Die Auswirkungen des Anti-Korruptionsgesetzes auf die ärztliche Tätigkeit

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1 Hamburg, Die Auswirkungen des Anti-Korruptionsgesetzes auf die ärztliche Tätigkeit Dr. Oliver Pragal, LL.M. (Cape Town) Fachanwalt für Strafrecht 5. Novartis-Netzwerktreffen

2 Gliederung I. Einführung II. Allgemein: Die Reichweite des 299a/b StGB III. Fallbeispiele: Strafrechtliche Risiken in der ärztlichen Praxis IV. Prävention V. Verhalten im Falle des Falles VI. Fazit

3 I. Einführung Ø nach BGH GSSt 2/11: Sonderstrafrecht für Ärzte? Ø Marxismus? ärztliche Entscheidungen fremdverantwortlich unternehmerisch

4 Ø Stand des Gesetzgebungsverfahrens Ø Systematik: alles berufsrechtlich Zulässige bleibt straflos Berufsrechtsverstoß allein genügt nicht für Strafbarkeit Ø Berufsrecht wird vernachlässigt 31 Abs. 1 BO: Verbot der Zuweisung gegen Entgelt 31 Abs. 2 BO: Empfehlungsverbot außer bei Vorliegen eines hinreichenden Grundes 32 BO: unerlaubte einseitige Zuwendungen 33 BO Zuwendungen bei vertraglicher Zusammenarbeit Ø Achtung: für Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern gelten zusätzlich 331 ff. StGB

5 Ø Achtung: Steuerstrafrecht / Betriebsprüfungen Abzugsverbot ( 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG), gilt z.b. für Schmiergelder, die getarnt sind als - Beraterhonorare - Honorararztvergütung o.ä. - Honorar für Anwendungsbeobachtung Mitteilungspflichten an StA (keine Steuergeheimnis!) Ø Die Uhr läuft: alte Strukturen müssen überprüft werden Ø Ermittlungsverfahren / Durchsuchung der Praxis sind der GAU Ø Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren: Der Staatsanwalt vermeidet alles, was zu einer nicht durch den Zweck des Ermittlungsverfahrens bedingten Bloßstellung des Beschuldigten führen kann.

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7 II. Allgemein: Die Reichweite des 299a/b StGB 1. Die geplante Tatbestandsfassung 299a StGB ( Nehmerseite ) (1) Wer als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil-oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial 1. einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt oder 2. seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

8 (2) Ebenso wird bestraft, wer als Angehöriger eines Heilberufs im Sinne des Absatzes 1 einen Vorteil dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei dem Bezug von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten, die zur Abgabe an den Patienten bestimmt sind, seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze. 299b StGB (Geberseite spiegelbildlich)

9 2. Konkret: Die Reichweite des Verbots Ø Arzt / Apotheker / Therapeuten / Gesundheitsfachberufe Ø riskante ärztliche Tätigkeiten Bezug, Verordnung oder der Abgabe von Arznei-, Heil-oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten Zuweisung von Patienten / Untersuchungsmaterial Ø Unrechtsvereinbarung Bevorzugung von A statt B Annahme eines Vorteils und konkretes Gegenleistungsverhältnis ( quid pro quo ) nicht: - falls berufsrechtlich zulässig - zulässige Kooperationen bei angemessener Vergütung einer Leistung ohne weitere Auffälligkeiten

10 Ø Die Gefahr: Weite des Vorteilsbegriffs alle materiellen / immateriellen Vorteile Abschluss von Verträgen trotz Gegenleistung / angemessener Vergütung Beteiligungen an Unternehmen Gewinnausschüttungen Versprechen der Zuweisung von Patienten

11 III. Fallbeispiele: Strafrechtliche Risiken in der ärztlichen Praxis 1. Dürfen operativ tätige Ärzte zukünftig eine kostenlose Fortbildung mit anschließenden Häppchen auch für konservative Praxen anbieten, die ihnen Patienten überweisen oder empfehlen? Bewertung: unkritisch 2. Darf ein Arzt auf Kosten eines Pharmakonzerns zu einer ebenfalls bezahlten Fortbildung Business-Klasse fliegen? Bewertung: berufsrechtswidrig, aber wohl noch nicht strafbar (vgl. 32 Abs. 2 MBO: notwendige Reisekosten und Tagungsgebühren ) 3. Darf ein Augenarzt Gutscheine für Sonnenbrillen bei einem Optiker kaufen, der ihm Patienten empfiehlt und diese Gutscheine dann seinen Patienten schenken? Bewertung: nein

12 4. Darf ein Apotheker Praxisräume an einen Arzt im gleichen Hause (unter-)vermieten? Bewertung: unzulässig, falls Miete / Entgelt unangemessen günstig sind. Auch anderenfalls nicht empfehlenswert. 5. Darf ein niedergelassener Augenarzt in Teilzeitanstellung für ein Krankenhaus mit augenärztlicher Abteilung tätig sein und dort auch eigene Patienten operieren, bei denen er die OP-Indikation gestellt hat? Bewertung: u.u. kritisch - strenge Prüfung erforderlich, ob Vergütung nur leistungsbezogen und angemessen, ferner keine automatische Empfehlung des Krankenhauses zulässig (vgl. 4 KH-Einweisungsrichtlinie) frühestmögliche Aufklärung des Patienten Nutzungsgebühren für OP / Personal / Versicherung

13 6. Dürfen operativ tätige Ärzte ihren Zuweisern z.b. die kostenlose Mitbenutzung des Sterilisators anbieten? Bewertung: nein 7. Darf ein Sanitätshaus für ein Krankenhaus unentgeltlich das Entlassungs- Management übernehmen, wenn es hierbei zur Erbringung von Leistungen (z.b. Hilfsmittel-Lieferungen) kommt? Bewertung: Nein, wenn die Dienste sonst nur gegen Entgelt übernommen werden. 8. Darf eine operativ tätige Augenarzt-Praxis konservativ tätige Kollegen etwa in den Bereichen IT / Hygiene / Praxismanagement beraten? Bewertung: Kritisch, wenn dies nicht vereinzelte Hilfe unter Kollegen, sondern planmäßige Vorteilsgewährung ist.

14 9. Darf eine Kardiologen-Praxis die Gestellung eines Linksherz- Kathetermessplatzes durch eine Klinik annehmen? Bewertung: Kritisch, selbst bei angemessem Nutzungsentgelt. 10. Darf ein Arzt ein medizinisch-technisches Gerät zu einem günstigeren Preis erwerben, wenn die zukünftig für dieses Gerät benötigten Verbrauchsmaterialien (z.b. Schlauchsysteme), die auch über Sprechstundenbedarf abgerechnet werden, vergleichsweise teuer sind? Bewertung: Gerätekauf ist eigene unternehmerische Sphäre; Bezug von Sprechstundenbedarf nach Abs. 2 mangels Abgabe an den Patienten nicht erfasst 11. Darf sich ein Arzt an einem Labor beteiligen, dem er selbst Untersuchungsmaterial zuweist? Bewertung: Nein, im Zweifel spürbarer Anreiz durch Zuweisung.

15 IV. Prävention 1. Allgemeines Ø der Newspaper-Test Ø strikte Beachtung des Berufsrechts Ø Transparenz: Patienten Ärztekammern / Clearingstellen

16 2. Prävention bzgl. zukünftig abzuschließender Kooperationsverträge Ø zwar Begrenzung der Strafbarkeit durch Gesetzesbegründung Ø dennoch problematisch: berufsrechtliche Grauzone Ø Beratung durch Medizinrechtler unverzichtbar Ø zu vermeidende Fallstricke: Dehnung / Umgehung des Berufsrechts unangemessene Vergütung blumige Leistungsbeschreibung : gegenseitige Abstimmung hinsichtlich des Leistungsspektrums zur Vermeidung unwirtschaftlicher Konkurrenz versteckte Vorteile (Nutzungsentgelte, Versicherungsumlage)

17 treuhänderische Beteiligungen ( Ehepartner ) Anlagen / Nebenabreden / Geheimhaltungsklauseln Wettbewerbsregeln / Exklusivitätsgarantien Verpflichtung zu jährlicher Kartellabsprache (!) Respektierung freier Arztwahl ohne Absicherung derselben in der Realität: wird sämtliche Patienten dem Krankenhaus...unter Beachtung der Patientenautonomie zuweisen

18 Ø Compliance-Maßnahmen: Berufsrecht streng einhalten / Prüfung durch RA Vorlage an Ärztekammern / Clearing-Stellen größtmögliche Transparenz der Kooperation ggü. Patienten / Kostenträgern konkrete Maßnahmen - Angemessenheit der Vergütung prüfen + dokumentieren - bei Zuweisungen: Hinweise auf Alternativen (KH- Einweisungs-Richtlinie) und Dokumentation - Kontrolle durch Kooperationspartner (z.b. KH) - Kündigungsrechte des Kooperationspartners bei Verstößen - Schulungen

19 3. Prävention bzgl. bereits abgeschlossener Verträge falls durch RA angefertigt, Schreiben an Kanzlei: bitten wir im Hinblick auf das bevorstehende Inkrafttreten des 299a/b StGB der guten Ordnung halber um Bestätigung, dass der von Ihnen gestaltete Vertrag vom mit der MBO (v.a MBO) konform ist falls selbstgestrickt : Newspaper-Test falls RA sich nicht meldet oder Test anschlägt: qualifizierte Beratung erforderlich: EXIT-Strategie!

20 V. Verhalten im Falle des Falles Ø Ruhe bewahren Ø Schweigen, Schweigen, Schweigen Ø Rechtsanwalt informieren, DuSu-Beschluss faxen, Beamten bitten, bis zum Eintreffen abzuwarten Ø kooperieren aber ohne Aufgabe von Rechten: keine freiwillige Herausgabe von Beweismitteln Ø Zeugenvernehmungen (Mitarbeiter): in Praxis wg. Hausrecht unzulässig Mitarbeiter haben Recht auf Zeugenbeistand

21 VI. Fazit Zeitenwende, die sorgfältiges Risiko-Management erfordert dennoch keine flächendeckende Strafverfolgungswelle ohne jedes Maß zu erwarten Problem: sozial- bzw. berufsrechtliche Grauzone Steuerstrafrecht: Entdeckungsrisiko durch Betriebsprüfer für Altlasten ist es 5 vor 12, da Aufräumarbeiten anspruchsvoll sein können und Vorlauf benötigen

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