SWR 2 Musikstunde mit Christian Schruff

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Miriam Michel
vor 6 Jahren
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2 SWR 2 Musikstunde mit Christian Schruff " Dienstag, Man könnte es für gut geplant halten, aber wahrscheinlich ist es nur ein netter Zufall. Auf das Streichquartett Nr. 1 mit der Opuszahl 11 folgt das Streichquartett Nr. 2 mit der Opuszahl 22. Dass Tschaikowsky kein Zahlenmystiker gewesen ist, das merkt man aber beim Streichquartett Nr. 3. Das hat die Opuszahl Das zweite und das dritte Quartett werden uns heute beschäftigen. Willkommen dazu! Das Quartett Nr. 2 hat Tschaikowsky unter seine besten Werke gerechnet, neben der 4. Symphony und der Oper Eugen Onegin. Entstanden ist es in zeitlicher Nachbarschaft zum berühmten ersten Klavierkonzert. Tschaikowsky fand, diese Musik sei ihm einfacher und leichter aus der Feder geflossen als jede andere. Musik 1 CD II/ Track 1 01:49 > 03:58 1. Satz ab Moderato assai 1:15 Ein folkloristisches Thema, ein Fugato in der Manier Mendelssohns und davor ein eher elegischer Gedanke diese Zutaten breitet Tschaikowsky im 1. Satz seines Streichquartetts Nr. 2 in F-Dur aus. Diese Höreindrücke noch frisch im Ohr, dazu Tschaikowskys Bemerkung, diese Musik sei ihm einfacher und leichter aus der Feder geflossen als jede andere man könnte annehmen, das zweite Quartett sei ein Leichtgewicht. Allerdings: Ich habe Sie mit Absicht ein wenig in diese Richtung gelenkt, ein wenig in die Irre geführt. Denn tatsächlich steckt dieses gut 35 Minuten lange Werk voll von den größten Gegensätzen. Zwischen heiterer Lebensbejahung und tiefer Tragik spannt sich der emotionale Rahmen dieses Quartetts. Wie spannend, wie aufregend das Stück für die Hörer werden wird, das hat Tschaikowsky mit einer chromatisch geschärften Einleitung vom allerersten Klang an klargestellt. Diese Einleitung hatte ich Ihnen eben jedoch vorenthalten. Nun hören Sie die ganze kühne Exposition aus dem 1. Satz des 2. Streichquartetts.

3 Musik 2 CD II/ Track > 04:45 1. Satz: Adagio - Moderato assai (Exposition) Soweit die Exposition im 1. Satz aus Peter Tschaikowskys Streichquartett Nr. 2 gespielt vom Klenke-Quartett in der neuen Gesamtaufnahme aller drei Streichquartette von Tschaikowsky. Gemessen an der Kühnheit, mit der Tschaikowsky diesen ersten Satz eröffnet hat, bleibt der Satz danach fast harmlos. Tschaikowsky hat noch einiges vor im 2. Streichquartett und er hält Haus mit den Emotionen. Das Quartett ist nämlich vom langsamen Satz her gedacht, dem längsten seiner vier Sätze. Ehe der erklingt, gibt es als 2. Satz ein Scherzo. In diesem Satz begegnet uns der Meister der Tanzmusik, der Tschaikowsky auch immer gewesen ist. Die Außenteile sind durch den ständigen Wechsel von 6/8- und 9/8- Takt geprägt. Hörbar wird das als Wechsel zwischen geradem und ungeradem Takt, zwischen zwei 2ern und einem 3er. Ein Tanz mit einer immerwährenden, aber ungemein reizvollen Rhythmusstörung, die aber gerade in der slawischen Tanzmusik nicht selten vorkommt. Im Mittelteil hat Tschaikowsky dann einen seiner heiteren Walzer komponiert. Musik 3 CD II/ Track 2 5:53 2. Satz: Scherzo. Allegro giusto Auf dieses Scherzo folgt das Herzstück des 2. Streichquartetts von Peter Tschaikowsky. Ein ausgedehnter langsamer Satz. Tschaikowsky ihn als Rondo angelegt. Das bedeutet: der jähe, der schmerzhafte Aufschrei des Anfangs kehrt wieder, jedes Mal verändert, intensiver erst im Schluss löst sich die immer dramatischer aufgebaute Spannung. Diese Spannung hatte Tschaikowsky ja bereits in der chromatischen Einleitung zum 1. Satz geweckt. Im 3. Satz nun erfüllt er die Erwartungen. Dieser Satz ist der erste große tragische Satz in Tschaikowskys Schaffen, komponiert mit einem unglaublich feinen Gefühl für das Maß und mit einer meisterhaften Behandlung des Streichquartett-Klangs. Musik 4 CD II/ Track 3 12:22 3. Satz: Andante ma non tanto

4 Das Klenke-Quartett mit dem 3. Satz aus Peter Tschaikowskys Streichquartett Nr. 2 F-Dur op. 22. Als ich mit den Damen dieses Ensembles gesprochen habe, da haben sie mich ein wenig in die bildhafte Vorstellungswelt des Klenke-Quartetts schauen lassen. Bei diesem langsamen Satz z.b., diesem weitgespannten, tragischen Satz, hatten sie überraschende, aber sehr treffende Bilder. Bei dem spannungsgeladenen Aufbau über einem immer gleichbleibenden tiefen Ton, einem Orgelpunkt, da mussten sie z.b. sofort an ein immer wiederkehrendes Motiv in der Musik zu den James Bond -Filme denken... also: Spannung, Thriller. Vielleicht sind solche eher profanen Bilder auch ganz gut, damit die Musikerinnen nicht in die Sentimentalitätsfalle tappen eine Gefahr, die in den großen tragischen Sätzen von Tschaikowsky ja durchaus besteht. Tschaikowsky war Mitte 30 als er das 2. Streichquartett komponiert hat, praktisch in einem Zuge, wie er seinem Bruder Modest geschrieben hat. Tschaikowsky war sicher, Musik die auf diese Weise geschrieben worden sei, müsse dem Publikum gefallen. Doch das Publikum tat sich schwer mit den großen Gegensätzen in diesem Werk. Nach dem so innerlichen langsamen Satz steht am Ende des 2. Streichquartetts ein Muster an kompositorischer Vernunft und Gelehrsamkeit: eine Fuge. Für die hat er Tschaikowsky besonders harsche Kritik einstecken müssen. Musik 5 CD II / Track 4 ab 3:08 3:00 4. Satz: Finale. Allegro con moto Das Klenke-Quartett mit der Schlussfuge aus dem Finale des Streichquartetts Nr. 2 F-Dur von Peter Tschaikowsky. Dieses 2. Quartett hat einen weiten emotionalen Rahmen, aber Tragik und Lebensfreude, auch stiller Humor sind in diesem Werk perfekt, harmonisch austariert. In den nächsten drei Jahren hat sich Tschaikowsky um andere Gattungen gekümmert. Er hat das 1. Klavierkonzert geschrieben und es Nikolai Rubinstein gewidmet, seinem Direktor am Moskauer Konservatorium. Doch der fand nur beißende Kritik. Tschaikowsky zog die Widmung daraufhin tief verletzt zurück. Später hat Hans von Bülow das Werk mit großem Erfolg auf die Bühne gebracht. Das Ballett Schwanensee entstand. Tschaikowsky reiste nach Berlin was ihm gar nicht gefallen hat und dann nach Paris, das er geliebt hat. Dort hörte er die Oper Carmen von George Bizet, die ihnen nachhaltig beeinflusst hat.

5 Auf dieser Reise hat Tschaikowsky an seinem 3. Streichquartett gearbeitet. Es sollte das letzte werden, geschrieben zum Gedenken an den Geiger Ferdinand Laub. Der hatte als Primarius die beiden anderen Quartette aus der Taufe gehoben. Die cantabile sanglich empfundene Melodie der langsamen Einleitung, wäre also Laubs Partie gewesen. Sie wurde - wie das ganze Quartett - dem Andenken an ihn gewidmet. Musik 6 CD II / Track 1 bis > 2:51 Peter Tschaikowsky: Streichquartett Nr. 3 es-moll, op Satz - Einleitung: Andante sostenuto Borodin Quartet CHANDOS, CHAN 9871(2), LC7038 Diese Geigen-Cantilene rahmt den ersten Satz im 3. Streichquartett von Tschaikowsky ein in der SWR 2 Musikstunde hören Sie das mit dem Borodin-Quartett. Das eigentliche Trauerstück dieses Quartetts in der düsteren Tonart es- Moll ist aber nach einem kurz dahinhuschenden Scherzo der 3. Satz: Andante funebre e doloroso. Wieder also ein großer tragischer Satz. Und zum ersten Mal hat Tschaikowsky darin einen tiefen persönlichen Verlust verarbeitet der Freund und Geiger Ferdinand Laub war gestorben. Der bohrende Schmerz ist in diesem Satz das Thema. Tschaikowsky findet Ausdruck dafür in einer stockenden, lastenden Akkord-Bewegung, in einem warmen Gesang der Bratsche sicher hat der seinen Ursprung in der orthodoxen Liturgie und auch in einer tröstlichen Melodie der Geige. Musik 7 CD II / Track 3 (10:56) Als Puffer auf Ende fahren! Peter Tschaikowsky: Streichquartett Nr. 3 es-moll, op Satz: Andante funebre e doloroso ma con moto Borodin Quartet CHANDOS, CHAN 9871(2), LC7038 Ein Ausschnitt aus dem großen langsamen Satz im 3. Streichquartett es- Moll op. 30 von Peter Tschaikowsky. Dieses Werk ist ähnlich unmittelbar im Ausdruck wie etwa die 4. Symphonie. War das erste Streichquartett noch eher klassisch angelegt mit Anklängen an Franz Schubert so hatte sich sechs Jahre später in diesem Werk der zutiefst persönliche Ausdruck Tschaikowskys durchgesetzt.

6 Zugleich aber meldeten sich die Selbstzweifel. So schrieb Tschaikowsky an seinen Bruder Modest: Es scheint mir, dass ich mich ein wenig ausgeschrieben habe. Ich fange an, mich zu wiederholen und kann an nichts Neues denken. Ist es vielleicht möglich, dass meine Melodien verbraucht sind und ich nicht weiter fortschreiten kann? Diese quälenden Zweifel sind von da an ständige Begleiter im Schaffen von Tschaikowsky geworden, der aber damals seine größten Werke noch gar nicht geschaffen hatte. Im Finale seines 3. Quartetts hat Tschaikowsky übrigens selbst eine Antwort auf die Frage gegeben, ob er nicht weiter fortschreiten könne. Er hat einen überschwänglich heiteren, kraftvoll resoluten Satz geschrieben! Musik 8 CD II / Track 4 5:25 Peter Tschaikowsky: Streichquartett Nr. 3 es-moll, op Satz: Finale. Allegro non troppo e risoluto Borodin Quartet CHANDOS, CHAN 9871(2), LC7038

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