Berücksichtigung von Gender-Aspekten in der Forschung 1
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- Alexander Albert
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1 ZKFF Zentrale Kommission für Frauenfragen Berücksichtigung von Gender-Aspekten in der Forschung 1 Vorbemerkung Nach den Leitzielen der Universität Bremen gehören die Themen Geschlechterverhältnis und Gleichberechtigung zu den Kernbereichen der Forschung. Wenn Genderaspekte für ein Foschungsvorhaben relevant sind, ist ihre sachgerechte Berücksichtigung ein Kriterium für die Auswahl der Anträge. Der folgende Kriterienkatalog gibt (am Beispiel eines speziellen Forschungsbereichs) den AntragstellerInnen Hinweise, wie Genderaspekte angemessen berücksichtigt werden könnten. Kriterienkatalog 2 1. Eine Prüfung der Genderrelevanz kann durch die AntragstellerInnen z. B. anhand folgender Fragen erfolgen: Sind Frauen und Männer von dem Forschungsvorhaben unmittelbar oder mittelbar betroffen (z. B. in den Bereichen Familie, Beruf, politische Teilhabe, Freizeit, Gesundheit)? Sind Frauen und Männer unterschiedlich betroffen? Worin bestehen die Unterschiede? Berücksichtigt das Forschungsvorhaben mögliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern in den Lebens- und Arbeitssituationen? 1 Simone Lempart ist die Verfasserin des Textes, der im Juni 2006 erstellt wurde. Sie wurde von Prof. Dr. Ines Weller betreut. 2 Als Quellen dienten: Bührer, Susanne; Schraudner, Martina (Hg.) 2006: Gender-Aspekte in der Forschung. Wie können Gender-Aspekte in Forschungsvorhaben erkannt und bewertet werden? Karlsruhe: Fraunhofer IRB Verlag.; BMFSFJ, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) 2005:Arbeitshilfe zu 2 GGO: Gender Mainstreaming in Forschungsvorhaben. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Außerdem als Lektüreempfehlung: Eichler, Margit; Fuchs, Judith; Maschewsky-Schneider, Ulrike 2000: Richtlinien zur Vermeidung von Gender Bias in der Gesundheitsforschung. In: Zeitschrift für Gesundheitswisenschaften. 8. Jg., H. 4., S Und: Eichler, Margit (1998): Offener und verdeckter Sexismus. Methodisch-methodologische Anmerkung zur Gesundheitsforschung. In: Arbeitskreis Frauen und Gesundheit im Norddeutschen Forschungsverbund Public Health (Hg.): Frauen und Gesundheit(en) in Wissenschft, Praxis und Politik. Bern et al.: Verlag Hans Huber.
2 2. Wenn eine Genderrelevanz festgestellt wurde, können Gender-Aspekte an verschiedenen Stellen in das Forschungsvorhaben integriert werden. Anhand eines Fragekatalogs (für AntragstellerInnen und GutachterInnen) kann überprüft werden, in welcher Phase des Forschungsprozesses die Implementierung sinnvoll ist. 2.1 Forschungsfrage/Forschungsproblem Schließt die Forschungsfrage Frauen und Mädchen aus, auch wenn die Schlussfolgerungen auf beide Geschlechter anwendbar sein sollen? Nimmt die Forschungsfrage direkt oder indirekt ein Geschlecht (Männer) als Norm und schränkt insofern das Spektrum der möglichen Antworten ein? Wird in der Forschungsfrage direkt oder indirekt Familie bzw. Haushalt als kleinste Analyseeinheit vorgesehen, obwohl unterschiedliche Angaben für Frauen und Männer innerhalb der Familien oder Haushalte zu erwarten sind? Wird die leitende Forschungsfrage für die Geschlechter unterschiedlich formuliert? Findet eine Integration von Gender-Theorie und literatur statt? Haben diese Einfluss auf die Hypothesenbildung? 2.2 Konzept und methodische Durchführung Werden im Forschungsdesign beide Geschlechter betrachtet (in den Hauptvariablen/Themen; in unterschiedlichen Situationen)? Wird im Methodenteil Auskunft gegeben, ob die Instrumente für beide Geschlechter anwendbar sind? Nimmt das Forschungsinstrument ein Geschlecht als Norm für das andere Geschlecht (z. B. Männer als Norm für Frauen? Ist das Konzept so angelegt, dass keine sozial oder kontextabhängig wichtigen Informationen verloren gehen? Ist es möglich, Frauen und Männer gesondert zu betrachten? 2.3 Datenerhebung/Datenanalyse Werden die Daten für beide Geschlechter getrennt dargestellt? Werden alle Untergruppen nach Geschlecht analysiert? Wenn nur ein Geschlecht betrachtet wird, sind die Schlussfolgerungen dann auch nur auf dieses bezogen? Wird eine geschlechtersensible Sprache verwendet? 2.4 Interpretation und Bewertung der Hypothese, Konklusion, Veröffentlichung Wenn beide Geschlechter betrachtet wurden, sind die Schlussfolgerungen in verallgemeinernden Begriffen ausgedrückt oder korrekterweise nach Geschlecht differenziert? Wenn nur ein Geschlecht betrachtet wurde, wurden die Schlussfolgerungen dann auch nur auf dieses bezogen? Enthalten Titel oder Zusammenfassung eine geschlechterverzerrende Sprache, Konzepte oder Begriffe? Sind in Grafiken und Tabellen beide Geschlechter dargestellt?
3 Anhang 1 Beispiele aus dem sozialwissenschaftlichen Bereich Beispiele zu 1 Forschung zu den Folgen von Hartz 4 (Frauen in Lebenspartnerschaften/Ehen lebend haben ein höheres Risiko aus der Förderung raus zu fallen) Forschung über ehrenamtliches Engagement (engagieren sich Männer und Frauen in unterschiedlichen Bereichen, die eventuell auch gesellschaftlich unterschiedlich bewertet werden). An die Gestaltung und Entwicklung von Produkten können Frauen und Männer unterschiedliche Anforderungen stellen (z.b. erwarten Frauen von einem Pflegeroboter Unterstützung bei der Körperpflege, Männer bei den Hausarbeiten). Anmerkung zu 2 Um Gender-Aspekte in Forschungsvorhaben zu integrieren, sollte bei der Entwicklung und Formulierung der Forschungsfrage und des Forschungsziels bewusst und systematisch darauf hingearbeitet werden, dass sie auf Frauen und Männer, Jungen und Mädchen oder junge Männer und junge Frauen angewendet werden. In diesem Anfangsstadium kann aber auch deutlich gemacht und begründet werden, warum sich eine Untersuchung oder ein Teil derselben nur auf ein Geschlecht beziehen soll. Beispiele zu 2 1. Bei Untersuchungen z. B. zu Jugendkriminalität o. Ä. sollten nicht Jugendliche untersucht werden, sondern explizit männliche und weibliche Jugendliche. So könnte man erfahren, welches die geschlechterspezifischen Charakteristika oder Unterschiede im Gewalthandeln bzw. kriminellen Handeln sind, damit klarer wird, welche Schlussfolgerungen auf männliche und welche auf weibliche Jugendliche bezogen werden können. Die Fortschreibung von Stereotypen wäre, männliche Jugendliche als Täter und weibliche Jugendliche als Opfer zu befragen. 2. Wenn ein Untersuchungskonzept vorsieht, die Person mit dem höchsten Einkommen in einem Haushalt zu befragen, wäre es falsch, von vornherein ausschließlich Männer zu befragen. Bei Studien zu Themen wie Familie, Hausarbeit, Haushalt oder Reproduktion sollte die Forschungsfrage so ausgeweitet werden, das auch die Rolle der Männer berücksichtigt wird.
4 3. Die jeweilige Arbeitsbelastung der männlichen und weiblichen Personen in einem Haushalt durch unentgeltliche Versorgungsarbeit für Familie bzw. durch Erwerbsarbeit können bei der Aggregierung von Daten auf der Ebene von Haushalt nicht ermittelt und nicht aufeinander bezogen werden. 4. Verzerrungen entstehen auch, wenn Männer als Hauptverdiener nach der Angemessenheit des Einkommens und Frauen als Partnerin nach der Verwendung des Einkommens befragt werden. Beispiele zu 2.2 Männer werden in der aktiven Rolle, in der normsetzenden Rolle dargestellt, Frauen passiv oder als Ausnahmen von der Norm. Bei der Verwendung des Instruments Interview kann es bei bestimmten Themen geboten sein, dass Männer von Männern und Frauen von Frauen befragt werden. Außerdem ist auf eine gendersensible Sprachgestaltung zu achten. Anmerkungen zu 2.3 Diese Phase ist entscheidend, um unter Umständen zeit- und kostenintensive Nacharbeiten zu vermeiden. Durch den Soll-Ist-Vergleich können Fehlentwicklungen vermieden werden; auf neue Entwicklungen, Fragen, oder Thematiken kann zeitnah und gendersensibel reagiert werden. Hier können sich unterschiedliche Implikationen für beide Geschlechter herauskristallisieren, die im Abschlussbereicht aufgenommen und in den Umsetzungsempfehlungen berücksichtigt werden. Beispiele zu 2.4 Die Verwendung der ausschließlich männlichen Form (sog. generisches Maskulinum zur besseren Lesbarkeit ist nicht zulässig. Nicht individualisierende Begriffe wie Haushaltsvorstand oder die Anwendung einer verallgemeinernden männlichen Blickweise (z. B. Normalerwerbsbiographie, die eine von Frauen in der Regel nicht zu leistende durchgängige Vollzeittätigkeit unterstellt) sind auch bei Titel und Zusammenfassung nicht akzeptabel. Wenn im Titel z. B. die Leistungen zur Rehabilitation, unterschieden für Männer und Frauen, angekündigt werden, muss die Tabelle auch die entsprechenden Ausdifferenzierungen enthalten.
5 Anhang 2 Beispiele aus dem naturwissenschaftlich-technischen Bereich Beispiele zu 1 Bei Forschungen zu gentechnisch veränderten Tabakpflanzen zur pharmazeutischen Nutzung von Proteinen ist zu bedenken, ob die Geschlechter in gleichem Maße von den potenziellen Risiken des Anbaus und des Verzehrs betroffen sind (Frauen sind z. B. traditionell eher in der Nahrungszubereitung tätig und könnten stärker von einer potenziellen Kontamination von Lebens-, Futter- und Genussmitteln mit aus gentechnisch veränderten Nutzpflanzen gewonnenen Proteinen betroffen sein). Bei der Entwicklung von Computerspielen sind die Bedürfnisse von Nutzern und Nutzerinnen zu untersuchen. Die Ergebnisse sollten sich dann in der Produktentwicklung niederschlagen (z. B. eine stärkere Einbindung von weiblichen Charakteren und Heldinnen, stärkere Integration von kommunikativen Elementen in die Spiele) An die Gestaltung und Entwicklung von Produkten können Frauen und Männer unterschiedliche Anforderungen stellen (z.b. erwarten Frauen von einem Pflegeroboter Unterstützung bei der Körperpflege, Männer bei den Hausarbeiten). Anmerkung zu 2 Um Gender-Aspekte in Forschungsvorhaben zu integrieren, sollte bei der Entwicklung und Formulierung der Forschungsfrage und des Forschungsziels bewusst und systematisch darauf hingearbeitet werden, dass sie auf Frauen und Männer, Jungen und Mädchen oder junge Männer und junge Frauen angewendet werden. In diesem Anfangsstadium kann aber auch deutlich gemacht und begründet werden, warum sich eine Untersuchung oder ein Teil derselben nur auf ein Geschlecht beziehen soll. Beispiele zu 2.1 und 2.2 Bei der Erforschung von Medikamenten oder der Produktion von pharmazeutischen Wirkstoffen ist darauf zu achten, dass Auswirkungen für beide Geschlechter untersucht und analysiert werden. Bei der Entwicklung von z. B. Software zur Simulation von Airbags (Aufblasvorgang) sollte bei der inhaltlichen Gestaltung der gesamten Simulation mit Dummy-Modellierung auf ein ausgewogenes Verhältnis von Mann, Frau, verschiedenen Körpergrößen und formen geachtet werden. Anmerkungen zu 2.3 Diese Phase ist entscheidend, um unter Umständen zeit- und kostenintensive Nacharbeiten zu vermeiden. Durch den Soll-Ist-Vergleich können Fehlentwicklungen vermieden werden; auf neue Entwicklungen, Fragen, oder Thematiken kann zeitnah und gendersensibel reagiert werden. Hier können sich unterschiedliche Implikationen für beide
6 Geschlechter herauskristallisieren, die im Abschlussbereicht aufgenommen und in den Umsetzungsempfehlungen berücksichtigt werden. Beispiele zu 2.4 Die Verwendung der ausschließlich männlichen Form (sog. generisches Maskulinum zur besseren Lesbarkeit ist nicht zulässig. Wenn im Titel z. B. die Entwicklung Funktioneller Lebensmittel, unterschieden für Männer und Frauen, angekündigt wird, muss die Tabelle auch die entsprechenden Ausdifferenzierungen enthalten.
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