DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN
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- Juliane Meinhardt
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1 Vf. 91-IV-14 DER VERFASSUNGSGERICHTSHOF DES FREISTAATES SACHSEN IM NAMEN DES VOLKES Beschluss In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Herrn N., Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Heinrich Berkel, Grubenstraße 20, Rostock, hat der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen durch die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes Birgit Munz, die Richter Jürgen Rühmann, Uwe Berlit, Christoph Degenhart, Matthias Grünberg, Ulrich Hagenloch, Klaus Schurig, Hans-Heinrich Trute sowie die Richterin Andrea Versteyl am 28. September 2015 beschlossen: Die Verfassungsbeschwerde wird verworfen.
2 2 G r ü n d e : I. Mit seiner am 13. Oktober 2014 bei dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen seine erstinstanzliche strafrechtliche Verurteilung durch Urteil des Amtsgerichts Grimma vom 1. August 2013 (1 Cs 603 Js 32539/11), gegen die entsprechende Berufungsentscheidung des Landgerichts Leipzig durch Urteil vom 25. März 2014 (4 Ns 603 Js 32539/11) sowie den auf seine Revision ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. September 2014 (2 OLG 22 Ss 522/14). Der Beschwerdeführer hatte nach den Feststellungen des Amts- und des Landgerichts im Mai 2008 an einem frei betretbaren Zeltlager des mittlerweile verbotenen Verein H. e. V. (H.) auf einer Waldwiese in Z. teilgenommen. In diesem Rahmen hatte er sich in vereinsinterner Kluft (graues Fahrtenhemd mit H.-Symbol, schwarze Zimmermannshose und schwarze sog. Jungenschaftsjacke) als Trommler an einem Fahnenappell beteiligt, bei dem die Teilnehmer in Dreierreihen mit auf den Rücken genommenen Händen Aufstellung genommen hatten und die Fahne der H. mit Untermalung von Trommelwirbeln und Fanfaren gehisst wurde. Wegen dieses Sachverhaltes wurde der Beschwerdeführer erstinstanzlich durch Urteil des Amtsgerichts Grimma vom 1. August 2013 des unbefugten Tragens einer Uniform für schuldig gesprochen und auf der Grundlage der Strafvorschriften der 28, 3 Abs. 1 Versammlungsgesetz des Bundes (VersG) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,- EUR verurteilt. Nach 28, 3 Abs. 1 VersG ist unter Strafe gestellt, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformen, Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wurde durch das Landgericht Leipzig mit Urteil vom 25. März 2014 als unbegründet verworfen, ebenso seine Revision zum Oberlandesgericht Dresden mit Beschluss des Oberlandesgerichts vom 4. September Zur Begründung der Strafbarkeit wurde dabei im Ergebnis der Beweisaufnahme unter anderem auf die militärisch anmutenden Züge des Fahnenappells bzw. die in der konkreten Situation entstandene suggestiv-militante und einschüchternde Wirkung der getragenen Kleidung abgestellt. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer in erster Linie eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 15 und 23 Abs. 1 SächsVerf. Amts- und Landgericht hätten den 3 Abs. 1 VersG nicht verfassungskonform ausgelegt, erforderlich sei vielmehr der Nachweis einer Einschüchterungskulisse. Nicht jeder militärische Gesamteindruck erwecke auch den Eindruck einer militanten Drohkulisse, was in verfassungskonformer Auslegung für eine Strafbarkeit nach 28, 3 Abs. 1 VersG aber vorausgesetzt werde. Die landgerichtliche Entscheidung verletze darüber hinaus Art. 18 Abs. 3 SächsVerf, da sie in ihren Ausführungen die gleichartige Kleidung der weiblichen Teilnehmer des Fahnenappells als unschädlich angesehen habe. Dem habe sich das Oberlandesgericht angeschlossen.
3 3 Das Staatsministerium der Justiz hat Gelegenheit gehabt, zum Verfahren Stellung zu nehmen. II. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da sie den Begründungsanforderungen des Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 SächsVerf i.v.m. 27 Abs. 1 und 28 SächsVerfGHG nicht entspricht. 1. Nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 SächsVerf i.v.m. 27 Abs. 1 und 28 SächsVerfGHG ist eine Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer substantiiert die Möglichkeit einer Verletzung eigener Grundrechte aus der Verfassung des Freistaates Sachsen darlegt. Hierzu muss er den Lebenssachverhalt, aus dem er die Grundrechtsverletzung ableitet, aus sich heraus verständlich wiedergeben und im Einzelnen aufzeigen, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (SächsVerfGH, Beschluss vom 23. Februar 2010 Vf. 114-IV-09; st. Rspr.). 2. Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. a) Dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht zu entnehmen, aus welchem Grund der von ihm geltend gemachte Eingriff in seine durch Artikel 23 Abs. 1 SächsVerf geschützte Versammlungsfreiheit verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sein sollte. Allein die bloße Behauptung, die angegriffenen Entscheidungen hätten 3 Abs. 1 VersG nicht verfassungskonform ausgelegt, reicht hierfür nicht aus. aa) Dabei ist zu berücksichtigen, dass strafrechtliche Urteile keiner unbeschränkten tatsächlichen und rechtlichen Nachprüfung auf die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen und auf die Ordnungsmäßigkeit der Rechtsanwendung unterliegen. Die Gestaltung des Strafverfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des Straf- und Strafprozessrechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind allein Sache der dafür zuständigen Strafgerichte und der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof grundsätzlich entzogen. Dieser hat im Rahmen von Verfassungsbeschwerden lediglich zu prüfen, ob bei der Anwendung einfachen Rechts Grundrechte des Beschwerdeführers verletzt wurden. Das ist in der Regel erst dann der Fall, wenn ein Fehler sichtbar wird, der auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruht, oder wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint (SächsVerfGH, Beschluss vom 4. November 2010 Vf. 68-IV-10; Beschluss vom 25. Mai 2011 Vf. 100-IV-10; Beschluss vom 21. März 2013 Vf. 63-IV-12; vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 1996, BVerfGE 95, 96 [127]).
4 4 bb) Dem wird der Vortrag des Beschwerdeführers nicht gerecht. Er behauptet zwar eine nicht verfassungskonforme Auslegung der 28, 3 Abs. 1 VersG durch das Amtsund Landgericht und damit im Ergebnis eine unrichtige Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, legt aber nicht dar, woraus sich diese konkret ergeben soll. Der Beschwerdeführer fordert unter Verweis auf eine inhaltlich nicht einschlägige - sondern zu einer Strafbarkeit wegen Nichtentfernens von einer aufgelösten Versammlung ergangene - Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes den Nachweis einer Einschüchterungskulisse und bemängelt die aus seiner Sicht nicht hinreichende Unterscheidung zwischen einem militärischen und einem militanten Erscheinungsbild des Fahnenappells in den angefochtenen Entscheidungen. Hieraus wird eine Verkennung der Versammlungsfreiheit oder das Vorliegen einer nicht mehr verständlichen Rechtsanwendung nicht ersichtlich. Die angefochtenen Entscheidungen gehen vielmehr auch nach dem Vortrag des Beschwerdeführers vom Vorliegen einer grundrechtlich geschützten Versammlung aus, bejahen aber auf Grundlage der Beweisaufnahme ein militärisches Gesamtgepräge des durchgeführten Fahnenappells und begründen an Hand der getroffenen Feststellungen einzelfallbezogen das Vorliegen suggestiv-militanter Effekte und damit die Vergleichbarkeit der getragenen Kleidung mit einer Uniform. Hierzu stellen die Entscheidungen nachvollziehbar unter anderem auf die Umstände des Fahnenappells ab, namentlich das militärische Aufstellen der Appellteilnehmer sowie die Untermalung des Fahnehissens mit Trommelwirbeln und Fanfaren. Dies deckt sich mit den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Anwendung des 3 Abs. 1 VersG gestellt hat. Danach ist das Verbot, öffentlich oder in Versammlungen gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen dann verfassungsgemäß, wenn dieses auf das gemeinsame Tragen solcher Kleidung beschränkt wird, die mit Uniformen oder Uniformteilen gleichartig ist (BVerfG, Beschluss vom 27. April 1982, NJW 1982, 1803). Von ihrer Gleichartigkeit mit Uniformen könne dabei um so eher ausgegangen werden, wenn die Anlehnung durch zusätzliche Umstände wie z.b. das Tragen von Abzeichen oder das Auftreten mit militärischem Gebaren verstärkt wird (BVerfG, Beschluss vom 27. April 1982, a.a.o.). Dass sich weitergehende Einschränkungen für die Auslegung und Anwendung des 3 Abs. 1 VersG durch die Landesgerichte aus Art. 23 SächsVerf ergeben, ist weder ersichtlich, noch hat dies der Beschwerdeführer vorgetragen. b) Auch eine Verletzung der Art. 15, 18 Abs. 3 SächsVerf ist nicht hinreichend dargelegt. aa) Der Vortrag des Beschwerdeführers zu Art. 15 SächsVerf entspricht nicht dem bereits dargestellten eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Verfassungsgerichtshofes im Zusammenhang mit Urteilsverfassungsbeschwerden. Auch insoweit erschöpft sich der Vortrag des Beschwerdeführers in der Behauptung einer Grundrechtsverletzung, ohne dass eine Verkennung von Grundrechten oder das Vorliegen einer
5 5 nicht mehr verständlichen Rechtsanwendung in den angefochtenen Entscheidungen ersichtlich wird. bb) Soweit sich der Beschwerdeführer durch die gerichtlichen Entscheidungen wegen seines Geschlechtes diskriminiert sieht (Art. 18 Abs. 3 SächsVerf), setzt er sich nicht damit auseinander, dass nach den vorgetragenen Ausführungen des Landgerichtes die unterschiedliche strafrechtliche Bewertung der Einzelsachverhalte nicht auf dem Geschlecht der Angeklagten, sondern auf dem unterschiedlichen optischen Charakter der von den männlichen und weiblichen Teilnehmern jeweils getragenen Kleidung beruhte. III. Der Verfassungsgerichtshof ist zu dieser Entscheidung einstimmig gelangt und trifft sie daher durch Beschluss nach 10 Abs. 1 SächsVerfGHG i.v.m. 24 BVerfGG. Die Entscheidung ist kostenfrei ( 16 Abs. 1 Satz 1 SächsVerfGHG). IV. gez. Munz gez. Rühmann gez. Berlit gez. Degenhart gez. Grünberg gez. Hagenloch gez. Schurig gez. Trute gez. Versteyl
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