Recognition Memory und der Other-Race-Effekt. Henrik Singmann
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- Leopold Siegel
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1 Recognition Memory und der Other-Race-Effekt Henrik Singmann
2 Was will Psychologie? Definition: Psychologie ist die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten von Menschen, mit dem Ziel die Ursachen für Erleben und Verhalten zu erkennen. D.h.: Wir benötigen Theorien über psychologische Sachverhalte 2
3 Ein Beispiel mit Verhalten While adultery [Ehebruch] rates for men and women may be equalizing, men still have more partners than women do, and they are moe likely to have onenight stands; the roving [umherstreifende] male seeks sex, the female is looking for a better partner (Leahey & Harris, 1989, Human Learning) Bei vor allem heterosexuellem Sex und ungefähr gleicher Anzahl von Männern und Frauen, müssen Männer und Frauen die gleiche Anzahl an Partnern haben! 3
4 Ein Beispiel mit Kognitionen Der Phonologische Loop des working memory (Baddeley, 1986) Listen mit kurzen Wörtern werden besser erinnert als Listen mit langen Worten = 144 Lewandowsky & Farrell (2011). Computational Modeling in Cognition. Sage Publications. 4
5 Was sind mathematische Modelle? Präzise, formale Beschreibungen von psychologischen Theorien. Vorteile: Genaue Vorhersagen Neue Vorhersagen Einfluss von postulierten Prozessen messbar Nachteile: nicht möglich für alle Konzepte gewisse Datenbasis sollte vorhanden sein inr 5
6 Multinomiale Prozessbaum Modelle Multinomial Processing Tree (MPT) Models: mathematische Messmodelle für latente (unbeobachtbare) kognitive Prozesse anwendbar auf kategoriale (d.h., abzählbare) Daten anwendbar wenn kognitive Schritte für eine Antwort genau genannt werden können Modelle sind i.d.r. spezifisch für ein Paradigma. Riefer & Batchelder (1988, PsychRev); Hu & Batchelder (1994, Psychometrika) d.h. MPT ist eine bessere Methode um Daten auszuwerten, bei der verschiedene Prozesse getrennt betrachtet werden können. inr 6
7 Beispielexperiment 2 Phasen: 1. Lernphase (VPs lernen eine Reihe von Items) 2. Testphase (VP müssen angeben, welche Items sie gesehen haben und welche nicht) 7
8 Lernphase 8
9 Baum 9
10 Ausübung 10
11 Wesen 11
12 Galerie 12
13 Masern 13
14 Tarnung 14
15 Blau 15
16 Rasen 16
17 Halt 17
18 Raum 18
19 Testphase 19
20 Bogen alt oder neu? 20
21 Galeere alt oder neu? 21
22 Masern alt oder neu? 22
23 Wesen alt oder neu? 23
24 Grün alt oder neu? 24
25 Grasen alt oder neu? 25
26 Raum alt oder neu? 26
27 Halt alt oder neu? 27
28 Ausübung alt oder neu? 28
29 Tarnung alt oder neu? 29
30 Beispielexperiment 2 Phasen: 1. Lernphase (VPs lernen eine Reihe von Items) 2. Testphase (VP müssen angeben, welche Items sie gesehen haben und welche nicht) Wörter in der Testphase können entweder alt (bereits in der Lernphase gesehen) oder neu sein. Welche möglichen Fehler können VPs begehen und was bedeuten Sie? 30
31 Daten beim Wiedererkennen Item Antwort alt neu alt hit miss neu false alarm correct rejection hits und false alarams beschreiben das Datenmuster (miss und correct rejection ergibt sich daraus) Aber was bedeuten die Werte und welches ist der bessere Wert? 31
32 Prozesse beim Wiedererkennen Welche kognitiven Prozesse können zur Leistung in Wiedererkennungsaufgaben beitragen? Für heute wollen wir davon ausgehen, das zumindest zwei unterschiedliche Prozesse die Antwort beeinflussen: - Gedächtnisprozesse (Erinnere ich mich?) - Antwortprozesse (Wie geneigt bin ich alt zu sagen?) Wie können wir Gedächtnis- und Antwortprozesse voneinander trennen? - Wie hängen Hits und False Alarms mit den Prozessen zusammen? 32
33 Prozesse beim Wiedererkennen Wie hängen die Antworten mit den Prozessen zusammen? Zwei Itemtypen mit je zwei Antwortmöglichkeiten: Alte Items: - Antwort alt (hit): An das Item erinnert Nicht an das Item erinnert + alt geraten. - Antwort neu (miss): Nicht an das alte Item erinnert + neu geraten. Neue Items: - Antwort alt (false alaram): Nicht erkannt das das Item noch nicht gezeigt wurde + alt geraten. - Antwort neu (correct rejection): Erkannt das das Item noch nicht gezeigt wurde Nicht erkannt das das Item noch nicht gezeigt wurde + neu geraten. Antwortmöglichkeiten und Prozesse hängen nicht direkt zusammen. 33
34 MPT Modelle Das beobachtbare Verhalten wird als nicht-lineare Kombination aus unbeobachtbaren (latenten) kognitiven Prozessen beschrieben. Die Paramater geben an mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmter kognitiver Prozess ausgeführt wird (oder nicht). Bsp: - Bei Recognition Memory wird die Leistung in Gedächtnisprozesse und Antwortprozesse getrennt. Parameter geben an wie gut die Gedächtnisleistung war und ob es einen Antwortbias gibt
35 D o alt" Alte Items g alt" 1 - D o 3 Parameter: 1 g neu" D o = detect old Wahrscheinlichkeit ein altes Item als alt zu erkennen D n neu" D n = detect new Neue Items Wahrscheinlichkeit ein neues g alt" Item als neu zu erkennen 1 - D n g = guessing 1 g neu" Wahrscheinlichkeit alt zu Zwei Itemtypen mit je zwei Antwortmöglichkeiten: raten Alte Items: - Antwort alt (hit): An das Item erinnert Nicht an das Item erinnert + alt geraten. - Antwort neu (miss): Nicht an das alte Item erinnert + neu geraten. Neue Items: - Antwort alt (false alaram): Nicht erkannt das das Item noch nicht gezeigt wurde + alt geraten. - Antwort neu (correct rejection): Erkannt das das Item noch nicht gezeigt wurde Nicht erkannt das das Item noch nicht gezeigt MPT wurde + neu geraten.
36 Alte Items Neue Items Mathe: D o 1 - D o 1 g D n alt" alt" neu" P( alt Alte Items) = D o + (1 D o ) * g P( neu Alte Items) = (1 D o ) * (1 g) g g 1 - D n 1 g neu" alt" neu" 2-Hoschschwellenmodell des Rekognitionsgedächtnisses (2HTM = 2-high threshold model of recognition memory) 3 Parameter: D o = detect old Wahrscheinlichkeit ein altes Item als alt zu erkennen D n = detect new Wahrscheinlichkeit ein neues Item als neu zu erkennen g = guessing Wahrscheinlichkeit alt zu raten P( alt Neues Items) = (1 - D n ) * g P( neu Neues Items) = D n + (1 D n ) * (1 g) MPT
37 D o alt" Alte Items g 1 - D o 1 g alt" neu" Item - Typen Neue Items D n 1 - D n 1 g g neu" alt" latente (unbeobachtbare) kognitive Prozesse MPT neu" beobachtbares Verhalten
38 Zusammenfassung MPT Modelle MPT Modelle postulieren, dass sich die beobachtbaren Häufigkeiten für kategoriale Variablen aus einer Verkettung von vermuteten kognitiven Prozessen ergeben. Die Werte der Parameter werden vom Computer in einem iterativen Prozess gefunden (d.h. probieren bis die Vorhersage möglichst nah an den tatsächlichen Werten ist)
39 Was bedeuten die Parameter? Wir postulieren, dass die Parameter den Anteil den bestimmte kognitive Prozesse an einem Ergebnis haben quantifizieren. Paramater repräsentieren immer diskrete mentale Prozesse, nie kontinuierliche (entweder ich erinnere mich, oder nicht) Aber wie können wir sicher sein, das der Parameter auch genau nur diesen Prozess misst? Antwort: Parametervalidierung (d.h. bestimmte Experimente)! Idee: Experimentelle Manipulation die genau einen kognitiven Prozess beeinflussen soll, sollte auch nur den entsprechenden Paramater beeinflussen
40 Other-Race-Effekt (ORE): Können Menschen Gesichter einer anderen Herkunft schlechter Wiedererkennen? 40
41 Der Other-Race-Effekt (ORE) Metaanalyse (Meissner & Brigham, 2001) mit 39 Studien aus über 30 Jahren zeigt: Menschen haben 1,4 mal so viele hits bei Gesichtern der eigenen Herkunft im Vergleich zu Gesichtern der anderen Herkunft. Menschen haben 1,6 mal so viele false alarms bei Gesichtern anderer Herkunft als bei Gesichtern der eigenen Herkunft. Großteil der Teilnehmer waren Weiße (56%) und Schwarze (32%) Wegen schlechter Methodik, keine Auswertung hinsichtlich der ursächlichen kognitiven Prozesse möglich. 41
42 Unsere Forschungfrage Da in Deutschland Schwarze keine bedeutende Minderheit darstellen, stellt sich die Frage ob sich ein ORE auch für Türken und Araber bei (weißen) Deutschen zeigt. Wenn ja, ist der ORE eher ein Gedächtniseffekt oder ein Antworteffekt oder beides? Außerdem dürfte man Augenzeugenaussagen vor Gericht von Deutschen gegenüber türkischen Verdächtigten nur bedingt glauben schenken. Studie im Rahmen einer Bachelorarbeit von Eva Maaßen. 42
43 Bilder Vorstudie mit 269 Teilnehmern (Internet) die jeweils 20 Bilder bewerten. Insgesamt 125 arabische und 123 deutsche Gesichter (aus dem Internet, vor allem Fußballspieler) bei denen der Hintergrund raus geschnitten war. Auswahl von je 88 vergleichbaren Fotos. 43
44 Unsere Studie NUR (weiße) deutsche VPs! Experiment in 2 Phasen: 1. Lernphase: VPs sehen 88 Gesichter (44 deutsche, 44 türkische) 2. Testphase: VPs sehen 176 Gesichter (88 deutsche, 88 türkische) in 3 Blöcken (33% alte Gesichter, 50% alte Gesichter, 66% alte Gesichter) UV: - Herkunft der Person auf dem Foto (deutsch türkisch) - Art des Stimulus (alt oder neu) AV: Antwort der VP (Hit, False Alarm, ) 44
45 Ergebnisse Hits False Alarms * ** Wir können das übliche Muster nur zum Teil replizieren. Bei Türken zwar mehr False Alarms aber auch mehr Hits. 45
46 MPT 2-Hoschschwellenmodell des Rekognitionsgedächtnisses (2HTM = 2-high threshold model of recognition memory) 3 Parameter mal 2: D o = detect old Wahrscheinlichkeit ein altes Item als alt zu erkennen D n = detect new Wahrscheinlichkeit ein neues Item als neu zu erkennen g = guessing Wahrscheinlichkeit alt zu raten Jeweils für Deutsche Items und für türkische Items 46
47 Auswertung MPTs: Gibt es Modellparamater die zwischen den Itemklassen (deutsche oder türkische Gesichter) gleich zu setzen sind? 47
48 ORE sowohl Antwort- und Gedächtniseffekt ORE Antworteffekt ORE Gedächtniseffekt kein ORE 48
49 Ergebnisse MPT modelle bestes Modell Daten präferieren ein Modell in dem lediglich die Rateparameter gleich gesetzt sind. Es scheint ein Effekt in den Gedächtnisparamatern vor zu liegen. 49
50 Auswertung Modellparamater Modellparamater zeigen ein Bild das den hits und false alarams entspricht (aber kontrolliert für Antworttendenzen) Leicht bessere Gedächtnisleistung bei alten Gesichtern für türkische Gesichter (Differenz =.06) Deutlich bessere Gedächtnisleistung bei neuen Gesichtern für deutsche Gesichter (Differenz =.18) 50
51 Zusammenfassung ORE Unsere Studie zeigt einen Überraschenden ORE Deutsche VPs können zwar (leicht) besser alte türkische Gesichter wiedererkennen als deutsche Gesichter, sind aber schlechter darin neue türkische Gesichter auch als solche zu erkennen im Vergleich zu deutschen Gesichtern. Dieser Effekt ist leidglich ein Gedächtniseffekt. Die VPs zeigen keinen Unterschied in den Antworttendenzen. 51
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