Kangeiko mit Akita Sensei, 5. Dan in Überlingen vom 09. bis 14. Februar 2009

Transkript

1 Kangeiko mit, 5. Dan in Überlingen vom 09. bis 14. Februar 2009 Ein Erfahrungsbericht von Wolfgang 4. Dan, Dojoleiter Karate Dojo-Überlingen e.v. Nach 34 Jahren aktiver Karatepraxis sind die Sehnsucht und das stetige Bemühen sich weiterzuentwikkeln (sowohl technisch/körperlich als auch mental) nicht erloschen. Da nun auch mein 50. Geburtstag anstand, wollte ich für unser Dojo - und natürlich auch mich - ein Karate-Erlebnis der ganz besonderen Art organisieren: Eine Woche intensives Training, das für jeden Teilnehmer etwas ganz Besonderes sein sollte. Als Wunschtrainer kam für mich nur Akita Sensei in Frage, der durch seine positive Ausstrahlung, seine technische Brillianz und seine ganz besondere Art der Demonstration dessen, was er vermitteln möchte, mich bereits vor vielen Jahren bei einem Gasshuku beeindrukkte, und dessen Lehrgänge ich seither immer mit besonderer Faszination besuche. Somit war die Freude über die Zusage von sehr groß.

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3 hatte das Thema Remember the basics, back to the roots für diese Trainingswoche gewählt. Trainiert wurde von montags bis freitags in zwei Gruppen zu Personen jeweils 1,5 Stunden am Abend und am Samstag nochmals 2 Einheiten zu je 1,5 Stunden pro Gruppe. Die Teilnehmerzahl wurde bewusst begrenzt, damit alle Trainingseinheiten im Dojo stattfinden konnten und somit auch das Dojo diesen besonderen Spirit in sich aufnehmen durfte. Schließlich trainierten in der Oberstufe viele hohe Dan-Träger mit 3. bis 6. Dan, was auch für unser Dojo bisher ein einmaliges Ereignis war. Als Trainingsinhalt wählte die Heian Katas in beiden Gruppen. Jeden Tag eine andere Kata und am Samstag nochmals eine Abrundung des Gelernten. Der Auftakt am Montag mit der Heian Shodan war so intensiv, dass alle Fenster des Dojos beschlagen waren und zum Ende des Trainings der Dojoboden rutschig wie eine Eisbahn war. Geübt wurden die ganze Woche nur sehr wenige Techniken wie Oi-Zuki, Gyaku-Zuki, Mae Geri, Shuto-Uke, Yoko-Geri und die drei wichtigsten Karate Stände Zenkutsu- Dachi, Kiba-Dachi und Kokutsu-Dachi. Diese Techniken wurden zuerst einzeln, 22 dann in Kombinationen trainiert, immer wieder unterbrochen durch Demonstrationen von, auf was besonders zu achten ist und wie jeder seine Technik verbessern kann. Gerade hier zeigt sich der Vorteil kleinerer Trainingsgruppen, da jeden Teilnehmer in seiner Technikausführung ganz genau beobachtete, die Fehler aufzeigte und entsprechend korrigierte. Im Anschluß an das Kihon wurden die Techniken mit dem Partner trainiert von Gohon- Kumite bis Kata Bunkai. Zum Abschluss jeder Trainingseinheit musste das Erlernte dann konsequent in der Kata umgesetzt werden. Zentrale Themen hierbei waren die aufrechte Körperhaltung, Hara als Zentrum jeder Bewegung (immer die Mitte bewahren), Fokussierung der Technik nach vorne, Ferse des hinteren Beines am Boden halten sowohl beim vorwärts- als auch rückwärtsgehen, Fußsohle gleichmäßig belasten, korrekter Beckenstand und Rückenspannung, Oberkörper locker und Schultern unten lassen und Hikite. Wir kennen all das nur zu gut, versuchen diese elementaren Dinge in jahrelangem Training zu beachten und zu verbessern, und trotzdem entdecken wir immer wieder ganz entscheidende Mängel in unseren Ausführungen, wenn wir - wie von Akita Sensei - zu der korrekten Bewegungsausführung hingeführt werden. Man könnte meinen, eine Woche nur Basics zu trainieren wird langweilig. Genau das Gegenteil war bei diesem Kangeiko der Fall. Jede neue Trainingseinheit wurde mit Spannung erwartet und man freute sich täglich auf das, was einen wohl heute erwarten würde. Und plötzlich war es Samstag und in der ersten Einheit wurde das Kihon der vergangenen 5 Tage nochmals wiederholt und als Abrundung mit häufigem Partnerwechsel geübt. Leer sein war das Ziel, damit man auf die Angriffe des Partners schnell reagieren kann. Mit der letzten Trainingseinheit dieses Kangeiko gelang es Sensei Akita nochmals auf beeindruckende Weise, unsere letzten Kraftreserven zu mobilisieren. Nun war das Kämpferherz gefordert, bei aller Müdigkeit und schweren Gliedern, nicht aufzugeben und mit jeder neuen Kata nochmals alles zu geben und dabei zu spüren, dass jede neue Kata doch noch etwas besser war als die Kata davor. Kata Heian 1 bis 5. Jede Kata wurde zuerst locker und dann stark auf Zählen geübt. Danach diese Katas nochmals jeweils 3 mal schnell und stark auf Hajime selbständig ausgeführt.

4 Zum Schluss wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen aufgeteilt, die dann abwechselnd fünf Mal ihre Lieblingskata aus der Heian Gruppe zeigen mussten. Sensei Akita beobachtete dabei jeden Einzelnen sehr genau und so schafften es die meisten Teilnehmer, dass die letzte Kata (die 30.!) tatsächlich die beste des ganzen Trainings war. Was für ein toller Schluss unseres Kangeiko! Mit dem Seiza zum Ende dieser Einheit erfüllte uns alle ein unbeschreibliches Glück über die körperlichen und mentalen Erfahrungen dieser intensiven Trainingswoche und wir alle waren stolz, diese Woche auch durchgehalten zu haben. Gleichzeitig spürten wir aber auch die Müdigkeit in den Knochen und opferten den geplanten Besuch einer Fasnachtsveranstaltung (wir wollten schließlich Akita Sensei in die badisch-alemannischen Fasnetsbräuche einführen) einem gemütlichen Abendessen. Nach einem bayrischen Frühstück am Sonntagmorgen mit Weißwurst und Brez n hieß es dann schweren Herzens Abschied nehmen. Was auch bleibt, sind die neu geknüpften Freundschaften mit Karatekas aus den umliegenden Dojos, die in den geselligen Stunden nach dem Training geknüpft wurden und mein zweites Ziel dieser Woche scheint sich somit ebenfalls erfüllt zu haben: zu Gast bei Freunden. Wir danken für seinen Besuch und den wunderbaren Spirit, den er neben seinem technischen Können in unser Dojo gebracht hat. Es wird auf alle Fälle eine Fortsetzung dieses Kangeiko in Überlingen geben und wir freuen uns bereits heute auf seinen nächsten Besuch. Domo arigato und sayonara. Wolfgang Interview mit Aus welcher Gegend bzw. Stadt kommen Sie? Ich komme aus Gifu. Das liegt im Zentrum von Japan, 350 km westlich von Tokyo, zwischen Tokyo und Osaka. In welchem Alter und aus welchem Grund haben Sie mit Karate begonnen? Ich begann mit 11 Jahren mit Karate. Ich hatte mich immer schon für die verschiedenen Kampfkünste interessiert und war sicher beeinflusst von den damals sehr populären Bruce-Lee-Filmen. Wo haben Sie mit Karate angefangen? In meiner Heimatstadt Gifu, dort lehrten mich meine Senseis Kato und Matsuda. Erzählen Sie etwas über Ihr Training in der Anfangszeit. Das Dojo, in dem ich mit Karate begonnen habe, wurde ebenfalls von Absolventen der für ihren Karate-Club berühmten Takushoku-Universität besucht. Diese bereiteten sich im Dojo auf ihre Wettkämpfe und Meisterschaften vor, was mich als Anfänger sehr beeindruckte und inspirierte. Jene Karateka waren meine Vorbilder und zugleich mein Ansporn, das sehr harte Training zu überstehen und niemals aufzugeben. Schließlich wurde ich auf Empfehlung von Kato Sensei ebenfalls Student der Takushoku Universität. 23

5 Welches Fach haben sie studiert? Ich habe 4 Jahre Wirtschaftswissenschaften studiert. Erzählen Sie mir bitte über Ihre Zeit an der Takushoku Universität. Es gibt sicher viele Stories. Es war eine großartige Erfahrung. Der Tag begann um 5.30 Uhr. Wir mussten den Schlafsaal und das Dojo sauber machen. Um 6 Uhr begannen wir mit Jogging, dann zurück zum Dojo zum Trainieren, anschließend ging es zum Frühstück und zum Studieren. Wurde auch abends trainiert? Um 17 Uhr ging das Training weiter bis 20 Uhr und zwar von Montag bis Samstag. Der Sonntag war der einzige trainingsfreie Tag in der Woche und das ganze 4 Jahre lang. Ist das heute noch so? Ja nur mit etwas kürzeren Trainingszeiten, aber die Intensität ist die gleiche wie früher. Ich kenne Sensei Tsuyama vom Gasshuku. Erzählen Sie uns bitte etwas über ihn. Sein Training ist sehr hart. Er war im Dojo präsent und sprach nicht viel. Er gab nicht viele Anweisungen wie: Tu dies oder tu das! Er war einfach da. Er hatte eine besondere Ausstrahlung und gab dem Dojo Atmosphäre. Es gab nicht viele Instruktoren wie ihn. Er beobachtete mit scharfen Augen und lehrte uns, ebenfalls mit scharfen Augen zu beobachten. Indem wir voneinander lernten, erarbeiteten wir uns unser Wissen Stück für Stück selber. Wann verließen Sie Japan? Das war im Jahre Warum haben Sie Japan verlassen, warum gingen Sie nach England? Da ich schon immer ein anderes Land kennenlernen wollte, bin ich Sensei Kawasoes 24 Einladung gefolgt, in England Karate zu trainieren und zu unterrichten. Außerdem wollte ich Englisch lernen. Was war typisch für Sensei Kawasoes Training? Die intensive Grundschule und die vielen Wiederholungen der Techniken. Immer und immer wieder dieselbe Technik. Mehr als hundert Mal mit hoher Intensität. Er ist ein hervorragender Techniker und wohl einer der besten Fußtritt-Techniker. Nicht nur seine Mae Geris, sondern auch alle anderen Fußtritte. Was ist Ihre Lieblingskata? (lacht) Ja, meine Lieblingskata... Da ich Gojushiho Sho über ein Jahr lang intensiv trainiert habe, würde ich diese Kata nennen... Wie oft trainieren Sie? Mein persönliches Training findet dreimal wöchentlich statt. Ich glaube, es ist schwierig, sein eigenes Karate zu organisieren, wenn man keinen Sensei hat. Wie machen Sie das? Ich gestalte einen Trainingsplan und nehme mir für einen längeren Zeitraum eine ganz bestimmte Technik vor, die ich dann ganz genau studiere. Oder ich widme mich intensiv einer bestimmten Kata. Somit war Tsuyama Senseis Training, dass Sie uns zuvor beschrieben haben, eine gute Voraussetzung. Das Lernen durch das Selbst-Studium... Außerdem kann ich Kawasoe Senseis Techniken jederzeit als Bilder in meinem Kopf abrufen, eben so wie die während meiner Universitätszeit und in JKA-Meisterschaften gesammelten Erfahrungen. All das ist stets während meines Trainings präsent. Ich lerne aber auch viel von dem, was um mich herum geschieht, von anderen Menschen oder der Natur. Die Betrachtung der Details, das aufmerksame Beobachten seiner Umgebung kann einem viel Wissenswertes vermitteln. Trainieren Sie am Makiwara regelmäßig und wie oft? Immer wenn ich in meinem Dojo bin, trainiere ich auch am Makiwara. Und was? Vorwiegend Gyaku Zuki? Ja, Gyaku Zuki, aber auch Uraken und Shuto Uke.... und Fußtechniken? Ja, Fußtritte auch. Aber die trainiere ich meistens am Sandsack. Beim Makiwara-Training habe ich oft Gelenkprobleme. Wie ist das bei Ihnen? Glücklicherweise habe ich damit keine Probleme. Im Gegenteil. Nach dem Makiwara- Training fühle ich mich tatsächlich besser und es hilft mir, körperliche Probleme zu überwinden. Meine Rücken- und Bauchmuskulatur wird trainiert, und durch die Besinnung auf mein Hara werden zugleich meine Mitte und mein körperliches Gleichgewicht gestärkt. Wie ist Ihre Einstellung zum Bunkai? Trainieren und lehren Sie es nahe an der Kata oder eher als Freestyle, realistisch in der Anwendung? Das hängt von der Graduierung der Trainierenden ab. Für weniger erfahrene Karateka sollte die Anwendung nah an der jeweiligen Kata sein, damit die Bewegungsabläufe ohne Probleme nachvollzogen und umgesetzt werden können. Der Trainingserfolg stellt sich auf diese Weise leichter ein. Für erfahrenere Karateka hingegen dürfen die Bewegungsabläufe freier sein, da die Umsetzung für sie leichter ist. Zumal es immer mehrere Auslegungsmöglichkeiten gibt, die Anwendung ist ja nicht in eine einzige starre Form gegossen... Dies könnte einen Anfänger vielleicht verwirren. Worin liegt der Unterschied im japanischen und deutschen Karate? Oder gibt es keinen Unterschied zum europäischen Karate? Die europäischen Kämpfer sind in der Regel kräftiger und größer...

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8 Ja... ich glaub es manchmal auch (und lacht!). Was meinen Sie, wie sich das Karate in Zukunft entwickeln wird? Ich glaube, dass sich Karate mehr und mehr verbreiten wird. Die Anzahl der Karateka wird steigen, da die Menschen in unserer hektischen Zeit zunehmend nach innerer Balance und der Ausgeglichenheit zwischen Körper und Geist streben. Dies können sie durch das traditionelle Karate erlangen. Mein Wunsch ist, dass Karate niemals olympisch wird. Da kommen Medaillen und viel Geld ins Spiel. Das würde ähnlich werden wie im Judo. Ich hoffe, der Karate-Do bleibt bestehen. Vielen Dank für dieses ausführliche Interview, Sensei Akita. Überlingen, im Januar 2009 Text und Fotos Wolfgang Karate Dojo Überlingen e.v.... und vom technischen Aspekt her betrachtet? Beide sind gut. Und von der mentalen Einstellung? Ich finde, dass deutsche Karateka schnell sind und einen guten Stil haben. Ich bin immer sehr beeindruckt. Wie sieht es mit der Intensität des Trainings aus? Ich habe den Eindruck, dass das Training in Japan intensiver ist als bei uns. Die Intensität hängt vom Dojo ab. Man kann das nicht generalisieren. In Japan und auch in Deutschland liegt es am Dojo und am Trainer. Ist Karate in Japan eher ein Volkssport oder Elitesport? Es entwickelt sich mehr und mehr zum Volkssport. Es gibt immer mehr Dojos und Trainingsmöglichkeiten. Wie sieht es aus mit älteren Menschen? Kann man, wenn man älter als 40 Jahre ist, Karate neu lernen? Haben ältere Menschen anders gestaltete Trainingseinheiten, da die Trainingsziele und -voraussetzungen andere sind? Gibt es so etwas auch in Japan? Tatsächlich verändert sich das Karate. War es zuvor eher eine Männerdomäne, so wird Karate heute zunehmend auch von Frauen ausgeübt. Es ist beliebt bei Jung und Alt und neben dem sehr strikten traditionellen Karate gibt es heutzutage auch das Sportkarate, das allen offensteht. Ist das eine neue Welle in Japan? In den letzten 10 bis 15 Jahren hat sich einiges verändert. Was bedeutet den deutschen Karateka im Vergleich zu den japanischen Karateka der Begriff des Do? Sind wir japanischer als die Japaner? 27