Vorlesung Europäisches Binnenmarktrecht
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- Hede Koch
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1 Vorlesung Europäisches Binnenmarktrecht Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) Sommersemester
2 1 Gegenstand der Vorlesung Wiederholung Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 2
3 Essentials: The seven Take Home Messages Grundfreiheiten als Kern des Binnenmarktes Art. 26 AEUV als Ausgangspunkt Funktion der Grundfreiheiten Gewährleistung des grenzüberschreitenden Verkehrs von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital Parallelität der Grundfreiheiten gemeinsame dogmatische Strukturen erlauben einheitliche Prüfung Berechtigte der Grundfreiheiten Grundfreiheiten als einklagbares subjektives Recht Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 3
4 Essentials: The seven Take Home Messages Verpflichtete der Grundfreiheiten Mitgliedstaaten / Private / Union Cassis de Dijon / Dassonville-Formel / Begrenzung durch Keck / Differenzierung zwischen verkaufs- und produktbezogenen Bestimmungen 4-Kriterien-Test (Gebhard und Kraus) keine Diskriminierung, zwingende Gründe des Allgemeininteresses, Geeignetheit, Erforderlichkeit Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 4
5 4 Allgemeine Lehren der Grundfreiheiten Anwendungsbereich Maßnahme Staat Private EU Beschränkung Rechtfertigung Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 5
6 Warenverkehrsfreiheit Verbot von Ein- und Ausfuhrzöllen (Art. 30 AEUV) Verbot mengenmäßiger Beschränkungen (Art. 34 AEUV) Verbot zur Umformung staatlicher Handelsmonopole (Art. 37 AEUV) Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 6
7 Ergänzung durch Regelungen des Sekundärrechts Binnenmarktkompetenz des Art. 114 AEUV Zentral: Begriff der Ware isd. Art. 28 Abs. 2 AEUV alle körperlichen Gegenständen, die einen Geldwert haben und Gegenstand von Handelsgeschäften sein können z.b. können auch Abfälle Waren isd. Art. 28 Abs. 2 AEUV sein weitere Beispiele: Elektrizität, Gas Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 7
8 Unionswaren und Freiverkehrswaren Art. 28 AEUV... (2) Artikel 30 und Kapitel 3 dieses Titels gelten für die aus den Mitgliedstaaten stammenden Waren sowie für diejenigen Waren aus dritten Ländern, die sich in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden. Unionswaren: vollständig im Mitgliedstaat gewonnen oder hergestellt bei Beteiligung von Drittstaaten an der Produktion: letzte wesentliche, wirtschaftlich relevante Be- oder Verarbeitung muss im Mitgliedstaat vorgenommen worden sein. Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 8
9 Unionswaren und Freiverkehrswaren Art. 29 AEUV Als im freien Verkehr eines Mitgliedstaats befindlich gelten diejenigen Waren aus dritten Ländern, für die in dem betreffenden Mitgliedstaat die Einfuhrförmlichkeiten erfüllt sowie die vorgeschriebenen Zölle und Abgaben gleicher Wirkung erhoben und nicht ganz oder teilweise rückvergütet worden sind. Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 9
10 Inhalt der Warenverkehrsfreiheit: Verbot von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung Art. 30 AEUV Ein- und Ausfuhrzölle oder Abgaben gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Dieses Verbot gilt auch für Finanzzölle. Zölle: formale Definition = alle Abgaben, die als Zoll bezeichnet werden und bei Aus- oder Einfuhr vom Staat erhoben werden Abgaben zollgleicher Wirkung: jede noch so die geringfügige finanzielle Belastung, die vom Staat einseitig wegen des Grenzübertritts einer Ware auferlegt wird (EuGH - Diamantarbeiders) Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 10
11 Verbot mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung, Art. 34, 35 AEUV Ausnahmen: 1. Entgelt für tatsächlich geleistete privatnützige Dienste (individuell messbarer Vorteil durch Gegenleistung) 2. Abgaben im Rahmen eines allgemeinen inländischen Abgabensystems 3. Vom Unionsrecht ausdrücklich zugelassene Abgaben Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 11
12 Verbot mengenmäßiger Ein-und Ausfuhrbeschränkungen staatliche Begrenzungen der Menge oder des Wertes von Ein- und Ausfuhren, die eine vollständige oder teilweise Untersagung ihres Verkehrs zur Folge haben können Problematisch sind ebenfalls Kontingentierungen Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen, Art. 34, 35 AEUV besondere praktische Bedeutung sehr schwierige begriffliche Abgrenzung Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 12
13 Definition der Maßnahmen gleicher Wirkung nach der weit gefassten Dassonville-Formel jede Regelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den gemeinschaftlichen Handelsverkehr mittelbar oder unmittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern Zurechnung zum Staat erforderlich Private Regelung der Maßnahmen nur dann erfasst, wenn Sie vom Staat rezipiert werden i.ü. fallen Behinderung des Binnenmarktes durch privates Handeln unter die Wettbewerbsvorschriften keine Absicht erforderlich, kein tatsächlicher Nachweis der Beeinträchtigung erforderlich Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 13
14 keine diskriminierende Intention erforderlich (Bsp: Cassis de Dijon = unterschiedslose Anwendung auf inländische und ausländische Waren, negative Auswirkung genügt bereits) nicht auf Maßnahmen beschränkt, die lediglich die Einfuhr der Waren erschweren (erfasst daher auch Absatzregelungen etc.) keine horizontale Wirkung des Warenverkehrsfreiheit Weitere Eingrenzung durch die Keck-Rechtsprechung: Differenzierung zwischen produktbezogenen Regeln und allgemeinen Verkaufsmodalitäten Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 14
15 Keck: Verkaufsmodalitäten sind unbedenklich, sofern 1. die Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsunternehmen gelten die ihre Tätigkeit im Inland ausüben und 2. sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berühren maßgebliches Kriterium: gleiche Anwendung P: Verkaufsmodalität ist zugleich produktbezogene Regelung es bleibt bei der strengen Anwendung des Art. 34 AEUV Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 15
16 Rechtfertigung ausdrücklich vorgesehene Ausnahmen Art. 36 AEUV Die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 16
17 enge Auslegung Einschätzungsprärogative der Mitgliedstaaten Verhältnismäßigkeit Immanente Schranke durch die Cassis-Doktrin Fehlen spezieller Unionsregelung (noch keine Harmonisierung) nichtdiskriminierende Natur zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses Verhältnismäßigkeit Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 17
18 vom EuGH anerkannte zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses Verbraucherschutz Steuerrecht Wettbewerbsrecht und Lauterkeit des Handelsverkehrs Umweltschutz Verkehrssicherheit Aufrechterhaltung der Medienvielfalt Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 18
19 Nichtdiskriminierende Umformung staatlicher Handelsmonopole Art. 37 AEUV (1) Die Mitgliedstaaten formen ihre staatlichen Handelsmonopole derart um, dass jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist. Dieser Artikel gilt für alle Einrichtungen, durch die ein Mitgliedstaat unmittelbar oder mittelbar die Einfuhr oder die Ausfuhr zwischen den Mitgliedstaaten rechtlich oder tatsächlich kontrolliert, lenkt oder merklich beeinflusst. Er gilt auch für die von einem Staat auf andere Rechtsträger übertragenen Monopole. Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 19
20 (2) Die Mitgliedstaaten unterlassen jede neue Maßnahme, die den in Absatz 1 genannten Grundsätzen widerspricht oder die Tragweite der Artikel über das Verbot von Zöllen und mengenmäßigen Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten einengt. (3) Ist mit einem staatlichen Handelsmonopol eine Regelung zur Erleichterung des Absatzes oder der Verwertung landwirtschaftlicher Erzeugnisse verbunden, so sollen bei der Anwendung dieses Artikels gleichwertige Sicherheiten für die Beschäftigung und Lebenshaltung der betreffenden Erzeuger gewährleistet werden. Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 20
21 Unterbindung binnenmarktschädlicher Aktionen Privater Blockade italienischer Obst-und Gemüsetransporte durch französische Landwirte: französische Polizei greift kaum ein EuGH: Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich, Warenverkehrsfreiheit findet auch auf Unterlassen staatlichen Handelns Anwendung, es besteht eine staatliche Handlungspflicht, Berufung auf Grundrechte entbindet nicht von der Pflicht zur Gewährleistung der Warenverkehrsfreiheit Blockade des Brenner-Passes aufgrund politischer Demonstration: Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 21
22 Der Brennerfall (EuGH NJW 2003, 3185) I. Verletzung von Art. 34 AEUV? 1. Anwendungsbereich Transportunternehmen (+) 2. Beeinträchtigung Unterlassen eines Eingreifens = Maßnahme gleicher Wirkung (+) Keine bloße Verkaufsmodalitäten (Keck) 3. Rechtfertigung allein Ziele des Staates, nicht der Demonstranten maßgeblich hier: Schutz der Unionsgrundrechte Grundrechte = allgemeine Rechtsgrundsätze im Rang des Primärrechts Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 22
23 3. Rechtfertigung Schutz der Grundrechte der Demonstranten = legitimes Ziel Abwägung / praktische Konkordanz Grundrechte = allgemeine Rechtsgrundsätze im Rang des Primärrechts 4. Ergebnis = Nichteingreifen gerechtfertigt Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 23
24 Binnenmarktfinale Rechtsangleichung im Bereich der Warenverkehrsfreiheit Grundlage für Rechtsangleichung: Kompetenznorm des Art. 114 AEUV Gewährleistung der Produktsicherheit Allgemeiner Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten Europaweite Konformitätszeichen (CE-Zeichen) Privatdozent Dr. Matthias Wendland, LL.M. (Harvard) 24
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