Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Forschung (Partizipative Forschung)
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- Maike Seidel
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1 Prof. Dr. Erik Farin-Glattacker, Sektion Versorgungsforschung und Rehabilitationsforschung (SEVERA) Teilhabe von Menschen mit Behinderung an der Forschung (Partizipative Forschung)
2 Gliederung: Partizipative Forschung 1. Was ist das und wie kam es zu dieser Entwicklung? 2. Was spricht für Partizipative Forschung und welche Hindernisse sind zu bewältigen? 3. Wie kann man die Möglichkeit und Notwendigkeit Partizipativer Forschung beurteilen? 4. Anwendung auf zwei Projektbeispiele Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 2
3 Was ist Partizipative Forschung und wie kam es zu dieser Entwicklung? Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 3
4 Partizipative Forschung ist wissenschaftliches Arbeiten, das basierend auf einer Beurteilung der Involviertheit der Betroffenen in ein Forschungsthema das größtmögliche, sinnvolle Maß der Beteiligung der Betroffenen an der Forschung realisiert. Partizipation bedeutet dabei Einfluss auf und Mitwirkung am Forschungsprozess, von der Bestimmung des Forschungsbedarfs über Methodenauswahl, Datenerhebung, Datenauswertung bis hin zur wissenschaftlichen und praktischen Verwertung. Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 4
5 Partizipative Forschung Forscher Betroffener Förderer Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 5
6 Wie kam es dazu? Ursprung in der partizipativen Sozialforschung (Lewin, 40er Jahre), Fokus auf Minoritäten und soziale Veränderungen Dann Einzug in den Gesundheitswissenschaften in den letzten Jahren Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 6
7 Gesellschaftliche und gesundheitspolitische Hintergründe Verwissenschaftlichung der Gesellschaft, Vergesellschaftung der Wissenschaft (z.b. Weingart 2001) medizinische Forschung wird verstärkt gesellschaftlich rechenschaftspflichtig Akzentuierung von Nutzen, wahrnehmbarer Verbesserung, Zufriedenheit Patientenorientierte Gesundheitsversorgung (z.b. consumer-driven health care, shared decisionmaking) das Urteil des Patienten/Nutzers wird aufgewertet auch in der Forschung selber Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 7
8 Arbeitspapier der AG Reha-Forschung Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 8
9 Matrix der AG Teilhabeforschung (DVfR, DGRW) Phase der Forschung Bestimmung Forschungsbedarf Antragsstellung Begutachtung Projektdurchführung Publikation/ Umsetzung Form der Beteiligung von Betroffenen Beratung keine Beteiligung Mitwirkung Zusammenarbeit Steuereung Quelle: Kirschning et al. Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 9
10 Empfehlungen (z.b. der AG Teilhabeforschung) Die Matrix nutzen, um das gewählte Vorgehen transparent zu machen. Vor- und Nachteile möglicher Beteiligungsformen abwägen und die Wahl begründen. Die Auswahl der Betroffenen (Grad der Betroffenheit, Eignung, Repräsentativität, Legitimation) in Abhängigkeit von der Forschungsfrage treffen. Betroffene und WissenschaftlerInnen sollten ihre Rollen und ihre Interessen (z.b. Partizipation vs. Freiheit der Forschung, Publikation, Karriere) reflektieren. Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 10
11 Zunehmende Wahrnehmung der und Forderung nach partizipativer Forschung DKVF Deutscher Kongress Versorgungsforschung 2016: Session zu Partizipativer Forschung Reha-Kolloquium 2016: Diskussionsforen zum Teilhabegesetz und zur Teilhabeforschung Neuauflage Lehrbuch Versorgungsforschung 2017: Neues Kapitel zu Partizipativer Versorgungsforschung BMBF: Projektträger DLR: Qualitätsstandards: Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 11
12 Was spricht dafür und welche Hindernisse sind zu bewältigen? Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 12
13 Demokratie-Argument: Betroffene haben ein Beteiligungsrecht Forschungseffektivitäts-Argument: Betroffene verfügen über Erfahrungen mit ihrem Problem, dessen Berücksichtigung Forschung aussagekräftiger praxisnäher und umsetzbarer legitimierbarer macht PRO-Argumente Motivations-Argument: Mit Beteiligungsmöglichkeiten steigt die Mitwirkungsbereitschaft an Forschung Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 13
14 Hindernisse und Gegenargumente I Notwendigkeit der Bestimmung sinnvoller Beteiligungsformen s. folgende Folien erfordert beim Wissenschaftler adäquates Rollenverständnis (kein Eigentümer der Forschung) erfordert beim Forschungspartner basales Verständnis von Wissenschaft (Ziele, Prinzipien, Abläufe) Finanzierung/Honorierung a) der Tätigkeit der Forschungspartner (Zeit, Reisekosten), b) der zusätzlichen Leistungen der Wissenschaftler Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 14
15 Hindernisse und Gegenargumente II Regelmäßige Kommunikation Forschungspartner Forscher aufgrund räumlicher Trennung oft nicht einfach Gefahr der Verletzung der Neutralität von Wissenschaft? Gefahr der Überforderung der Betroffenen? Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 15
16 Wie kann man die Möglichkeit und Notwendigkeit Partizipativer Forschung beurteilen? Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 16
17 Hypothese Die Bestimmung sinnvoller Beteiligungsformen erfordert die Beurteilung der Involviertheit des Betroffenen in das Forschungsthema theoretische Fundierung der Betroffenenbeteiligung je nach Forschungsthema unterschiedliche Relevanz der Partizipation an der Forschung Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 17
18 Anwendung auf zwei Projektbeispiele Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 18
19 Projektbeispiel: Gesundheitskompetenz von Patienten mit Rheuma Förderer: Deutsche Rheuma-Liga (DRL) Ausschreibung: Selbstbestimmtes Leben mit rheumatischen Erkrankungen - Wie kann soziale Teilhabe erhalten bleiben/erworben werden und wie werden Hürden überwunden? Zwei Teilprojekte: Teilprojekt 1 (Halle, Prof. Mau): Jan. Dez Teilprojekt 2 (Freiburg, Prof. Farin-Glattacker): Juli 2015 Aug intensive Beteiligung von 4 Forschungspartner/innen Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 19
20 Teilprojekt 2 Titel: Entwicklung und Evaluation einer Schulung für rheumakranke Menschen zur Vermittlung kommunikativer Kompetenzen in teilhaberelevanten Situationen Baut auf den Ergebnissen der Teilstudie 1 auf Evaluation der Schulung durch prospektive, clusterrandomisierte Studie mit Wartekontrollgruppe Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 20
21 Kommunikative Kompetenz in teilhaberelevanten Situationen: Involviertheit der Betroffenen in das Forschungsthema Edukative Intervention Arzt, Behandler Arbeitgeber, Chef, Kollegen Institutionen, behörden Fremde, Bekannte Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 21
22 Einordnung des Projekts in der Partizipationsmatrix Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 22
23 Forschungspartner Rheumakranke Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga (DRL) Beteiligung während des gesamten Forschungsprozesses 2 Forschungspartner: Teilnahme am Vorbereitungstraining der DRL 2 Forschungspartner: Teilnehmer an Vorläuferprojekt (Kommunikationskompetenzen im Arztgespräch) Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 23
24 Onlinebefragung/ Aktiv in der Reha Experteninterviews (Ullrich et al., 2015) Projektschritte Erste Fassung Probeschulungen Train-the-Trainer-Seminar Forschungspartner: Mitglieder der DRL mit rheumatischer Erkrankung Evaluation Finale Fassung Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 24
25 Erfahrungen aus Sicht der Forschungspartner Beitrag von Herrn Böhm um Uhr Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 25
26 Projektbeispiel: Entwicklung eines leitlinienorientierten Behandlungskonzeptes für die neurologische Anschlussrehabilitation nach Schlaganfall (AOK-proReha Schlaganfall) Förderer: AOK Baden-Württemberg Ziele u.a.: Etablierung einheitlicher Behandlungskonzepte Steigerung bzw. Angleichung des Qualitätsniveaus (Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität) in der neurologischen Rehabilitation Transparentes Leistungsgeschehen Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 26
27 Reha-Behandlungsstandards: Involviertheit der Betroffenen in das Forschungsthema Behandlungskonzept AOKpro Reha Wissenschaftliche Evidenz, Expertenkonsens Individuelle Therapieplanung In der Abstimmung mit dem Patienten? Formulieren Betroffene allgemeine Präferenzen, die bereits auf der Ebene des Behandlungskonzepts berücksichtigt werden sollten? Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 27
28 Einordnung des Projekts in der Partizipationsmatrix Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 28
29 Realisierter Aspekt der allgemeinen Patientenpräferenzen: Individualität trotz Standardisierung für jedes Therapiemodul (z.b. Physiotherapie) 1-4 Intensitätsstufen freie Festlegung durch Klinik auf der Basis des unten dargestellten Modells Kontrolle von Fehlanreizen durch Dokumentation und Festlegung eines Minimums an Gesamttherapiezeit Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 29
30 Zusammenfassung Partizipative Forschung, sinnvoll konzipiert, kann der Wissenschaft und der Gesellschaft nützen Partizipative Forschung wird zunehmend thematisiert und gefordert. Die Umsetzung im Forschungsalltag ist jedoch noch gering ausgeprägt. Die Finanzierbarkeit ist oft ein Problem. Das sinnvolle Ausmaß an Betroffenenbeteiligung muss projektbezogen diskutiert und festgelegt werden; nicht jedes Forschungsthema eignet sich für eine umfassend partizipative Forschung. Farin-Glattacker Partizipative Forschung Juni 2017 Folie Nr. 30
31 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Erik Farin-Glattacker Mail Tel / Bildnachweise: istockphoto.com/cginspiration, istockphoto.com/christie&cole, istockphoto.com/alexsl Farin-Glattacker DKVF Theorien Versorgungsforschung Folie Nr. 31
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