft und Praxis/wissenschaftlichen Experten und Praktikern Wechselseitige Respektierung/Forschung und Dialog Björn Gustavson (1994): Dialog und Entwicklung. Berlin: edition sigma. Werner Fricke (2010): Wissenschaft und Praxis in gemeinsamen Prozessen. Methodische und forschungspraktische Erfahrungen. Vortrag bei der Tagung des Förderschwerpunkts der BMBF. Innovationsstrategien jenseits traditionellen Managements. 25. Juni. Dortmund. 24
25 3. Forschung in und mit der Praxis Wirkungen Empirische Fundierung Realitätsbezug Praktische Anwendung wiss. Erkenntnisse Nützlichkeit Differenzierter Bezug auf empirische Phänomene Erkenntnis von Potentialen, Machbarem, neuen Möglichkeiten Problemstellungen aus der Praxis Ausrichtung wiss. Erkenntnis auf Anwender Durch Action Research werden wesentliche Ansprüche von Wissenschaft und gesellschaftliche Erwartungen an Wissenschaft erfüllt 25
26 4. Wissenschaftliche Qualitätsstandards Realitätsbezug Bezug auf die Vielfalt und Komplexität konkreter Gegebenheiten und Nützlichkeit Praktische Anwendbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse Anspruch von Wissenschaft und Anforderung an Wissenschaft Grundlegende Kriterien der Wissenschaftlichkeit 26
27 4. Wissenschaftliche Qualitätsstandards Paradox der praktischen Nützlichkeit von Wissenschaft Je größer Realitätsnähe und Anwendungsbezug umso geringer Allgemeingültigkeit Objektivität - Ausdifferenzierung 27
28 4. Wissenschaftliche Qualitätsstandards Realitätsbezug und Anwendbarkeit von Wissenschaft Kontextbezug - Subjektivität Einbindung in die Praxis Kein Defizit sondern erfordern Strukturelles Merkmal von Wissenschaft 28
29 4. Wissenschaftliche Qualitätsstandards Neue Sicht exakte und weiche Wissenschaft Grundlagen und angewandte Wissenschaft quantitative und qualitative Methoden nicht mehr oder weniger Wissenschaftlichkeit sondern Unterschiedliche Verbindungen von Allgemeingültigkeit und Kontextbezug Objektivität und Subjektivität Ausdifferenzierung und Einbindung 29
30 4. Wissenschaftliche Qualitätsstandards Allgemeingültigkeit Expliziter Kontextbezug Definition und Kontrolle des Kontexts Kontextgebundenheit Objektivität Explizite Subjektgebundenheit Rationale Reflexion Nachvollziehbarkeit Subjektivität Ausdifferenzierung Nähe zur Praxis Anwendung und Forschung in der Praxis Einbindung in praktisches Handeln 30
31 4. Wissenschaftliche Qualitätsstandards Bisher vorherrschendes Ideal und Leitbild von Wissenschaft auch in extremer Ausprägung nicht vollkommen (Grenze der Dekontextualisierung, Entsubjektivierung, Abgrenzung gegen Praxis) schränkt die Realitätsnähe und praktische Nützlichkeit von Wissenschaft ein 31
32 4. Wissenschaftliche Qualitätsstandards Entwicklung von Wissenschaft als historisch-gesellschaftlicher Prozess Veränderung der Rolle und Anforderungen an Wissenschaft Veränderung der Definition der Kriterien von Wissenschaftlichkeit 32
33 4. Wissenschaftliche Qualitätsstandards Fortschreitende Verwissenschaftlichung gesellschaftlicher Praxis und zunehmende Komplexität gesellschaftlicher Lebensbedingungen und Problemstellungen erfordern die systematische Verbindung von Allgemeingültigkeit und Kontextbezug Objektivität und Subjektivität Abgrenzung und Einbindung in praktisches Handeln 33
34 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 34
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