Nutzungsausfallentschädigung

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1 Mitgliedermitteilung für Vertragsanwälte Nr. I.14/2017 Wk Nutzungsausfallentschädigung 1. Voraussetzungen Nutzungsausfall kann nur verlangt werden, wenn das beschädigte Fahrzeug während der Reparatur- oder Wiederbeschaffungszeit überhaupt hätte benutzt werden können. Anspruchsvoraussetzungen sind Nutzungsmöglichkeit und Nutzungswille des Geschädigten. Bei Vorhandensein eines ungenutzten Zweitfahrzeugs ist eine ersatzweise Nutzung dieses Fahrzeugs zumutbar (AG Nordenham NZV 2011, 407). Nur wenn ein naher Angehöriger das Fahrzeug ständig benötigt, besteht gleichwohl ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung (OLG Brandenburg SP 2008, 53; OLG Düsseldorf DAR 2011, 580). 2. Bemessungszeitraum Grundsätzlich besteht Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer der Reparatur- oder Wiederbeschaffungszeit. Dem Geschädigten ist jedoch auch eine Prüfungs- und Überlegungsfrist einzuräumen, um die sich der Anspruchszeitraum verlängert. Diese wird vom LG Wiesbaden (zfs 1995, 215) mit 3 Tagen angesetzt, vom AG Gießen (zfs 1995, 93) mit 10 Tagen und vom LG Mönchengladbach (Urteil vom O 308/98) mit 2 Tagen nach Vorliegen des Gutachtens. Für die Berechnung der Nutzungsausfallzeit ist neben der Wiederherstellung auch der Zeitraum zu berücksichtigen, in dem die gegnerische Haftpflichtversicherung den Schaden untersucht (OLG Düsseldorf DAR 2006, 269). Nicht absehbare Verzögerungen der Reparatur, die von der Werkstatt verschuldet wurden, gehen zu Lasten des Schädigers (LG Bielefeld DAR 1995, 486). Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls, der die Schadensbeseitigung (hier: durch Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeuges) nicht vorfinanzieren kann und den Unfallgegner frühzeitig hierauf hinweist, hat Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung auch für die Zeit, in der sich die Wiederbeschaffung verzögert, weil der Haftpflichtversicherer des Schädigers trotz des Hinweises des Geschädigten den ihm zustehenden Prüfungszeitraum für seine Regulierungsentscheidung ausschöpft. LG Saarbrücken, NZV 2014, 362).

2 2 Der Geschädigte kann Nutzungsausfallentschädigung bis zum Abschluss der Begutachtung im selbstständigen Beweisverfahren verlangen, wenn er aus ex ante Sicht befürchten musste, dass er seine berechtigten Schadensersatzansprüche ohne Unfallrekonstruktion durch einen Sachverständigen nicht würde durchsetzen können (OLG München, NZV 2015, Schadenminderungspflicht Der Reparaturauftrag ist unverzüglich zu erteilen, um die Ausfallzeit des Wagens auf ein Mindestmaß zu beschränken. Der Auftrag darf nicht zu Lasten des Schädigers erst dann erteilt werden, wenn die Eintrittspflicht mit Kostenübernahme schriftlich erteilt ist. Andernfalls besteht der Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens im Regelfall nur nach Maßgabe der voraussichtlichen Zeit einer unterstellt unverzüglich eingeleiteten Reparatur (OLG Saarbrücken SVR 2007, 341). 4. Keine fiktive Abrechnung Eine Nutzungsausfallentschädigung ist nur zu zahlen, wenn und soweit ein Nutzungsausfall tatsächlich eingetreten ist (OLG Frankfurt a. M. NJW-Spezial 2010, 651; AG Berlin-Mitte SP 2010, 370; AG Aurich SP 2006, 251). Erfolgt weder Reparatur noch Ersatzbeschaffung in einem zumutbaren Zeitraum (bis zu 6 Monate), verfällt der Anspruch (AG Bremerhaven Urteil vom C 1987/93; AG Frankfurt a. M. Urteil vom C 801/01; AG Essen SVR 2016, 108). Beruht die Ersatzbeschaffung 6 Monate nach dem Unfallereignis auf Geldmangel und muss daher die Entschädigung der Versicherung abgewartet werden, ist nach Ansicht des AG Stuttgart (NZV 2003, 514) Nutzungsausfallentschädigung zu leisten. 5. Nutzungsausfall bei Eigenreparatur Auch bei einer Eigenreparatur kann Nutzungsausfall geltend gemacht werden. Die Durchführung der Reparatur ist vom Geschädigten durch Fotos bzw. einer Reparaturbestätigung des Sachverständigen oder einer Werkstatt nachzuweisen (LG Darmstadt r+s 1992, 125). 6. Interimsfahrzeug Zur Vermeidung einer ungewöhnlich langen Nutzungsausfallzeit muss der Geschädigte, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist, ein Ersatzfahrzeug erwerben (LG Wuppertal SP 1993, 79). Liegt die pauschalierte Nutzungsentschädigung über den Kosten eines Interimsfahrzeuges, steht dem Geschädigten kein Ersatz zu (BGH NZV 2009, 334). Hat der Geschädigte ein neues Fahrzeug bereits vor dem Unfall bestellt und wollte er bis zur Lieferung das verunfallte Fahrzeug nutzen, kann er über den vom Sachverständigen hinaus veranschlagten Zeitraum Nutzungsausfall bis zur Lieferung des vor dem Unfall beschädigten Fahrzeuges verlangen. Die Nutzungsausfallentschädigung darf jedoch die wirtschaftlichen Nachteile, die durch den Ankauf und Wiederverkauf eines Zwischenfahrzeugs zusätzlich entstehen würden, nicht wesentlich übersteigen (BGH r+s 2008, 82).

3 3 Die Beweislast für eine eventuelle Verletzung der Schadensminderungspflicht insbesondere durch die Nichtanschaffung eines Interimsfahrzeuges liegt beim Schädiger. Dieser hat substantiiert darzulegen, dass durch die Anschaffung eines Interimsfahrzeuges Kosten hätten minimiert werden können (AG Bonn, SVR 2016, 389). 7. Reparatur trotz Totalschaden/Ersatzbeschaffung ohne Totalschaden Wird statt der Reparatur die Anschaffung eines Neufahrzeuges gewählt, ist der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung begrenzt auf die Zeitdauer, die nach dem Sachverständigengutachten zur Durchführung der Reparatur erforderlich gewesen wäre (LG Berlin DAR 1992). Lässt der Geschädigte das Unfallfahrzeug trotz wirtschaftlichem Totalschaden reparieren, hat er ebenfalls Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung für die Dauer der von einem Sachverständigen geschätzten Wiederbeschaffungsfrist, es sei denn, die Reparaturdauer ist kürzer als die geschätzte Wiederbeschaffungsfrist (AG Flensburg zfs 2001, 362). 8. Wahlrecht Der Geschädigte kann wahlweise Nutzungsausfall oder die Erstattung der Mietwagenkosten verlangen. Es ist zulässig, für einige Tage ein Mietfahrzeug anzumieten und für die restliche Reparatur- oder Wiederbeschaffungszeit Nutzungsausfall oder Taxikosten geltend zu machen. Die Rückgabe eines Mietwagens nach einem Verkehrsunfall kann nicht als Indiz dafür gewertet werden, dass der Geschädigte ohne Unfall sein eigenes Fahrzeug nicht genutzt hätte (OLG Düsseldorf Urteil vom I-1 U 151/06; AG Mettmann, NJW-RR 2016). 9. Fahrzeuggruppen bei Pkw Für die Berechnung wird die SchwackeListe zugrunde gelegt. Dort ist jeder Fahrzeugtyp einer von insgesamt 11 Entschädigungsgruppen zugeordnet. Der Tagessatz beträgt zwischen 23,-- Euro und 175,-- Euro. Ob bei älteren Fahrzeugen Abzüge vom aktuellen Ausfallsatz gerechtfertigt sind, hängt vom Fahrzeugalter ab und wird von der Rechtsprechung nicht einheitlich gehandhabt (Rechtsprechungsübersicht SVR 2005, 218). Eine Grundtendenz lässt sich wie folgt darstellen: - bis 5 Jahre: ungekürzter Nutzungsausfall - 5 und 10 Jahre: Reduzierung um 1 Gruppe - ab 10 Jahre: Reduzierung um 2 Gruppen Eine Kürzung auf die Vorhaltekosten ist nach Auffassung des BGH (NJW 1988, 484) nur bei überalterten und im Wesentlichen verschlissenen Fahrzeugen gerechtfertigt.

4 4 Findet sich ein Fahrzeug nicht in der Tabelle, so ist ein nach Kaufpreis, Leistung, Hubraum und Bauart ähnliches Fahrzeug für die Ermittlung der Nutzungsausfallentschädigung zugrunde zu legen. 10. Nutzungsausfall bei anderen Fahrzeugarten 10.1 Motorräder und Quads Wird das Motorrad als Freizeitfahrzeug eingesetzt, ist Nutzungsausfall grundsätzlich nicht zu erstatten (LG Wuppertal NZV 2008, 206). Das OLG Düsseldorf (NZV 2008, 460) hat bei Beschädigung eines Luxusmotorrades trotz der Möglichkeit der Nutzung eines Pkw als Zweitfahrzeug Nutzungsausfall zugesprochen. Begründet wird dies mit dem anders gearteten Fahrgefühl und der andersartigen Art der Fortbewegung des hochwertigen Motorrades. Ist das bei einem Unfall beschädigte Fahrzeug ein ausgewiesenes Spaßfahrzeug (hier: Quad), das normalerweise nicht im alltäglichen Gebrauch genutzt wird, hat der Geschädigte keinen Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung (LG Giessen SP 2007, 293). Wer über einen Pkw verfügt, hat wegen des unfallbedingten Ausfalls seines Krades keinen Anspruch auf Nutzungsausfall. (BGH r + s 2012, 151) 10.2 Fahrräder Keine Nutzungsausfallentschädigung ist für ein nur zu Sportzwecken benutztes Rennrad zu leisten (AG Wetzlar SP 1999, 313; LG Heilbronn, SVR 2014, 186). Wird das Fahrrad nachweislich als Transportmittel für tägliche Fahrten zur Arbeit genutzt, ist Nutzungsausfall zu zahlen (LG Lübeck NJW-Spezial 2011, 682) Wohnmobile Der BGH kommt zu dem Ergebnis, dass der zeitweilige Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines reinen Freizeitzwecken dienenden Wohnmobils keinen Anspruch auf abstrakte Nutzungsentschädigung begründet (BGH r+s 2008, 352). Handelt es sich dagegen um ein auch für Alltagfahrten eingesetztes Wohnmobil, eignet sich als Richtlinie für die Verhandlung mit der gegnerischen Versicherung die Annahme von 50 % des Mietpreises für ein vergleichbares Fahrzeug. Hiervon ist wie bei der Anmietung von Pkw die Eigenersparnis noch abzuziehen Oldtimer Nutzungsausfallentschädigung ist nur zu zahlen, wenn dem Halter kein anderes Fahrzeug zur Verfügung steht und der Oldtimer als normales Verkehrs- und Beförderungsmittel benutzt wird (OLG Düsseldorf NJW-Spezial 2011, 170). Zur Berechnung einer Nutzungsausfallentschädigung für einen Oldtimer, der zwar bereits 42 Jahre alt ist, aber keine Vorschäden aufweist, kann ein vergleichbares Modell des Herstellers in der SchwackeListe ausgewählt und ein angemessener Abzug vorgenommen werden. Angemessen ist ein Abzug von zwei Gruppen (LG Berlin DAR 2008).

5 5 Fällt ein Oldtimer unfallbedingt aus und steht ein Ersatzfahrzeug nicht bzw. im nur sehr eingeschränkten Maß (Fahrzeug der Ehefrau) zur Verfügung und ist der Geschädigte aufgrund der ländlichen abgelegenen Wohnlage auf die ständige Nutzung eines Kfz angewiesen, so besteht ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung (OLG Celle, DAR 2016, 465) Gewerblich genutzte Fahrzeuge Nach gefestigter Rechtsprechung besteht auch bei gewerblichen/behördlichen Fahrzeugen eine Ersatzpflicht für entgangene Gebrauchsvorteile (BGH NJW 1985, 2471; OLG Hamm NZV 1993,65). Mögliche Bemessungsgrundlagen sind hier entgangener Gewinn (OLG Stuttgart, SVR 2016,300), Vorhaltekosten des Reservefahrzeugs oder Miete eines Ersatzfahrzeugs. Der BGH (DAR 2008, 140) hat angedeutet, dass er darüber hinausgehend auch für gewerblich genutzte Fahrzeuge eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung nicht ausschließt, wenn das Fahrzeug nicht unmittelbar zur Erbringung gewerblicher Leistungen dient (wie z. B. bei einem Taxi oder Lkw) und in der fehlenden Nutzungsmöglichkeit ein fühlbarer wirtschaftlicher Nachteil liegt. Bei einem gewerblich genutzten Fahrzeug kann eine Nutzungsentschädigung nur bei einer durch den Ausfall eingetretenen fühlbaren wirtschaftlichen Beeinträchtigung in Betracht kommen (BGH, Hinweisbeschluss, DAR 2014, 144) In der außergerichtlichen Regulierungspraxis werden aus pragmatischen Gründen auch Fälle rein gewerblicher Nutzung von Pkw von Versicherungen oft nach der Nutzungsausfallentschädigungstabelle reguliert. Bei gemischter privater und beruflicher Nutzung eines Fahrzeuges kommt ein Anspruch auf Ersatz eines abstrakt berechneten Nutzungsausfallschadens in Betracht, sofern die speziellen Voraussetzungen des Nutzungswillens und der Nutzungsmöglichkeit und schließlich der fühlbaren Beeinträchtigung durch Nutzungsausfall feststellbar sind (OLG Düsseldorf NZV 2010, 403). Kontakt Sollten Sie weitergehende Fragen haben, so stehen Ihnen Ihre Kollegen aus der Juristischen Zentrale unter der Tel.: 089 / gerne zur Verfügung. Wünsche und Anregungen senden Sie bitte an recht@adac.de.