Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene

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1 Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Vorlesung im Wintersemester 2007/2008 Kurt Bräuer Universität Tübingen, Institut für Theoretische Physik

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3 Vorwort Wir erleben die Welt in Raum, Zeit und Materie. Es ist aber nicht so, dass die Welt tatsächlich Raum, Zeit und Materie wäre, sondern in unserem Bewusstsein erscheint sie so. Diese Weisheit ist so alt wie das bewusste Welterleben. In fast allen Kulturkreisen und Religionen findet man sie, wenn oft auch spärlich. Sehr deutliche wird die Rolle unseres Bewusstseins in der modernen Physik. Die spezielle Relativitätstheorie ordnet jeder Beobachtung eigene räumliche und zeitliche Bezüge zu. Ein absoluter Raum und eine absolute Zeit sind mit den Messungen der Ausbreitungsgeschwindigkeit von Lichtsignalen und mit den Grundgleichungen der Elektrodynamik nicht verträglich. Die Grundbausteine der Materie, also die Atome, sind keine winzigen Objekte. Sie erweisen sich als kontextabhängige Phänomene. Sie erscheinen nur im Zusammenhang mit konkreten Beobachtungen und von deren Art hängt ab, wie sie erscheinen: einmal als mikroskopisches Planetensysteme, das andermal als schwingende Schalenstrukturen. Ohne Bezug auf die ausgefeilten Beobachtungsmethoden macht es keinen Sinn, über Atome zu reden. Man kann ihnen keine objektiven Eigenschaften zuordnen. Ein grundlegendes Verständnis der Materie und der physikalischen Phänomene muss sich auf die Art der Beobachtung beziehen und kann sich nicht auf infinitesimal kleinen Massepunkten auf Bahnkurven gründen. Beobachtungen erfassen kleine Ausschnitte der Wirklichkeit und objektive Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung. Wir können Weltinhalte nur erkennen, oder Bewusstsein von Ihnen haben, wenn sie immer gleich ablaufen. Diese Kontextunabhängigkeit oder Objektivität bestimmt die physikalischen Gesetze. Die Flugbahn eines Steins ist nur (wieder-)erkennbar, wenn sich der Bewegungszustand des Steins nicht willkürlich ändert. Der Grund für eine Änderung des Bewegungszustandes ist eine Kraft. Das Maß der Änderung ist die Masse. So lassen sich die physikalischen Zusammenhänge als Konsequenzen unseres bewussten Welterlebens begründen. Eine umfassende, populärwissenschaftliche Darstellung davon findet man in dem Buch 'K.Bräuer: Gewahrsein, Bewusstsein und Physik', Logos-Verlag Im vorliegenden Skript werden die dortigen populärwissenschaftlichen Ausführungen mathematisch-physikalisch ausgearbeitet. Beim Folgenden handelt sich um ein Vorlesungsskript. Der Text ist daher manchmal etwas knapp, die mathematischen Ableitungen sind dafür aber relativ ausführlich. Fehlerhinweise sind willkommen.

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5 1 Inhaltsverzeichnis Vorlesung im Wintersemester 2007/ Teil I:...1 Grundprinzipien Entwicklung des bewussten Erlebens einer materiellen Welt in Raum und Zeit Objektivierung von Raum, Zeit und Kraft Die Relativität raumzeitlicher Bezüge Die Grundgesetze der Physik Kontinuität als Ausdruck der Erhaltung physikalischer Größen Teil II...23 Grundgesetze Bahnkurven und Klassische Mechanik Unschärfe und Quantenmechanik Eichinvarianz und Elektrodynamik Teil III...35 Phänomene Elastische Festkörper und Flüssigkeiten Deterministisches Chaos Die Mechanik der Wirkungsquanten Elektrodynamik und spezielle Relativitätstheorie Referenzen Literaturhinweise Gewahrsein, Bewusstsein und Physik K. Bräuer, Logos Verlag 2005 (siehe Die fundamentalen Phänomene der Quantenmechanik und ihre Bedeutung für unser Weltbild K. Bräuer, Logos Verlag 2000 (siehe Einladung zur Mathematik - Eine mathematische Einführung und Begleitung zum Studium A. Rieckers, K. Bräuer, Logos Verlag 2002 (siehe

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7 1 Teil I: Grundprinzipien 1. Entwicklung des bewussten Erlebens einer materiellen Welt in Raum und Zeit Unsere Art, die Welt zu erleben, hat sich in einigen tausend Jahren entwickelt. In früher Urzeit gab es für die Menschen keine einzelnen Dinge. Die Welt erschien ihnen ungeteilt und es gab keine Begriffe wie Raum, Zeit oder Materie. In einer ganzheitlich erlebten Welt haben solche Begriffe keinen Sinn. Sie entwickelten sich zusammen mit dem menschlichen Bewusstseins. Menschliches Welterleben in früher Urzeit Wie die Welt für die Menschen in früher Urzeit war, ist für uns heute schwer nachzuvollziehen. Unser heutiges Bewusstsein hat keine passenden Inhalte, um dies authentisch darzustellen. Man kann diese Welt nur durch verschiedene Bilder annähern, etwa durch Tohuwabohu, Nirwana, Paradies, Implizite Ordnung (D. Bohm [BOHM92]), Unus Mundus (C.G.Jung, W. Pauli [ATMA96], [JUNG52]), Undifferenzierte (ganzheitliche) Welt in Bewegung Menschen ohne Bewusstsein (sondern Gewahrsein?) (Siehe z.b. Homer, Moses I,, [JAYN97]) Die Entwicklung zu unserem heutigen dinglichen Bewusstsein kann in drei Schritte unterteilt werden: 1. Schritt: Differenzierung (Teilung) Unterscheiden von Weltinhalten Objektivierung der Weltinhalte 1 Gedächtnis, Erkennen, Wissen (beruht auf Trägheit der Masse) -> Mensch wird seiner Selbst und der Welt bewusst (Sündenfall?) 2. Schritt: Quantifizierung (Zählen, Messen) Zählen von Dingen (Beutetieren, Mitmenschen, ) 'Zählen' von Entfernung (mit Maßstab, Richtungen) Zählen von Jahren, Monaten, Tagen, (Zeit) 'Zählen' von Kraft (wie viele Menschen sind notwendig, um etwas Schweres zu bewegen, wie stark wird ein Stab gekrümmt, wenn man ein Gewicht daran hängt, ) 1 Ein Objekt ist etwas mit kontextunabhängigen Eigenschaften (Gegenstand, Teil eines Computerprgramms, ) Tübingen, den

8 2 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene 3. Schritt: Erkennen von Gesetzmäßigkeit (Trägheit, Masse) Dinge bewegen sich (Stein fliegt) immer gleich Trägheit: Ein Bewegungszustand ändert sich nicht ohne Grund Kraft: Grund für Änderung eines Bewegungszustandes Masse : Maß für Änderung des Bewegungszustandes aufgrund einer bestimmten Kraft

9 3 2. Objektivierung von Raum, Zeit und Kraft Raum ist nicht direkt wahrnehmbar. Wir erkennen nicht den Raum, sondern einzelne Dinge in ihrer räumlichen Beziehung zu anderen Dingen; sie sind nebeneinander, hintereinander oder ü- bereinander. Indem räumliche Beziehungen in Karten oder Diagramme eingetragen werden, entsteht ein objektives Bild der räumlichen Beziehungen. Raum selbst wird so zum Objekt und erscheint im Bewusstsein so dinglich wie andere Dinge. Raum erscheint als Ding, das alle anderen Dinge umfasst. Das ist aber offensichtlich eine Illusion. Objektive Bilder (Karten) räumlicher (oder zeitlicher) Bezüge Der objektive Raum wird konstruiert. Man misst Abstände zwischen Objekten und trägt diese in Karten ein. Auch zeitliche Bezüge können so konstruiert werden, wie in Abbildung 2-1. Die Flughöhe eines Steines wird zu verschiedenen Zeiten gemessen und die Werte in ein Diagramm gezeichnet. Als Bild der Steinbewegung erhält man eine Bahnkurve x(t). Aus dieser lässt sich die Geschwindigkeit v(t) berechnen. Es entsteht ein objektives Bild der räumlichen und zeitlichen Bezüge. Abbildung 2-1 Die mathematische Grundlage für die Konstruktion eines objektiven Raumes sind Richtungsmaßstäbe oder Basisvektoren und Koordinaten: Basis, unabhängige Richtungen: eˆ, ˆ, ˆ, ˆ x ey ez e t Orthonormalität: ( ) Ortsmaßstäbe ( Meterstäbe...) ( Zeitmaßstab Sonnenuhr, Sanduhr, Pendelperiode,... Richtungen sind von einander unabhängig eˆ eˆ = δ, i, j x, y, z i j ij ) ( { }) ( 2-1) ( ) ( ) ( ) Koordinaten: x: wie oft passt eˆ zwischen zwei Punkte in entspr. Richtung y: wie oft passt eˆ zwischen zwei Punkte in entspr. Richtung z: wie oft passt eˆ zwischen zwei Punkte in entspr. Richtung t : wie oft passt ˆ x y z e t zwischen zwei Zeitpunkte Damit lassen sich räumliche und zeitliche Beziehungen und Abstände erfassen. ( 2-2) Tübingen, den

10 4 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil I - Grundprinzipien Räumliche Beziehung zwischen zwei Punkten: Abstand: r = xeˆ ˆ ˆ x + yey + zez r = x + y + z r r Pythagoras ( Euklidscher Abstand) ( 2-3) Raum ist zunächst der Bezug zwischen objektiven Bewusstseinsinhalten. Indem räumliche Bezüge in Karten eingetragen werden, entsteht ein Bild räumlicher Beziehungen. Raum selbst wird dadurch zum Objekt. Grundlage dafür ist ein Maßstab, der zwischen zwei Objekten oder zwischen Bezugspunkt und Objekt eingebracht wird. Die Koordinate x gibt an, wie oft der Maßstab zwischen die Objekte passt. Abbildung 2-2 Geschwindigkeit Geschwindigkeitsmessungen beruhen auf Orts- und Zeitmessungen zwischen zwei Ereignissen. Sie führen immer zu einer mittleren Geschwindigkeit. r( t2) r( t1) Δr ( 2-4) Mittlere Geschwindigkeit: v = ( Meßgröße) t2 t1 Δt Δr dr Idee einer Bahnkurve Geschwindigkeit: v() t = lim r Δ t 0 Δt dt ( klassische Physik) Die punktgenaue Geschwindigkeit v(t) der klassischen Mechanik ist eine geniale Abstraktion der tatsächlichen Gegebenheiten in der Natur. Sie grenzt jedoch ein Verständnis etwa der Atome oder der Elektronik aus. Dafür muss die natürliche Unschärfe von Ort und Geschwindigkeit in der Quantenmechanik berücksichtigt werden. Bewegungszustand und Kraft Der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung ist Kausalität. Die Änderung eines Bewegungszustands hat immer eine Ursache, sie wird durch eine Kraft bewirkt. Quantifizierung (Objektivierung) des Bewegungszustandes Der Bewegungszustand wird durch den Impuls quantifiziert. Impulsfeld: p( r, t), ( Beschreibt Bewegungszustand am Punkt r zur Zeit t) Änderung t p( r, t) = F( r, t), ( p ist immer mit durch Kraft: Kraft, einer Unschärfe verknüpft) prt t prt lim Δ t 0 Δt (, +Δ ) (, ) Ursache für Zustandsänderung der Bewegung ( 2-5)

11 2. Objektivierung von Raum, Zeit und Kraft 5 Sowohl die Änderung des Bewegungszustandes als auch die Kraft kann gemessen werden. Dies geschieht primär durch Ortsmessungen. Wie in Abbildung 2-3 kann eine Kraft etwa an der Dehnung einer Feder abgelesen werden. Kraftmessungen werden primär über Ortsmessungen durchgeführt, etwa durch Dehnen einer Feder. Auch wenn man Kräfte über die durch sie bewirkte Impulsänderung eines Objektes misst, basiert dies auf der Orts- und Zeitmessung der Geschwindigkeit. Abbildung 2-3 Bewegungszustand und Messgrößen Im objektivierten Raum kann ein Bewegungszustand durch die zeitliche Änderung der Position eines Objektes quantifiziert werden, also durch dessen Geschwindigkeit. Diese ist proportional zum Impuls. Die Bedeutung der Proportionalitätskonstante ersieht man aus der Reaktion des Objektes auf eine Kraftwirkung. Objekte gleicher Größe und Form können verschieden auf eine bestimmte Kraft reagieren. Die Reaktion hängt vom Material ab, aus dem sie sind. Manche Stoffen widerstehen einer Kraft mehr als andere, sie ändern bei gleicher Kraft ihren Bewegungszustand weniger. Sie sind träger als ein anderer Stoff, ihre träge Masse m ist größer. Die Masse m eines Stoffes beschreibt genau, wie stark er auf eine Kraft wirkt. Sie verknüpft damit den allgemeinen Bewegungsbegriff 'Impuls p' mit der objektiv messbaren 'Geschwindigkeit v'. Impuls: p rt,, ( ) v( rt) Messen ( Mittelwert) ( 2-6) p Masse: m v Wie für Raum und Zeit benötigt man auch für die Masse m einen Maßstab (1 Liter Wasser: m 1 kg). Beispiel: Um Eisen auf eine Geschwindigkeit v zu beschleunigen, braucht man 7.8 mal so lange wie für Wasser mit gleichem Volumen (und gleicher Kraft), also ist m Fe 7.8m=7.8kg. Tübingen, den

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13 7 3. Die Relativität raumzeitlicher Bezüge Der absolute Raum Durch die Objektivierung von Raum und Zeit, wie sie im letzten Kapitel beschrieben wurde, entsteht das Bild einer absoluten Raumzeit. Zwar können der Bezugspunkt und die Basis des Koordinatensystems frei gewählt werden, jedoch sind alle Abstände im Raum, die tatsächlich gemessen werden, unabhängig von dieser Wahl. Dies gilt auch, wenn sich ein Bezugspunkt relativ zu einem anderen mit einer Geschwindigkeit v bewegt. Die allgemeine Transformation von einem Koordinatensystem in ein anderes, das sich zum ersteren mit der konstanten Geschwindigkeit v bewegt, ist die einfache Galilei-Transformation. Drehungen und Streckungen der Koordinatensysteme wollen wir hier der Einfachheit halber ignorieren. Galilei-Transformation: x = x+ x0 vt (3-1) Abstand zwischen zwei Punkten x 2 2 1, x2 : a= a = ( x2 x1) Im bewegten Bezugssystem: 2 2 a = a = ( x 2 x 1) = x + x vt x x + vt ( ) 2 = a Abbildung 3-1 zeigt zwei Koordinatensysteme in einer relativen Bewegung zueinander und Abbildung 3-2 zeigt räumliche Bezüge in verschiedenen zueinander bewegten Koordinatensystemen. Die Beschreibung räumlicher Bezüge beruht auf einem Koordinatensystem. Die Wahl dieses Systems ist willkürlich und verschiedene Systeme können auch eine Relativgeschwindigkeit v zueinander haben. In einem absoluten Raum hängen räumliche Bezüge von dieser Geschwindigkeit v nicht ab. Abbildung 3-1 Die Beschreibung der Punkte x 1, x 2 hängt von den Koordinaten und vom Bezugspunkt ab. Sie ändern sich mit der Galilei-Transformation. Die tatsächlich messbaren Größen sind jedoch nicht die absoluten Raumpunkte, sondern die räumlichen Beziehungen zwischen Objekten, also die Abstände, und die sind unabhängig von der Bewegung des Bezugssystems. Diese räumlichen Beziehungen sind für jeden Beobachter, egal in welchem Bezugssystem, gleich. Jeder Beobachter kann in seinem Bezugssystem eine Karte anfertigen, und jeder andere kann in dieser Karte die Tübingen, den

14 8 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil I - Grundprinzipien auch für ihn gültigen räumlichen Bezüge oder Abstände zwischen Objekten ablesen. In diesem Sinnen ist der so beschriebene Raum absolut, er gilt ohne Bezug auf den Beobachter. Addition von Geschwindigkeiten in Medien und im Vakuum Eine Konsequenz der Galilei-Transformation ist die Überlagerung der Geschwindigkeit des Bezugssystems zur Geschwindigkeit eines Objekts. Transformation der Geschwindigkeit: d x = x + x vt = x v (3-2) dt ( 0 ) Bewegtes System Ruhendes System Dies gilt vor allem auch für die Ausbreitung eines Signals in einem Medium, etwa für die Ausbreitung von Schall in Luft oder für Wasserwellen. Die Signale haben im Medium eine feste Geschwindigkeit. Bewegt sich ein Beobachter relativ zum Medium, etwa wenn er in einem Ruderboot fährt, so addieren sich seine Geschwindigkeit und die der Wellen oder dem Signal entsprechend (3-2). In den Wellengleichungen für Feststoffe, Wasser oder Gase taucht daher immer die Geschwindigkeit v des Beobachters relativ zum Medium auf. Anders ist das bei der Ausbreitung von Signalen im Vakuum, also bei Lichtsignalen. Abgesehen vom Bezugssystem des Beobachters gibt es dort nichts, auf das sich die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Lichtsignale, also die so genannte Lichtgeschwindigkeit c, beziehen könnte. Als Konsequenz davon ist die Vakuumslichtgeschwindigkeit c eine Naturkonstante, die in allen Bezugssystemen den gleichen Zahlenwert hat, sie ist eine so genannte Invariante. Dies hat jedoch die Konsequenz, dass die Galilei-Transformation die Beziehung zwischen bewegten Bezugssystemen nicht richtig beschreibt und dass der Raum den Absolutheitscharakter verliert. Lorentz-Transformation und Minkowski-Raum Im letzten Kapitel wurde eine Beschreibung räumlicher Bezüge auf mathematischer Grundlage entwickelt. Sie beruht auf Maßstäben oder Basisvektoren eˆi und Koordinaten x i. Die Annahme der Unabhängigkeit der Basen wurde als eˆ ˆ i ej = δijformuliert. Dies führte unmittelbar auf den euklidischen Raum mit der dem pythagoräischen Lehrsatz entsprechenden Vektorlänge und auf die Addition von Geschwindigkeiten bei Überlagerung von Bewe- x = x + y + z gungen Die Kontextunabhängigkeit oder Invarianz der Ausbreitung von Lichtsignalen erfordert offensichtlich eine andere Konstruktion. Diese muss vor allem räumliche und zeitliche Bezüge simultan erfassen, da die Lichtgeschwindigkeit ja als räumlicher Abstand zweier Lichtphänomene geteilt durch deren zeitlichen Abstand definiert ist. Die Grundlage für diese Konstruktion ist die Ausbreitung der Lichtsignale, die in allen gleichförmig bewegten Bezugssystemen auf einer Kugeloberfläche mit wachsendem Radius R=ct stattfindet Ausbreitung von Lichtsignalen: ct x y z = ct x y z = 0 'ungestrichenes' Bezugssystem 'gestrichenes' Bezugssystem Wesentlich ist dabei, dass die Lichtgeschwindigkeit in beiden Systemen denselben Wert c hat. Um die Maßstäbe oder Basisvektoren von denen des Euklidischen Raumes zu unterscheiden, versehen wir sie mit einem griechischen Index. Zur Erfassung von (3-3) eignen sich die (3-3)

15 3. Die Relativität raumzeitlicher Bezüge 9 { } 1 für μ = ν 1,2,3 Basisvektoren: eˆ ˆ μ eν 1 für μ = ν = 4 0 sonst Vierervektor allgemein: a a eˆ μ μ μ ( a, a4 ), Einsteinsche Summenkonvention: Summation über doppelte Indizes Orts-Vierervektor: x xeˆ + yeˆ + zeˆ + cteˆ Längenquadrat von x : x c t x y z μ μ μ = = ( xct, ) { } μν, 1,..., 4 So wird die Lichtsignalausbreitung zumindest im Ruhesystem oder dem ungestrichenen System 2 einfach über die Nulllänge des Orts-Vierervektors x μ = 0 erfasst. Damit dies in allen gleichförmig bewegten Bezugssystemen gilt, muss die Galilei-Transformation geeignet ersetzt werden. Eine explizite Ableitung der Lorentz-Transformation auf Grundlage von (3-3) ist im Teil III dieses Skripts bei den Phänomenen der speziellen Relativitätstheorie angegeben. Der Übersicht wegen geben wir hier die Lorentz-Transformation an und zeigen, dass sie zu (3-3) führt. Um die Formeln einfach zu halten, beschränken wir uns wie gewohnt auf eine Bewegung der Bezugssysteme in x-richtung. Die Systeme können ja immer geeignet gedreht werden. γ 0 0 γv/ c LorentzTransformation ( Lorentz) T = mit γ = in x - Richtung: / γv/ c 0 0 γ ( Lorentz) also a = a T = a a v/ c, a, a, a av/ c Damit ist μ μ ( v c) ( γ ( 1 4 ) 2 3 γ ( 4 1 )) 2 2 ( x 4 / )( x 4 / ) y y z z ( 4 x / )( 4 x / ) 2 2 = γ ( ab x x ( ab 4 x + ab x 4) v/ c+ ab 4 4( v/ c) 2 ab 4 4+ ( ab 4 x + ab x 4) v/ c ab x x( v/ c) ) ab y y ab z z = 2 ( ( 1 ( v/ c) ) axbx + ( 1 ( v/ c) ) a4b4) ayby azbz 1 ( v/ c) a μ b μ = γ a a v c b b v c a b a b + γ a a v c b b v c = ab x x ab y y ab z z + ab = a b μ μ 4 4 eine unter Lorentz-Transformationen invariante Größe. Das bedeutet offensichtlich auch 2 2 xμ = x μ, so dass wir die Bedingung in (3-3) für die Ausbreitung in Lichtsignalen in verschiedenen Bezugssystemen richtig beschreiben. Für kleine Geschwindigkeiten v/c<<1 wird der Gamma-Faktor in (3-5) zu Γ=1 und die Lorentz- Transformation geht über in die Galilei-Transformation. 2 (3-4) (3-5) (3-6) Tübingen, den

16 10 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil I - Grundprinzipien ( v c) 2 (( v c) ) Gamma-Faktor für v/ c<< 1: 1 γ = = 1 + O / 2 1 / ( ( ) ( )) also ( Lorentz) μ = μ = γ /,,, γ / x xt x ctv c yz ct xv c 2 ( ) ( x vt, z, y, ct) O ( v/ c) = + Galilei-Transformation Lorentz-Tranformation In unserem Alltag ist die Galilie-Tranformation also durchaus sinnvoll und wir können sorglos auf unsere Landkarten vertrauen, auch wenn wir mit dem Auto mal schneller fahren. Für das Satellitennavigationssystem im Auto kommt es doch auf eine sehr präzise Bestimmung der Entfernung zu den Satelliten an, die sich dazu auch noch sehr schnell bewegen. Da ist durchaus die Lorentz-Transformation relevant. Abbildung 3-2 vergleicht die Galilie-Transformation und die Lorentz-Transformation mit Hilfe von Ereignissen oder Weltlinien eines Signals und zweier Beobachter A und B. (3-7) Karten der Bewegung von zwei Beobachtern A und B und eines Signals, oben das einer Wasserwelle und unten eines Lichtblitzes. Die beiden oberen Diagramme zeigen die Verhältnisse in einem absoluten Raum. Die beiden Systeme werden durch eine Galilei- Transformation verknüpft. Links oben ruht der Beobachter A, rechts oben der Beobachter B. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Wasserwelle bezieht sich auf die Bewegung des Wassers, das im linken System in Ruhe ist. Räumliche und zeitliche Abstände sind in beiden Systemen gleich, sie sind kartenunabhängig oder invariant! Die beiden unteren Diagramme sind durch die Lorentz-Transformation (3-5) verknüpft. Die Lichtgeschwindigkeit, die dem Öffnungswinkel des Lichtkegels entspricht, ist offensichtlich invariant. Alle räumlichen und zeitlichen Abstände sind in den beiden Systemen unterschiedlich. Es gibt keine Karte, die für beide Beobachter A und B gleichermaßen gilt. Jeder Beobachter erlebt seinen eigenen Raum und seine eigene Zeit. Abbildung 3-2

17 3. Die Relativität raumzeitlicher Bezüge 11 Vierer-Geschwindigkeit und invariante Zeit Die Vierer-Geschwindigkeit erhält man definitionsgemäß durch Ableiten des Orts-Vierervektors nach der Zeit. Diese Ableitung muss jedoch auf einer invarianten Zeitskala geschehen. Die einzige ausgezeichnete Zeitskala, auf die sich alle Beobachter beziehen können, ist die Zeitskala im Ruhesystem eines Beobachters, seine so genannte Eigenzeitτ. Da sich der Ort des Beobachters entsprechend x=vt ändert, kommt man durch eine Lorentz-Transformation mit der Geschwindigkeit v in sein Ruhesystem. Eigenzeit τ: τ t x = Konst Vierer-Ort: x μ = γ x vt y z γ ct xv c = y z cτ vt vt Vergleich der 4. Komponenten: τ = c γ ( ct tv / c) = γ ( 1 ( v/ c) ) t = γ t Damit berechnen wir die Vierer-Geschwindigkeit. Vierer-Geschwindigkeit: Insbesondere ist v μ dx dx = =,,, / ( 0,,, ) μ μ γ γ ( v c) dτ dt = 1 τ= γ t dt / dτ (invariante Zeit) Kettenregel! μ vv = v + c = c μ γ ( ) 2 c 2 2 c v,, γ 2 eine Lorentz-Invariante (3-8) (3-9) Folgerungen aus der Invarianz der Lichtgeschwindigkeit Der Minkowski-Raum, der durch die Basis (3-4) und die Lorentz-Transformation (3-5) gegeben ist, hat einige wichtige Konsequenzen. Zum einen erscheinen räumliche und zeitliche Bezüge bei sehr hohen Geschwindigkeiten verzerrt, was als Längenkontraktion und Zeitdilatation bekannt ist. Wie schon gesagt, sind diese für die Satelliten-Navigation von Bedeutung und lösen das Rätsel der Myonen aus der Höhenstrahlung. Dies wird im Teil III bei den Phänomenen der speziellen Relativität erläutert. Weiter folgt im Minkowski-Raum der relativistische Energiesatz. Dieser verbindet den Begriff der Energie mit dem der Masse und ist so Grundlage für Atomkraftwerke und Atombomben. Er ist aber auch Grundlage für alle physikalischen Grundgesetze der Mechanik, Quantenmechanik und Elektrodynamik. Dies wird im nächsten Kapitel beschrieben. Von großem philosophischem Interesse ist die Bedeutung des Begriffs 'Relativität' in Bezug auf Zeit und Raum. Wir erleben den Raum absolut, also als Kasten, in dem das Weltgeschehen unabhängig von jedem Beobachter abläuft. Dies entspricht dem Bild, das wir uns von raumzeitlichen Bezügen gemacht haben. Dieses Bild wird relativiert. Die Begriffe Raum und Zeit machen nur Sinn in Bezug auf den konkreten Beobachter. Ohne diesen Bezug kann keine Aussage über den Abstand von zwei Objekten oder die Zeit zwischen zwei Ereignissen gemacht werden. Raum und Zeit ist etwas, das ganz eng mit unserem bewussten Welterleben verknüpft ist. Es ist eine Folge unseres bewussten Welterlebens, eine Kulturerbe. Unsere Existenz gründet sich auf tiefere Schichten der Wirklichkeit. Tübingen, den

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19 13 4. Die Grundgesetze der Physik Der herkömmliche Zugang zu den Grundgesetzen der Physik führt über Punktmassen auf Bahnkurven. Beides sind jedoch Abstraktionen, die selbst nicht beobachtet werden können. Ein allgemeiner Zugang führt über den Zusammenhang von beobachtbarer Ursache und beobachtbarer Wirkung, also über die Kausalität. Dieser Kausalzusammenhang wird durch das Wirkungsfeld beschrieben. Wie wir gleich sehen werden, fasst das Wirkungsfeld die drei primären Beobachtungsgrößen Ort, Zeit und Kraft zusammen. Das besondere am Wirkungsfeld ist, dass die Feldwerte vom Bezugssystem unabhängige Zahlen sind. Die Wirkung ist die zentrale Invariante der Physik, ihre Werte sind objektiv oder kontextunabhängig. Wie wichtig diese Wirkung ist, äußert sich darin, dass eine der wenigen Naturkonstanten, das Plancksche Wirkungsquantum, sich auf diesen Begriff bezieht. Sie ist so wichtig wie die Lichtgeschwindigkeit c oder Massen und Ladungen elementarer Wirkungsquanten ('Elementarteilchen'). Ausgehend vom Kausalzusammenhang, der durch das Wirkungsfeld quantifiziert wird, findet man Zugang zur Klassischen Mechanik, der Quantenmechanik und der Elektrodynamik. Punktmassen auf Bahnkurven ergeben sich mit dem Hamiltonschen Prinzip als Spezialfall. Einen allgemeinen Zugang zu den Grundgesetzen der Physik findet man über den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Man kann die Kraft messen, die etwa auf einen Ball wirkt und die Kraft, die der Ball als Wirkung an einer bestimmten Stelle und Zeit auf ein Objekt ausübt. Die Bewegung des Balles dazwischen lässt sich schon beobachten, nicht jedoch seine Bahnkurve. Bahnkurven erhält man als idealisierte Beschreibung des Kausalzusammenhanges mit dem später beschriebenen Hamiltonschen Prinzip. Das Wirkungsfeld Wir führen so das Wirkungsfeld als Raum-Zeit-Integral über die Kraft ein: xt, 3 S( x t) F( x t ) d xdt ( x0, t0) Abbildung 4-1 (4-1) Wirkungsfeld,, Damit ergeben sich die Zusammenhänge für das Impulsfeld: p( x, t) = S( x, t) Energiefeld: E( x, t) = ts( x, t) Kraftfeld: F( x, t) = t S( x, t) = t S( x, t) t pxt (, ) E x, t Der Begriff 'Energiefeld' rechtfertigt sich dadurch, dass sein Gradient die Kraft ergibt. Das entspricht der bekannten Definition von Energie als Kraft mal Weg. ( ) (4-2) Tübingen, den

20 14 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil I - Grundprinzipien 'Wirkung', 'Impuls' und 'Energie' sind mathematische Begrifflichkeiten zur Behandlung mechanischer Probleme. Unmittelbare Messgrößen sind Abstände in Raum und Zeit, und Kräfte. Aufbau der mechanischen Begriffe. Die unmittelbaren Meßgrößen 'Ort', 'Zeit' und 'Kraft' werden zusammengefasst zu den Begriffen 'Energie' und 'Impuls' und diese wiederum zum Begriff 'Wirkung'. Abbildung 4-2 Invarianz und Energiesatz 'Erkennen' oder 'Bewusstsein haben' bedingt Objektivität oder Kontextunabhängigkeit der Bewusstseinsinhalte. Das zu deren Beschreibung herangezogene Wirkungsfeld muss daher unabhängig vom Bewegungszustand des Beobachters sein. Es muss eine Lorentz-Invariante sein wie die Lichtgeschwindigkeit oder das Skalarprodukt von Vierervektoren wie in (3-6) oder (3-9). Wir schreiben also das totale Differential des Wirkungsfeldes mit Hilfe eines Skalarproduktes und folgern so auf den Vierervektor des Impulses. Differential des Wirkungsfeldes: ds = p dx Edt = pμ dx (4-3) μ nach Definintion von S aus dxμ =, folgt für den Impuls-Vierervektor p =, / μ ( dx cdt) ( p E c) Lorentz-invarianter Ausdruck Die Invarianz des Wirkungsfeldes hat nun sehr grundlegende Konsequenzen. Ein Vergleich von Impuls und Geschwindigkeit führt auf die zentrale Gleichung der Physik, auf den Energiesatz. Dazu müssen die beiden Vierervektoren p μ und v μ durch eine vom Bezugssystem unabhängige Masse, also die Masse m 0 im Ruhesystem eine Beobachters, verknüpft werden. Implus-Geschwindigkeits-Beziehung: pμ = m0vμ also:, /, Vergleich der Raumkomponenten: Vergleich der Zeitkomponente: Vergleich der Beträge: also: ( pe c) = m0γ( vc) p = m ( ) 0Γv Dynamische Masse m m 2 E = mc E c p = mv 2 0 μ = mc 0 siehe letztes Kapitel 2 pμ = + 0 E p c m c ( Einstein-Formel) ( Relativistischer Energiesatz) Wir sehen also, dass die uns vertraute Masse m eine dynamische Größe ist, die mit der Geschwindigkeit wächst und für v c unermesslich wird. Ferner ergibt sich die Einstein-Formel E=mc 2, die Grundlage der Atomkraft und der Atombombe. (4-4)

21 4. Die Grundgesetze der Physik 15 Für die nächsten Abschnitte wird insbesondere der Relativistische Energiesatz wichtig. Dabei sind oft nichtrelativistische Geschwindigkeiten v<<c relevant. Relativistischer Energiesatz: nichtrelativistisch: E = p c + m c p E = p c + m0c = m0c mc 0 x 2 + x= + + O( x ) mc (( ) ) p = mc O v/ c p = + + 2m 4 ( ) 2 mc O ( v/ c) 0 2 Ruheenergie 0 Bewegungs- Energie Für den Zugang für die vertrauten Formeln der Physik unter alltäglichen Bedingungen beschränken wir uns in der Mechanik auf den 2 Nichtrelativistischen Energiesatz: p, E( x t) 2 2m0 Kinetische Energie ( x t), = + V ( x, t) Potentielle Energie Drückt man Energie und Impuls durch das Wirkungsfeld S(x,t) aus, ist dieser Energiesatz (4-6) als Hamilton-Jacobi-Gleichung bekannt. Mechanische Grundgleichungen Als Grundlage einer Mechanik (klassisch sowie quantenmechanisch) ergeben sich damit das Wirkungsfeld: S x, t Impulsfeld: p xt, S xt, mv xt, Führungsbedingung Energiefeld: E x, t, ( ) ( ) ( ) = ( ) ( ) ( ) ts( x t) 2 ( S( x, t) ) S( x t) V( x t) ( ) Energiesatz: t, = +, Hamilton-Jacobi-Gleichung 2m E (, ) 2 p 2m Kraftfeld: t S( x, t) = t S( x, t) = F x, t t pxt E x t (, ) ( ) Beobachtunggrößen sind x, v, F Mittelwerte Teil II dieses Skripts zeigt, wie sich daraus die physikalischen Grundgesetze für klassische Mechanik, Quantenmechanik und Elektrodynamik ergeben. (4-5) (4-6) (4-7) Tübingen, den

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23 17 5. Kontinuität als Ausdruck der Erhaltung physikalischer Größen Kontinuität: In der Natur ändert sich nichts ohne Grund, in unserem bewussten Naturerleben gibt es keine willkürlichen Sprünge. Masse, Ladung, Wahrscheinlichkeit, Wirkung, Impuls sind erhalten, wenn nicht Quellen oder Senken vorhanden sind. Es kommt nicht plötzlich und grundlos etwas dazu und es geht nichts verloren. Das ist eine Grundvoraussetzung für ein Erkennen oder Bewusstsein haben der Weltinhalte. Beispiel Wasserabfluss: Aus einem Wasserbecken strömt Wasser. Der Wasservorat V 0 im Becken wird immer kleiner, entsprechend der ausströmenden Wassermenge. Die Wassermenge im und außerhalb des Beckens bleibt gleich. Abbildung 5-1 In einem Gefäß ändert sich die Wassermenge durch Abfluss: ( ) ( ) dv V0 t+δt V 0 0 t Δx Änderung des Wasservolumens V0: = lim = Alim = A v t 0 t 0 dt Δ Δt Δ Δt >0 < 0 dm ΔM ΔV Änderung der Wassermenge M: = lim = A v t 0 ρ = A j dt Δ ΔV Δt ρ ( Dichte) Der Strom j gibt an, welche Menge pro Zeit und pro Fläche abfließt. j ( Strom) (5-1) Erhaltung einer Größe Q: Die Formalisierung von (5-1) liefert für eine beliebige Erhaltungsgröße Q dq ρ! = dv = df j dt t G Änderung von Q im Gebiet G G Strom durch Oberfläche G des Gebietes Das Oberflächenintegral in (5-2) ist also ein Maß für Quellen oder Senken im Gebiet G. Natürlich will man dieses Gebiet nun sehr klein oder gar punktförmig werden lassen. Dann kann man die Quellstärke an jedem Raumpunkt angeben. Das führt genau auf den Differentialoperator der Divergenz. (5-2) Tübingen, den

24 18 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil I - Grundprinzipien Definition der Quellstärke (Divergenz): Die Divergenz oder Quellstärke wird definiert genau dadurch, dass das Gebiet G (oder V) in (5-2) punktförmig wird: Quellstärke: 1 1 div j df j df j 6 lim = lim ΔV 0ΔV ΔV 0 OV ( ) ΔV i= 1 Fi 1 = lim Δ Δ +Δ,, Δ Δ,, +... ΔV 0 ΔV 1 = lim ΔxΔyΔz ( jx( x, y, z) ) +... ( y zjx( x xyz) z yjx( xyz) ) x ΔV 0 ΔV F3 ( x jx y jy z jz) = lim + + ΔV 0 = j Diese Bedeutung der Flächen F i kann Abbildung 5-2 entnommen werden. (5-3) Zur Ableitung der Divergenz werden hier speziell die zwei Flächen F 1 und F 2 betrachtet, die sich beide in y-z-ebenen erstrecken. Die Flächennormalenvektoren stehen in x-richtung, der auf F 1 zeigt in positiver Richtung, der auf F 2 zeigt in negative Richtung. Abbildung 5-2 In (5-3)wurde benützt, dass ist. Δ x 0 Δ x 0 Δ x 0 ( +Δ,, ) (,, ) jx x xyz jx xyz lim ( jx( x+δx, y, z) jx( x, y, z) ) = lim Δx Δx ( x x( )) = lim Δx j x, y, z (5-4) Die Kontinuitätsgleichung Mit der Divergenz aus (5-2) kann nun der Ausdruck für die Erhaltung oder Kontinuität in eine differenzielle Form gebracht werden:

25 5. Kontinuität als Ausdruck der Erhaltung 19 0 Erhaltung von Q ρ ρ ρ = dv + df j = dv + dv j = dv + j t t t G G G G G Änderung entspricht Strom durch Oberfläche Gausschem Satz anwenden! ρ Kontinuitätsgleichung: + j = 0 t = 0, da für jedes beliebige Gebiet G ρ steht typischer Weise für Materiedichte (Mechanik), Ladungsdichte (Elektrodynamik), Wahrscheinlichkeitsdichte (Quantenmechanik). Die Kontinuitätsgleichung ist aber viel allgemeiner. Beispiel Coulomb-Kraft Das Coulomb-Gesetz der Elektrostatik lässt sich allein aus der Kontinuität des elektrischen Feldes E bzw. des messbaren Kraftfeldes F = qe begründen: Kontinuität von E: E + ce = c ρ Coulomb-Gesetz: also: Vergleich mit Ladungserhaltung: also: = 0 Kraftstrom Quellstärke pro Ladung Q = dv ρ = dv E = df E f ( R) V V V R ( ) 2 = 4π REr ( radial) Q Er = 2 4π R Q = dv ρ = df j ( ) ce = cj Gesamtladung Q unabhängig von R! ( Coulomb-Gesetz ist zwingend) V Ladungserhaltung V R = dv E= df E V V( R) ( Verschiebungsstrom) Jedes Feld einer Quelle ρ muss also wegen seiner Kontinuität außerhalb derselben dem Coulomb-Gesetz folgen. Das gleiche gilt auch für das Schwerefeld. Auch der elektrodynamische Verschiebungsstrom E ergibt sich zwangsläufig in(5-6). Die Kontinuitätsbedingung liefert also unmittelbar sehr fundamentale physikalische Zusammenhänge. E und (5-7) Physikalischer Input: Kontinuität von ρ Coulomb-Gesetz Mathematik: Verschiebungsstrom Die Feldlinien eine elektrischen Dipols in Abbildung 5-3 etwa lassen sich so festlegen. (5-5) (5-6) Tübingen, den

26 20 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil I - Grundprinzipien Feldlinien eine elektrischen Dipols: Die Feldlinien gehen von der positiven zur negativen Ladung. Die Kraftvektoren liegen tangential an den Feldlinien an und die Kraftwirkung ist umso stärker, je Größer die Dichte der Feldlinien ist. Ihr Verlauf folgt alleine nach (5-6) aus der Kontinuität des Feldes. Abbildung 5-3 Beispiel Wirkungsstrom: Die Energieformel der nichtrelativistischen Mechanik, also auch die Hamilton-Jacobi-Gleichung in (4-7)) beschreibt auch die Kontinuität des Wirkungsstromes: 2 ( ) Hamilton-Jacobi-Gleichung: (5-8) S S + + V = 0 t 2m S 1 1 entspricht + 2Sv = V 2S ΔS t S Quelle Massenänderung m ( siehe unten ) Wirkungsstrom Der Faktor 1 2 vor S erscheint, weil die Geschwindigkeit ebenfalls von der Wirkung S abhängt. Weiterhin gilt Δ S = p= mv = m (5-9) Kontinuität der Masse m! Also sind Potentiale und sich zeitlich ändernde Massen die Quellen des Wirkungsstromes! Beispiel freies Wirkungsfeld: Wir überprüfen die Kontinuitätsgleichung für das Feld einer freien Wirkung, die sich in x- Richtung ausbreitet.

27 5. Kontinuität als Ausdruck der Erhaltung 21 ( V = ) Freies Wirkungsfeld 0 : Strom durch Oberfläche: Zeitliche Änderung Kontinuität: 2 p0 S = p 0 x t 2m pe 0 ˆ x ( Wahl des KS) ( +Δx) S x S x+δ 2 p df ˆ 2 2 0( ) ˆ ms S =ΔyΔzex m p x +Δx t p0ex 2m yz - -Fläche bei x+δx 2 p 1 0 ΔyΔzeˆ x 2m p0x t p ˆ 0 e x 2m 1 2m yz - -Fläche bei x =ΔxΔyΔ z p = V p 2 2 p0 p0 dv ts = dv = V 2m 2m dv S + df S S = 0 t m 0 2m 0 ( x) (5-10) Invariante Formulierung der Kontinuitätsgleichung: Wirklich konsistent können die physikalischen Gesetze nur formuliert werden, wenn auch die Unabhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit vom Bezugssystem berücksichtigt wird. Darum ging es ja im letzten Kapitel. Auch die Kontinuität muss daher mit Vierer-Vektoren ausgedrückt werden. Kontinutätsgleichung: 0 = tρ + ρv (5-11) ( Invariant unter 1 = g (, c t ),( ρv, ρc) Lorentz-Transformationen) j μ μ 1 Vierer-Strom: j ρ v, c = ργ γ v, c = ρ v Invariante Ladung: μ ( ) ( ) ρ 1 ( )( ) ρdv = ργ γdv = ρ dv μ Tübingen, den

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29 23 Teil II Grundgesetze 6. Bahnkurven und Klassische Mechanik Die Klassische Mechanik ist gekennzeichnet durch Massepunkte auf Bahnkurven (Trajektorien). Auch die Kontinuumsmechanik, also die Strukturmechanik und die Hydrodynamik basiert auf dieser Vorstellung. Bahnkurven sind jedoch Idealisierungen, die in der Natur nicht wirklich beobachtet werden können. Positionen im Raum sind nie punktgenau zu bestimmen und für Geschwindigkeiten misst man per Definition immer Mittelwerte. Alle physikalischen Größen sind mit einer prinzipiellen Unschärfe behaftet. Trotzdem ist es natürlich oft sehr hilfreich, Bahnkurven und Punktmassen zu verwenden. Es sollte jedoch klar sein, dass es sich dabei um mathematische Hilfsmittel handelt. Die Welt besteht nicht aus Objekten auf Bahnkurven. Bahnkurven Die Bahnkurve wird so bestimmt, dass an jedem Punkt der Bahn die Richtung der Geschwindigkeit des Massepunktes mit der des Wirkungsgradienten (Impuls) zusammenfällt. Für eine Bahnkurve soll gelten: ( Bahn Bahnkurve: x ) ( t) (6-1) ( Bahn ) ( Bahn Geschwindigkeit ( ) ( ) ) Bahn x t+δt x () t ( Bahn v () t lim = x ) () t auf Bahnkurve: Δ t 0 Δt ( Bahn Bestimmungsgleichung: mv ) () t = S( x, t) ( Bahn x= x ) () t ( Bahn ) () Impuls in ( Bahn p x= x ) () t t bzw. x t = x 0 + m S x t, t Hamiltonsches Prinzip ( Bahn ) 1 ( ) ( ( ) ) Der Gradient eines Feldes steht ja senkrecht auf den Äquipotentiallinien und zeigt damit immer die Richtung des steilsten Feldanstieges an. Auf einer Bahnkurve wird also jeder infinitesimale Zeitschritt genau so bestimmt, dass die Wirkung maximal zunimmt. Daher lässt sich (6-1) als Variationsproblem formulieren. Die Wirkung entlang der Bahnkurve ist maximal. 0 dt 23

30 24 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil II - Grundgesetze Hamiltonsches Prinzip: S x, T = S + ds x t, t = maximal ( T ) 0 ( ( ) ) mit ds ( x () t, t) = p dx Edt = ( p v E) dt oder δ () S( xt, T) = 0 xt Variation der Bahnkurve T t0 () dx t = vdt L ( Lagrange-Funktion) (6-2) Klassische Mechanik eines Punktteilchens Wir variieren die Wirkung S bezüglich dem Ort x und dem Impuls p : Variation: T T δ ds = δ d p v E dt t0 t0 Hamiltonsche Gleichungen: ( ) T = d v δ p+ p δv δe dt ( x ) ( p t ) 0 = p δ x Eδx+ Eδ p = d ( ) also E( x, p)! t p δx p δx T ( x) ( p) T d = ( p E) δx ( v E) δ p + + dt+ p δx t0 t 0 = 0 = 0 ( x ) p () t = E x t, p t = F ( p) x () t = E x t p t ( () ()) ( ) ( (), ()) = 0 Variationsannahme ( ) (6-3) Beispiel Harmonischer Oszillator 2 Energiefunktion: p( x, t) 1 2 E( x, t) = + cx 2m 2 Hamiltonsche Gleichungen: also: Bahnkurve: V x ( x ) p () t = E() t = cx() t ( p) p() t x () t = E() t = m p c x = = x m m x t = asin ωt + bcos ωt mit ω = ( ) ( ) ( ) ( ) c m (6-4) Beispiel Freier Fall: Für den Freien Fall im homogenen Schwerefeld geben wir hier die Wirkungsfeld und Bahnkurven ohne explizite Rechnung an. Damit wird in Abb. 6-1 das Hamiltonsche Prinzip veranschaulicht. Tübingen, den

31 6. Bahnkurven und Klassische Mechanik 25 2 Energiefunktion: p( x, t) E( x, t) = + mgy 2m Wirkungsfeld: 2 p 1 m 2 m g x 2 (, ) = + x + ( 2 ) S x t t p x m gy 2 3 Startwerte: 0 px / m x( 0 ) =, x ( 0) = y 2gy Bahnkurve: x t () ( ) V x 0 0 pt x = 1 2 y0 2gy0t gt 2 3/2 (6-5) Die Bahnkurven der klassischen Mechanik sind so festgelegt, dass an jedem Punkt die Geschwindigkeit proportional zum Impulsfeld, also zum Gradienten des Wirkungsfeldes ist. Daher schneiden die Bahnkurven die Äquipotentiallinien senkrecht, wie oben für den Freien Fall. Die Zahlenwerte des Wirkungsfeldes S auf den Äquipotentiallinienen sind angegeben (10, 20, 40). Der Gradient zeigt immer in Richtung der maximalen Feldzunahme. Entlang der Bahnkurve nimmt die Wirkung also maximal zu. Das Hamiltonsche Prinzip ist also ein Prinzip der maximalen Wirkung, nicht der minimalen, wie oft fälschlich behauptet wird. Abb. 6-1 Klassische Mechanik für kontinuierliche Medien wie Elastische Festkörper und Flüssigkeiten Für den Übergang von Punktteilchen zu kontinuierlicher Materie führt man zunächst das Verschiebungsfeld: u x, t x t x 0 ( ) ( ) ( ) ein, mit dem die Bahnkurve eines Teilchens i ausdrücken werden kann durch x t x u x t () = ( 0) + ( ( 0 ), ) i i i Damit vollzieht man den Übergang für vom n-teilchenwirkungsfeld zur Wirkungsfelddichte: (6-6) (6-7) Tübingen, den

32 26 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil II - Grundgesetze N N S( xi ( t), t) S x t, t = ΔV dvs u x, t, t ( i() ) i N i 1 i 1 V = = Δ i V Wirkung von N Teilchen,, sux ( ( i t) t) ( Wirkungsdichte) ( ( ) ) Die Variation der Wirkungsfelddichte wird genau wie die Variation des Wirkungsfeldes eines Punktteilchens in (6-3) ausgeführt, nur dass zusätzlich noch über die Raumkoordinaten integriert wird: Variation: δ T t 3 dsd V = δ d ( p u E) dt dv t0 t0 T = u δ p+ p δu δe dtdv Vt, 0 ( u) E i ˆ j ( i ) t ( p ) u E u = δ ( iu j) e u δ + δ = d p δu p δu ( p + ) Eδ p t = ( u) δ p+ dt ( p δu) p ( p) δu Eδ p Vt, 0 = 0 ( δu= 0 für t { t0, t} ) ( u) E E Eδu ˆ ˆ i ej δu + i ej δu dtdv ( iuj) ( iuj) = 0 ( δ u= 0 am Rand) t ( p) ( u) E = ( u E) δ p+ p E i δu + dtdv Vt, ( ) 0 iu j = 0 = 0 Also lauten die Hamiltonschen Bewegungsfeldgleichungen: Hamiltonsche Bewegungsfeldgleichungen: = p E ˆ = + i ej ( iu j) (6-8) (6-9) ( p) u E (6-10) ( u) E Tübingen, den

33 7. Unschärfe und Quantenmechanik Man kann weder Orte, Geschwindigkeiten noch Kräfte beliebig genau Messen. Der mathematische Punkt als Grundlage der Bahnkurven in der klassischen Mechanik existiert nur als Idee, nicht wirklich in der Natur. Jede Messung ist mit einer prinzipiellen Unschärfe behaftet, und das objektive oder kontextunabhängige Maß für diese Unschärfe bezieht sich auf die Wirkung S. Es ist das Planksches Wirkungsquantum. Die minimale Unschärfe einer Ursache sowohl als auch einer Wirkung kann aufgeteilt werden in die Unschärfe von Ort und Impuls oder von Energie und Zeit. Abb. 7-1 Diese Unschärfe kann statistisch behandelt werden: Die Wahrscheinlichkeit für eine Wirkung muss der Wahrscheinlichkeit für die Ursache entsprechen. Die Ausbreitung der Wahrscheinlichkeit unterliegt der Kontinuitätsgleichung. Grundlage für die Quantenmechanik S 1 S Kontinuität der Wirkung: + 2 S + V + Q = 0 t m Unschärfe- Potential ρ S Kontinuität der Wahrscheinlichkeit: + ρ = 0 t m = vρ = j Das Unschärfepotential Q in (7-1) berücksichtigt die Energie, die in der Unschärfe vorhanden ist. Ruht etwa ein Wirkungsquantum, so ist der mittlere Impuls p = 0, genau so wie die entsprechende kinetische Energie. Im Rahmen der Unschärfe sind jedoch kleine Impulse möglich, die vom der Wahrscheinlichkeitsfeld ρ abhängen. Diese Energie wird durch das Unschärfepotential Q erfasst. Wie an anderer Stelle detailliert begründet wird 2, hat das Unschärfepotential die Form (7-1) 2 siehe (Skripte Die ganzheitliche Physik) 27

34 28 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil II - Grundgesetze Unschärfepotential: Q ( ρ ) 2 2 ρ (7-2) = 2m ρ Unschärfemessung in einer Elektronenröhre. Die Blendenöffnung Δx ist das Maß für die Ortsunschärfe. Der Impuls in x- Richtung ist im Mittel 0, weist jedoch in Abhängigkeit der Ortsunschärfe Δx ein Impulsunschärfe Δp auf. Die Energie in dieser unbestimmten x-bewegung wird durch das Unschärfepotential Q in (7-2) erfasst. Abb. 7-2 Schrödinger-Gleichung Das gekoppelte System nichtlinearer partieller Differentialgleichungen in (7-1) kann durch die komplexe Transformation mit dem is / Quantenfeld: ψ ρe (7-3) in eine lineare, komplexe Gleichung überführt werden: 2 S 1 S ρ (7-4) + 2 S + V = 0 t m 2m 2 ρ tψ = Δ+ V ψ ρ S is / i 2m ρe ψ + ρ = 0 Schrödinger-Gleichung t m Beweis: R is / tψ = t R + i ts e ρ R is / ψ = R+ i S e 2 R( S ) i ψ = R + 2 ( R S + R S) e is / (7-5) Tübingen, den

35 7. Unschärfe und Quantenmechanik 29 is / 2 e Realteil tψ = + V ψ : R i 2m Schrödinger-Gleichung 2 2 R ( S ) ts = + + V 2 2m R ( Kontinuität des Wirkungsfeldes) (7-6) is / 2 2Re Imaginärteil tψ = + V ψ : i 2m Schrödinger-Gleichung 2 2R R S R S + 2R tr= 2m S 2ρ S tρ = ρ S = ρ 2m 2m m Kontinuitätsgleichung des Wahrscheinlichkeitsdichtefeldes ( ) Die Schrödinger-Gleichung in (7-4) ist Grundlage für die Struktur der Atome und damit für das periodische System der Elemente. Daraus ergibt sich die gesamte Struktur der Materie in der unbelebten als auch in der belebten Natur. Sie beschreibt auch das Verhalten von Halbleitern und ist damit Grundlage für die Elektronik, spezielle auch für die Computertechnik. (7-7) Tübingen, den

36 30 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil II - Grundgesetze Schrödinger-Gleichung als Kontinuitätsgleichung Schrödinger-Gleichung oder Erhaltungsstrom: 2 tψ = Δ ψ + Vψ i 2m i i tψ + ψ = V ψ 2m Erhaltungsstrom Quelle is / Re i i R i ψ = + S ψ 2m 2m R i R p = + ψ 2m R 2 Unschärfe (7-8) Das Doppelspaltexperiment Die Unschärfe von Ursache und Wirkung führt zu einem merkwürdigen Teilchen-Wellen-Dualismus. Beim Doppelspaltexperimenten, wie in der oben dargestellten Elektronenröhre, zeigt der Detektor links einzelne Wirkungen an, so als würden Teilchen einschlagen. In ihrer Vielheit bilden die Ereignisse jedoch ein für Wellenphänomene typisches Interferenzmuster. Die Schrödinger-Gleichung in (7-4) beschreibt jedoch weder Wellen noch Teilchen, sonder einen Wahrscheinlichkeitsstrom von der Quelle zum Detektor. Dadurch werden die merkwürdigen Phänomene beim Doppelspalt richtig erklärt. Kontextabhängigkeit atomarer Wirkungen Abb. 7-3 Atome selbst sind niemals Bewusstseinsinhalte, sie erscheinen als Wirkungen auf Messgeräte. Von diesen wiederum hängen die Eigenschaften der Atome kritisch ab. Betreibt man Spektroskopie, deuten die scharfen Spektrallinien deutlich auf Wellenstrukturen hin, das Atom scheint aus schwingenden Schalen zu bestehen. Beschießt man, wie Rutherford 1911, Materie mit Elekt- Tübingen, den

37 7. Unschärfe und Quantenmechanik 31 ronen, so schließt man aus den Streuwinkeln auf ein mikroskopisches Planetesystem aus Quelle der Wirkungen. Atome sind keine Objekte mit kontextunabhängigen Eigenschaften. Atome sind Wirkungsquanten, deren Art zu wirken wesentlich vom der Art der Beobachtung abhängt. Ohne konkrete Beobachtungsmethode macht es keinen Sinn, über Atome zu reden. Atome haben keine eigenständige Existenz sondern gehören in den Kontext des Experiments mit seinen Detektoren, die klassische Objekte oder Bewusstseinsinhalte sind. Analysiert man die Linien im Spektrum glühender Gase (links oben), so kommt man zu den unten links gezeigten Schwingungsmustern als Quelle der elektromagnetischen Strahlen. Beschießt man Materie mit Elektronen und analysiert die Änderungen der Flugbahnrichtung rechts oben, so kommt man zu einem mikroskopischen Planetensystem als Quelle der Wirkungen. Abb Tübingen, den

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39 33 8. Eichinvarianz und Elektrodynamik Das Wirkungsfeld S ist nicht direkt beobachtbar oder messbar. Messen kann man nur die Zustandsänderungen der Materie, also die (Kraft-)Wirkungen auf die Materie. Man kann daher dem Wirkungsfeld Terme hinzufügen (Eichterme), ohne die Bewegungsgleichungen (Hamilton, Euler, Schrödinger) zu verändern. Das bezeichnet man als Eichung: ( Mat) ( Eich) S S + S ds pμ μ dx + eaμ dx ( Mat S ) μ ( Eich S ) μ Es ist üblich, wie in (8-1) den Vierergradienten der Eichkomponente des Wirkungsfeldes mit ϕ und A zu bezeichnen: Eich S = ea = e A, (8-2) ( ) ( ) μ μ ϕ Wie im Kapitel über 'Die Grundgesetze der Physik' berechnen wir die Energieformel im umgeeichten System ds μ 1 2 (8-3) mc 0 = m0 = S μ S = 2 ( E+ eϕ ) + c ( p+ ea) dτ = 2 E + p 2 2 eeϕ+ 2ep A e ϕ + e A c c ds Elektrodynamische = m0 d τ Wechselwirkung Mechanik μ Elektrodynamik Also: Die Energieformel der Mechanik bleibt auch bei neuer Eichung unverändert, zusätzlich ergeben sich neue Terme, die die elektromagnetische Energie und die Wechselwirkungsenergie beschreiben. Die Maxwell-Gleichungen der Elektrodynamik folgen dann aus der Kontinuität der Eichfelder A μ : elektro- Quelle der quantenmechanische magn. elektromagnetische Wahrscheinlichkeits- mechanischer Feldtensor Felder dichte Viererimpuls ν νc Aμ = jμ = ρ pμ Kontinuitätsgleichungen für den elektromagnetischen Feldtensor Hier geht ganz wesentlich ein, dass sich Lichtwirkungen, oder allgemeiner die elektromagnetische Wirkungen, mit der kontextunabhängigen Geschwindigkeit c ausbreiten. Das bestimmt die Form der Gleichung. Um vertrauen zu (8-4) zu bekommen, können wir zunächst einmal das Coulomb-Potential extrahieren. Wir betrachten dazu den Spezialfall des stationären elektrischen Potentials. Wir setzen ν = 1 3 und μ = 4. Damit wird (8-4) zu ( stationär) (8-1) (8-4) 1 Δ ϕ = ρ c E (8-5) ν ν A4 p4 Für eine (hypothetische) Punktladung ρ( r) = qδ ( r) folgt das berühmte Coulomb-Potential: 33

40 34 Kurt Bräuer: Die Begründung der physikalischen Gesetze Teil II - Grundgesetze Δ ϕ( r) = δ ( r r ) c E ϕ( r) = 4 π c/ E r r 'Punktladung' (8-6) Linien gleicher Stärke des elektrischen Potentials in (8-6) für zwei punktförmige Ladungen gleicher Stärke, jedoch unterschiedlicher Polarität. Der Verlauf folgt zwingend aus der Kontinuität des elektromagnetischen Feldtensors ν A μ in (8-4) und dieser Feldtensor ist eine Konsequenz der Eichinvarianz des Wirkungsfeldes, also des objektiven Zusammenhanges zwischen Ursache und Wirkung. Die Lorentz-Bedienung der Elektrodynamik folgt aus der Kontinuität des Wirkungsstromes: Abb. 8-1 μ j μ ρ p ν μ μ μ 1 μ ( c νa ) = μ j = 0 μa = c tϕ + A= 0 Kontinuitätsgleichung des wahrscheinlichen Wirkungsstromes Lorentz-Bedingung (8-7) Die Gleichungen (8-4) und (8-7) umfassen die gesamte Elektrodynamik. In Teil III dieses Skripts werden weiter Phänomene beschrieben, etwa die Abstrahlung elektromagnetischer Wellen durch einen Hertzschen Dipol. Tübingen, den

41 35 Teil III Phänomene 35

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43 Nomenklatur bei Berechnungen mit MAPLE In den folgenden Kapiteln werden fast alle Berechnungen mit der symbolischen Programmiersprache MAPLE durchgeführt. Daraus ergeben sich einige spezielle Formen der Darstellung. Die vollständigen MAPLE -Arbeitsblätter sind im Anhang zu finden. Standard MAPLE Basisvektoren: eˆ ˆ ˆ x, ey, ez; _ i, _ j, _ k, ( Karthesische Koordinaten) eˆ, ˆ, ˆ ρ eφ ez; _ rho, _ phi, _ k, ( Zylinderkoordinaten) eˆ, ˆ, ˆ r eϑ eφ; _ r, _ theta, _ phi ( Kugelkoordinaten) Nabla-Operator: Gleichungen: a= 0 a ( = 0 wird oft unterdrückt) Konstanten: C1, C2,... _ C1, _ C2,... Integrationskonstanten bei DGL's Linke Seite einer Gleichung: a lhs( a= b) Rechte Seite einer Gleichung: b rhs( a= b) Einsetzen von Ausdrücken subs( a, b, c) Die Ausdrücke a und b werden in den Ausdruck c eingesetzt Tübingen, den

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45 39 9. Elastische Festkörper und Flüssigkeiten Die Grundgleichungen für elastische Festkörper und Flüssigkeiten wurden in Kapitel 6 aus der Kontextunabhängigkeit der physikalischen Phänomen und der Annahme scharfer Raum- Zeitpunkte und Bahnkurven gemacht: Kontextunabhängigkeit: Energiesatz 2 ( S ) E ( x, t ) = ts( x vt, t), E = + V Gesamt- 2m Potentialle Energiefeld im Zeitableitung des energie Energie bewegten Bezugssystem Wirkungsfeldes Kinetische Energie ( ) ( p ) u ( x, t) = E( u( x, t), p( x, t) ) xt ( +Δt) xt ( ) () () () zeitliche Änderung Δx des Verschiebungsfeldes x t, v t x t lim Δ t 0 Δt ( ) p (, ) x x t = E( u( x, t), p( x, t) ) Scharfe Raumzeitpunkte Bahnkurven : Bahnkurve Geschwindigkeit auf Bahnkurve Hamiltonsche Bewegungsfeldgleichungen: zeitliche Änderung des Impulsfeldes (9-1) Tübingen, den

46 40 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene 9.1 Chladnische Klangfiguren Als erstes Beispiel für die Phänomene, die durch die Hamiltonschen Bewegungsfeldgleichungen beschrieben werden, betrachten wir eine kreisförmige schwingende Membrane. Sie soll in der x-y- Ebene liegen in z-richtung schwingen. Wir nehmen an, dass sie unendlich dünn ist und in jeder Richtung einer elastischen Rückstellkraft unterliegt: Verschiebungsfeld: u( x, t) = ρ u( ρφ,, t) eˆ z, φ Energiefunktion: Zylinderkoordinaten [ 0,1] [ 0, 2π ] 2 ( ) 2 p E = + η u + u 2m 2 ( x ) ( y )! 1 = m (zur Vereinfachun) (9-2) Hamiltonsche Feldgleichungen der Bewegung: Bewegungsgleichung: Randbedingung: mu = p = + u =Δu ( x y ) p m u u u = endlich für ρ = 0 u = 0 für ρ = 1 Die Lösung der Bewegungsgleichung kann mit MAPLE (siehe 'Anhang 9.1: Chaldnische Klangfiguren') entwickelt werden. Wir machen einen Produktansatz und separieren damit die Orts- und Zeitvariablen. Die Konstante für die 'Bewegungsgleichung geteilt durch den Ansatz' nennen wir : Bewegungsgl.: (9-3) Ansatz: Eingesetzt: Zeitanteil: Lösung: Ortsanteil: Lösung: BesselJ() und BesselY() sind die Besselfunktionen der ersten und zweiten Art. Die Konstanten _C1 und _C2 im Ortsanteil müssen nun an die Bedingungen im Zentrum bei ρ=0 und am Rand bei ρ=1 angepasst werden. Die Besselfunktionen der zweiten Art wachsen im Ursprung unendlich an und können daher nicht zur physikalischen Lösung des Problems beitragen. Die Bedingung am Rand können durch die Nullstellen der Besselfunktion 'BesselJZeros' ausgedrückt werden.

47 9. Elastische Festkörper und Flüssigkeiten 41 BesselY(n,0): (9-4) für die Ortslösung vκ,n: _C2=0, _C1=1, und Damit ist die Gesamtlösung des Verschiebungsfeldes: (9-5) Für die so genannten Moden κ=n=3 erhalten wir zum Beispiel Die Darstellung des quadrierten Verschiebungsfeldes u 2 in Abbildung 9-1 zeigt eine so genannte Chladnische Klangfigur. Die Knotenlinien der Schwingungsbewegung sind schwarz dargestellt. Chaldnische Klangfigur: Auf eine schwingende Platte wird Sand gestreut, der sich wegen den Schwingungen auf den Knotenlinien der Schwingbewegung ansammelt. In der Abbildung ist das Quadrat u 2 des Verschiebungsfeldes dargestellt. Die Knotenlinien sind schwarz. Eine Animation der 'Schwingenden Membrane' mit Abbildung 9-1 findet man auf dem Link Das MAPLE-Arbeitsblatt mit der mathematischen Lösung des Membranproblems findet man im Anhang unter 'Anhang 9.1: Chladnische Klangfiguren'. Tübingen, den

48 42 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene 9.2 Rotierende Strömung in einem Zylinder Bei der Beschreibung strömender Flüssigkeiten muss neben den Hamiltonschen Feldgleichungen auch die Kontinuität des Materiestromes berücksichtigt werden. An keiner Stelle im Raum geht Materie willkürlich verloren oder kommt hinzu. Diese Erhaltung führt zu einer Druckkraft in den Hamiltonschen Bewegungsfeldgleichung und man kommt zur Euler-Gleichung für Ideale Flüssigkeiten. Zur realen Beschreibung von Flüssigkeiten fehlt dann noch die Reibungskraft, die uns im nächsten Abschnitt auf die Navier-Stokes-Gleichung führen wird. 1 Euler-Gleichung: v = ρ P+ F, ( mit Dichte der Flüssigkeit ρ ) (9-6) Externe Druckkraft Kraft Kontinuitäts-Gleichung: ρ+ ( ρv ) = 0 Inkompressibel ρ = konstant : v = 0 ( ) Interessant ist noch die zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit in der Euler-Gleichung. Da sich ein Tröpfchen der Flüssigkeit auf einer Bahnkurve bewegt, hängt die zeitliche Änderung der Geschwindigkeit sowohl davon ab, wie schnell sich die Geschwindigkeit auf der Bahnkurve mit der Zeit ändert, also auch davon, wie sich das Geschwindigkeitsfeld mit der Zeit ändert. Formal ergeben sich diese beiden Abhängigkeiten aus der Kettenregel für das Ableiten: Verschiebung Zeitliche Änderung des Geschwindigkeitsfeldes: v ( x() t, t) = tu( x() t t) v( x() t, t) + tv x t, t also: v = v v + tv Nichtlinear in v Innere Ableitung des Äußere Ableitung des 1. Arguments xt () 1. Arguments xt () = v( x() t, t) ( () ) Ableitung nach dem 2. Argument t Diese Nichtlinearität hat enorme Auswirkungen in der Natur. Sie führt zu Ordnungsstrukturen wie der fraktalen Form von Wolken oder zu chaotischem Verhalten etwa beim Wetter. Ein einfaches Anwendungsbeispiel für die Euler-Gleichungen ist die rotierende Flüssigkeit in einem Zylinder. Wir wollen berechnen, wie sich die Oberfläche etwa des Kaffees beim Umrühren in der Tasse formt. Es handelt sich dabei um eine so genannte 'Freie Oberfläche', die durch den konstanten Druck der Atmosphäre über dem Kaffe gekennzeichnet ist: Wir haben: Stationäre Euler-Gleichung: v v = P geˆ, ( die Dichte soll 1 sein ) z ρ = (9-8) tv = 0 Schwerkraft Kontinuitäts-Gleichung: v = 0; Randbedingung für ρ=1: v eˆ φ =Ω konstant, mit Zylinderkoordinaten ( ρ, φ, z) ( ) ( ρ ) = ( ρ) Freie Oberfläche: P, z konstant z Tassenradius Zylinderkoordinaten! ( ) Wir Starten die Berechung mit einem Ansatz für die Geschwindigkeit. Die MAPLE- Basisvektoren iˆ, ˆj, kˆ, rˆ, ˆ ϕ entsprechen konventionell eˆ, eˆ, eˆ, eˆ, eˆ ϕ. Hilfsvektor: Geschwindigkeit einer Kreisbewegung: x y z r (9-7) (9-9)

49 9. Elastische Festkörper und Flüssigkeiten 43 Ansatz: Komponenten: oder in Zylinderkoordinaten: Dieses Geschwindigkeitsfeld hat die in Abbildung 9-2 gezeigte Form Geschwindigkeitsvektoren in einer rotierenden Flüssigkeit entsprechend (9-9) im Schnitt durch die x-y-ebene.. Abbildung 9-2 Das Geschwindigkeitsfeld nach (9-9) erfüllt die Kontinuitätsgleichung! Kontinuitätsgleichung: (9-10) mit Ansatz nach (9-9): wird Zur Berechnung des Höhenprofils z(ρ) der freien Oberfläche gehen wir nun mit dem Ansatz in die Euler-Gleichung und lösen nach dem Druck: Bewegungsgleichung (9-11) mit Ansatz: Komponenten der Bewegungsgleichung: Lösung: Kurve konstanten Drucks: Höhenprofil: Die Oberfläche des Kaffees nimmt beim Rühren also eine parabolische Form an, wie in Abbildung 9-3 gezeigt. Tübingen, den

50 44 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Rotiert eine ideale Flüssigkeit in einem Zylinder, so nimmt ihre Oberfläche eine parabolische Form an. Abbildung 9-3 In einer realen Flüssigkeit wir im nächsten Abschnitt, sorgt vor allem die Reibung am Gefäßrand für eine Modifkation der Oberflächenform. Da die Flüssigkeit am Rand ruht, ist das Profil dort flach und vertieft sich dafür im Zentrum zu einer Singularität.

51 9. Elastische Festkörper und Flüssigkeiten Navier-Stokes-Gleichung und die Umströmung einer Kugel Nun betrachten wir eine zunächst homogene Strömung, die durch eine ruhende Kugel gestört wird. Wegen der Reibung hat das Geschwindigkeitsfeld auf der Kugeloberfläche den Wert v=0. Für die Reibungskraft soll eine isotrope Form haben. Ist in einem Punkt der Strömung die Geschwindigkeit kleiner als in der Umgebung, soll eine beschleunigende Kraft wirken, ist die Strömung höher als in der Umgebung, soll die Kraft abbremsen. Reibungskraft: v x + heˆ ˆ ˆ 3 ( Reibung) x + v x + hey + v x + hez v x F = η lim h 0 2 h dynamische Visokität = ηδv. ( ) ( ) ( ) ( ) (9-12) Diese Form ist sehr ähnlich der elastischen Rückstellkraft für die Membrane in Abschnitt 9.1, nur dass die Kraft nicht von der Verschiebung u sondern von deren zeitlichen Änderung, also von der Geschwindigkeit v abhängt. Grundgleichungen Die Grundgleichungen für die inkompressible Strömung mit der eingelagerten Kugel vom Radius R sind die Navier-Stokes-Gleichung: v v v p v t η ; 1, F + = + Δ ρ = = 0 = 0 Reibungs- Dichte externe Kraft ( Stationär) kraft Kontinuitätsgleichung: ρ+ ρ v = 0 = 0 Konstant also v = 0 Randbedingung: v = 0 für r = R (9-13) Berücksichtigung der Kontinuitätsgleichung und Elimination des Drucks Die Geschwindigkeit wird durch die Rotation eines Vektorpotentials ausgedrückt. Dadurch wird die Kontinuitätsgleichung automatisch erfüllt. Ansatz: v = A (9-14) Kontinuitäts-Gleichung: Navier-Stokes-Gleichung: Wirbel- Strömung v = ( A) = 0, ( immer erfüllt ) ( A) ( A) = p+ ηδ A = p+ η ( ΔA) Elimination des Drucks: A = η ΔA ( Navier-Stokes ): (( A) ( )) ( ) Diese Gleichungen sehen etwas abschreckend aus, aber MAPLE kommt zum Glück gut damit zurecht. Zu beachten ist Tübingen, den

52 46 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene ( A) ( ( A) eˆ ) x v ( v eˆ ) x (( A) ( A) ) = ( A) ( ( A) eˆ ) ( ˆ y = v v ey) ( ) (( ) ˆ v ) ( v eˆ ) z A A e z (9-15) Störungsrechnung Das Gleichungssystem (9-13) ist nichtlinear, was das Lösen erschwert. Für viele Fälle gibt es gar keine analytischen Lösungen. Wir betrachten daher zunächst die Umströmung der Kugel bei kleinen Geschwindigkeiten v<<1, wo der quadratische Geschwindigkeitsterm in (9-13) wirkungslos ist. In einem zweiten Schritt berechnen wir dann Strömungskorrekturen mit dem Impulsterm. Die Einströmung soll in z-richtung erfolgen: Homogene Einströmung: ˆ r sin ( θ ) ˆ 2 v0 = ez = e φ Strömungspotential A0 Zur näherungsweisen Lösung der Navier-Stokes-Gleichung in (9-14) machen wir nun den Ansatz: (9-16) (9-17) Der erste Term in (9-17)beschreibt gemäß (9-16) die Einströmung. Für eine Lösung 1. Ordnung ist ψ 2 =0 und man erhält eine Lösung für ψ 1. Für die 2. Ordnung setzen wir die Lösung für ψ 1 in das Gleichungssystem in (9-14) ein erhalten eine Lösung für ψ 2. Die Stromlinien, also die Höhenlinien von A, zeigen dann schon viele charakteristischen Eigenschaften der tatsächlichen Umströmung der Kugel (siehe Anhang 9.3: Navier-Stokes-Gleichung - Ruhende Kugel bei homogener Einströmung). Der Reibungsterm Wir gehen mit dem Ansatz (9-17) in die rechte Seite von (9-14) und projizieren auf die beiden unterschiedlichen Winkelanteile. Die Reibungskonstante η setzten wir der Einfachheit halber auf den Wert η=1: Reibungsterm (9-18) Winkelkomponenten: Winkelprojektionen:

53 9. Elastische Festkörper und Flüssigkeiten 47 Der Impulsterm Das Vorgehen entspricht genau dem beim Reibungsterm. Allerdings werden nur die Terme mit v0ψ berücksichtig. Sie sind von der Ordnung v 2. Terme mit ψψ sind von der Ordnung v 3 und werden vernachlässigt. Impulsterm (9-19) Winkelkomponenten: Winkelprojektionen: Randbedingungen Die Strömung muss auf der Kugeloberfläche, also für r=1, verschwinden. Für die Vektorkomponenten und Winkelverteilungen erhält man so vier Gleichungen für die Randbedingungen. Randbedingung: (9-20) Randgleichungen: Jeder der vier Ausdrücke muss für r=1 verschwinden. Tübingen, den

54 48 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Gleichungen und Lösungen Die Gleichungen können nun entsprechend der oben geschilderten Störungstheorie gelöst und den Randbedingungen angepasst werden. Gleichung 1. Ordnung: (9-21) Lösung 1. Ordnung: Mit Randbedingungen für r : Gleichung 2. Ordnung: Mit 1. Ordnung: Lösung 1. Ordnung: Mit Randbedingungen für r : Rand bei r=1: Koeffizienten: Vektorpotential: Abbildung 9-4 zeigt Stromlinien, also Höhenlinien des Vektorpotentials A, für drei verschiedene Einströmgeschwindigkeiten v0. Höhenlinien des Vektorpotentials A für Werte von 0 bis 6. Es sind Stromlinien um eine ruhende Kugel bei homogener Einströmung in z-richtung, also von links nach rechts. Die Stromlinien verlaufen rotationssymmetrisch um die z-achse. Bei kleiner Einströmung mit v0=0.1 ganz links wird die Kugel symmetrisch umströmt. Diese Umströmung ist allein von der Reibung und den Randbedingungen bestimmt. Bei höheren Einströmgeschwindigkeiten werden die Stromlinien durch den Impulsterm gestreckt. Hinter der Kugel, also rechts von ihr, bildet sich ein Bereich kleiner Strömungsgeschwindigkeiten aus, der so genannte Nachlauf. Abbildung 9-4 Bei höheren Geschwindigkeiten kommt es zum so genannten Nachlauf. Hinter der Kugel gibt es einen lang gestreckten Bereich mit kleinen Geschwindigkeiten und Wirbeln. Dies ist an den Stromlinien für sehr kleine Höhen des Vektorpotentials A bzw. für sehr kleine Geschwindigkeiten v in Abbildung 9-5 zu erkennen.

55 9. Elastische Festkörper und Flüssigkeiten 49 Höhenlinien des Vektorpotentials A wie in Abbildung 9-4 allerdings für kleiner Werte von 0 bis 0,4. Diese Stromlinien füllen wirbelförmig den so genannten Nachlauf hinter der Kugel aus. Abbildung 9-5 An Abbildung 9-4 und Abbildung 9-5 erkennt man sehr gut den Mechanismus, der zur Wirbelbildung führt. Das ist recht interessant. Bei kleinen Einströmgeschwindigkeiten sorgt die Reibung erst mal für eine eng angeschmiegte Umströmung der Kugel. Die Impulserhaltung sorgt bei höheren Geschwindigkeiten dafür, dass die Stromlinien gestreckt werden. Das führt zum Nachlauf, also dem langgestreckten Strömungsbereich hinter der Kugel mit einer ausgeprägten Ruhezone. In dieser Ruhezone werden durch Reibung Wirbel angeregt. Die Nichtlinearität der Navier-Stokes-Gleichung sorgt also direkt für eine Streckung der Stromlinien. Erst als Sekundäreffekt kommt es in den Ruhezonen zur Wirbelbildung. Tübingen, den

56 50 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene 9.4 Ergebnisse numerischer Modellrechnungen mit der Navier-Stokes- Gleichung Für Strömungen sind die Möglichkeiten der analytischen Berechnungen sehr begrenzt, vor allem wegen der Nichtlinearität des Impulsterms. Die folgenden Abbildungen zeigen Strömungsrechnungen, die mit numerischen Methoden (Finiten Elementen) durchgeführt wurden. Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es eine dynamische Wirbelbildung hinter dem Hindernis. Dies ist in Abbildung 9-6 zu sehen. Abwechselnd bilden sich über und unter dem Hindernis Wirbel und lösen sich ab. Zeit T=0, Zeit T=1, Zeit T=2, Zeit T=3, Karmansche Wirbelstraße nach einem Hindernis. In der Zeitfolge von oben nach unten ist unter anderem sehr schön zu sehen, wie sich über dem Hindernis ein Wirbel ablöst und wie sich gleichzeitig unter dem Hindernis ein neuer Wirbel bildet. Abbildung 9-6 Sehr interessante sind komplexe Formen, die beim Einfluss einer Strömung in ein Gefäß entstehen, wie in der Computersimulation in Abbildung 9-7. Einströmung in ein Gefäß. Die einströmende Flüssigkeit wird nach links und rechts umgelenkt und bildet dabei Wirbel. Abbildung 9-7 Die Bildung räumlicher Strukturen sowohl in der unbelebten als auch in der belebten Natur ist eines der großen, ungelösten Rätsel der Wissenschaft. Warum entwickelt sich die menschliche Gestalt so wie sie es tut? Die Gene allein können das sicher nicht erklären. Hydrodynamische Strömungen sind nun zum einen direkt verantwortliche für Form der Erdoberfläche oder von Wolken. Sie zeigen aber auch viele Aspekte, die erst in der belebten Natur relevant werden. In dem Buch 'Das sensibel Chaos' von Theodor Schwenk [SCHW95] werden unzählige Beispiel dafür gezeigt.

57 9. Elastische Festkörper und Flüssigkeiten 51 Ein Musterbeispiel ist die Form der Qualle. Bei ihrer Fortbewegung lässt die Qualle ähnlich wie in Abbildung 9-7 Wirbel hinter sich zurück, die im Grunde genau ihrer eigenen Form entsprechen. Die Form einer Qualle entspricht der Form der Wasserwirbel, die sie bei ihrer Fortbewegung hinter sich zurück lässt. Abbildung Tübingen, den

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59 Deterministisches Chaos Neben manch anderem beschreibt die Hydrodynamik weitgehend das Wettergeschehen. Bei der Entwicklung eines einfachen Wettermodells stieß der Meteorologe Edward Lorenz 1963 auf das, was heute als Deterministisches Chaos bezeichnet wird. Kleinste Einflüsse haben unter Umständen einen mit der Zeit exponentiell wachsenden Einfluss auf das Systemverhalten und verändern dieses Grundlegend. Da kleinste Einflüsse weder in Messungen noch in Berechnungen berücksichtigt werden können, ist das längerfristige Verhalten solcher Systeme nicht vorhersagbar. Man kann dann zwar im Prinzip noch so etwas wie Bahnkurven ausrechnen, aber man kann diese Bahnkurven weder durch Messungen mit Abläufen in der Natur in einen längerfristigen Zusammenhang bringen, noch kann man sie bei Berechnungen eindeutige festlegen. Denn jeder Computertyp macht andere Rundungsfehler oder rechnet mit einer anderen Genauigkeit und findet daher eine andere Bahnkurve. Das ist so, auch wenn die betrachteten Gleichungen und die Anfangswerte identisch sind. Wir werden das in diesem Kapitel feststellen. Der Begriff der Bahnkurve, der ja klassische Systeme charakterisiert, verliert an Gültigkeit. An Stelle der Bahnkurven treten Attraktoren. Diese Beschreiben den Bereich, in dem sich das System entwickeln kann. Wir werden den Lorenz-Attraktor kennenlernen. In Teil II dieses Buches wurde darauf hingewiesen, dass Bahnkurven mathematische Hilfsmittel sind, um bestimme Zusammenhänge in der Natur zu erfassen und zu beschreiben. Man misst zum Beispiel grundsätzlich nur mittlere Geschwindigkeiten und idealisiert den Differenzenquotienten zum Differentialquotenten. In der Natur gibt es keine Differentialquotenten, und so ist es nicht verwunderlich, dass dieser Begriff in bestimmten Bereichen der Physik seine Gültigkeit verliert. Ein bisschen überrascht ist man vielleicht, dass dies bereits in der klassischen Physik auftritt, bei Wirkungen, die wesentlich größer als das Plancksche Wirkungsquantum sind. Tübingen, den

60 54 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene 10.1 Das Wettermodell von Edward Lorenz In einer Computersimulation zum Studium von Wetterphänomenen berechnete Edward Lorenz 1963 das Verhalten einer zähen Flüssigkeit, die sich zwischen zwei unendlich ausgebreiteten, horizontalen Platten befindet. Ein Temperaturunterschied zwischen unterer und oberer Platte sorgt dabei für Bewegung. Was zwischen den Platten passiert, hängt vom Temperaturunterschied ΔT zwischen oberer und unterer Platte ab. Ist ΔT klein, so kommt es zu einer Wärmeleitung. Bei einem größeren ΔT bilden sich horizontale Strömungsrollen aus, die sich bei zunehmendem Temperaturgefälle ΔT verfeinern. Ab einem bestimmten Punkt kommt es zu Turbulenz. Diese Rayleigh-Benard Instabilität ist in Abbildung 10-1 illustriert. Die Rayleigh-Benard Instabilität: Ein Gefäß wird von unten erwärmt. Im Gefäß befindet sich eine zähe Flüssigkeit, welche die Wärme nach oben transportiert. Je nach Wärmedifferenz ΔT zwischen Boden und Deckel geschieht der Wärmetransport über Wärmeleitung (links) Konvektionsrollen (mitte) oder turbulente Strömungen (rechst). Abbildung 10-1 Der theoretischen Behandlung dieses Systems legte Edward Lorenz folgende Gleichungen zugrunde: Navier-Stokes-Gleichung: Kontinuitätsgleichung: Wärmeleitungsgleichung: (10-1) mit Dabei ist Θ die Abweichung vom linearen Temperaturgradienten. Zur Erinnerung: MAPLE stellt den Einheitsvektor in z-richtung e ˆz wie oben als ˆk dar. Das System nichtlinearer, gekoppelter Differenzialgleichungen in (10-1) löste Lorenz näherungsweise durch eine Fourier-Entwicklung in sehr kleiner Ordnung. Sein Ansatz für die Strömung der Flüssigkeit ist Potential: (10-2) Geschwindigkeit:

61 10. Deterministisches Chaos 55 also: So werden Rollen in der x-z-ebene beschrieben, dies sich um die y-achse drehen und in y- Richtung unendlich lange sind. X(t) ist dabei die Amplitude der Rollenbewegung und drückt durch sein Vorzeichen auch ihren Drehsinn aus. a ist die Breite und h ist die Höhe der Rollen. Die Stromlinien des Geschwindigkeitsfeldes sind in Abbildung 10-2 dargestellt. Stromlinien des Geschwindigkeitsfeldes nach (10-2). Die Rollen sind in der y-richtung unendlich weit ausgedehnt. Benachbarte Rollen haben gegenseitigen Umlaufsinn. Abbildung 10-2 Die Wärmeströmung und Wärmeleitung wird durch die Abweichung vom linearen Wärmegradienten wie in (10-1) angesetzt: Wärmeströmung: (10-3) Wärmeleitung: Freiheitsgrad der Wärmeströmung im Lorenz-Modell. Die Wärmeströmung ist im Grenzbereich benachbarter Rollen am größten und wechselt zyklisch von Rolle zu Rolle das Vorzeichen. Abbildung Tübingen, den

62 56 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Die Wärmeleitung ist in horizontaler Richtung homogen und in vertikaler Richtung kann sie harmonische vom linearen Temperaturgradienten abweichen. Abbildung 10-4 Diese Ansätze werden nun in das Gleichungssystem (10-1) eingefügt und Kopplungen an höhere Moden werden vernachlässigt. Dies führt zu den berühmten Gleichungen des Lorenz-Modells: Lorenz-Modell: (10-4) Parameter: Eine detaillierte Ableitung des Models findet man in [BRÄ02]. Zur Erinnerung: Es ist Amplitude der Flüssigkeitsrollen: Amplitude der Wärmeströmung: Amplitude der Wärmeleitung: ( ) () () X t Y t Z t (10-5) Die Nichtlinearität hat ihre Quelle im Impulsterm der Navier-Stokes-Gleichung und resultiert aus der Kettenregel fürs Ableiten: d es ist: v ( x () t, t ) = t x () t v ( x () t, t ) + t v x t, t dt also: d v = v v dt Bewegung mit v zu einem anderen Ort mit anderem v = v( x() t t) ( innere Ableitung) ( ), äußere Ableitung Kettenregel + t v Zeitliche Änderung des Geschwindigkeitsfeldes ( () ) Aleitung nach t im zweiten Argument (10-6) Die Lösung des Systems gewöhnlicher Differential-Gleichungen wird numerisch durchgeführt. Wir wählen zwei verschiedene Sätze von Anfangsbedingungen: Blaue Kurve: (10-7) Grüne Kurve: Die Kurven bilden den berühmten Lorenz-Attraktor in Abbildung 10-5.

63 10. Deterministisches Chaos 57 Lorenz-Attraktor für zwei verschiede Sätze von Anfangsbedingungen. Jeder Punkt des Attraktors beschreibt einen bestimmten Satz von Amplituden der Rollenbewegung X(t), und der Wärmeströmung Y(t) der Wärmeleitung Z(t). Man erkennt die zwei typischen Flügel des Attraktors. Punkte im linken und im rechten Flügel unterscheiden den Drehsinn der Rollenbewegung. Abbildung 10-5 Einen besseren Eindruck der dreidimensionalen Struktur gewinnt man durch eine Animation: Was sensible Abhängigkeit von den Startwerten bedeutet, sieht man im Ausschnitt des Lorenz- Attraktors in Abbildung Die beiden im linken Flügel beginnenden Kurven liegen zunächst eng beisammen und sind kaum zu unterscheiden. Ab einem bestimmten Zeitpunkt beginnen sie jedoch, auseinander zu laufen und sie enden sehr schnell in den verschiedenen Flügeln des Lorenz-Atrraktors. Sensible Abhängigkeit von den Startwerten des Lorenz-Modells. Zwei eng benachbarte Kurven divergieren plötzlich. Der genaue Verlauf der Divergenz hängt auch von der Rechengenauigkeit, den Rundungsfehlern und den verwendeten numerischen Verfahren ab. Man kann nicht mehr von objektiven Bahnkurven sprechen. Abbildung 10-6 Das ist genau das Problem der Wettervorhersage. Die Entwicklung des Wetters läuft zum Teil in sehr stabilen Bereichen ab. Manchmal ist die Entwicklung jedoch hochsensibel und damit unvorhersagbar. Tübingen, den

64 58 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene 10.2 Die Logistische Gleichung Nichtlinearität führt zu Ordnungsstrukturen, also Attraktoren, und zu Unordnung bzw. Chaos. Zu was, hängt vom System und seinen Parametern ab. Ein bisschen durchsichtiger als beim Lorenz-Wettermodell ist dies bei der einfachsten, nichtlinearen Gleichung, der Logistischen Gleichung: Logistische Funktion: (10-8) Logistische Gleichung: Die Logistische Gleichung ist eine Iterationsgleichung für die Folge x(n). Sie hängt ab vom 'Wachstumsparameter r und vom Startwert x(1). Wählen wir zunächst als Wachstumsfaktor den Wert r=3.2 und zwei verschiedene Startwerte x0. Die Iterationen führen auf Abbildung Folgen von x-werten für den Wachstumsfaktor r=3.2 und zwei verschiedene Startwerte x0. Die beiden Iterationsfolgen gehen sehr schnell zum gleichen Zweierzylus über. Unabhängig von den Startwerten wechseln die Folgen zwischen zwei x-werten. Die Information über den Startwert geht sehr schnell verloren. Abbildung 10-7 Die beiden Folgen in Abbildung 10-7 sind hochgeordnet. Ganz anders ist das für einen Wachstumsfaktor r=4. Wir betrachten drei verschiedene Iterationsfolgen. Alle drei haben denselben Startwert, jede wird jedoch mit einer anderen Rechengenauigkeit bestimmt: Iteration 1: (10-9) Iteration 2: Iteration 3: Der Wert Digits gibt an, wie viele Stellen einer reellen Zahl bei der Iteration berücksichtigt werden. Die Folgen sind in Abbildung 10-8 dargestellt.

65 10. Deterministisches Chaos 59 Drei Folgen der Logistischen Abbildungen, alle mit demselben Wachstumsfaktur und demselben Startwert x0=0.6. Der Wachstumsfaktor ist r=4. Der Unterschied besteht lediglich in einer unterschiedlich genauen Darstellung der reellen Zahlen x bei der Iteration. Bis zur 15ten Iteration sind die drei Folgen graphisch nicht zu unterscheiden, dann trennt sich die mit den größten Rundungsfehlern von den beiden anderen. Diese divergieren etwa nach der 19ten Iteration. Die Divergenz erfolgt sehr plötzlich und radikal. Die 'richtige Folge' mit Digits= existiert nur als Idee, sie existiert weder in der Natur noch in tatsächlichen Berechnungen. Abbildung 10-8 Abbildung 10-8 spiegelt das Problem der Wettervorhersage wieder. Selbst wenn alle atmosphärischen Daten exakt vorhanden wären, existiert eine langfristige Wettervorhersage doch nicht. In der Natur ist nichts unendlich genau festgelegt und damit ist offen, was langfristig geschieht. Der Mechanismus, der in Abbildung 10-7 und Abbildung 10-8 zu Ordnung oder Chaos führt, kann graphisch veranschaulichen werden, indem man die einzelnen Iterationsschritte in ein x n - x n+1 -Diagramm einträgt, wie in Abbildung Die rote Linie für x[n+1] verläuft von einem x n - Wert zum Funktionswert x N+1 und führt diesen durch Spiegelung an der Winkelhalbierenden zur x n -Achse über. Dann kann der nächste Iterationsschritt erfolgen. Wir sehen in Abbildung 10-9 Iterationsfolgen für verschiedene Wachstumsfaktoren r, und wir sehen, wie stark die Verhältnisse von diesem Faktor r abhängen. In den ersten beiden Diagrammen mit r=0.5 und r=2 erkennt man klar jeweils einen Fixpunkt x*, gegen den die Iterationsfolge konvergiert: Tübingen, den

66 60 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene ( ) Für Fixpunkte x gilt: f x = x * * * ( ) * * * Stabilität: für xn x < ε : xn x > f xn x xn aus kleiner Um- Abstand vom Fixpunkt Abstand vom Fixpunkt gebung des Fixpuntes vor der Iteration nach der Iteration (10-10) also: 1 > f * = x ( Fixpunkt! ) x x df x = x x x x dx * * ( ) f ( xn ) f ( x ) ( ) n * * n n * x= x Fixpunkte sind also Schnittpunkte zwischen der Logistischen Funktion f(x) und der Winkelhalbierenden x. Das sind genau zwei, und unsere Stabilitätsbetrachtung erklärt auch, warum für r=0.5 der Schnittpunkt bei x=0 angesteuert wird und für r=2 der bei x=1+r -1. Ein Fixpunkt ist stabil, wenn ein in der Nähe des Fixpunktes lokalisierter Punkt x n nach der Iteration näher am Fixpunkt liegt als vorher. Das ist nach (10-10) gerade der Fall, wenn die Steigung der Logistischen Funktion am Fixpunkt kleiner als eins ist. Das erklärt das Verhalten der beiden ersten Iterationsfolgen mit r=0.5 und r=2. Iterationen der Logisitischen Gleichung für verschiedene Wachstumsfaktoren r. Eingetragen sind neben den roten Iterationsfolgen x n -x n+1 auch braun die Grundfunktion der Logistischen Gleichung f(x), grün ihre Iterierte f(f(x)) und blau die Winkelhalbierende x. Abbildung 10-9 Wird der Wachstumsfaktor größer, etwa r=3.2, so sind nach Abbildung 10-9 beide Fixpunkte unstabil. Eine Betrachtung der einmal iterierten Logistischen Funktion f(f(x)) f 2 (x) zeigt dann jedoch stabile Schnittpunkte mit der Winkelhalbierenden. Bei noch größeren Wachstumsfaktoren

67 10. Deterministisches Chaos 61 r werden jedoch auch diese unstabil und man muss die noch öfters iterierte Logistische Funktionen f n (x) betrachten. So entstehen die Zweierzyklen, Viererzyklen usw.. Irgendwann hilft das jedoch auch nichts mehr, etwa im letzten Diagramm Abbildung 10-9 von für r=4. Ohne Stabilität landet das System im Chaos. Schlußbetrachtung Lineare Systeme sind in der Natur sehr selten. Im Wesentlichen sind nur schwingende Systeme bei kleinen Amplituden, Quantensysteme oder die Dynamik elektromagnetischer Felder linear. Nichtlinear sind etwa schon die Stöße von 3 Billardkugeln, oder die Bewegungsgleichung kontinuierlicher Medien. Sobald ein System nur ein wenig komplex wird, weist es nichtlineare Züge auf. Vor allem führt allein die Impulserhaltung in kontinuierlichen Medien zu nichtlinearen Zusammenhängen, wie in (10-6) nochmals vorgeführt wurde. Die kausalen Zusammenhänge in der Natur sind im Allgemeinen nichtlinear. Tübingen, den

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69 Die Mechanik der Wirkungsquanten Die Grundgleichungen der Quantenmechanik wurden in Kapitel 7 aus der Kontextunabhängigkeit der physikalischen Phänomene und der Annahme einer statistischen Ausbreitung des Wahrscheinlichkeitsstromes zu einem Detektor abgeleitet: Kontextunabhängigkeit: Energiesatz: 2 ( S ) E ( x, t ) = ts( x vt, t), E = + V + Q Gesamt- 2m Potentialle Energiefeld im Zeitableitung des energie Energie bewegten Bezugssystem Wirkungsfeldes Kinetische Energie Unschärfepotential Wirkung auf Detektor: Kontinuität der Wahrscheinlichkeitsdichte Ausbreitung mit Geschwindigkeit S S tρ + ρ = 0 v = m m Komplexe Kombination der Felder: Schrödinger-Gleichung 2 is / ψ ρe, tψ = Δ ψ + Vψ i 2m (11-1) Dabei geht vor allem ein, dass alle Beobachtungen oder Messungen in der Natur mit einer Unschärfe behaftet sind. Zum Beispiel beruhen Geschwindigkeitsmessungen in der Regel auf zwei Ortsmessungen und werden über den Differenzenquotienten v = Δx/ Δtbestimmt. Die Geschwindigkeit in einem Punkt wird rein theoretisch bzw. gedanklich durch den Übergang zum Differentialquotienten v v lim ( Δx / Δt) dx / dt vollzogen. Die punktgenaue Geschwindigkeit v ist eine Konstruktion, die natürlich sehr sinnvoll und hilfreich ist, deren Unschärfe je- Δ t 0 doch für die Quantenmechanik grundlegend ist. Auch Ortsmessungen sind grundsätzlich mit einer Unschärfe verknüpft, die auf dem verwendeten Maßstab beruht. Mit der Millimeterskala eines Meterstabes kann man bis auf Millimeter genau messen. Denn Messwert kann man dann als Zahl bezogen auf Millimeter angeben, etwa x/ mm= 10. Die objektiv maximale Schärfe einer Messung muss sich auf die invariante oder kontextunabhängige Größe der Mechanik beziehen, also auf die Wirkung S. In (11-1) hängt daher das Quantenfeld ψ mit S/ zusammen. Das Wirkungsfeld S kann bestenfalls mit einem Maßstab bestimmt werden, dessen Auflösung im Bereich vom Planckschen Wirkungsquantum liegt. Die Unschärfe der Beobachtungsgrößen führt dazu, dass eine lokalisierte Wirkung mit der Zeit langsam zerfließt und dass sich bei attraktiven Kräften wie der Coulombkraft Schwingungszustände des Wahrscheinlichkeitsfeldes ausbilden, die wir als Atome bezeichnen. Des Weiteren führt die statistische Behandlung des Kausalzusammenhanges im Rahmen der Quantenmechanik auf recht verblüffende, nichtlokale Phänomene. Die Statistik beschreibt Überlagerungen von Möglichkeiten, die bei der Beobachtung bzw. Messung zu Tatsachen werden. Dies geschieht nichtlokal. Die Beobachtung eines Quantensystems an einem Ort reduziert das Wahrscheinlichkeitsfeld instantan auch an weit entfernten Orten. Dies wird in einem Quanteninterferometer besonders augenfällig. Man spricht von Quantensprüngen. Die Beobachtung spielt so eine ganz entscheidende Rolle für das Phänomen. Die Objektivität des Tübingen, den

70 64 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Phänomens gilt nur noch in Zusammenhang mit der Beobachtung. Ohne Beobachtung gibt es kein Phänomen.

71 11. Mechanik der Wirkungsquanten Lösung der freien, eindimensionalen Schrödinger-Gleichung Da die freie Schrödinger-Gleichung linear im Quantenfeld ψ ist, kann sie durch eine Fourier- Transforamtion gelöst werden. Die Koordinaten für Ort und Zeit, x und t, gehen dabei über in die Koordinaten k und ω im Fourier-Raum. Die Lösung erfolgt in drei Schritten: Zunächst liefert die Schördinger-Gleichung eine ganz allgemeine Dispersionsrelation ω(k), also einen Zusammenhang zwischen der Fourier-Koordinaten Frequenz ω und Wellenzahl k. Um die Ausgangssituation der Wirkungsausbreitung festzulegen, muss das Quantenfeld zur Zeit t=0 angegeben und Fourier-Transformiert werden. Im dritten Schritt liefert die Schrödinger-Gleichung dann die Zeitentwicklung des Quantenfelds. Dispersionsrelation Schrödinger-Gleichung: (11-2) Fourier-Ansatz: eingesetzt: ist erfüllt für Disperionsrelation: Quantenfeld zur Zeit t=0 Das Quantenfeld zur Zeit t=0 beschreibt die unmittelbare Wirkung einer Quelle, etwa eines Glühdrahtes, der Elektronen abgibt. Die Schrödinger-Gleichung gibt dann an, wie diese Ursache mit der Zeit auf Detektoren wirken kann. Wir gehen davon aus, dass das Wirkungsquant eine Gaußverteilung der Breite b und einen Impuls k0 aufweist: Quantenfeld zur Zeit t=0: (11-3) Normierung: für k0=0: Fourier-Transformation: also: Tübingen, den

72 66 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Zeitentwicklung des Quantenfeldes Die Fourier-transformiertes Quantenfeld χ aus (11-3) wird nun zurücktransformiert, wobei die Disperionsrelation aus (11-2) berücksicht wird: Quantenfeld zur Zeit t: (11-4) mit ist Wahrscheinlichkeitsdichte: also Parameter für Plot: Abbildung 11-1 zeigt, wie sich diese Wahrscheinlichkeit einer Wirkung auf einen Detektor mit der Zeit ausbreitet. Wahrscheinlichkeitsdichte ρ für ein freies Wirkungsquantum für verschiedene Zeiten t. Links ist der Impuls k 0 =0, es ruht also und wird breiter und breiter, es zerfließt sozusagen. Rechts kommt zum Zerfließen noch eine Bewegung mit dem Impuls k 0 =1 nach rechts hinzu. Abbildung 11-1 In der Regel werden immer sehr viele Quantenereignisse beobachtet und statistisch ausgewertet. Dann sind natürlich Mittelwerte und Streuungen der Messwerte von Interesse. Erwarungswert des Ortes: (11-5) also Quadrat der Ortsstreuung:

73 11. Mechanik der Wirkungsquanten 67 Wahrscheinlichkeitsdichte: Parameter für Plot: Zeitliche Entwicklung des Erwartungswertes für den Ort und die Streuung einer Ortsmessung. Dem konstanten Impuls entsprechend breitet sich die Wahrscheinlichkeit für eine Wirkung auf einen Detektor, etwa eine Photoplatte, linear mit der Zeit aus. Die Streuung nimmt jedoch zu. Die Parameter der Rechnung sind in (11-5) angegeben. Abbildung 11-2 Beobachten kann man diese einfach Ausbreitung eines Wirkungsquantums etwa in einer Nebelkammer oder in einer Elektronenröhre, wo der Abstand des Leuchtschirmes von der Kathode mit der Flugzeit in Relation steht und die Breite des Leuchtpunktes mit der Ortsstreuung. Tübingen, den

74 68 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene 11.2 Quanteninterferometer und Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik Die Lösung der eindimensionalen freien Schrödinger-Gleichung aus Abschnitt 11.1 kann leicht auf eine Lösung der zweidimensionalen Gleichung erweitert werden. Da der Operator der kinetischen Energie die beiden räumlichen Dimensionen nicht vermischt, ist das entsprechende Produkt zweier eindimensionaler Lösungen eine Lösung der zweidimensionalen freien Schrödinger- Gleichung: Operator der kinetischen Energie: Δ= ( x + y), 2m 2m 2D Wellenfeld: ψ ( x, t) ψ ( y, t) = ψ ( x, y, t) Lösungen der freien 1D-Schrödinger-Gleichung Lösung der freien 2D-Schrödinger-Gleichung. (11-6) Mit Maple kann leicht nachgerechnet werden, dass ψ(x,y,t) tatsächlich die freie 2D-Schrödinger- Gleichung löst. Quadrat des Weitparameters: (11-7) Quadrat des zeitabhängigen Weiteparameters: Quantenfeld: Laplace-Operator: Zeitableitung: Schrödinger-Gleichung: Dabei wurde die 0 der Schrödinger-Gleichung von MAPLE ausgerechnet. Zerfließen und Propagieren Wie im eindimensionalen Fall zerfließt und propagiert dieses 2D-Wirkungsquant: Parameter: (11-8) Dichte: Mit Quantenfeld aus (11-7) Das Ergebnis des letzten MAPLE-Befehls wird in Abbildung 11-3 graphisch dargestellt.

75 11. Mechanik der Wirkungsquanten 69 Zerfließen und propagieren eines Wirkungsquantums in der x-y-ebene. Nach (11-7) hängt das Zerfließen vom Plankschen Wirkungsquantum und von der Masse m ab. Das Propagieren wird durch die Impulse k x und k y bestimmt. Abbildung 11-3 Interferenz Durch eine geeignete Strahlführung in einer Elektronenröhre, etwa mit elektromagnetischen Feldern, kann ein Wirkungsquantum zur Interferenz gebracht werden. Dazu muss der Wahrscheinlichkeitsstrom oder Strahl geteilt und wieder zusammengeführt werden. Wir simulieren den Versuchsabschnitt, in dem der Strahl wieder vereint wird: Parameter linker Strahl: (11-9) Parameter rechter Strahl: Quantenfeld aus (11-7): Dichte: Tübingen, den

76 70 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Der Strahl eines Wirkungsquantums wird aufgeteilt und, wie hier gezeigt, wieder zusammengeführt. Die Wahrscheinlichkeitsdichte bei der Zusammenführung ist hier in drei Zeitschritten zu sehen. Man erkennt das typische Interferenzphänomen. Unter bestimmten Winkel kommt es zur konstruktiven Interferenz,, also zur Verstärkung der Wahrscheinlichkeitsdichte, unter anderen Winkeln zur destruktiven Interferenz, also zur Auslöschung. Abbildung 11-4 Hier wird der berühmte Dualismus der Quantenmechanik deutlich. Zum einen wird in Abbildung 11-4 die Wahrscheinlichkeitsdichte für das Ansprechen eines Detektors gezeigt. Der Detektor spricht an einem bestimmten Raumzeitpunkt entsprechend dieser Wahrscheinlichkeit scheinbar auf ein lokalisiertes Teilchen an. Zum anderen tritt ein typisches Wellenphänomen auf, nämlich Interferenz. Erklärt wird dieser Dualismus dadurch, dass die Quantenmechanik weder Teilchen noch Wellen eines Mediums beschreibt, sondern die Ausbreitung eines unscharfen Wahrscheinlichkeitsstromes hin zu Detektoren. Eine Animation des Interferenzphänomens in Abbildung 11-4 ist auf zu finden. Noch etwas klarer kann man die Zusammenhänge an dem etwas schematisierten Quanteninterferometer in Abbildung 11-5 erläutern Quanteninterferometer mit halbdurchlässigem Strahlteiler nach A, Strahlumlenkungen nach B und C und halbdurchlässigem Strahlteiler nach D und E. Durch Phasenverschiebungen des Quantenfeldes ψ kommt es im Ausgang F zu konstruktiver Interferenz zwischen den Strahlen aus E und D und im Ausgang G zu destruktiver Interferenz. Abbildung 11-5 Wir betrachten zunächst nur die Phänomene und kommen in einem zweiten Schritt zur quantenmechanischen Interpretation.

77 11. Mechanik der Wirkungsquanten 71 Am Ausgang F des Interferometers beobachtet man einzelne Ereignisse, wie wenn Teilchen auf den Detektor auftreffen würden. Eine Photoplatte wird zum Beispiel plötzlich an einem Punkt geschwärzt. Bei einer Welle würde die Photoplatte langsam geschwärzt werden. Dies deutet auf einen Teilchencharakter des Phänomens hin. Die Interferenz, also das Fehlen von Ereignissen am Ausgang G, kann man jedoch nur durch Wellenausbreitung erklären. Die Wellenamplituden sind in Abbildung 11-6 dargestellt. Wahrscheinlichkeitsamplituden am Quanteninterferometer nach Abbildung Gelb sind ist jeweils der Gesamtstrahl, Blau und Grün sind die Teilstrahlen. Man erkennt, wie die Teilstrahlen in G destruktiv und in F konstruktiv interferieren. (Im Schwarz-Weiß-Druck erscheint Gelb als Hellgrau, Grün aus Dunkelgrau und Blau als Schwarz). Abbildung 11-6 Wegedetektor Da das Phänomen sowohl auf Teilchen als auch auf Wellen hindeutet, würde man gerne wissen, ob der Wahrscheinlichkeitsstrom einen eindeutigen Weg durch das Interferometer nimmt, oder ob er, wie eine Welle, sich auf beide möglichen Wege verteilt. Man baut einen Wegedetektor ein. Dieser ist so gebaut, dass er kaum Energie aus dem System entzieht und so die Interferenzbedingungen nicht beeinflusst. Man findet, dass der Detektor in 50 % der Ereignisse anspricht, wie es der klassischen Ausbreitung eines Teilchenstromes entsprechen würde. Seltsamerweise kommt es nun aber auch zu Ereignissen am Ausgang G, wie es für einen klassischen Teilchenstrom ja auch zu erwarten wäre. Die vier Möglichkeiten für einen Teilchenstrom sind in Abbildung 11-7 dargestellt. Tübingen, den

78 72 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Ein klassischer Teilchenstrom hätte vier Möglichkeiten, das Interferometer zu durchlaufen. Die Wahrscheinlichkeit für die Ausgänge F und G sind jeweils 0.5 und auch die Wahrscheinlichkeit für das Ansprechen des Wegedetektors ist 0.5, unabhängig vom Ereignis am Ausgang. Abbildung 11-7 Klassisch ganz unmöglich ist vor allem die Situation rechts oben in Abbildung 11-7, wo der Wegedetektor nicht anspricht, jedoch ein Ereignis am Ausgang G beobachtet wird. Wenn der Wegedetektor nicht aktiviert ist, findet man dort, wie in Abbildung 11-6, keine Ereignisse. Die pure Möglichkeit, dass der Detektor anspricht, wirkt sich schon auf das Phänomen aus. Das gibt es nur in der Quantenmechanik! Der Detektor spricht nicht an, aber man hat Kenntnis über den Weg, der eben nicht am Detektor vorbei führt sondern einen großen Bogen um ihn macht. Die Beobachtung des Weges gehört wesentlich zum Phänomen. Ohne Wegedetektor ist das Phänomen wellenartig mit Interferenz, mit Wegedetektor ist es teilchenartig, auch wenn der Detektor nicht anspricht. Das alles folgt zwangsläufig aus dem statistischen Ansatz für die Ausbreitung des Wahrscheinlichkeitsstromes und wurde in der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik 1927 von Niels Bohr und Werner Heisenberg erstmals formuliert. Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik Die Beschreibung von Quantenphänomenen erfolgt immer in 3 Schritte: Die experimentelle Ausgangssituation wird klassische Beschrieben und in ein Wahrscheinlichkeitsfeld übersetzt; Die zeitliche Entwicklung diese Feldes wird quantenmechanisch (rechnerisch) ermittelt; Am System wird eine zweite Messung vorgenommen, deren zu erwartendes Ergebnis aus dem Wahrscheinlichkeitsfeld bestimmt wird. Die zeitliche Entwicklung des Wahrscheinlichkeitsfeldes ist an den Kausalzusammenhang geknüpft, nicht an die Ausbreitung materieller Teilchen oder Wellen. Der Wahrscheinlichkeitsstrom beschreibt eine Überlagerung von Möglichkeiten, die auch miteinander interferieren. Bei der

79 11. Mechanik der Wirkungsquanten 73 zweiten Messung wird das Wahrscheinlichkeitsfeld reduziert, es findet der berühmte Quantensprung statt: aus Möglichkeiten werden Tatsachen. Auf dieser Basis wird der Teilchen- Wellendualismus, die Nichtlokalität und Rolle der Beobachtung beim Quantenprozess klar. Reduktion des Quantenfeldes und Wellen-Teilchen-Dualismus Wir betrachten dazu nochmals das Quanteninterferometer nach Abbildung Ohne Wegedetektor haben wir die Situation aus Abbildung Die möglichen Strahlen interferieren konstruktiv am Ausgang F und destruktiv am Ausgang G. Die Wahrscheinlichkeit für das Ansprechen eines Detektors ist am Ausgang F gleich eins und am Ausgang G gleich null. Ist jedoch ein Wegdetektor aktiv, haben wir nach der Kopenhagener Deutung die Situation aus Abbildung Spricht der Wegedetektor nicht an, wird das Wahrscheinlichkeitsfeld so reduziert, dass nur noch der Strahl in E übrig bleibt, im anderen Interferometerarm ist das Wahrscheinlichkeitsfeld gleich null. Aus zwei Möglichkeiten wird eine. Stricht der Detektor an, gilt das entsprechende. An den Ausgängen findet keine Interferenz mehr statt, das Phänomen erscheint teilchenartig. Erklärung der Phänomene am Quanteninterferometer mit der Kopenhagener Deutung: Durch den Strahlteiler nach A gibt es für den Strahl zwei Möglichkeiten, er durchläuft den rechten oder den linken Arm des Interfermoters. Ohne Wegedetektor interferieren die beiden Möglichkeiten an den Ausgängen konstruktiv und destruktiv. Durch den Wegedektor werden die Möglichkeiten reduziert. Ob der Wegedetektor anspricht oder nicht, es bleibt nur eine Möglichkeit, eine Interferenz an den Ausgängen wird unmöglich und der Strom durch das Interferometer scheint teilchenartig zu sein. Abbildung 11-8 Nichtlokalität Die Reduktion des Quantenfeldes, also der Übergang von der Überlagerung der beiden Möglichkeiten zu einer eindeutigen Situation erfolgt instantan. Das Wahrscheinlichkeitsfeld ändert sich so, dass es in einem Interferometerarm den Wert 1 hat, im anderen den Wert 0. Das ist ein nichtlokales Phänomen. Der Ausgang der Messung nach B ändert gleichzeitig den Wert des Wahrscheinlichkeitsfeldes in E. Das lässt sich im berühmten EPR-Experement nach Einstein- Podolski-Rosen mathematisch noch schärfer formulieren und experimentell betätigen. Die Rolle der Beobachtung Die Beobachtung wird zu einem elementaren Bestandteil des Experiments. Ohne Wegedetektor ist das Phänomen völlig anders als mit Wegedetektor. Ohne Angabe der genauen Messbedingungen lässt sich nichts über das Phänomen sagen. Beobachtung heißt dabei nicht, dass tatsächlich ein Detektor anspricht. Es genügt, dass er ansprechen könnte. Das ist so, weil durch den Detektor die Wahrscheinlichkeitsdichte reduziert wird, weil aus Möglichkeiten Tatsachen werden. Aus Tübingen, den

80 74 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene dem Wahrscheinlichkeitsstrom werden tatsächliche Wirkungen, die beobachtbare Materie wird modifiziert. Die Rolle der Beobachtung wird auch in der Atomphysik sehr deutlich. Beobachtet man Atome über ihre Spektren, so scheinen sie eine Struktur von Energieschalen zu bilden. Die Analyse atomarer Spektren führt zum Schalenmodell. Beschießt man die Atome mit Elektronen, so findet man einen Atomkern, der von Elektronen umkreist wird, wie die Sonne von Planeten. Das Atom selbst hat keine eigenständige, objektive Existenz. Seine jeweiligen Eigenschaften manifestieren sich nur in Zusammenhang mit einer bestimmten Beobachtung. Dies werden wir in den nächsten Abschnitten genauer betrachten.

81 11. Mechanik der Wirkungsquanten Das quantenmechanische Streuproblem Um Information über den Aufbau der Materie zu gewinnen, kann man das Spektrum des von ihr abgegebenen Lichtes analysieren oder sie irgendwelchen Strahlen aussetzten und deren Ablenkung analysieren. Bei diesen Strahlen oder Wahrscheinlichkeitsströmen spricht man konventionell von Elektronen, Nukleonen, Alphateilchen und ähnlichem, obwohl es sich nicht um Teilchenstrahlen oder Materiewellen handelt. Ernest Rutherford hatte 1897 die Radioaktivität von Uran in α, β, und γ-strahlung unterschieden und schoss 1911 mit dieser α-strahlung, also mit Helium-Kernen, auf Goldfolie. Die Analyse seiner Messdaten führte ihn zum Rutherfordschen Atommodell. Bevor wir zu diesem Atommodell kommen, wollen wir uns erst einmal mit der modernen, quantenmechanischen Streutheorie befassen. Wir definieren den Streuquerschnitt σ ganz entsprechend der Kopenhagener Interpretation: Die experimentelle Ausgangsituation ist ein konstant einfallender Wahrscheinlichkeitsstrom mit einer Wahrscheinlichkeitsdichte 1; Der Kausalzusammenhang zwischen einfallendem und ausfallendem Strom wird durch die Schrödinger-Gleichung vermittelt; Gemessen wird das asymptotische Wahrscheinlichkeitsfeld. iet / In allen drei Schritten kann ein Separationsansatz für das Quantenfeld ψ ( x) e gemacht werden, da sich jeder Term der Schrödinger-Gleichung entweder auf den Ort oder auf die Zeit bezieht und nie auf beides gleichzeitig. ( k ) Einfallende Quantenfeld: ( ein) ikz, 0 Schrödinger-Gleichung: zeitunabhängig: Asymptotisches Verhalten: χ = e > Impuls: p = k Energie: 2 2 k E = 2m 2 iet / iet / tψe = Δ+ V ψe i 2m 2 Eψ = Δ+ V ψ 2m ikr ( aus) e χ = f ( θ), ( r ) r f : Streuamplitude ( ) (11-10) Die Wellenfunktionen ψ muss in einer gewissen Entfernung vom Streuzentrum mit der Überlagerung von χ (ein) und χ (aus) übereinstimmen. χ (ein) und χ (aus) sind sozusagen die Randbedingungen vonψ. Der Wirkungsquerschnitt Experimentell gemessen werden Ereignisse pro Detektorfläche pro Zeit, was durch den Wahrscheinlichkeitsstrom so ausgedrückt wird: Tübingen, den

82 76 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Definition des Stroms: Quanten -und Wirkungsfeld: Impulswahrscheinlichkeitsdicht: also: S j ρv = ρ m is / ψ ψ = ρe S = ln 2 i ψ * ψ * ψ ψ ψ * ρ S = ρ 2 2 i ψ ψ * ( ψ *) = ( ψ * ψ ψ ψ *) 2i j = ( ψ * ψ ψ ψ *) 2im Damit findet man für die einlaufenden Ströme 1 j = χ i χ χ i χ 2m 1 ikz ikz ikz ikz = e 2 i e e i e m keˆz keˆz k = e ˆz m und für die auslaufenden Ströme ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ein ein * ein ein ein * ( aus ) 1 * e e e * e j = f ( θ) i f ( θ) f ( θ) i f ( θ) 2m r 1 1 ( ik r ) r r eˆr ( ik r ) r eˆr r eˆθ θ + r eˆθ θ = 2 i f ( θ ) ( ik r ) ˆr 2mr ( ( e + ( ik+ r ) ) eˆ r * 1 1 * + f θ r eˆ f θ f θ r eˆ f θ ( θ ) 2 ikr ikr ikr ikr ( ) θ θ ( ) ( ) θ θ ( )) (11-11) (11-12) (11-13) k f 1 = eˆ ˆ 2 r + O e 3 θ m r r Damit lässt sich die Wahrscheinlichkeit für Wirkung auf das Flächenelement df eines Detektors ausdrücken: ( aus) k 2 1 (11-14) j df = f ( θ ) dω+ O m r 2 r sinθ dθdϕe ˆ r 2 r dωˆ Zur Definition des Differentiellen Wirkungsquerschnitts wird diese Wahrscheinlichkeit nun auf den einfallenden Strom normiert (oder geeicht): ( aus) j df 2 1 (11-15) dσ = f ( ein) ( θ) dω+ O j r Experimentell wird diese Größe nun durch Zählen der einfallenden und der registrierten Wirkungsquanten bestimmt:

83 11. Mechanik der Wirkungsquanten 77 Zahl der pro Zeiteinheit einfallende Wirkungsquanten: ( ) Zahl der Streuzentren Targets : Zahl der Wirkungen im Raumwinkel pro Zeiteinheit: Differentieller Wirkungsquerschnitt: Mehrfachstreuungen werden vernachlässigt. N n T ein dn aus dn dσ = nn Den totalen Wirkungsquerschnitt bekommt man durch Integration über alle Winkel. T aus ein π 2 2 Totaler Wirkungsqueschnitt: σ = Ω θ = 2π θsinθ θ d f ( ) d f ( ) sinθdθdϕ 0 (11-16) (11-17) Streuung am Kastenpotential bei kleinen Energien Bei kleinen Energien gibt es keinen Bahndrehimpuls (l=0) und die Berechnung des Wirkungsquerschnittes ist mit MAPLE relativ einfach. Zunächste bestimmen wir die stationäre, radiale Form der Schrödinger-Gleichung für die winkelunabhängige Lösung (l=0): Seperationsansatz: (11-18) Schrödinger-Gleichung: einsetzen mit Faktor: Radial-Gleichung: Kasten-Potential Wellenzahlen χ und k: Im nächsten Schritt bestimmen wir die Lösung der Radialgleichung mit u(0)=0: Radial-Gleichung für r<r: (11-19) Lösung_0 mit u(0)=0: bzw. mit (11-18): Randbedingungen bei r=r: Radial-Gleichung für r>r: Tübingen, den

84 78 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Lösung_1 mit den entsprechenden Randbedingungen: Parameter für Plot: m ist dabei die Elektronenmasse in MeV/c 2, hbar das Plancksche Wirkungsquantum in MeV fm, v 0 ist der Wert der tiefsten Bindungsenergie des Wasserstoffatoms in MeV und R ist der Bohrsche Radius in Fm. Das radiale Quantenfeld ist in Abbildung 11-9 dargestellt. Lösung der radialen Schrödinger-Gleichung für das Kastenpotential. Als Reichweite R wurde der Bohrschen Radius gewählt und als Potentialtiefe v 0 die tiefste Bindungsenergie des Wasserstoffatoms.. Die Lösung setzt sich zusammen aus einem Anteil im Potentialbereich und einem asymptotischen Anteil. Abbildung 11-9 Nun muss die asymptotische Lösung auf den Bahndrehimpuls l=0 projiziert werden. Die asymptotische Lösung nach (11-10) wird dazu mit der (konstanten) Kugelflächenfunktion Y 00 4 ( π ) 1/2 = multipliziert und über die Winkel integriert: Asymptotische Form der Lösung: bzw.: Projektion: (11-20) also: bzw.

85 11. Mechanik der Wirkungsquanten 79 Ein Koeffizientenvergleich zwischen den Lösungen in (11-19) und (11-20) liefert dann die gesucht Streuamplitude f: Vergleich (11-21) Vergleich der Koeffizientenvon sin(kr) und cos(kr): Streuamplitude: Totaler Streuquerschnitt: Totaler Wirkungsquerschnitt über 4πR 2 für das Kastenpotential mit Parametern nach (11-19). Abbildung Für sehr kleine Energien E 0 hat dieser Wirkungsquerschnitt eine einfache analytische Form: Streuamplitude: (11-22) Totaler Wirkungsquerschnitt: (für Parameter aus (11-19)) Tübingen, den

86 80 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Die Werte hängen von der Potentialtiefe und Reichweite über 0 vrab. Damit hat man bereits Information über das Streuzentrum. Unterstellt man ein Kastenpotential wie in (11-18), so kann man aus einem kleinen Energieintervall E>0 die Potentialtiefe und Reichweite einzeln bestimmen. Will man mehr Informationen über die Potentialform, muss man auch höhere Bahndrehimpulse berücksichtigen.

87 11. Mechanik der Wirkungsquanten Rutherfordsche Streuformel und Atommodell In seinem Streuversuch von 1911 beschoss Ernest Rutherford Goldfolie mit α-strahlung. Er stellte fest, dass die meiste Strahlung ungehindert durch die Folie hindurchging und nur ein kleiner Teil auf sehr charakteristische Weise abgelenkt wurde. Diese charakteristische Ablenkung ließ sich erklären durch geladene Teilchen auf Hyperbelbahnen, die an einem Zentrum gestreut werden. Rutherford leitete so den Differenziellen Wirkungsquerschnitt: (11-23) ab. Differentieller Streuquerschnitt nach Rutherford Er wurde von Rutherford für klassische Teilchen auf Hyperbelbahnen berechnet und folgt auch aus der Schrödinger-Gleichung für Streuung am Coulomb-Potential. Er divergiert für θ=0, der Totale Streuquerschnitt ist also unendlich groß. Das ist so wegen der unendlichen Reichweite des Coulomb-Potentials. Abbildung Es folgte, dass die Streuzentren 3000-mal kleiner sind als ein Goldatom. Sie haben eine positive Ladung Z2, die der Kernladungszahl entspricht. Wegen ihrer Neutralität müssen die Atome noch weitere Bestandteile haben, deren Wechselwirkung mit den α-teilchen zu klein ist, um den Wirkungsquerschnitt zu beeinflussen. Rutherford nahm an, dass es sich um Elektronen handelt, die um den Kern kreisen. Das ist das Rutherfordsche Atommodell. Tübingen, den

88 82 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Rutherfordsches Atommodell mit Kern und Elektronen, wie in einem kleinen Planetensystem. Die Rutherfordschen Streuversuche von 1911 mit α-teilchen (gestrichelte Pfeile) an Goldfolie wiesen auf einen Atomkern hin, der 3000 mal kleiner als das Atom sein sollte. Ferner ergaben sich Hinweise auf die Kernladungszahl. Direkte Hinweise auf Elektronen ergaben sich aus der Streuung nicht. Die Elektronen wurden wegen der elektrischen Neutralität der Atome in das Modell aufgenommen. Abbildung Das Rutherfordsche Atommodell löste das Thomsonsche Atommodell ab, das von Atomen mit homogener Masseverteilung ausging. Das Rutherfordschen Modell kann die Stabilität und die diskreten Linienspektren der Atome jedoch nicht erklären. Nach klassischen Vorstellungen müssten die Elektronen unter Abgabe eines kontinuierlichen Spektrums in den Atomkern stürzen. Zur Lösung dieses Problems führte Niels Bohr 1913 eine ad hoc Quantisierung der Elektronenbahnen ein. Modernes Atommodell aus Streuexperimente Im letzten Abschnitt haben wir den Wirkungsquerschnitt für eine Streuung am Kastenpotential für den Bahndrehimpuls l=0 berechnet. Mit etwas mehr Mathematik, aber im Prinzip auf die gleiche Weise, kann man auch den Streuquerschnitt für die Streuung am Coulomb-Potential anstatt dem Kastenpotential berechnen. Wegen der langen Reichweite des Coulomb-Potentials muss man allerdings alle Bahndrehimpuls l=0.. berücksichtigen. Die Rechnung führt genau auf den Rutherfordschen Streuquerschnitt in (11-23) und Abbildung Das Modell des Rutherfordschen Mini-Planetensystems bleibt so im Grunde bestehen, allerdings bezieht sich die moderne Quantenphysik ausschließlich auf die ein- und ausfallenden Ströme, die präpariert oder gemessen werden. Der Kausalzusammenhang dazwischen wird allein durch die Kontextunabhängigkeit und die Unschärfe bestimmt. Das Rutherfordsche Mini-Planeten-Modell dient allein als Bild zur Veranschaulichung, es entspricht keiner Realität. Das äußert sich vor allem daran, dass man von der Analyse der Lichspektren ein ganz anderes Bild der Atome erhält, nämlich dem eines schwingenden Wahrscheinlichkeitsfeldes, das sich über das gesamte Atom erstrecken. Das entspricht einem Wellenmodell, also genau dem Gegenteil von Streuzentren.

89 11. Mechanik der Wirkungsquanten Gebundene Quantenzustände und Spektren Neben der Streuung von Wahrscheinlichkeitsströmen für Elektronen, Nukleonen, Photonen u.ä. an Folien gewinnt man auch über die Spektrallinien des Lichts Aufschluss über die atomaren Strukturen der Materie. Das wollen wir hier an einem einfachen eindimensionalen kastenförmigen Atom nachvollziehen. Die tatsächliche Struktur der Atome ist natürlich komplizierter. Coulomb-Potential, Bahndrehimpuls und das Paulische Ausschließungsprinzip müssen berücksichtigt werden. Dann lässt sich jedoch das Periodische System der Elemente allein aus der quantenmechanisch bedingten Struktur der Atome erklären. So wird im nächsten Abschnitt eine Brücke von der Kontextunabhängigkeit der physikalischen Phänomene und ihrer natürlichen Unschärfe zu den Grundgesetzen der Chemie geschlagen. Lösung der eindimensionalen Schrödinger-Gleichung mit Kastenpotential: Schrödinger- Gleichung: (11-24) Lösungsansatz: eingesetzt und durch Ansatz geteilt: Dieser Ausdruck muss konstant sein, da die linke Seite nur von der Zeit und die rechte nur vom Ort abhängen. Die Konstante nennen wir schon mal in weiser Voraussicht E n. Zunächst lösen wir den Zeitanteil der Schrödinger-Gleichung: Lösung des Zeitanteils: (11-25) das ergibt: is / Ganz allgemein ist das Quantenfeldψ = ρe. Daher können wir E n t im Exponenten der Zeitlösung v als Wirkungsanteil und E n als Energie interpretieren. Der Ortsanteil ist ebenfalls schnell gelöst: Ortsanteils: (11-26) mit u(0)=0 ergibt das: Randbedingung u(π)=0: also: Damit kennen wir also die Energieeigenwerte und das gesamte Quantenfeld. Die Energieeigenwerte werden oft als Spektrum bezeichnet, die beobachtbaren Spektrallinien haben jedoch mit Kombinationen dieser Werte zu tun. Die Zahl n bezeichnet einen bestimmten Quantenzustand und wird daher als Quantenzahl bezeichnet. Das Gesamtquantenfeld ist eine Überlagerung unserer Lösungen. Tübingen, den

90 84 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Quantenfeld: Gesamtquantenfeld:, (11-27) Die Dynamik der Wahrscheinlichkeitsdichte ρ kommt durch den Erwartungswert des Orts gut zum Ausdruck. Wir beschränken uns auf die Überlagerung der drei niedersten Energiewerte: Ortserwartungswert: (11-28) Gesamtwellenfunktion: damit: Parameter für Plot: Abbildung zeigt das zeitliche Verhalten einmal für einen so genannten gemischten Zustand und einmal für einen so genannten reinen Zustand, wo also nur ein Koeffizient c 3 =1 und alle anderen 0 sind.

91 11. Mechanik der Wirkungsquanten 85 Ortserwartungswerte des eindimensionalen Kastenatoms für zwei verschiedene Sätze von Koeffizienten c n. Links sieht man die komplexe Oszillation des gemischten Zustanden (c 3 =1, c 2 =1,c 3 =1). Rechts für einen reinen Zustand (c 3 =1, c n =0 sonst) hängt der Ortserwartungswert nicht von der Zeit ab. Abbildung Die zeitliche Ableitung der Wahrscheinlichkeitsdichte ist entsprechend den Maxwell-Gleichungen des nächsten Kapitels Quelle des elektromagnetischen Feldes und so würde das Atom im linken Diagramm Abbildung ein elektromagnetisches Feld abstrahlen, das im rechten Diagramm nicht. Es wird klar, dass Atome nur in einem gemischten Zustand elektromagnetische Wellen abstrahlen, nicht jedoch in einem reinen Zustand. Die übliche Argumentation, dass sich ein A- tom in einem reinen angeregten Zustand befindet und durch Abgabe der Energie in einen energetisch niedrigeren Zustand hüpft, ist nicht ganz korrekt. Wenn man die genauen Intensitätsverhältnisse der elektromagnetischen Wellen und ihre Abschwächung durch Ausbreitung im Raum unberücksichtigt lässt, bekommt man durch eine Fouriere-Transformation des Ortserwartungswertes einen ganz guten Eindruck des beobachteten Spektrums. Amplituden: (11-29) Fourier-Transformierte des Ortserwartungswertes: Um dieses Spektrum graphisch darzustellen, muss man über kleine ω-intervalle integrieren. Das entspricht ganz genau dem Vorgehen beim Messen. Es gibt keine unendlich kleinen Detektoren. Unterteilt man den ω-breich von 0 bis 3 /m in 250 Abschnitte, ergibt sich Abbildung Tübingen, den

92 86 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Abgestrahlte Frequenzen eines Kastenpotentials im Zustand c 1 =c 2 =c 3 =1. Die Frequenzen entsprechen der Frequenzen eines elektromagnetischen Feldes, dessen Quelle die Wahrscheinlichkeitsdichte ρ ist. Somit sehen wir hier im Prinzip die Spektrallinien dieses eindimensionalen Kastenatom. Abbildung Aus (11-28) sehen wir, wie die Winkelgeschwindigkeiten ω in Abbildung mit den Energieeigenwerten der Schrödinger-Gleichung zusammenhängen: Energien: (11-30) Winkelgeschwindigkeiten: also:, Genau bei diesen Winkelgeschwindigkeiten finden wir in Abbildung auch die Spektrallinien. Damit haben wir den Zusammenhang hergestellt zwischen der Präparation des Atoms, der Zeitentwicklung des Wahrscheinlichkeitsfeldes für bestimmte Wirkungen und der Beobachtung des Spektrums. Die Präparation in bestimmte Zustände findet in der Regel durch Stöße der Atome im thermischen Gleichgewicht statt. Diese umfassende Betrachtung zeigt vor allem, dass atomare Wirkungen nur zu elektromagnetischen Wellen führen können, wenn Sie sich in einem Gemisch aus Eigenzuständen befinden. Die üblicherweise verbreitete Vorstellung, dass im Quantensprung die Atome von einem reinen Eigenzustand in den anderen übergehen und dabei ihre Energie an das elektromagnetische Feld abgeben, ist sehr grob. Zu beachten ist auch, dass das Spektrum auf Wahrscheinlichkeitsamplituden beruht. Auch das elektromagnetische Feld hat damit den Charakter eines Wahrscheinlichkeitsfeldes für das Ansprechen eines Detektors. Man sagt dann, dass dieser Detektor Photonen registriert.

93 11. Mechanik der Wirkungsquanten Das periodische System der Elemente Das Periodensystem stellt alle chemischen Elemente mit steigender Kernladung entsprechend ihren chemischen Eigenschaften geordnet dar. Die chemischen Eigenschaften beruhen auf den Strukturen der atomaren Wahrscheinlichkeitsdichten. In der relativ einfachen Rechnung in Abschnitt 11.5 haben wir gesehen, wie es bei negativen E- nergien E n <0 in einem 'Kastenatom' zu diskreten Quantenzuständen kommt. Berücksichtigt man in drei Dimensionen die richtige Potentialform und den 'Elektronenspin', so findet man den Grund für die chemischen Eigenschaften der Elemente. Schrödinger-Gleichung mit Coulomb-Potentatial Um den Zusammenhang zwischen atomarer Struktur und Periodensystem herzustellen, muss man Lösungen der dreidimensionalen Schrödinger-Gleichung betrachten. Wie in den Rechnungen zur Streuung in Abschnitt 11.4 kann man die dreidimensionale Wellenfunktion in Radial- und Winkelanteile zerlegen und erhält dann so genannte Radial- und Drehimpulsquantenzahlen n und l. Schrödinger-Gleichung: (11-31) Coulomb-Potential: Ansatz für das Quantenfeld: Energie-Eigenwerte: Die Quantenzahl n zählt dabei die radialen Anregungen und l die Anregungen der Winkelfreiheitsgrade. Die Winkelfreiheitsgrade werden durch die Kugelflächenfunktionen Y lm beschrieben, die mit dem Bahndrehimpuls verknüpft sind. Zu jedem l { 0,1, 2, } gibt es 2l+1 Orientierungsmöglichkeiten m { l, l+ 1, 1,0,1,, l}. Die Bahndrehimpulse werden in der l 0,1, 2,3, s, p, d, f,. Spektroskopie oft auch mit Buchstaben bezeichnet: { } { } Spin-Freiheitsgrade Wie bereits erklärt, sind atomare Zustände weder Teilchen noch Wellen, sondern Wirkungsquanten, also Wahrscheinlichkeitsfelder für bestimmte Wirkungen auf Detektoren. Bildlich stellen wir sie uns als Elektronen vor. Diese haben einen weiteren Freiheitsgrad, der sich etwa beim Stern- Gerlach-Versuch zeigt. Ein atomarer Wahrscheinlichkeitsstrom, oder Atomstrahl, wird wie in Abbildung in einem inhomogenen Magnetfeld in zwei Teilstrahlen getrennt. Diese Aufspaltung wird darauf zurückgeführt, dass Elektronen auf zwei unterschiedlichen Arten erscheinen, die eine wird nach oben, die andere nach unten abgelenkt. Weitere Untersuchungen zeigen, dass dieser Freiheitsgrad etwas mit einem Drehsinn, dem Elektronenspin zu tun hat. Das heißt jedoch nicht, dass Elektronen kleine Kügelchen sind, die sich um sich selber drehen! Auf jeden Fall ist auch dieser Freiheitsgrad wichtig die Begründung des Periodensystems. Tübingen, den

94 88 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Stern-Gerlach-Versuch: Ein Atomstrahl wird in einem inhomogenen Magnetfeld in zwei Teilstrahlen aufgespalten. Daraus schließt man auf einen inneren Freiheitsgard der Elektronen, der als Spin bezeichnet wird. Abbildung Durch den Spin gibt es auch eine weitere Wechselwirkung der Elektronen im Atom, die so genannte Spin-Bahn-Wechselwirkung. Berücksichtig man diese, so hat das Energieschema eines Atoms die in Abbildung dargestellte Struktur. Schema der atomaren Energieniveaus oder Energieeingenwerte für das Coulomb-Potential. Die Korrekturen für die Spin-Bahn- Wechselwirkung sind durch die Pfeile angedeutet. Abbildung Die Schrödinger-Gleichung für mehrere Wirkungsquanten und das Pauli-Prinzip Jedes Wirkungsquantum in einem Atom kann sich in einem Gemisch aus Energieeigenzuständen befinden, wie es etwa in (11-27) formuliert wurde. Nun kann ein Atom auch mehrere Wirkungsquanten bzw. Elektronen aufnehmen, wobei jedes einzelne einen solchen gemischten Zustand einnehmen kann. Stur nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit ist dann die Gesamtwahrscheinlichkeitsdichte für das Atom gleich dem Produkt der Wahrscheinlichkeitsdichten der einzelnen Quanten bzw. Elektronen. Die Energien der einzelnen Quanten addieren sich 3. 3 Das gilt, solange man keine Wechselwirkung zwischen Wirkungsquanten berücksichtigt.

95 11. Mechanik der Wirkungsquanten 89 Wahrscheinlichkeitsdichte für N Quanten: Energie: ρ ρ ρ ρ ( x, x,, x ) = ( x ) ( x ) ( x ) 1 2 N N N E = E1+ E E Gesamt- Energie Energie von Elektron 2 N (11-32) Bei Wechselwirkung der Elektronen untereinander gibt es noch Korrekturen. Nun müssen wir berücksichtigen, dass Wirkungsquanten keine Elemente unserer Wahrnehmung sind, sondern vielmehr den Kausalzusammenhang zwischen Quellen und Detektoren beschreiben. Das hat zur Folge, dass wir die einzelnen Quanten nicht unterscheiden können. Wir können also nie behaupten, dass das Quant i tatsächlich im Zustand i ist. Genauso gut kann das Quant i im Zustand j und das Quant j im Zustand i sein. Da das Wirkungsquantum durch das Quantenfeld ψ beschrieben wird, hat das eine merkwürdige Konsequenz: Wahrscheinlichkeitsdichte: 2 2 ρ( xi, xj) = ψi( xi) ψ j( xj) = ψi( xj) ψ j( xi) also: Kann nicht unterschieden werden! ψi( xi) ψ j( xj) =± ψi( xj) ψ j( xi) Austausch der Quanten ± (11-33) Alle Wirkungsquanten, für die das '-' Zeichen zu wählen ist, bezeichnet man als Fermionen; dazu gehören die Elektronen, Protonen, Nukleonen und Quarks. Für Wirkungsquanten, die Wechselwirkung vermitteln, wie die Phontonen oder Mesonen, gilt das '+' Zeichen. Tauscht man den Zustand von zwei Elektronen in einem Atom aus, erhält die Wellenfunktion ein '-' Zeichen. Das hat fundamentale Konsequenz, vor allem auch für den Aufbau der Materie und das Periodensystem. Es bedeutet nämlich, dass zwei Wirkungsquanten i,j nicht im selben Zustand k sein können. Denn denn wegen a = -a a = 0 ist ψk ( xi) ψk ( xj) = ψk ( xj) ψk ( xi) = 0 also ρ, = 0 ( xi xj) Minuszeichen wegen Vertauschen (11-34) Das hat zur Folge, dass die Zustände in Atomen bei hinreichend niederer Temperatur sukzessive von den tiefsten Energien zu den höheren aufgefüllt sind. Ohne diese Austauschsymmetrie oder Pauli-Prinzip würden die Elektronen nur die tiefsten Energiezustände besetzen. Davon hängen nun die chemischen Eigenschaften der Elemente ab. Abbildung zeigt, dass die atomaren Energieniveaus eine schalenartige Struktur aufweisen. Eine volle Schale bewirkt die chemische Inaktivität der Edelgase. Atome mit einer fast vollen Schale reagieren besonders aktive mit Atomen, denen gerade noch ein Elektron zum Füllen der äußersten Schale fehlt. Sie teilen sich sozusagen ein Elektron, was sie aus energetischen Gründen stark verbindet. Abbildung zeigt die daraus folgende Ordnungsgrundstruktur des Periodensystems. Tübingen, den

96 90 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Die Ordnungsgrundstruktur des Periodensystems oder die chemischen Eigenschaften eines Elements ergeben sich im Wesentlichen aus der Besetzung der äußersten Schale. Atome mit gefüllten Schalen sind Edelgase. Fehlt ein Elektron in der äußersten Schalen, handelt es sich um Halogene, hat die äußerste Schale gerade ein Elektron, so handelt es sich bei dem Element um ein Alkalimetall. Im Periodensystem werden Elemente mit vergleichbaren chemischen Eigenschaften untereinander angeordnet. Abbildung Zu klären ist noch, wie viele Elektronen in jeder Schale Platz haben. Dazu müssen die Freiheitsgrade abgezählt werden. Schale Hauptqantenzahl N, Besetzungsmöglichkeiten Insgesamt Drehimpuls s, p, d, f,.. N Spin K 1 s 2 1= 2 2 L 2s2p 2 ( 1+ 3) = 8 10 M 3s3p 2 ( 1+ 3) = 8 18 N 4s3d4p 2 ( ) = O 5s4d5p 2 ( ) = P 6s4f 5d6p 2 ( ) = Q 7s5f 6 d... Schema wird komplexer ( ) Anzahl der möglichen Elektronen pro Schale. N zählt die radialen und winkel-anregungen. In der K-Schale gibt es nur zwei Spin-Freiheitsgrade. Zur L-Schale gehören eine radiale Anregung (2s) und drei mal eine Winkelanregung (2p), zusammen mit den Spinfreiheitsgraden also 8 Freiheitsgrade. Die höheren Schalenstrukturen ergeben sich entsprechend Abbildung Genau diese Struktur finden wir im Periodensystem wieder. Abweichungen findet man lediglich bei und Actinium-Lanthan, Kupfer, Chrom, was jedoch auf eine Beeinflussung der Schalen untereinander zurückgeführt werden kann.

97 11. Mechanik der Wirkungsquanten 91 Periodensystem der Elemente. Abbildung Weitere Phänomene Halbleiter -> Transistor, Computer, Leuchtdioden Laser -> Barcodescanner Supraleiter Tübingen, den

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99 Elektrodynamik und spezielle Relativitätstheorie Die letzten drei Kapitel 9, 10 und 11 befassten sich mit Phänomenen der mechanischen Grundgleichungen. Diese folgen aus dem kontextunabhängigen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung. Ursache und Wirkung beziehen sich dabei, auch in der Quantenmechanik, auf klassische, also bewusst erlebbare Objekte. Damit werden jedoch nicht alle Aspekte des kontextunabhängigen Kausalzusammenhanges erfasst. Es bleibt ein ganzheitlicher Aspekt der Kausalität übrig, der sich in so genannten Eichfreiheitsgraden des Wirkungsfeldes äußert. Rein formal ist das so: Beobachtbar sind immer die Objekte, und gemessen werden die auf sie wirkenden Kräfte. Durch Integration dieser an den Objekten festgestellten Kräfte über Ort und Zeit kommt man zum Wirkungsfeld. Damit ist das Wirkungsfeld jedoch nicht vollständig bestimmt. Es gibt Beiträge zum Wirkungsfeld, die nicht unmittelbar in den Kräften auf die Objekte in Erscheinung treten. Man nennt diese Beiträge 'Eichfreiheitsgrade'. Diese führen direkt zur Elektrodynamik. Hier nehmen wir schon die Formulierung der Invarianz der Lichtgeschwindigkeit mit Vierer-Vektoren vorweg, die in Abschnitt 12.5 detailliert ausgeführt wird. Eichung: ( Objekte) ( Eichung) S S = S + S Wirkungsfeld mit Eichfreiheitsgraden ( Objekte) ( Impuls) Eichfelder: μs eaμ = e ϕ, A Energiesatz: Kontinuität der Kraftfelder: pμ ( Eichung) ( ) Konventionelle Bezeichnung ( Eichung) μ ds ds = μs dx + μs dx eaμ ( Eichfelder) 2 2 ds 2 2 mc ( ) ( ) 2 0 = m0 = c E+ eϕ p+ ea dτ = c E + p 2c Eeϕ+ 2ep A e ϕ + e A Mechanik Elektromagnetische Wechselwirkung Elektrodynamik Quelle der Quantenmechanische Elektromagnetischer elektromagne- Wahrscheinlichkeits- Mechanischer Krafttensor tischen Felder dichte Viererimpuls c ν ν Aμ = jμ = ρ pμ Kontinuitätsgleichung für den elektromagnetischen Feldtensor Diese Kontinuitätsgleichung entspricht den in der Elektrodynamik üblichen μ 2 2 ( c t Δ) 1 ( φ ) μ μ μ Potentialgleichungen: A = μ0 j mit A c, A μ j ρ ( cv, ) (12-1) (12-2) Die magnetische Feldkonstante μ 0 dient dabei zur Anpassungen an das System der Maßeinheiten. Tübingen, den

100 94 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene 12.1 Allgemeine Lösung für die Potentialgleichung Wegen der Linearität der Potentialgleichungen (12-2) kann man ihre Lösung für Punktladungen an den Postitionen r zu einer Lösung für beliebige Ladungsverteilungen ( ρ r, t ) verallgemeinern. Um eine Lösung der Potentialgleichung für Punktladungen zu finden, führen wir zunächst eine kleine Nebenrechnung durch: ik r r ikr mit R r r : 2 e e (12-3) ( Δ+ k ) = 2 RR R + k r r R R ikr = 2 RR R + k e R R R R R R ikr = 2 R( 1+ R R) + k e R R 2 R+ R+ R R ikr = ( R + k ) e R ik r r ik r r r r = R 0: 2 e 2 2 e ( Δ+ k ) = ( k + k ) = 0 r r r r Allgemein: ik r r ikr ikrk 3 2 e 2 3 e 2 e dr( Δ+ k ) = k dr + d f K( RK) r r K( RK ) r K( RK ) R 2 K RKdϑdφ R ikr 2 e 4π 0 also: ik r r e r r 2 ( Δ+ k ) = 4πδ ( r r ) r dr r K( R K ) R K 0 = πr 1 ik + e 2 ikrk 4 K 4 2 R RK 0 K R K π Um die Zeitabhängigkeit in der Potentialgleichung richtig zu erfassen, betrachten wir noch

101 12. Elektrodynamik und spezielle Relativitätstheorie 95 δ 1 1 i ( ) ( ωt ± t c r r t t± c r r ) 1 e = dω r r 2π r r iω ( t t) ω 2 1 iω ( ± c r r ) = dωe Δ e 2 2π c r r 2 k = 4πδ ( t t ) δ ( r r ) πδ ( r r ) Damit können wir nun die allgemeine Lösung für die Potentialgleichungen in (12-2) angeben: Potentialgleichungen: Allgemeine Lösung: Beweis: A μ = μ j (, ) 0 μ μ = 4π 3 μ 0 A r t d r Retardierung μ 1 (, ) μ μ 3 0 = 4π 3 0 μ (, ) = (, ) 4 1 ( ) 1 t c r r μ μ δ ( t ) A r t d rdtj r t 4π = μ j 0 j r t c r r r r j ( r, t ) drdt δ t c r r t r r μ r r πδ ( t t ) δ ( r r ) 4 (12-4) (12-5) Tübingen, den

102 96 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene 12.2 Strahlung eines Hertzschen Dipols Wir wollen nun sehen, wie eine sich zeitlich ändernde Ladungsverteilung zu elektromagnetischen Wellen führt. Wir betrachten dazu eine sehr kurze, vertikale Sendeantenne. Sie soll so kurz sein, dass der Abstand der Ladungen vom Antennenmittelpunkt im Vergleich zum Abstand der Empfangsantenne keine Rolle spielt. Dann sind die Raumintegrationen relativ einfach. Eine solche kleine Sendeantenne bezeichnet man als Hertzschen Dipol. Hertzscher Dipol: ρ( rt, ) = lim q δ ( r at ()) δ ( r), a= acos( ωte ) ˆ max a 0 qmax a > 0 Positive Ladung Negative Ladung auf Bahnkurve am Ursprung Strom des j( r, t) = v( r, t) ρ ( r, t) Hertzschen Dipols: 3 3 drj ( r, t ) = q d rv ( δ ( r a() t ) δ ( r )) und = qa = qaωsin ωt eˆ ( ) Dafür können wir nun das Vektorpotential nach (12-5) direkt angeben: Gleichung für μ0 1 3 Art (, ) = dtdrjrt (, ) δ t r/ c t Vektorpotential: 4π r ωsin( ω ) ( siehe oben) z ( ) 0 (, ) ωˆ sin ( ω ) δ ( / ) A0 ( Konstante) qa t eˆ z also: μ 1 Art qa ez dt t t r c t 4π r μ0 1 = qaωeˆ z sin ( ω( t r / c) ) 4π r μ sin 0 ( kr ωt ) = qak eˆ z, ( k = ω / c) 4π c r z (12-6) (12-7) Dies können wir nun mit MAPLE weiter verarbeiten. Magnetisches Feld (12-8) Elektrisches Feld Feldlinien Für die Darstellung der Wellenausbreitung berechnen wir die Feldlinien. Raumpunkte ändern sich entlang diesen Feldlinien so, dass der Änderungsvektor dr ( r, ϑ ) entlang der Feldlinie keine zu der Feldlinie senkrechten Komponenten hat. Bestimmungsgleichung (12-9)

103 12. Elektrodynamik und spezielle Relativitätstheorie 97 Punkt auf einer Feldlinie Totales Differential also Diesen Ausdruck und das elektrische Feld setzen wir nun in die Bestimmungsgleichung (12-9) ein und betrachten die Koeffizienten von dr und dtheta. Die Bestimmungsgleichung ist erfüllt, wenn diese Koeffizienten verschwinden. Die beiden Koeffizientengleichungen können durch ein Potential erfasst werden. Koeffizienten (12-10) Potential: also Parameter für Plot Auf den Höhenlinien des Potentials sind dann die Koeffizientengleichungen und damit die Bestimmungsgleichung für die Feldlinien erfüllt. Die Höhenlinien des Potentials in Abbildung 12-1 sind also Feldlinien. Tübingen, den

104 98 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Elektrische Feldlinien eines Hertzschen Dipols zu verschiedenen Zeiten t. Man sieht einen Schnitt durch die y=0-ebene. Die Feldlinien sind Rotationssymmetrisch um die z-achse. Am Ort des Dipols im Zentrum entstehen Wellenzentren, die sich dann mit der Zeit nach außen ausbreiten. Animation: Abbildung 12-1 Wir verstehen so, wie die elektromagnetischen Wellen für Rundfunk, Fernsehen und Handys erzeugt werden. Befindet sich eine Antenne im Feld, so wirkt auf die elektrischen Ladungen in der Antenne eine Kraft in Richtung der Feldlinien, so dass die Ladungen in der Antenne zu einer oszillierenden Bewegung angeregt werden. Für Funkübertragungen im Radio, Fernsehen, Handy usw. wird dieser Strom verstärkt und analysiert. Die Informationsübertragung geschieht durch Amplituden- oder Frequenzmodulation. Weitere Phänomene der Elektrodynamik Beugung, Brechung; Strahlenoptik (Linsen, Brillen, Photographie); Elektrizität, Magnetismus; Kraftmaschinen,

105 12. Elektrodynamik und spezielle Relativitätstheorie Spezielle Relativitätstheorie Eine bedeutende Eigenschaft der elektrodynamischen Grundgleichungen ist, dass sie nicht vom Bezugssystem abhängen. Im Gegensatz dazu breiten sich Wellen in Feststoffen, Wasser oder Luft immer mit einer Geschwindigkeit relativ zum Medium aus. In den Wellengleichungen taucht daher immer die Geschwindigkeit des Beobachters relativ zum Medium auf. Nicht jedoch in der Elektrodynamik! Da die Gleichungen in allen Bezugssystemen gelten, folgt, dass die Ausbreitung von Lichtsignalen nicht auf Schwingungen eines Mediums basiert. Das ist nun nicht etwas ganz Neues. Auch die Quantenmechanik gründet sich nicht auf Ausbreitung von Masseteilchen oder Materiewellen, sondern auf den kontextunabhängigen Zusammenhang zwischen messbaren Ursachen und Wirkungen, den Kausalzusammenhang. So ist es wohl auch hier in der Elektrodynamik. Elektrodynamische Phänomene beziehen sich auf die konkrete Beobachtung und nicht auf einen fiktiven Vorgang in einer absoluten Raumzeit. Wir können Lichtquellen und beleuchtete Objekte wahrnehmen, nicht jedoch Licht zwischen Ursache und Wirkung. Elektromagnetische Felder sind mathematische Hilfsmittel und keine Tatsachen in Raum und Zeit. Auch den Raum können wir nicht wahrnehmen, nur Bilder räumlicher oder auch zeitlicher Zusammenhänge in Koordinatensystemen. Unmittelbare Messungen der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichtes etwa von Ole Rom 1676 oder Michelson und Morley 1881 bestätigten das schon vor einiger Zeit, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Lichtsignalen unabhängig vom Bezugssystem ist. Die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum c ist eine Naturkonstante. Einstein begründete 1905 darauf die Spezielle Relativitätstheorie. Er leitete so den berühmten Zusammenhang zwischen Energie und Masse E=mc 2 her, dessen Gültigkeit sich in der Atomkraft und der Atombombe äußert. Weitere Folgerungen dieser Theorie sind die relativistischen Längenkontraktion und Zeitdilatation, die etwa für die Globalen Positionierungssysteme (GPS, Galileo) relevant sind. Galilei-Transformation Die Galilei-Transformation führt zu Problemen mit der Unabhängigkeit des Wirkungsfeldes vom Bezugssystem; dies ist in Teil II dieses Skriptes ausgeführt. Auch die Unabhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit vom Bezugssystem ist nicht kompatibel mit den Transformationseigenschaften eines absoluten Raum-Zeit-Koordinatensystems, also mit der Galilei-Transformation. Dies ist leicht einzusehen. Die Galilei-Transformation beschreibt den Zusammenhang zwischen den Koordinaten (x,t) in einem Bezugssystem und den Koordinaten (xb,xt) in einem System, das eine Geschwindigkeit v relativ zu ersterem hat. Das Licht breitet sich im ersten System mit der Geschwindigkeit c und im zweiten mit cb aus. Wir rechnen nun mit der Galilei-Transformation aus, das aus c=cb auch (x,t)=(xb,t) folgt, dass eine Galilei-Transformation also nicht möglich ist. Galilei Transformation: (12-11) Lichtweg in x: Lichtweg in xb: Annahme: Folgerung: Um die Transformation von ( x, t) nach ( xb, tb) zu finden, die der Kontextunabhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit c gerecht wird, betrachten wir die Ausbreitung ein- und desselben Lichtsignals in verschiedenen Bezugssystemen. Das besondere ist, dass sich das Lichtsignal in jedem Be- Tübingen, den

106 100 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene zugssystem auf einer Kugeloberfläche mit wachsendem Radius c t bzw. c tb ausbreitet. In einem dreidimensionalen Raum-Zeit-Diaramm (x,y,t) sieht das wie die Ausbreitung auf einem Kegelmantel aus, einem so genannter Lichtkegel. Für die gesuchte Transformation machen wir einen allgemeinen, linearen Ansatz. Bedingung für Lichtkegel: (12-12) oder Ansatz für Transformation: Γ,δ,a und b sind zu bestimmende Konstanten. Der Einfachheit halber gehen wir davon aus, dass die konstante Relativgeschwindigkeit v der Bezugssysteme in x-richtung verläuft. Als erstes lässt sich der Parameter δ festlegen durch die Annahme, dass es sich beim System ( xb, tb) um das Ruhesystem handelt; denn im Ruhesystem sind die Raumkoordinaten unabhängig von der Zeit. Wir betrachten eine Bewegung in x-richtung, eine so genannte Weltlinie: Weltlinie: (12-13) Transformierte Weltlinie: Im Ruhesytem: also: Transformation: Die restlichen Parameter folgen aus der Invarianz oder Kontextunabhängigkeit des Lichtkegels. Invarianz des Lichtkegels: (12-14) Mit Transformation: Koeffizientenvergleich in x 2, t 2 und x t: Lösung mit entsprechender Vorzeichenwahl: Lorentz-Transformation:

107 12. Elektrodynamik und spezielle Relativitätstheorie 101 Damit haben wir die berühmte Lorentz-Transformation hergeleitet. Sie basiert allein auf der Invarianz der Lichtgeschwindigkeit. Γ= 1 v / c gestreckt. Die 2 2 Ort und Zeit werden rotiert und durch den Gamma-Faktor ( ) 1/2 Form des Gamma-Faktors ist in Abbildung 12-2 dargestellt. Gamma-Faktor der Lorentz-Transformation. Für kleine Geschwindigkeiten v im Vergleich zum Licht c ist der Faktor gleich 1. Da passiert nicht viel. Geht v gegen c, so wächst der Faktor ins Unendliche. Abbildung 12-2 Mit der Lorentz-Transformation können wir nun Weltlinien oder Ereignisse von einem Bezugssystem ins andere transformieren. Per Konstruktion bleibt dabei die Lichtgeschwindigkeit unverändert. Das sehen wir in Abbildung Die durch Sterne gekennzeichneten Ereignisse verschieben sich auf dem Lichtkegel, ganz in Übereinstimmung mit dem Dopplereffekt. Die Öffnung des Kegels bleibt jedoch gleich, was an den gestrichelten schwarzen Linien abgelesen werden kann. Tübingen, den

108 102 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Lorentz-Transformation vom Ruhesystem des Beobachters A in das des Beobachters B. Die Relativgeschwindigkeit der beiden ist v=c/2. An den gestrichelten schwarzen Linien ist abzulesen, dass die Lichtgeschwindigkeit in beiden Systemen c=1 ist. Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse im linken Bild ist im rechten aufgehoben. Der Dopplereffekt ist an der Verschiebung der Sterne auf dem Lichtkegel zu erkennen. Abbildung 12-3 Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse im linken Bild von Abbildung 12-3 ist im rechten aufgehoben. Im Gegensatz zur Galilei-Transformation gibt es keine Karte, in der beide Beobachter gleichzeitig ihre Zeit-und Raumabstände ablesen können. Jeder Bebachter braucht eine eigene Karte für sein Ruhesystem. Das meint man wenn man sagt, dass Raum und Zeit relativ sind. Es gibt nicht die eine Raumzeit, die für Beobachter A und B gemeinsam gilt. Der Grenzfall v/ c 1oder nochmals die Galilei-Transformation Im Grenzfall kleiner Geschwindigkeiten geht die Lorentz-Transformation (12-14) in die Galilei- Transformation über: Lorentz-Transformation: (12-15) lim c : Das Zwillings-Paradoxon Auf der Lorentz-Transformation gründet sich das berühmte Zwillingsparadoxon. Auf einer kosmischen Reise entfernt sich ein Zwilling von seinem Bruder, dem Nesthocker. Nach einer gewissen Zeit kehrt er zu ihm zurück und stellt fest, dass er weniger gealtert ist als sein Bruder. Der Grund dafür wird klar, wenn wir die verschiedenen Ruhesysteme in Abbildung 12-4 betrachten. Für den Nesthocker vergehen bis zur Wiedervereinigung zwei Zeiteinheiten. Im Bezugssystem des Reisenden vergeht jedoch vom Start bis zum Umkehrpunkt und von da zurück zum Bruder jeweils weniger als eine Zeiteinheit. Insgesamt vergeht für ihn also weniger Zeit als für den Nest-

109 12. Elektrodynamik und spezielle Relativitätstheorie 103 hocker. Die Ursache dafür sind die durch die Invarianz der Lichtgeschwindigkeit bedingten verzerrten räumlichen und zeitlichen Bezüge in den verschiedenen Koordinatensystemen. Ruhesysteme des Nesthockers und des Reisenden während der Reisezeit. Die Unterschiede in den räumlichen und zeitlichen Bezügen werden durch die Tatsache erzwungen, dass die Lichtgeschwindigkeit in jedem System den selben Wert c=1 hat. So kommt es, dass die Reisezeit für den Nesthocker 2 Zeiteinheiten beträgt, für den Reisenden jedoch deutlich weniger. Daran ist nichts paradox. Abbildung 12-4 Die beiden Brüder entfernen sich zunächst voneinander, um sich dann wieder treffen. Keines der beiden Bezugssysteme ist bevorzugt. So erscheint es zunächst paradox, dass nach der Wiedervereinigung der ein jünger sein soll als der andere. Abbildung 12-4 löst das Paradoxon jedoch auf. Der Reisende wechselt die Bezugssysteme, während sein Bruder immer im selben Bezugssystem bleibt. Dadurch wird die zeitliche Symmetrie zwischen den beiden Brüdern gebrochen. Atmosphärische Myonen Realistischer als das Zwillingsparadoxon, jedoch genauso aufregend, ist die Geschichte der atmosphärischen Myonen. Myonen ähneln sehr den Elektronen, sind jedoch fast 200-mal so schwer. Sie entstehen durch die kosmische Höhenstrahlung etwa 10 km über der Erdoberfläche und zerfallen nach etwa 2 Mikrosekunden zu Elektronen und Neutrinos. Die Geschwindigkeit der atmosphärischen Myonen entspricht fast der des Lichtes, wegen der kurzen Lebensdauer kommen sie aber gerade ein paar hundert Meter weit. Lebensdauer: (12-16) Lichtgeschwindigkeit: Myon-Geschwindigkeit: Myon-Weg: Verblüffend ist zunächst, dass diese atmosphärischen Neutrinos trotzdem in Labors auf der Erdoberfläche nachgewiesen werden. Naiv denkt man, dass sie in 10 km über der Erdoberfläche bereits zerfallen müssten. Im Rahmen der speziellen Relativitätstheorie ist dies jedoch leicht zu erklären. Wegen ihrer extrem hohen Geschwindigkeit schrumpft die Entfernung zwischen Ort der Erzeugung und Erdoberfläche eben auf wenige hundert Meter zusammen, die leicht überwunden werden können. Die Verhältnisse sind in Abbildung 12-5 dargestellt. Tübingen, den

110 104 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene Atmosphärische Myonen entstehen etwa 10 km über der Erdoberfläche. Sie legen in ihrem Ruhesystem links etwa 600 Meter zurück, bevor sie wieder zerfallen. Da ihre Geschwindigkeit jedoch fast der des Lichtes entspricht, ist für sie der Abstand zur Erdoberfläche rechts im Bezugssystem des irdischen Labors stark kontrahiert. In diesem Bezugssystem legen sie weit mehr als 10 km zurück und können auf der Erdoberfläche nachgewiesen werden. Abbildung 12-5

111 12. Elektrodynamik und spezielle Relativitätstheorie Äquivalenz von Energie und Masse Die spezielle Relativitätstheorie erklärt die Quelle der Kernkraft und der Atombombe. Diese sind reine Konsequenzen der Kontextunabhängigkeit des Kausalzusammenhanges und der Lichtgeschwindigkeit. Um das einzusehen, ist es sinnvoll, Vierervektoren einzuführen. Sie werden der Invarianz der Lichtgeschwindigkeit oder der Lorentz-Invarianz gerecht. Zusammen mit dem Vierer-Skalarprodukt bilden sie den so genannten Minkowski-Raum. In dem ergeben sich zwanglos die Äquivalenz von Energie und Masse und der relativistische Energiesatz. Minkowski-Raum und Lorentz-Transformation Die Lorentz-Transformation im letzten Abschnitt verknüpft die Zeit mit den Komponenten eines Ortsvektors. Daher ist es sinnvoll, die Zeit als vierte Komponente des Ortsvektors zu betrachten und ein entsprechendes Skalarprodukt einzuführen. Vierer-Ortsvektor: (12-17) Metrik: Vierer-Skalarprodukt: ( ) ( ) ViererSkal: = x_ mu, y_ mu x_ mu g_ mu_ nu y_ mu Bedingung für Lichtkegel: Also wie es sein soll: Die Bedingung für die Lichtausbreitung auf einem Lichtkegel läst sich so also sehr einfach als Vierer-Skalarprodukt des Ortsvektors formulieren. Vor allem ist wichtig, dass das Skalarprodukt eine vom Bezugssystem unabhängige Größe oder kontextunabhängig ist. Man hat so also eine invariante Formulierung der Lichtausbreitung. Um das noch deutlicher zu machen, formulieren wir die Lorentz-Transformation des letzten Abschnittes als lineare Abbildung im Minkonwski-Raum und beweisen die Invarianz des Vierer- Skalarproduktes unter Lorentz-Transformationen. Bei der Lorentz-Transformation beschränken wir uns der Einfachheit halber wieder auf eine Bewegung in x-richtung. Man kann das Koordinatensystem ja immer so wählen. Gamma-Faktor: (12-18) t Lorentz-Matrix: Lorentz-Transformation: Tübingen, den

112 106 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene also: Wichtig ist nun die Invarianz des Vierer-Skalarprodukts aus (12-17) unter der Lorentz-Transformation: Beliebige Vierer-Vektoren im (12-19) Bezugssystem 1: Lorentz-transformierte Vierer- Vektoren im Bezugssytem 2: Im Bezugssystem 1: Im Bezugssystem 2: Also ist das Vierer-Skalarprodukt unabhängig vom Bezugssystem! Dies rechtfertigt die Vierervektoren, sie bilden einen Vektorraum, den so genannten Minkowski-Raum. Eigenzeit und Vierergeschwindigkeit Als invariante Zeitskale ist die Eigenzeit von Bedeutung, also die Zeit im Ruhesystem. Der Vierer-Geschwindigkeitsvektor soll ja auch ein Lorentz-Vektor sein. Dies geht nur durch Ableiten des Vierer-Ortsvektors nach einer invarianten Variablen, also der Eigenzeit. Die Eigenzeitskala erhält man durch eine Lorentz-Tranformation ins Ruhesystem, also mit v=x/t. Transformierter Vierer-Ortsvektor: (12-20) Vierte Komponente: Für Transformation ins Ruhesystem: Also gilt für die Eigenzeit: Damit kann nun die Vierer-Geschwindigkeit abgeleitet werden. Definition: Kettenregel: (12-21) mit ist

113 12. Elektrodynamik und spezielle Relativitätstheorie 107 Mit ist Also ist die Vierer-Geschwindigkeit Die Länge der Vierer-Geschwindigkeit ist die Lorentz-Invariant c Wirkungsfeld, Viererimpuls und Einsteinformel Das totale Differential des Wirkungsfeldes muss eine Lorentz-Invariante sein. Das legt die Form des Viererimpulse p_mu fest. Wir sehen das so: Totales Differential (12-22) des Vierer-Orts: Mit dem Vierer-Impuls ist das totales Differential des Wirkungsfeldes Als Vierer-Skalarprodukt ist dieser Ausdruck Lorentz-Invariant und entspricht genau der aus den vorausgehenden Kapiteln bekannte Form des Wirkungsfeldes. Der Impuls p hängt mit der Geschwindigkeit v über den Faktor Masse zusammen. Da Impuls und Geschwindigkeit nun Vierer-Vektoren p_mu und v_mu sind, muss der Zusammenhang durch eine invariante Masse vermittelt werden, also die Ruhemass m 0. Ein Vergleich der räumlichen und der vierten Komponenten liefert dann sofort die dynamische Masse m die Einsteinbeziehung. Impuls-Geschwindigkeits-Beziehung: (12-23) Tübingen, den

114 108 Kurt Bräuer: Die einheitliche Begründung der physikalischen Gesetze und ihrer Phänomene Teil III - Phänomene also Vergleich der Raumkomponenten: die gewohnte Masse ist also Vergleich der Vierten Komponente: Daraus folgt die Einstein-Beziehung: Die berühmte Einstein-Beziehung folgt allein aus dem Vergleich der vierten Komponenten von Vierer-Impuls und Vierer-Geschwindigkeit. Die Vierer-Geschwindigkeit folgt dabei aus der Lorentz-Invarianz der Lichtausbreitung und der Vierer-Impuls folgt aus der Lorentz-Invarianz der Ausbreitung von Wirkungen. Beides Zusammen hat die Äquivalenz von Energie und Masse zur Konsequenz. Die Lorentz-Invarianz des Wirkungsfeldes ist damit die alleinigen Quelle der Kernenergie und erklärt die Atombombe. Relativistische Energieformel Die Einstein-Beziehung stellt die relativistische Energieformel im Ruhesystem dar. Um die allgemeine Energie-Formel herzuleiten, muss man wieder auf die Definiton des Energiefeldes als Zeitableitung des Wirkungsfeldes zurückgreifen. Damit alles schön Lorentz-Invariant bleibt, muss nach der invarianten Zeit, also der Eigenzeit τ abgeleitet werden. Invariante Zeitableitung des (12-24) Wirkungsfeldes Das ist zum Einen: also Und zum Anderen: also Zusammen also Relativistische Energieformel: Die Relativistische Energieformel ist die zentrale Formel der Physik, wie in Abbildung 12-6 nochmals zusammengefasst wird. Die meisten der dargestellten Zusammenhänge wurden in den vorausgehenden Kapiteln beschrieben.

115 12. Elektrodynamik und spezielle Relativitätstheorie 109 Abbildung Tübingen, den

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