Landtag von Baden-Württemberg. Antrag. Stellungnahme. Drucksache 15 / Wahlperiode. der Fraktion der CDU.

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1 Landtag von Baden-Württemberg 15. Wahlperiode Drucksache 15 / Antrag der Fraktion der CDU und Stellungnahme des Ministeriums für Integration Äußerungen von Ministerin Öney über einen Tiefen Staat in Deutschland Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. ob es zutrifft, dass Integrationsministerin Öney bei einer Veranstaltung im Alevitischen Kulturzentrum in Stuttgart wörtlich geäußert hat: Den Tiefen Staat [türkisch: derin devlet] gibt es auch in Deutschland. ; 2. falls Ziffer 1 verneint wird, welche Gründe nach ihrer Auffassung dazu geführt haben, dass sowohl die türkische Tageszeitung Hürriyet diese Aussage in ihrer Online-Ausgabe vom 4. März 2012 wörtlich so wiedergegeben hat als auch Aussagen aus dem Kreis der Veranstaltungsteilnehmer dieses Zitat bestätigen (so zum Beispiel ein Veranstaltungsteilnehmer gegenüber der Heilbronner Stimme ); 3. falls Ziffer 1 verneint wird, welchen Wortlaut die Äußerung von Ministerin Öney in Bezug auf den Tiefen Staat dann hatte und in welcher Sprache sie erfolgte; 4. ob der Äußerung von Integrationsministerin Öney zum Tiefen Staat eine Frage aus dem Publikum voranging sowie inwiefern ihr bekannt ist, in welcher Sprache die Frage formuliert wurde und welchen Wortlaut die Frage hatte; 5. weshalb sie, falls die Äußerung von Ministerin Öney auf Türkisch erfolgte, dem Umstand, dass es den Begriff Tiefen Staat in der deutschen Sprache nicht gebe, eine Bedeutung beimisst; Eingegangen: / Ausgegeben: Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen Der Blaue Engel. 1

2 6. falls Ministerin Öney auf eine Frage eines Zuhörers geantwortet hat, der einen Tiefen Staat in Deutschland unterstellt hat, weshalb Ministerin Öney den Begriff ihrerseits verwendet hat und nicht der Annahme des Zuhörers in einer Weise entgegengetreten ist, wie sie es nun nachträglich getan hat; 7. mit welcher Bedeutung Ministerin Öney den Begriff Tiefer Staat in dem Zusammenhang gebraucht hat, in dem sie in der Online-Zeitung Berlintürk zitiert wird und wo es nach der hier vorliegenden Übersetzung heißt: Den Tiefen Staat gibt es überall, aber es gibt keinen Staat der über den Tiefen Staat spricht. In der Türkei kommt der Tiefe Staat ans Tageslicht. Die seit 2000 verübten Mordserien müssen aufgeklärt werden. Damit zukünftig keine weiteren an den Staat seinen Verpflichtungen nachzukommen, man muss sich mit dem Rassismus auseinandersetzen. [ ] Seit der Wiedervereinigung Deutschlands gibt es 182 Todesfälle, diesen Fällen muss man nachgehen Hauk, Dr. Lasotta und Fraktion Begründung Durch Presseberichte am 9. Juni 2012 wurde allgemein bekannt, dass Integrationsministerin Öney sich auf einer Veranstaltung im Alevitischen Kulturzentrum in Stuttgart zur Existenz eines sogenannten Tiefen Staats in Deutschland geäußert hat. Nach der Online-Berichterstattung der türkischen Zeitung Hürriyet vom 4. März 2012 ( Kaçın Bilkay geliyor ) und nach Aussagen aus dem Kreis der Veranstaltungsteilnehmer (so in Heilbronner Stimme vom 9. Juni 2012, S. 5) hat sie dabei im Zusammenhang mit den Morden der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund den Satz geäußert: Den Tiefen Staat gibt es auch in Deutschland. Der Begriff des Tiefen Staats wird in der Türkei bzw. in Bezug auf diese im Sinne einer Verflechtung von Sicherheitskräften, Politik, Justiz, Verwaltung und Organisierter Kriminalität gebraucht, in jüngerer Zeit insbesondere mit Blick auf die mutmaßliche türkische Untergrundorganisation Ergenekon. Die Behauptung, es gebe in Deutschland einen Tiefen Staat ist dazu geeignet, das Vertrauen der Bevölkerung insbesondere der Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in die staatlichen Institutionen zu untergraben. Sie schadet dem Ansehen des Landes Baden-Württemberg und der Bundesrepublik Deutschland. Wer solche Verschwörungstheorien in Umlauf setzt oder ihnen Vorschub leistet, zieht Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in unserem Gemeinwesen in Zweifel. Wer eine Verbindung zwischen einem Tiefen Staat und den abscheulichen Mordtaten der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund herstellt, diffamiert die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Polizei und Verfassungsschutz in inakzeptabler Weise. Nach der Berichterstattung der Heilbronner Stimme hat das Integrationsministerium zu der zitierten Äußerung von Ministerin Öney erklärt, die Ministerin habe bei ihrer Äußerung auf eine auf Türkisch gestellte Frage geantwortet. Der Fragesteller habe wissen wollen, warum niemand etwas gegen den Tiefen Staat in Deutschland unternehme. Ministerin Öney habe in ihrer Antwort auf diese Frage den Begriff Tiefer Staat allerdings auf die Tätigkeit von V-Personen im Rahmen verdeckter Ermittlungen bezogen, schließlich gebe es den Begriff Tiefer Staat im Deutschen nicht. Diese Einlassung ist widersprüchlich. Zunächst setzt sie voraus, dass Ministerin Öney überhaupt eine Frage gestellt wurde und diese den bezeichneten Inhalt hatte. 2

3 Wenn man dies einmal unterstellt, ist weiterhin erforderlich, dass Ministerin Öneys Antwort auf Türkisch erfolgt sein muss. Denn sonst gäbe es kein Bedürfnis, den Begriff des Tiefen Staats, den es ja im Deutschen nicht geben soll, aufzugreifen. Ministerin Öney hätte dann von Verdeckten Ermittlungen sprechen können, was angeblich ihre Intention gewesen ist. Hat Ministerin Öney aber auf Türkisch geantwortet, kommt es auf die Frage, ob der Tiefe Staat im Deutschen ein Begriff ist, gar nicht an. Denn der Tiefe Staat ist im Türkischen ein feststehender Begriff für eine sicherheitsgefährdende Verschwörung. Wer den Begriff gebraucht, weiß, was er damit sagen will. Dies deutet darauf hin, dass der Erklärungsversuch untauglich ist. In einer Reaktion auf die Berichterstattung in der Heilbronner Stimme hat Ministerin Öney laut einer Meldung der Deutschen Presseagentur am 9. Juni 2012 erklärt, die Verwendung des Begriffs Tiefer Staat sei ein Fehler gewesen. Wörtlich wird sie wie folgt zitiert: Er [der Begriff Tiefer Staat ] stammt nicht von mir, sondern von dem Fragesteller. Diese Erklärung ist ersichtlich nicht ausreichend. Ministerin Öney hätte sich selbst nach ihrer Darstellung unverzüglich gegen die Behauptung des Zuhörers wenden müssen, dass es einen Tiefen Staat in Deutschland gebe. Offenbar hat Ministerin Öney den Begriff des Tiefen Staats jedoch bereits früher verwendet. So wird sie im Nachrichtenportal Berlintürk am 17. November 2011 nach der hier vorliegenden Übersetzung wie folgt zitiert: Den Tiefen Staat gibt es überall, aber es gibt keinen Staat, der über den Tiefen Staat spricht. In der Türkei kommt der Tiefe Staat ans Tageslicht. Die seit 2000 verübten Mordserien müssen aufgeklärt werden. Damit zukünftig keine weiteren an den Staat, seinen Verpflichtungen nachzukommen, man muss sich mit dem Rassismus auseinandersetzen. [ ] Seit der Wiedervereinigung Deutschlands gibt es 182 Todesfälle, diesen Fällen muss man nachgehen. Offensichtlich geht es in diesem Kontext nicht um Verdeckte Ermittlungen. Vielmehr nimmt das Zitat Bezug auf die türkischen Vorstellungen von einem Tiefen Staat und erstreckt diese auch auf Deutschland. Es scheint danach festzustehen, dass sich Ministerin Öney des Begriffs Tiefer Staat bereits früher und sehr bewusst bedient hat. Es liegt dann nahe, dass der Begriff auch hier als Schreckensbegriff benutzt werden sollte, um aus der Verunsicherung der türkischstämmigen Menschen politisches Kapital zu schlagen. Mit vorliegendem Antrag sollen der Sachverhalt und die bestehenden Widersprüche aufgeklärt werden. 3

4 4 Stellungnahme Mit Schreiben vom 4. Juli 2012 nimmt das Ministerium für Integration zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. ob es zutrifft, dass Integrationsministerin Öney bei einer Veranstaltung im Alevitischen Kulturzentrum in Stuttgart wörtlich geäußert hat: Den Tiefen Staat [türkisch: derin devlet] gibt es auch in Deutschland. ; 2. falls Ziffer 1 verneint wird, welche Gründe nach ihrer Auffassung dazu geführt haben, dass sowohl die türkische Tageszeitung Hürriyet diese Aussage in ihrer Online-Ausgabe vom 4. März 2012 wörtlich so wiedergegeben hat als auch Aussagen aus dem Kreis der Veranstaltungsteilnehmer dieses Zitat bestätigen (so zum Beispiel ein Veranstaltungsteilnehmer gegenüber der Heilbronner Stimme ); 3. falls Ziffer 1 verneint wird, welchen Wortlaut die Äußerung von Ministerin Öney in Bezug auf den Tiefen Staat dann hatte und in welcher Sprache sie erfolgte; 4. ob der Äußerung von Integrationsministerin Öney zum Tiefen Staat eine Frage aus dem Publikum voranging sowie inwiefern ihr bekannt ist, in welcher Sprache die Frage formuliert wurde und welchen Wortlaut die Frage hatte; 5. weshalb sie, falls die Äußerung von Ministerin Öney auf Türkisch erfolgte, dem Umstand, dass es den Begriff Tiefen Staat in der deutschen Sprache nicht gebe, eine Bedeutung beimisst; 6. falls Ministerin Öney auf eine Frage eines Zuhörers geantwortet hat, der einen Tiefen Staat in Deutschland unterstellt hat, weshalb Ministerin Öney den Begriff ihrerseits verwendet hat und nicht der Annahme des Zuhörers in einer Weise entgegengetreten ist, wie sie es nun nachträglich getan hat; Zu 1. bis 6.: Die Veranstaltung im Alevitischen Kulturzentrum in Stuttgart fand am 2. März 2012 statt. Ob das Zitat in der türkischen Tageszeitung genau den Wortlaut der Aussage der Integrationsmininisterin wiedergibt, ist nicht mehr feststellbar. Die Integrationsministerin wurde in einer offenen Runde von einem Fragesteller in türkischer Sprache zu der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrundes NSU, zu dem Einsatz von V-Leuten in diesem Zusammenhang und darauf angesprochen, warum niemand etwas gegen den Tiefen Staat in Deutschland unternehme. Bei ihrer Antwort lag es der Integrationsministerin fern, den Begriff des Tiefen Staates in dem Sinne zu gebrauchen, wie er teilweise in der Türkei verwendet wird. Sie hat diesen Begriff ausschließlich auf die konkrete Frage zur NSU-Mordserie bezogen. Sie wollte damit in keiner Weise in Zweifel ziehen, dass Deutschland ein funktionierender Rechtsstaat ist und dass die Vorfälle im Zusammenhang mit der NSU- Mordserie, zu denen es mittlerweile drei Untersuchungsausschüsse gibt, lückenlos aufgeklärt werden. Dies hat die Integrationsministerin auch mehrfach öffentlich erklärt, beispielsweise bei einer gemeinsamen Veranstaltung der Hacettepe Universität und der Konrad Adenauer Stiftung im April 2012 in Ankara. In einem Interview mit Spiegel online hat sie bereits im November 2011 zu der Neonazi-Mordserie ausgeführt, dass Deutschland derartige Verbrechen sehr ernst nimmt und die Behörden die Taten des Terror-Trios zuerst lückenlos aufklären müssen. Zudem hat sie darauf hingewiesen, dass der deutsche Staat Migranten genau so schützt wie Menschen, die aus Deutschland stammen.

5 Die Verwendung des Begriffs des Tiefen Staates in der in türkischer Sprache gegebenen Antwort war nach eigener Einschätzung der Integrationsministerin unangebracht. Sie bedauert ausdrücklich die Verwendung dieses Begriffs und hat sich hierfür bereits öffentlich entschuldigt. 7. mit welcher Bedeutung Ministerin Öney den Begriff Tiefer Staat in dem Zusammenhang gebraucht hat, in dem sie in der Online-Zeitung Berlintürk zitiert wird und wo es nach der hier vorliegenden Übersetzung heißt: Den Tiefen Staat gibt es überall, aber es gibt keinen Staat der über den Tiefen Staat spricht. In der Türkei kommt der Tiefe Staat ans Tageslicht. Die seit 2000 verübten Mordserien müssen aufgeklärt werden. Damit zukünftig keine weiteren an den Staat seinen Verpflichtungen nachzukommen, man muss sich mit dem Rassismus auseinandersetzen. [ ] Seit der Wiedervereinigung Deutschlands gibt es 182 Todesfälle, diesen Fällen muss man nachgehen. Zu 7.: Auf die Antwort zu 1. bis 6. wird verwiesen. Die Integrationsministerin hat den Begriff Tiefer Staat in keiner anderen Weise als in der Antwort dargestellt gebraucht. Mit der Erwähnung von 182 Todesfällen wollte sie verdeutlichen, welches Gefährdungspotenzial von rassistischen Umtrieben ausgeht. In dem erwähnten Interview mit Spiegel online hat sie dazu ausgeführt: Auch viele Deutsche sind Opfer Rechtsradikaler geworden die dürfen wir nicht vergessen. Die Amadeu-Antonio-Stiftung hat 182 Menschen gezählt, die seit der Wende von Rechtsradikalen umgebracht wurden. Darunter sind Obdachlose, Punks und andere, deren Gesicht den Neonazis schlicht nicht passte. Öney Ministerin für Integration 5