Wie junge Solisten Karriere machen (3) Sendung: Mittwoch, 10. Februar Uhr Redaktion: Ulla Zierau

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1 SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde Kein Platz für Cellisten? Wie junge Solisten Karriere machen (3) Von Christian Schruff Sendung: Mittwoch, 10. Februar Uhr Redaktion: Ulla Zierau Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/ Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert.jetzt anmelden unter 07221/ oder swr2.de

2 2 SWR 2 Musikstunde mit Christian Schruff Mittwoch, Kein Platz für Cellisten? Wie junge Solisten Karriere machen (2) Signet: SWR 2 Musikstunde Mit Christian Schruff. Kein Platz für Cellisten? Wie junge Solisten Karriere machen Willkommen zur dritten Folge über Julian Steckel und Johannes Moser. Titelmusik ARD Musik-Wettbewerb 2010 in München. 35 Cellistinnen und Cellisten gehen in die Wertungsspiele. Alle haben ein breites Repertoire vorbereitet. Durch die Epochen wollen und sollen sie zeigen, was sie können. Nach vier Wertungsdurchgängen steht der Sieger fest: den 1. Preis gewinnt Julian Steckel, 28 Jahre alt. Am Ende nimmt er auch noch den Publikumspreis entgegen, den Preis des Münchener Kammerorchesters und den Preis des Klassik- Labels OEHMS. Verbunden damit, die Aufnahme einer CD mit Cellowerken aus Russland. Musik 1: Track 9 3:01 Sergej Rachmaninow Prélude op. 2, Nr. 1 Julian Steckel, Violoncello Paul Rivinius, Klavier OEHMS, OC426, EAN , LC12424 Rachmaninow und Prokofiev hat Steckel aufgenommen, zwei Jahre nach dem Erfolg beim ARD-Wettbewerb. So ein Wettbewerb ist hart. Alle Teilnehmer müssen ein buntes Programm parat haben. In den ersten Runden spielen sie mit Klaviergeleitung. Im Semifinale begleitet das Münchener Kammerorchester, im Finale dann das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Wer es bis dahin schafft, hat neben Können und Musikalität vor allem Nervenstärke und Durchhaltevermögen.

3 3 Liest man im Rückblick dann noch einmal die Berichte von damals, dann fällt auf: Steckel war zu Beginn keinesfalls der Favorit. Andere schnitten im Einzelurteil der Beobachter besser ab. Zum Beispiel der damals erst 21jährige Benedict Kloeckner morgen in der SWR2 Musikstunde mehr über seinen Werdegang... Beim Wettbewerb spielen viele Faktoren eine Rolle: Tagesform, Nerven, auch der Geschmack der Jury. Wie kommt man mit den begleitenden Orchestern zurecht? Ist der Dirigent eine Hilfe? Oder muss man ihm als Solist Freiraum abtrotzen? Das sind ganz klar Ausnahmebedingungen. Doch sie spiegeln den Alltag wieder. Auch dort sind Musiker abhängig von Tagesform, Nervenstärke und von allen möglichen Umständen guten wie schlechten. Wer sich da durchsetzt, hat gute Aussichten, dass er sich halten kann im Musikmarkt. Für Cellisten ist da weniger Platz als für Geiger, Pianisten und Sänger. Die werden mit großem Abstand am häufigsten eingeladen von Veranstaltern und Orchestern Julian Steckel weiß, dass sich mit ihm noch andere sehr gute Cellisten an den Fleischtöpfen drängeln. Aber, so sagte er in einem Interview: Cellisten sind eher ruhige Tiere. Musik 2: Track 3 3:30 Francis Poulenc Sonate für Cello und Klavier III: Ballabile. Très animé Julian Steckel, Violoncello Paul Rivinius, Klavier CAVI, , EAN , LC15080 In einem Konzert ist dem Cellisten in diesem Satz eine Saite gerissen. Das musste ja mal passieren, war sein lakonischer Kommentar. Wer temperamentvoll spielt, mit Kraft in die Saiten geht, riskiert eben auch was.

4 4 Der ARD-Wettbewerb hat Julian Steckels Laufbahn den entscheidenden Twist gegeben. So wie ein Flugkörper im Weltraum durch die Gravitation eines Planeten umgelenkt wird und noch einmal beschleunigt wird. Steckel war vorher schon bei etlichen namhaften Wettbewerben ins Rennen gegangen und immer wieder nur Zweiter geworden. Im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin hatte er gerade die Stelle als Solo-Cellist angenommen. Orchesterspielen mochte er, schon seit der Zeit im Bundesjugendorchester. Berlin mit seinen sieben Orchestern ist ein gutes Pflaster. Die anderen Orchester DSO, Staatskapelle, Konzerthausorchester oder Philharmoniker brauchen immer mal Aushilfen. Auch um eine Professur hat Steckel sich schon beworben. Also wahrlich keine düsteren Aussichten für einen jungen Musiker. Seit September 2010, seit dem ARD-Sieg, läuft es also nun ganz anders für Julian Steckel. Er hat die Orchesterstelle nach einem Jahr wieder aufgegeben. Er hat die Professur in Rostock bekommen und wann immer er Zeit hat, ist er da für seine Studenten. Er selbst hatte Lehrer, die auch gefragte Solisten waren: Boris Pergamenschikow in Berlin, Heinrich Schiff in Wien. Heute lebt Julian Steckel in dem Rhythmus, den sein Konzertkalender bestimmt. Kammermusik und Solokonzerte wechseln sich ab: Er spielt Recitals mit seinem Klavierbegleiter Paul Rivinius. Den kennt er schon seit Kindertagen. Und demnächst kommt ein neues Programm dazu. Denn in wenigen Tagen erscheint Steckels neues Album: Cellokonzerte von Carl Philipp Emanuel Bach mit dem Stuttgarter Kammerorchester, geführt von der Geigerin Susanne von Gutzeit. Musik 3: Track 1 9:13 Carl Philipp Emanuel Bach Cellokonzert a-moll Wq 170 I: Allegro assai Julian Steckel, Violoncello Stuttgarter Kammerorchester Ltg.: Susanne von Gutzeit HÄNSSLER Classic, HC 15045, EAN LC13287 Geboren wurde Julian Steckel in Pirmasens. Heute ist seine Wahlheimat Berlin. Dort genießt er die gute Theater- und Kinoszene, kocht und isst gerne. Filme,

5 5 Literatur, Kulinarik aus diesen Gebieten stammten schon viele Vergleiche, die sein Berliner Lehrer Boris Pergamenschikow im Unterricht anbrachte. Steckel erinnert sich nicht, dass Pergamenschikow jemals von Technik gesprochen hätte... Damals teilte Steckel sich mit seinem Celloklassen-Kollegen Nicolas Altstaedt eine Wohnung. Sie waren die einzigen Bewohner in einem Haus, das gerade saniert wurde. Tag und Nacht konnten sie unbehelligt üben. Nach dem Tod von Pergamenschikow suchte Steckel einen neuen Lehrer. Er fand ihn in Heinrich Schiff und begann technisch noch einmal von vorne. Eine mühsame, aber wertvolle Erfahrung, die ihm heute in der eigenen Lehre hilft Er hätte sich sicher auch ohne den ARD-Sieg durchbeissen können, meint Steckel. Aber so ging es besser. Er weiß aber auch, dass zu einer Karriere viele Faktoren beitragen. Der grösste und leider unfairste ist Glück, sagte er. Und hat durch einen Unfall auch schon durchlebt, wie schnell ein Unglück alles Erreichte wieder in Frage stellen kann. Aber Steckel ist nach einem Knochenbruch wieder voll hergestellt. Inzwischen lassen sich Schwerpunkte erkennen im Interesse von Julian Steckel. Er hat vor allem romantische Cellowerke aufgenommen und Musik aus dem 20. Jahrhundert: Musik aus Russland, mehr noch französische Musik, für deren Charme er den leichten Ton trifft. Nach einer Tournee fühlt sich Steckel schon mal wie an einen Strand ausgespuckt und muss sich wieder aufrappeln. Reisen ist für Cellisten mit dem großen Instrumentenkasten aufwändiger als für andere Musiker. Dennoch würde Steckel sein Cello nie gegen eine Flöte eintauschen. Musik 4: Track :27 Gabriel Fauré Drei Romanzen ohne Worte Julian Steckel, Violoncello Paul Rivinius, Klavier CAVI, , EAN , LC15080

6 6 Die Karrieren junger Cellisten sind in dieser Woche mein Thema in der SWR 2 Musikstunde. Auch die Karriere von Johannes Moser wurde durch einen Wettbewerbserfolg ausgelöst und beschleunigt. Er war 23 Jahre alt, als er in Moskau beim Tschaikowsky-Wettbewerb bester Cellist wurde. Zwar wurde kein erster Preis vergeben, Moser bekam den Zweiten, aber: Johannes Moser gewann auch den Sonderpreis für die beste Interpretation der Rokoko-Variationen von Peter Tschaikowsky. Bis zu jenem Tag wollte Moser eigentlich Orchestermusiker werden. Sein Vater war Cellist im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Moser weiß also seit Kindertagen, was es bedeutet, Berufsmusiker zu sein. Seine Mutter ist die kanadische Sopranistin Edith Wiens, seine Tante die Sopranistin Edda Moser. Mit der Johannes Moser auch schon mal ins Kino geht, um den neuen Star Wars-Film zu sehen... Sein jüngerer Bruder ist Pianist. Gerade waren beide als Duo auf Tournee. Vielleicht kann er also durch seine Herkunft aus einer Musikerfamilie mit der Ruheund Rastlosigkeit seines Solistenlebens so entspannt umgehen: Johannes Moser ist an 300 Tagen im Jahr auf Reisen und hat drei Wohnsitze: Berlin, Köln dort ist er Professor und betreut fünf Studierende und New York. Musik 5: Track 6 3:56 Benjamin Britten Cello Symphony op. 68 II. Presto inquieto Johannes Moser, Violoncello WDR Sinfonieorchester Köln Ltg.: Pietari Inkinen HÄNSSLER Classic, , EAN , LC06047 Presto inquito Schnell und unruhig. Diese Satzbezeichnung passt zum Cellistenleben des Johannes Moser. An dem lässt er sogar die Öffentlichkeit teilhaben. Er kommuniziert in sozialen Medien, hat eine Webseite mit eigenem

7 7 Blog. Da fällt zwischen all den Aktivitäten Proben, Konzerte, Interviews, Schulbesuche ein Eintrag besonders auf: Free day in NYC. Bliss Freier Tag in New York City. Wonne... Auf dem Bild dazu liest Johannes Moser. Seine liebste Freizeitbeschäftigung neben Mountainbiking und Klettern. Wann immer der 37jährige Zeit findet, geht er mit seinem Cello in Schulen, vermittelt dort Musik, weckt Neugier, begeistert. Das gehört heute eigentlich für alle Musiker dieser Generation dazu auch dank der Initiative Rhapsody in School des Pianisten Lars Vogt. Johannes Moser geht es besonders darum, auch für Neue Musik zu werben. Dafür nutzt er gerne Elektronik, mit der junge Erwachsene heute so spielerisch leicht umgehen. Auch auf einer Spielekonsole kann man nämlich Musik machen! Diesen unbefangenen Umgang mit Klassischer Musik hat Moser in den USA gelernt. Dort hat er einige Jahre seinen Lebensmittelpunkt gehabt. Und dort hat er auch die Fähigkeit kultiviert, sein Publikum direkt anzusprechen. Moser findet in spontanen Werkeinführungen die lockeren Worte, mit denen er dennoch eine tiefe Botschaft übermitteln kann. Denn um die geht es ihm immer. Etwa wenn er Schostakowitsch spielt, sollen seine Hörer den Hintergrund mitdenken, in dem das Werk entstanden ist. Sie sollen beim Hören die Seelennöte des Komponisten spüren, aber auch seine Selbstbefreiung im Sarkasmus. Musik 6: Track 7 4:12 Dmitrij Schostakowitsch Cellosonate d-moll op. 40 IV: Allegro Johannes Moser, Violoncello Paul Rivinius, Klavier HÄNSSLER Classic, , EAN , LC13312 Shostakowitsch hat es Moser angetan. Immer wieder lässt er sich auf den Kraftakt des 1. Cellokonzerts ein. Dessen dritter Satz ist eine Solokadenz von fünf Minuten. Ein anderer Favorit von Johannes Moser heißt Magnetar. Der Mexikaner Enrico Chapela komponierte dieses Konzert für Electric-Cello. Moser hat es 2012 mit dem Los Angeles Philharmonic unter Gustavo Dudamel uraufgeführt. Auf CD ist

8 8 Magnetar bislang noch nicht zu bekommen, wie Moser mir gerade noch mitgeteilt hat. Das wird man also nur live erleben können suchte Moser in Frankfurt einen neuen Weg, mit Celloliebhabern in Kontakt zum kommen. Auch hier wollte er die Schwellen abbauen, die dem Spaß an Klassischer Musik immer noch im Wege stehen. Bei einer Cello Party suchte er 12 Frankfurter Cellisten zwischen 9 und 99 Jahren. Es gab dann Coachings, Probenphasen und am Ende ein Familienkonzert in der Alten Oper Frankfurt. Im vergangenen Jahr unterschrieb Moser zwei Verträge, die seine internationale Karriere weiterbringen werden: Er hat nun ein britische Top-Agentur hinter sich und einen Plattenvertrag. Im Juni wird er das Cellokonzert von Edward Elgar aufnehmen und die Rokoko-Variationen von Peter Tschaikowsky. Die hatte er ja 2002 beim Tschaikowsky-Wettberb in Moskau gespielt, der seine Solo-Karriere angestoßen hatte. Seine Visitenkarte beim neuen Label ist Mosers Aufnahme des Cellokonzerts von Antonin Dvorak. Er wollte sie unbedingt mit der Prager Philharmonie machen, denn er wollte den spezifischen böhmischen Klang und die Art des Musizierens, aus der Dvorak gekommen war. Moser, der Teilzeit-New Yorker brachte aber auch das Feeling mit für die Größe der US-Metropole, in der Dvorak sein Cellokonzert ja komponiert hatte. Es ist das letzte von Dvoraks amerikanischen Werken. Während der Aufnahmesitzung hatten Johannes Moser und der Dirigent Jakub Hrůša immer ein Faksimile von Dvoraks Handschrift dabei. Sie wollten darin den Entstehungsprozess dieses Stückes so nah wie möglich nachvollziehen. Musik 7: Track 3 12:28 Antonin Dvorak Cellokonzert h-moll op. 104 Johannes Moser, Cello Prager Philharmonie Ltg: Jakub Hrůša PENTATONE, PTC , EAN , LC12686

9 9 Kein Platz für Cellisten? Wie junge Solisten Karriere machen Das war Teil 3 der SWR 2 Musikstunde mit Christian Schruff, heute über Julian Steckel und Johannes Moser. Morgen stelle ich Benedict Kloeckner und Maximilian Hornung vor. Ihnen bis dahin einen schönen Tag.