Unterrichtsstörungen ein multiperspektivischer Zugang
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- Adolf Günther
- vor 6 Jahren
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1 2. Tagung der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (GEBF) Frankfurt am Main, März, 2014 Unterrichtsstörungen ein multiperspektivischer Zugang Elena Makarova a/b & Walter Herzog a a Universität Bern, IfE, Abteilung Pädagogische Psychologie b University of Illinois at Chicago, Department of Psychology
2 Theoretischer Hintergrund > Unterricht als Interaktionssystem (e.g. Breidenstein, 2010; Vanderstraeten, 2001) > 4-Ebenen Modell des Unterrichts (Herzog, 2002, 2011) > Prozesse der gegenseitigen Wahrnehmung (Herzog, 2002, 2013; Kieserling, 1999; Luhmann, 1976, 1984; Vanderstraeten, 2001) > Störungen der sozialen Ordnung des Unterrichts (Nolting, 2002) 2
3 Forschungsstand > Schüler/innen nennen insgesamt häufiger Unterrichtsstörungen als Lehrpersonen (Große Siestrup, 2010; Saldern, 1991) > Schüler/innen gelten als verlässliche Informanten über das Unterrichtsgeschehen (Ditton, 2002; Gruehn, 2000; Sava, 2002) > Perspektivität in der Wahrnehmung des Unterrichtsgeschehens (Clausen, 2002; Kunter & Baumert, 2006) > Akkurate Wahrnehmung des Unterrichtsgeschehens durch die Lehrkraft ist zentral für eine effektive Klassenführung (Dollase, 2012; Kounin, 1970/2006) 3
4 Fokus der Studie Lehrpersonen und Schüler/innen derselben Schulklassen Wahrnehmung von Unterrichtsstörungen 1. Inwiefern unterscheidet sich die Wahrnehmung von Unterrichtsstörungen in Abhängigkeit vom Ausmaß der Störung zwischen der Lehrperson und ihren Schülerinnen und Schülern? Reaktionen der Lehrpersonen auf Unterrichtsstörungen 2. Inwieweit stimmt die Wahrnehmung der Lehrerreaktionen auf Unterrichtsstörungen durch die Schülerinnen und Schüler mit der Selbstwahrnehmung der Lehrperson überein? 4
5 Forschungsdesign Erste Projektphase Standardisierte Fragebogenerhebung Zweite Projektphase Mündliche Interviews 225 Klassen (5. Primarstufe) 24 Klassen (6. Primarstufe) 4394 Schülerinnen und Schüler 192 Schülerinnen und Schüler 225 Lehrpersonen 20 Lehrpersonen 5
6 Datengrundlage: 1. Projektphase Faktor «Unterrichtsstörung» Wie häufig wird bei euch im Unterricht gestört? N = 4361, M = 2.77, SD =.75, Cronbach s α =.80, R 2 = 51.0% ICC(1) =.26 / ICC(2) =.87 a) Gruppe Wenigstörerklassen N = 112; 49.8% b) Gruppe Vielstörerklassen N = 113; 50.2% Unsere Klasse stört den Unterricht unseres Lehrers. Es wird geschwatzt, während der Lehrer etwas erklärt. Es kommt vor, dass sich Pultnachbarn ablenken. Wir beschäftigen uns mit ganz anderen Dingen (Briefli schreiben, Hausaufgaben erledigen...). Wenn wir Einzelaufgaben lösen, muss uns der Lehrer immer wieder ermahnen, ruhig zu sein. Einige Schülerinnen und Schüler stören absichtlich den Unterricht. Antwortskala: 1=nie; 2=selten; 3=manchmal; 4=oft; 5=sehr oft 6
7 Datengrundlage: 2. Projektphase Mündliche Interviews (in 24 ausgewählten Schulklassen) mit Schülerinnen und Schülern Einzelinterviews Gruppeninterviews Total Mädchen Knaben Total mit Lehrpersonen (N = 20) LP weiblich = 11/ LP männlich = 9 LP aus Wenigstörerklassen = 10/ LP aus Vielstörerklassen = 10 7
8 Fragen zum Themenbereich Unterrichtsstörungen Leitfaden für die Einzelinterviews Wird im Unterricht bei Frau/Herr XY gestört? Und wie? Kannst du ein Beispiel machen? Und was ist mit dir, hast du auch mal im Unterricht gestört? Wie? Erzähl mal bitte. Passiert es oft, dass du im Unterricht störst? Merkt Frau/Herr XY wenn du oder ein anderes Kind mit dem Pultnachbarn sprich(s)t? Wie reagiert Frau/Herr XY darauf? Leitfaden für die Gruppeninterviews Was passiert, wenn jemand die Regeln verletzt? Könnt ihr das an einem Beispiel erzählen? Kommt es auch vor, dass Regeln von jemand absichtlich verletzt werden, d.h. dass jemand extra stört? Was macht dann Herr/Frau XY? Gibt es immer die gleiche Strafe? Ist es manchmal laut im Klassenzimmer? Und was passiert dann? Was macht Herr/Frau XY, damit es ruhig wird? 8
9 Kategoriensystem Oberkategorien > Regeln in der Klasse > Störungen im Unterricht Regelfestlegung Regelinhalte Regelklarheit Regeleinhaltung > Negative Verhaltenskonsequenzen > Positive Verhaltenskonsequenzen > Reaktion der Lehrperson Keine Strafe Strafandrohung Art der Strafe Häufigkeit / Zeitpunkt der Strafe Bestrafung von Mitschüler/innen Akzeptanz der Strafe 9
10 Datenanalyse Kategorisierung des Interviewmaterials Unterschiede zwischen den Wenig- und Vielstörerklassen Ergebniszusammen -stellung pro Klassengruppe an die Lehrkräfte Stellungnahme der Lehrkräfte 10
11 Ausmaß und Art von Unterrichtsstörungen: Perspektive der Schülerinnen und Schüler Was wird von den Schülerinnen und Schülern als Störung wahrgenommen? Wenigstörerklassen > flüstern oder nachfragen > nicht aufpassen > nicht mitarbeiten, abschreiben Vielstörerklassen > andere körperlich stören (z.b. schlagen, kneifen, Haare ziehen) > Unfug treiben > Dinge herumwerfen > schriftliche Botschaften schreiben 11
12 Ausmaß und Art von Unterrichtsstörungen: Perspektive der Lehrpersonen Lehrkräfte von Wenigstörerklassen > der Unterricht wird selten gestört > Schüler/innen fühlen sich gestört, wenn nicht mitgearbeitet oder abgeschrieben wird > Dreinreden geschieht eher aus Versehen Lehrpersonen von Vielstörerklassen > der Unterricht wird häufig gestört > Schüler/innen fühlen sich durch das Störverhalten von Mitschülern nicht gestört > andere körperlich stören, Unfug treiben und Dinge herumwerfen kommt häufig vor > flüstern und nachfragen, nicht mitarbeiten und abschreiben werden nicht als Störung wahrgenommen 12
13 Reaktion der Lehrpersonen auf Unterrichtsstörungen: Perspektive der Schülerinnen und Schüler Wie reagiert die Lehrperson auf Unterrichtsstörungen? Wenigstörerklassen > Lehrperson reagiert gelassen > Lehrperson fordert auf, nach Lösungen zu suchen > Lehrperson initiiert und begleitet Konfliktlösungen > Lehrperson wendet Time-Out an > Lehrperson ist situativ flexibel > Interventionen der Lehrperson wirken schnell 13
14 Reaktion der Lehrpersonen auf Unterrichtsstörungen: Perspektive der Schülerinnen und Schüler Wie reagiert die Lehrperson auf Unterrichtsstörungen? Vielstörerklassen > Lehrperson reagiert emotional > Lehrperson ignoriert störendes Verhalten > Lehrperson ist situativ nicht flexibel 14
15 Stellungnahme der Lehrpersonen zu den Aussagen der Schülerinnen und Schüler 15
16 Fazit > Weitgehende Übereinstimmung der Schüler- und Lehrerwahrnehmung von Unterrichtsstörungen > Semantische Instabilität des Begriffs Unterrichtsstörungen > Die Lehrkräfte der Klassen mit hohem Störausmaß beurteilen ihre Reaktion auf Unterrichtsstörungen weit vorteilhafter als ihre Schülerinnen und Schüler 16
17 Ausblick > Mix-method Design > Perspektivität der Wahrnehmung von Unterrichtsgeschehen > Längsschnitt-Design > Andere Schulstufen und -formen 17
18 Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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Bildung ist der beste Weg aus der Armut In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird zwar der kostenlose Zugang des grundlegenden Unterrichts gefordert, für die meisten Kinder mit Behinderungen
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