Wie weiter mit der Allgemeinverbindlichkeit?
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- Marta Hauer
- vor 5 Jahren
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1 Wie weiter mit der Allgemeinverbindlichkeit? Tarifpolitische Tagung Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler- Stiftung 22./23. September 2016 in Düsseldorf Dr. Ghazaleh Nassibi Referat Tarifkoordination, Abt. Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik, DGB-Bundesvorstand 1
2 Gliederung 1. Aktuelle Anwendungsprobleme 2. Forderungen des DGB 3. Debatte um Stärkung der Tarifbindung 2
3 Aktuelle Anwendungsprobleme Nach erstem Jubel kommt jetzt die Ernüchterung bei den Gewerkschaften Reformen zur Erleichterung der AVE im TVG zeigen nicht erhoffte Wirkung Seit dem Inkrafttreten der Änderungen im TVG sind bis heute nur Folgeanträge bisher erteilter AVE s zu verzeichnen (keine neuen Anträge!). Nach dem AEntG wurden bisher nur drei neue Rechtsverordnungen erlassen (Friseurhandwerk / Land-, Forstwirtschaft, Gartenbau / Textil- und Bekleidungsindustrie). 3
4 Aktuelle Anwendungsprobleme Das BMAS legt Gesetz restriktiv aus, faktisch wird die AVE erschwert, obwohl das Gesetzesziel ein anderes war. Das kommt der Arbeitgeberseite im TA entgegen, die den AVE-Erlass ohnehin restriktiv handhabt. Klagen gegen AVE, Verfassungsbeschwerde des ZVEH: verstärkt restriktive Handhabung des BMAS. Stets droht Veto-Möglichkeit durch Arbeitgeber im Tarifausschuss 4
5 Forderungen des DGB Definition überwiegende Bedeutung, 5 Abs. 1 S. 2 TVG Das öffentliche Interesse an einer AVE ist gegeben, wenn TV überwiegende Bedeutung hat. Problem: Das BMAS bestimmt dies immer noch primär über die mitgliedschaftliche Tarifbindung: die tarifgebundenen AG müssen eine erhebliche Zahl der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden AN beschäftigten. Damit bleibt das 50 %-Quorums faktisch bestehen. => Forderung DGB Konkretisierung öffentliches Interesse mit Bezug auf Rechtsprechung des BVerfG: Das öffentliche Interesse ist gegeben, wenn die AVE zur Stabilisierung der Funktion der Tarifautonomie und des Tarifvertragssystems, zur Erreichung angemessener Entgelt- und Arbeitsbedingungen, für die Sicherung und den Erhalt gemeinsamer Einrichtungen in ihrer sozialpolitischen Funktion oder als Mittel zur Sicherung sozialer Standards und zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen geeignet ist. 5
6 Forderungen des DGB AVE von TV über gemeinsame Einrichtungen, 5 Abs. 1a TVG 5 Abs. 1 a TVG zählt abschließend Regelungsgegenstände von Tarifverträgen über gemeinsame Einrichtungen auf: - Nr. 1 Erholungsurlaub, Urlaubsgeld - Nr. 2 Betriebliche Altersversorgung - Nr. 3 Auszubildendenvergütung - Nr. 4 Zus. betriebliche oder überbetriebliche Vermögensbildung der Arbeitnehmer - Nr. 5 Lohnausgleich bei Arbeitszeitausfall, AZ-verkürzung, AZverlängerung Besonderheit: Die AVE eines TV 5 Abs. 1 a TVG verdrängt andere Tarifverträge, an die Arbeitgeber/innen ebenfalls gebunden sind (Vorrangwirkung). 6
7 Forderungen des DGB Probleme: Streit mit BMAS über Rechtsgrundlage der AVE von TV mit Regelungen zu gemeinsamen Einrichtungen: Wenn nach Ansicht des BMAS unklar ist, ob alle Vorschriften eines TV unter Abs. 1 a fallen, erklärt das BMAS die Vorschriften des gleichen TV teils über Abs. 1, teils über Abs. 1a allgemeinverbindlich. Aber: Regelungen zu gemeinsamen Einrichtungen sind vielfach mit anderen Regelungsbereichen verschränkt: z.b. ist der Ausschluss der Kündigung aus Witterungsgründen in der Schlechtwetterzeit im Gerüstbaugewerbe nur unmittelbar zusammen mit dem Überbrückungsgeld zu verstehen, das von der gemeinsamen Einrichtung des Gerüstbauhandwerks gewährt wird. Derselbe Tarifvertrag enthält Regelungen mit und ohne verdrängende Wirkung. 7
8 Forderungen des DGB Abschließender Katalog der Regelungsgegenstände erschwert innovative Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien. Forderung des DGB: Klarstellung: alle TV, in denen Aufgaben und Leistungen einer gemeinsamen Einrichtung geregelt sind, fallen unter 5 Absatz 1a TVG, auch wenn daneben noch andere Arbeitsbedingungen geregelt werden. Klarstellung, dass die Aufzählung der Regelungsgegenstände in 5 Absatz 1 a TVG nicht abschließend ist. 8
9 Forderungen des DGB 7 AEntG: Rechtsverordnung nach Arbeitnehmerentsendegesetz Als Voraussetzung für die RVO nach AEntG verlangt das Gesetz ein öffentliches Interesse. Nach Aussage des BMAS müssen hier Ausführungen zur Repräsentativität gemacht werden, also zur mitgliederschaftlichen Tarifbindung. Problem: Gesetzestext verlangt nur ein öffentliches Interesse, macht aber keine zahlenmäßigen Vorgaben hinsichtlich der Tarifbindung. Forderung DGB: Es bedarf der Klarstellung, dass für den Erlass der Rechtsverordnung nach 7 AEntG keine mitgliedschaftliche Tarifbindung vorausgesetzt wird. 9
10 Forderungen des DGB Vetomöglichkeit im Tarifausschuss Nach wie vor kann die Arbeitgeberbank im Tarifausschuss mit einem Veto den Erlass einer AVE blockieren. Kein direkter Gebrauch von Veto in jüngster Zeit. Allerdings gab es Situationen, in denen die Arbeitgeber durch die theoretische Möglichkeit eines Vetos z.b. Einschränkungen des Geltungsbereichs einer AVE durchsetzen konnten. (Alte) DGB-Forderung Gemeinsam eingebrachte Anträge der Tarifvertragsparteien sollen im Tarifausschuss nur mehrheitlich abgelehnt werden können. 10
11 Fazit Nachjustierung der Gesetze (TVG, AEntG) Insbesondere Änderung des Abstimmungsmodus im Tarifausschuss Gemeinsame gewerkschaftliche Strategie zur Durchsetzung von mehr AVE s? Hintergrund der Diskussion: generelle Frage nach Stärkung der Tarifbindung 11
12 Fazit: Stärkung der Tarifbindung Stärkung der Tarifbindung auf AG-Seite Verhinderung von Tarifflucht: Weitergeltung des TV nach Tarifflucht soll auch bei kleinen Änderungen des TV bestehen bleiben, wenn TV ansonsten sinnvoll. Einschränkung OT-Mitgliedschaften (siehe auch Urteil BVerwG v zu OT-Mitgliedschaften in Handwerksinnungen), z.b. im Hinblick auf Blitzwechsel von tarifgebundener Mitgliedschaft in OT-Mitgliedschaft während Arbeitskampf. Stärkung Tarifbindung auf Gewerkschaftsseite Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung Gezielte Betriebspolitik zur Mitgliedergewinnung Zutrittsrechte für Gewerkschaften in die Betriebe Diskussion zu Differenzierungsklauseln in TV Organisierung der Ränder der Belegschaften 12
13 Fazit: Stärkung der Tarifbindung Verbandsklagerecht für Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gegen Tarifbruch Öffnungsklauseln für TV zur Abweichung von gesetzlichen Mindeststandards: zweischneidiges Schwert, keine Beweise, dass dadurch Tarifbindung erhöht wird. Handlungsmöglichkeiten des Staates: Tariftreue als zwingendes Kriterium in der öffentlichen Auftragsvergabe 13
14 Vielen Dank für die Aufmerksamkeit! Kontakt: Dr. Ghazaleh Nassibi, DGB-Bundesvorstandsverwaltung, Referat Tarifkoordination, Tel.: 030/ , 14
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