Kapitel 11: Qualitätsmanagement- Darlegung ( Qualitätssicherung )
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- Dirk Kurzmann
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1 Kapitel 11: Qualitätsmanagement- Darlegung ( Qualitätssicherung ) Inhalt 11.1 Audits 11.2 Publikation von Messgrößen 11.3 Qualitätsdokumentation 11.4 Zertifizierung 11.5 Software-Prozessbeurteilung Schlüsselbegriffe Audit, Messgröße, Zertifizierung, ISO 9000, Software- Prozessbeurteilung, Capability Maturity Model Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-1
2 11.1 Audits Die Existenz eines Qualitätsmanagementsystems garantiert nicht dessen Wirksamkeit. Es muss daher regelmäßig überprüft werden, ob die Qualitätsorganisation funktioniert nach den dokumentierten Verfahren gearbeitet wird die verlangten Maßnahmen durchgeführt werden. Solche Überprüfungen heißen Audits Auditplanung Plan für die Durchführung regelmäßiger Audits (durch Qualitätsleiter erstellt) Benennung und Ausbildung der Auditoren Einplanung der Audits und ihrer Folgeaktivitäten in die Zeit- und Kostenbudgets Möglichkeit zur kurzfristigen Durchführung weiterer Audits bei Bedarf Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-2
3 Ablauf eines Audits Vorbereitung Auditziel festlegen Auditorenteam bilden (Auditor, Co-Auditor, evtl. dritte Person als Beobachter) Aufgaben im Team verteilen vom auditierten Bereich Unterlagen anfordern (z.b. im betreffenden Bereich anzuwendende Qualitätsdokumente, ausgewählte Projekt- und/oder Produktdokumente, offene Korrekturmaßnahmen Unterlagen studieren Fragenkatalog für Audit zusammenstellen Auditprogramm erstellen Vorgespräch und Einladung Termin, Ort und Auditprogramm mit auditiertem Bereich absprechen Einladungen verteilen Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-3
4 Durchführung Eröffnungsgespräch Durchgehen des Fragenkatalogs mit den in der Vorbereitung ausgewählten Personen des auditierten Bereichs Schwachstellen / Verbesserungspotentiale, aber auch Stärken aufdecken und protokollieren Schlussgespräch Befunde besprechen, ggf. Empfehlungen abgeben evtl. Verbesserungsmaßnahmen vereinbaren evtl. Nachaudit / Termine für Verbesserungsmaßnahmen vereinbaren Abschluss Auditbericht erstellen und verteilen Zeitbedarf: Vorbereitung 0,5 2 Tage (je nach Erfahrung) Durchführung Abschluss 0,5 Tage 0,5 Tage Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-4
5 Auditarten Interne Systemaudits (geplant) Audits des Qualitätsmanagementsystems Durchführung gemäß Auditplan Interne Audits (bedarfsweise) Prozess-, Projekt- oder Produktaudits Durchführung bei Anzeichen größerer Probleme und Abweichungen Lieferanten/Kundenaudits Durchführung von Audits (selbst oder im Auftrag durch Dritte) bei Lieferanten, um zu entscheiden, ob ein Lieferant und dessen Produkte die eigenen Qualitätsanforderungen erfüllen Kunden, beispielsweise um zu entscheiden, ob mit diesem Kunden eine Partnerschaft eingegangen werden soll, bzw. ob dieser Kunde überhaupt beliefert werden soll Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-5
6 Externe Audits Audit des eigenen Unternehmens durch externe Auditoren Audit auf Veranlassung eines potentiellen Kunden oder Lieferanten durch diesen Kunden/Lieferanten oder durch von ihm beauftragte Auditoren Audit zur Zertifizierung des Qualitätsmanagementsystems (siehe 10.4) durch von den Normungsbehörden anerkannte Auditoren. Normen Die Normen ISO 10011, Teile 1 bis 3 enthalten Richtlinien für Audits und Auditoren. Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-6
7 11.2 Publikation von Messgrößen Ausweisen des Stands bzw. Fortschritts qualitätsrelevanter Größen Als Ausweis gegenüber Kunden und Lieferanten Zur Information, zur Bestätigung bzw. zum Ansporn der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Zum Beispiel: Produktivität Fehler- bzw. Defektraten Fehler- bzw. Defektkosten Anzahl pendenter Problemmeldungen Mittlere Durchlaufzeit einer Problemmeldung Anzahl Reklamationen pro Monat Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-7
8 11.3 Qualitätsdokumentation Dokumentation (vgl. Kapitel 10) ist ein zentraler Bestandteil eines Qualitätsmanagementsystems: Dokumentation ist notwendig zur Beschreibung der Prozesse und Verfahren. Das Studium von Produkt- und Projektdokumenten ermöglicht beim Audit Rückschlüsse auf die Qualität des Entwicklungsprozesses und der entwickelten Produkte Zertifizierung Ein Unternehmen kann sein Qualitätsmanagementsystem von einer dafür autorisierten Stelle zertifizieren lassen. Mit dem Zertifikat wird bescheinigt, dass ein Qualitätsmanagementsystem existiert, welches gewisse Mindestforderungen erfüllt, und dass nach den Maßgaben dieses Systems gearbeitet wird. Von großer praktischer Bedeutung ist heute in Europa (und zunehmend auch in USA) eine Zertifizierung nach der Normenfamilie ISO Unternehmen, die Software herstellen, werden in der Regel nach ISO 9001 zertifiziert. ISO gibt dabei Hinweise für die Anwendung der ISO 9001 auf Software. Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-8
9 Die Zertifizierung erfolgt mittels eines Audits durch eine dafür autorisierte Prüfstelle. Viele Kunden fordern heute von ihren Lieferanten (und allen deren Unterlieferanten!) die Zertifizierung. Das Zertifikat ist in der Regel drei Jahre gültig, danach muss es durch ein erneutes Audit verlängert werden. Zertifiziert wird im wesentlichen, dass das Qualitätsmanagementsystem des Unternehmens mindestens die Forderungen von ISO 9000 erfüllt, und dass regelmäßig und wiederholbar nach den Vorgaben dieses Systems gearbeitet wird. Da Qualität Zielerfüllung bedeutet (vgl. Kapitel 1) und nicht hohe Güte, ist überspitzt ausgedrückt auch die kontrollierte und wiederholbare Produktion von Schrott zertifizierbar. Eine weitere Form der Zertifizierung ist die Bestätigung der Qualität einzelner Produkte. Bei Erfüllung der Norm DIN kann das Zertifikat Gütezeichen Software erworben werden. Die Prüfstellen sind von Gütegemeinschaft Software e.v. autorisiert. Zur Zeit sind Bestrebungen im Gange, aus DIN eine internationale Norm zu machen. Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-9
10 11.5 Software-Prozessbeurteilung Eine weitere Möglichkeit, den Stand des Qualitätsmanagements in einem Software-Unternehmen darzulegen, ist die Beurteilung der Qualität des Software-Prozesses (Process Assessment). Solche Beurteilungen dienen vor allem auch dazu, Schwachstellen im Prozess zu erkennen und gezielt zu verbessern. Vorgefertigte, mehrstufige Beurteilungsschemata dienen einerseits zu einer unternehmensübergreifend vergleichbaren Bestandesaufnahme des IST-Zustands wie auch zur Etablierung eines Verbesserungsprogramms. Bekannte Prozessbeurteilungsverfahren sind: Capability Maturity Model (CMM) siehe unten SPICE / ISO (Software Process Improvement and Capability determination) Projekt zur Entwicklung einer internationalen Norm zur Software-Prozessbeurteilung Bootstrap EU-Programm zur Prozessverbesserung Trillium Erweiterung von CMM, speziell für Telekommunikationssoftware Richtig angewendet sind Prozessbeurteilungen ein geeignetes Mittel, um effektive Verbesserungen im Software Engineering zu erreichen. Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-10
11 Das Capability Maturity Model (CMM) Entwickelt Anfang der 90er Jahre vom Software Engineering Institute (SEI) (Paulk et al. 1993) Ziele: Feststellen des Reifegrads der Software-Prozesse eines Unternehmens Bereitstellen eines Handlungsrahmens zur stufenweisen Verbesserung des Reifegrades Das CMM unterscheidet fünf Stufen der Prozessreife (maturity levels) Jede Stufe ist durch Schlüsselbereiche (key process areas) charakterisiert Diese werden durch Schlüsselpraktiken (key practices) beschrieben. Die fünf Stufen des CMM 1 Ad hoc (Initial) Ad-hoc-Prozess Keine formelle Planung und Kontrolle Kein oder schlechtes Konfigurationsmanagement 2 Wiederholbar (Repeatable) Etabliertes Projektmanagement Abwicklung von Standardprojekten wird beherrscht; bei neuartigen Projekten größere Risiken Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-11
12 Prozess ist abhängig von den Personen, die ihn durchführen Keine etablierten Maßnahmen zur Verbesserung des Prozesses 3 Definiert (Defined) Der Prozess ist klar definiert und läuft definitionsgemäß ab Es existiert eine Gruppe mit der Aufgabe, den Software Engineering Prozess zu lenken und zu verbessern 4 Geführt (Managed) Eine Mindestmenge an Qualitäts- und Produktivitätsmessgrößen wird erhoben und ausgewertet Es gibt eine Datenbank, in der alle relevanten Daten über den Prozess abgelegt werden und Mittel zur Pflege und Auswertung dieser Daten 5 Optimierend (Optimizing) Etablierter Regelkreis für Messung und Verbesserung des Prozesses Datenerhebung und Erkennung von Schwachstellen weitgehend automatisiert Durchgeführte Maßnahmen aus dem erhobenen Datenmaterial begründet Etablierte Ursachenanalyse für alle Fehler und zugehörige Fehlerpräventionsmaßnahmen Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-12
13 Die Struktur des CMM Disziplinierter Prozess bezeichnet Prozesspotenzial Reifegrad 2: Wiederholbar enthält Schlüsselbereich erreicht Software-Projektplanung Element der CMM-Struktur Beispiel dazu Ziele Ziel 1: Zur Planung und Lenkung des Projekts werden Schätzwerte für die Software dokumentiert betrifft organisiert nach Gemeinsame Eigenschaften Durchgeführte Aktivitäten enthält Implementierung oder Institutionalisierung Implementierung Infrastruktur oder Aktivität Aktivität beschreibt Schlüsselpraktiken Aktivität 9: Die Größenschätzung für jedes Software-Teilprodukt erfolgt nach einem dokumentierten Prozedere Prozesspotenzial process capability Reifegrad maturity level Schlüsselbereich key process area Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-13
14 Verbesserungspotentiale bei Anwendung des CMM: Stufe 1 2: Projektmanagement Konfigurationsmanagement Qualitätsmanagement Stufe 2 3: Ausbildung Qualitätsmaßnahmen (Review, Test, etc.) Prozessdefinition und -überwachung; Etablierung einer Prozess-Gruppe Stufe 3 4: Messung und Analyse des Prozesses Quantitative Qualitätsplanung Stufe 4 5: Analyse und Vermeidung von Fehlern Institutionalisierung und Automatisierung von Verbesserungsmaßnahmen auf Stufe 5: Das Erreichte halten Auf alle neuen Erkenntnisse und Veränderungen des Umfelds mit weiteren Verbesserungsmaßnahmen reagieren Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-14
15 Kritik am CMM (u.a. Bollinger und McGowan, 1991) Zuwenig differenziert: Die Mehrheit der Software-Hersteller hat heute Prozesse auf Stufe 1. Zu anspruchsvoll: Es gibt kaum Unternehmen mit Software-Prozessen auf Stufe 4 und praktisch keine mit solchen auf Stufe 5. Zu einseitig: Das CMM geht (in Analogie zu materiellen Produktionsprozessen) vom Idealbild eines mittels statistischer Analyse von Prozessdaten gelenkten Software- Prozesses aus. Es ist aber heute keineswegs klar, dass dies die einzige optimale Form eines Software-Prozesses ist. Beurteilungsschema zuwenig statistisch signifikant: Das CMM-Beurteilungsschema basiert auf einem Fragenkatalog, dessen Fragen den Stufen zwei bis fünf zugeordnet sind. Die Antworten werden stufenweise ausgewertet, so dass die Einstufung schlussendlich auf der Beantwortung von ganz wenigen Fragen basieren kann. (Wer zum Beispiel von den zwölf Kernfragen der Stufe 2 nicht mindestens 11 mit ja beantworten kann, landet auf Stufe 1 egal wie gut der Prozess im übrigen beurteilt wird. Stufe 1 ist keine echte Stufe, sondern einfach der Ausschuss: jeder Prozess, der die Anforderungen der Stufe 2 nicht erfüllt, ist egal wie gut oder schlecht auf Stufe 1. Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-15
16 Aufgaben Aufgabe 11.1 Sie haben den Auftrag, eine der drei Abteilungen Ihres Unternehmens, in denen Software entwickelt wird, zu auditieren. Gemäß Auditplan ist die Dokumentenlenkung zu auditieren. a) Um was für eine Art von Audit handelt es sich? b) Skizzieren Sie Ihr Auditprogramm. c) Formulieren Sie fünf typische Fragen, die Sie in Ihren Fragenkatalog aufnehmen wollen. Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-16
17 Zitierte und weiterführende Literatur Bollinger, T.B., C. McGowan (1991). A Critical Look at Software Capability Evaluations. IEEE Software 8, 4 (Jul 1991) DIN (1985). Anwendungssoftware: Prüfgrundsätze. Deutsches Institut für Normung e.v., Berlin. Dion, R. (1993). Process Improvement and the Corporate Balance Sheet. IEEE Software 10, 4 (Jul 1993) Humphrey, W.S. (1989). Managing the Software Process. Addison-Wesley, Reading, Mass. Humphrey, W.S., T.R. Snyder, R.R. Willis (1991). Software Process Improvement at Hughes Aircraft. IEEE Software 8, 4 (Jul 1991) EN ISO 9001(1994). Qualitätsmanagementsysteme : Modell zur Qualitätssicherung /QM- Darlegung in Design, Entwicklung, Produktion, Montage und Wartung. EN ISO (1994). Qualitätsmanagement- und Qualitätssicherungsnormen - Teil 3: Leitfaden für die Anwendung von ISO 9001 auf die Entwicklung, Lieferung und Wartung von Software. ISO (1990). Guidelines for auditing quality systems Part 1: Auditing. ISO (1991). Guidelines for auditing quality systems Part 2: Qualification criteria for quality systems auditors. ISO (1991) Guidelines for auditing quality systems Part 3: Management of audit programmes. Paulk, M.C., B. Curtis, M.B. Chrissis and C.V. Weber (1993). Capability Maturity Model, Version 1.1. IEEE Software 10, 4 (Jul 1993) Paulk, M., M.B. Chrissis, C.V. Weber (1993). Capability Maturity Model for Software. Version 1.1. Software Engineering Institute Tech. Report CMU/SEI-93-TR-24, Feb WWW-Seiten zu Prozessverbesserungsverfahren: Bootstrap: Spice: Trillium: Software-Qualitätsmanagement Kapitel 11: Qualitätsmanagement-Darlegung ('Qualitätssicherung') Seite 11-17
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