Bewertung der Ermüdungsfestigkeit metastabiler austenitischer Stähle unter Berücksichtigung zyklischer Ver- und Entfestigungsvorgänge
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- Jasper Lorenz
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1 Bewertung der Ermüdungsfestigkeit metastabiler austenitischer Stähle unter Berücksichtigung zyklischer Ver- und Entfestigungsvorgänge M. Smaga, P. Starke, D. Eifler Lehrstuhl für Werkstoffkunde WKK, TU Kaiserslautern J. Fingerhuth, B. Nieweg, D. Siegele Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM, Freiburg Kurzfassung Auf Basis experimenteller Untersuchungen am WKK und am IWM wurden Werkstoffmodelle entwickelt, die insbesondere beanspruchungsbedingte Veränderungen der Mikrostruktur berücksichtigen. Weiterhin wurde der Einfluss der zyklischen Ver- und Entfestigung auf den Schadensparameter D TMF des mechanismenbasierten Lebensdauermodells untersucht. Wird das Wechselplastizitätsmodell um zusätzliche Verfestigungsterme erweitert, so kann mit dem D TMF -Konzept das Ermüdungsverhalten im gesamten Temperaturbereich gut beschrieben werden. Stichwörter: Wechselverformungsverhalten, verformungsinduzierter -Martensit, Wechselplastizitätsmodell, Lebensdauervorhersage Summary Based on experimental investigations at WKK and at IWM material models were developed, which particularly include load-dependence changes in the microstructure. Furthermore the influence of cyclic hardening and softening on damage parameter D TMF for life time model was investigated. By including in the cyclic plasticity model an additional hardening term, fatigue behaviour in full temperature range can be well described with the D TMF -concept. Keywords: Cyclic deformation behaviour, deformation induced -martensite, cyclic plasticity model, fatigue life prediction 1 Einleitung Die Lebensdauer thermischer Anlagen und von Kraftwerkskomponenten wird im Wesentlichen durch Ermüdungsvorgänge infolge von An- und Abfahrvorgängen, Laständerungen und durch deren Überlagerungen begrenzt. Viele in thermischen Anlagen verwendeten austenitischen Stähle sind nahe Raumtemperatur im metastabilen Zustand und können infolge plastischer Verformung vom paramagnetischen Austenit zum ferromagnetischen '-Martensit umwandeln [1-4]. Bei erhöhten Temperaturen, bei denen die austenitische Phase stabil ist, entstehen Veränderungen in der Versetzungsdichte und/oder -anordnung, Subkornzellstrukturen sowie dynamische Reckalterungsprozesse [4]. Diese Effekte verursachen signifikante Veränderungen im zyklischen Verformungsverhalten und haben somit Einfluss auf die Ermüdungseigenschaften. Darüber hinaus erfordert eine realitätsnahe Beschreibung des Verformungs- und Schädigungsverhaltes von austenitischen Stählen eine Modellierung der zeit- und temperaturabhängigen Wechselplastizität mit der Berücksichtigung der o.g. mikrostrukturellen Veränderungen. Im Rahmen der Kontinuumsmechanik kann Wechselplastizität sehr gut mit dem Chaboche-Modell-Typ [5] beschrieben werden. Weiterhin konnte die Lebensdauer von ferritisch-perlitischen Stählen sowie Gusseisen erfolgreich mit dem D TMF -Parameter berechnet werden [6,7]. In dieser Arbeit wurde mithilfe experimenteller Untersuchungen und fortgeschrittenen Werkstoffmodellen das Ermüdungsverhalten im elastisch-plastischen Bereich unter Berücksichtigung von Ver- und Entfestigungsvorgängen charakterisiert und beschrieben.
2 2 Versuchswerkstoff und Versuchstechnik Für die Ermüdungsversuche wurden Proben aus einem originalen Rohrabschnitt des austenitischen Stahles (X6CrNiNb1810) mit einem Außendurchmesser von 333 mm und einer Wandstärke von 36 mm hergestellt. Die chemische Zusammensetzung (Tabelle 1) des Werkstoffes wurde durch eine Spektralanalyse bestimmt und für die Charakterisierung der Austenitstabilität mittels Berechnung der M S -, M d30 -Temperatur nach Angel und Eichelmann genutzt. Die Berechnung der Austenitstabilitätskenngrößen weist auf einen metastabilen Zustand des untersuchten Werkstoffes bei Raumtemperatur hin. Die in Zugversuchen bei Raumtemperatur und T = 300 C ermittelten mechanischen Eigenschaften sowie der -Martensitanteil nach dem Bruch sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Tabelle 1 Chemische Zusammensetzung sowie M S - und M d30 -Temperatur C Cr Ni Nb N Mn Mo Si M S [ C] M d30 [ C] 0,040 17,60 10,64 0,62 0,007 1,83 0,29 0, Tabelle 2 Mechanische Eigenschaften und -Martensitanteil nach dem Bruch Temperatur [ C] R p0,2 [MPa] R m [MPa] A 5 [%] Z [%] -Martensit [FE-%] RT , Das zyklische Ver- und Entfestigungsverhalten wurde mittels mechanischer,-hysteresismessungen charakterisiert. Zur Ermittlung des verformungsinduzierten -Martensits, der zu einer Veränderung der magnetischen Eigenschaften führt, wurde ein Fischerscope MMS Permascope mit Einpolmesssonde verwendet. 3 Ergebnisse Die Einstufenversuche (ESV) wurden mit Totaldehnungsamplituden 0,4 a,t 1,2 % bei einem Dehnungsverhältnis von R = -1 und mit konstanten Dehnraten von 0,1 %s -1 bei RT und T = 300 C durchgeführt. Das zyklische Verfestigungsverhalten in dem Ermüdungsversuch bei RT mit a,t = 1,2 % ist im Bild 1a deutlich zu erkennen. Bei N = 600 wurde eine ca. 100 %-ige Zunahme der Spannungsamplitude im Vergleich zur Spannungsamplitude aus dem ersten Beanspruchungszyklus gemessen. Im Gegensatz dazu trat bei T = 300 C, exemplarisch in Bild 1b für a,t = 0,4 % dargestellt, nach anfänglicher zyklischer Verfestigung ein zyklisches Entfestigungsverhalten auf. Bild 1 Spannung-Dehnung-Hysterese bei RT (a) und T = 300 C (b) Figure 1 Stress-strain hysteresis at AT (a) and T = 300 C (b) Die detaillierte Charakterisierung des Wechselverformungsverhaltens für alle Beanspruchungsamplituden 0,4 a,t 1,2 % bei RT und T = 300 C kann anhand a -N-Kurven (Bild 2) durchgeführt werden. Bei RT steigen, nach einer anfänglichen
3
4 . 1 (1) Daraus ergibt sich für die Risslänge. (2) Ist konstant, so ist mit der Zusammenhang zwischen D TMF -Parameter und Lebensdauer. (3) Setzt man, den mittleren Wert des D TMF -Parameters über alle Zyklen, in Gl. (2) ein, so erhält man für die Lebensdauer ähnlich zu Gl. (3). (4) Werden nicht die D TMF -Parameter aller Zyklen berechnet, so kann durch den D TMF -Parameter eines ausreichend repräsentativen Zyklus genähert werden. In allen hier durchgeführten Versuchen gibt die Hysterese bei halber Lebensdauer eine gute Näherung für mit Abweichungen von maximal 1,4% an. Das D TMF -Lebensdauerkonzept kann in Verbindung mit einem Wechselplastizitätsmodell verwendet werden, um die Lebensdauer eines Bauteils oder einer Komponente in einer FE-Simulation zu berechnen. Um die Ver- und Entfestigung verschiedener Bereiche im FE-Modell jedoch richtig wiederzugeben, sollte das Wechselplastizitätsmodell die Ver- und Entfestigung des Werkstoffs möglichst genau beschreiben. Üblicherweise wird am Fraunhofer IWM ein Wechselplastizitätsmodell vom Chaboche-Typ verwendet [8]. Die Analyse der vorliegenden Daten zeigt, dass dieses Wechselplastizitätsmodell in zwei Punkten erweitert werden muss, um den vorliegenden Werkstoff zu beschreiben: Bildung verformungsinduzierten Martensits bei niedrigen Temperaturen und verschieden starke anfängliche zyklische Verfestigung für unterschiedliche Dehnungsamplituden. Zur Beschreibung des Anteils verformungsinduzierten Martensits im Zugversuch hat sich das Olson-Cohen-Modell [9] als Ausgangspunkt etabliert. Es beschreibt den Anteil verformungsinduzierten Martensits als Funktion der akkumulierten plastischen Dehnung:. (5) Wie schon in [2] zeigt sich auch in den vorliegenden Daten, dass bei zyklischen Experimenten die akkumulierte plastische Dehnung alleine zur Beschreibung des Martensitanteils nicht ausreicht. Ausgehend von der dem Olson-Cohen-Modell zugrunde liegenden mikroskopischen Vorstellung und ergänzenden mikroskopischen Untersuchungen, dass sich verformungsinduzierter Martensit an den Kreuzungspunkten von ausreichend breiten Scherbändern bildet (siehe [10]), wurde ein Modell von Byun [11] herangezogen, um die Parameter des Olson-Cohen-Modells spannungsabhängig zu machen. Byuns Modell beschreibt die Aufspaltung von Partialversetzungen in Abhängigkeit der äußeren Spannung. Mit Hilfe dieses Modells wurde durch Mittelung über viele Kristallkörner und Versetzungsrichtungen ermittelt, in welchem Anteil der Körner bei vorgegebener Spannung Partialversetzungen so weit aufspalten können, dass eine kritische Breite für die Bildung von verformungsinduziertem Martensit überschritten wird. So wurde das Olson-Cohen-Modell Gl. (5) in Ratenform mit spannungsabhängigen Parametern (6) 1 In der Praxis gelingt häufig mit eine genauere Beschreibung von experimentellen Daten. Im vorliegenden Fall ist aber mit eine gute Beschreibung möglich, so dass wir uns hier auf diesen Fall beschränken. Für den Fall gilt die folgende Argumentation mit analog.
5 zur Erweiterung des Wechselplastizitätsmodells verwendet. Dabei sind, und anpassbare Parameter des Modells. ergibt sich durch Anpassung an die Anteile von Körnern, in denen Martensitbildung stattfindet. und hängen dabei von der Stapelfehlerenergie und der kritischen Breite der Scherbänder ab, welche aus Experimenten zu bestimmen oder sinnvoll zu wählen sind. Zur Beschreibung der Auswirkung des verformungsinduzierten Martensits auf das mechanische Verhalten wird eine lineare Mischungsregel für alle Parameter des Wechselplastizitätsmodells mit der Einheit einer Spannung verwendet: (7) Da die Parameter des verformungsinduzierten Martensits nicht aus Versuchen bestimmt werden können, wurde angenommen, dass oben genannte Parameter des Martensit entsprechend dem Verhältnis der Fließgrenzen mit denen des Austenits skalieren. Alle anderen Parameter werden als gleich für Austenit und Martensit angenommen. Zur Modellierung der unterschiedliche starken zyklischen Verfestigung bei den verschiedenen Dehnungsamplituden wurde der Parameter für die zyklische Verfestigung der zweiten Rückspannung von der Dehnung abhängig gemacht und in Abgleich mit den Daten ein linearer Zusammenhang gewählt. Mit diesen zwei Erweiterungen konnte das Modell ausreichend genau an die experimentellen Daten angepasst werden (Bild 4a, 4b). Da bei allen Versuchen der Mittelwert der D TMF -Parameter aller Zyklen gut mit dem D TMF -Parameter der experimentellen Hysterese bei halber Lebensdauer übereinstimmt, wurde bei der Anpassung des Wechselplastizitätsmodells darauf geachtet, besonders die Hysterese bei halber Lebensdauer gut beschreiben zu können. Bild 4 Anpassung des erweiterten Wechselplastizitätsmodells für -Martensitanteile (a) und für die Spannungsamplituden (b) sowie Vergleich modellierter und experimenteller Lebensdauern (c) Figure 4 Fit of the extended cyclic plasticity model for -martensite fractions (a) and stress amplitudes (b) as well as comparison of modeled and experimental lifetimes (c) Mit dem so angepassten Modell berechnete Hysteresen bei halber Lebensdauer wurden schließlich zur Auswertung des D TMF -Parameters verwendet. Zur Beschreibung des Zusammenhangs zwischen experimenteller Lebensdauer und simuliertem D TMF -Parameter gemäß Gl. (4) wurde ein optimales A gesucht. Bild 4c zeigt den Vergleich der experimentellen und mit den Modellen berechneten Lebensdauern. 4 Zusammenfassung In einem gemeinsamen Vorhaben des WKK und des Fraunhofer IWM wurde das zyklische Ver- und Entfestigungsverhalten des metastabilen austenitischen Stahls (X6CrNiNb1810) untersucht und Modelle zur Lebensdauervorhersage unter diesem Verhalten entwickelt. Dazu wurden LCF-Versuche bei RT und 300 C durchgeführt und bei
6 RT-Experimenten gleichzeitig der -Martensitanteil gemessen. Bei den zyklischen Experimenten bildete sich deutlich mehr verformungsinduzierter Martensit als im Zugversuch, und umso mehr, je höher die Dehnungsamplitude war. Totaldehnungssteigerungsversuche zeigten, dass verformungsinduzierte Martensitbildung bis zu einer Temperatur zwischen 150 C und 200 C stattfindet. Bei RT führt sie zu einer starken Verfestigung nach einer anfänglichen zyklischen Verfestigung des Austenits. Bei 300 C dagegen folgt auf die anfängliche zyklische Verfestigung ein Plateau oder zyklische Entfestigung. Zur Beschreibung der Lebensdauern wurde das D TMF -Konzept verwendet, bei dem das Risswachstum mit einem aus Hystereseschleifen berechneten D TMF -Schädigungsparameter in Beziehung gesetzt wird. Die Veränderlichkeit des Schädigungsparameters kann vernachlässigt werden, wenn eine Hysterese verwendet wird, deren Schädigungsparameter den Mittelwert aller Zyklen gut nähert. Ein Wechselplastizitätsmodell wurde erweitert, um die verformungsinduzierte Martensitbildung durch lineare Mischung der Spannungen in Austenit und Martensit, sowie den Martensitanteil durch ein abgewandeltes Olson-Cohen-Gesetz mit spannungsabhängigen Parametern zu beschreiben. Mit dem erweiterten Modell konnten die Lebensdauern der Versuche bei Raumtemperatur und 300 C beschrieben werden. 5 Danksagung Das diesem Bericht zugrundeliegende Forschungsvorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) unter dem Förderkennzeichnen gefördert. Die Autoren danken dem BMWi für die finanzielle Unterstützung des Projektes. 6 Literatur [1] Lo, K.H., Shek, C.H., Lai, J.K.L.: Recent developments in stainless steels. Mater. Sci. Eng. R-Rep R65 (2009), [2] Smaga, M., Walther, F., Eifler D.: Deformation-induced martensitic transformation in metastable austenitic steels. Mat. Sci. Eng. A (2008), [3] Bayerlein M., Christ, H.J., Mughrabi H.: Plasticity-induced martensitic-transformation during cyclic deformation of AISI 304L stainless-steel. Mat. Sci. Eng. A 114 (1989), L [4] Smaga, M., Hahnenberger, F., Sorich A., Eifler D.: Cyclic deformation behavior of austenitic steels in the temperature range -60 C T 550 C. Key Engineering Materials, (2011), [5] Chaboche, J.L.: Constitutive Equations for Cyclic Plasticity and Cyclic Viscoplasticity. Int. J. Plast. 5 (1989), [6] Schmitt, W., Mohrmann, R., Riedel, H., Dietsche, A., Fischersworring-Bunk, A.: Modelling the fatigue life of automobile components. In: Blom, A.F. (Hrsg.), Fatigue Proc. of the 8 th Int. Fatigue Congress, Stockholm (2002), [7] von Hartrott, P., Holmström, S., Caminada, S., Pillot, S.: Life time prediction for advanced low alloy steel P23. Materials Science & Engineering A (2008), [8] Maier, G., Möser, M., Riedel, H., Seifert, T., Siegele, D., Klöwer, J., Mohrmann, R.: High Temperature Plasticity and Damage Mechanisms of the Nickel Alloy 617B. Proc. of the 36th MPA-Seminar Materials and Components Behaviour in Energy & Plant Technology, University of Stuttgart (2010). [9] Olson, G., Cohen, M.: Kinetics of strain-induced martensitic nucleation. Met. Mat. Trans. A 6 (1975), [10] Talonen, J.: Effect of strain-induced '-martensite transformations on mechanical properties of metastable austenitic stainless steels. Diss., Helsinki University of Technology (2007). [11] Byun, T.S.: On the stress dependence of partial dislocation separation and deformation microstructure in austenitic stainless steels. Act. Mat. 51 (2003),
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