Brandenburgisches Oberlandesgericht
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1 10 UF 222/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht 7 F 287/06 Amtsgericht Prenzlau Anlage zum Protokoll vom 6. Mai 2008 Verkündet am 6. Mai 2008 als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil In der Familiensache des Minderjährigen T W, - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Klägers und Berufungsklägers, g e g e n Herrn F P, - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Beklagten und Berufungsbeklagten, hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 1. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Berger und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein
2 - 2 - für Recht erkannt: Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Prenzlau vom 1. November 2007 abgeändert. Der Beklagte wird in Abänderung des vor dem Amtsgericht Prenzlau am 7. Juli 1999 geschlossenen Teilvergleichs (1 C 386/98) verurteilt, an den Kläger zu Händen seiner gesetzlichen Vertreterin monatlichen Unterhalt, den zukünftigen jeweils monatlich im Voraus bis zum 1. eines jeden Monats, wie folgt zu zahlen: - 93 von August 2006 bis zum 9. April 2007, vom 10. April 2007 bis Juni 2007, für Juli 2007, von August bis Oktober 2007, von November bis Dezember 2007, von Januar 2008 bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Mindestunterhalt der 3. Altersstufe im Sinne des 1612 a Abs. 1 BGB den jetzigen Betrag von 365 übersteigt, - Mindestunterhalt der 3. Altersstufe im Sinne des 1612 a Abs. 1 BGB von dem Zeitpunkt an, in dem er den Betrag von 365 übersteigt, abzüglich hälftigen Kindergelds Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 3/20, der Beklagte 17/20 zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Berufungswert beträgt 2.444, davon entfallen auf die Berufung und 338 auf die Anschlussberufung. G r ü n d e I.
3 - 3 - Der Beklagte ist aufgrund des Teilvergleichs vom (1 C 386/98 Amtsgericht Prenzlau) verpflichtet, dem Kläger, seinem am geborenen Sohn, monatlichen Unterhalt von 40 DM, das sind 20,45, zu zahlen. Bei Abschluss des Teilvergleichs gingen die Parteien von einem Nettoeinkommen des Beklagten von DM, das sind rund 758, aus. Der Beklagte war damals angestellt und lebte mit seiner Partnerin M L und dem gemeinsamen Kind J L, geb. am , in S. Er ist Vater der weiteren Kinder S, geb. am , und M S, geb. am , sowie Ma M, geb. am In der Folgezeit zog der Beklagte in den Raum O und erzielte in der Firma seiner Partnerin und später in derjenigen seines Bruders Einkünfte von bis zu 832. Seit August 2007 ist er selbstständig tätig. Der Kläger forderte den Beklagten in 2003 und erneut im Juli 2006 auf, Unterhalt in Höhe des Regelbetrags zu zahlen. Durch Schriftsatz vom hat er das vorliegende Verfahren eingeleitet und in Abänderung des Teilvergleichs vom ab August 2006 monatlichen Unterhalt in Höhe des Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe verlangt. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und, widerklagend, Herabsetzung des titulierten Unterhalts für die Zeit ab Oktober 2006 auf Null. Das Amtsgericht hat den Beklagten durch das am verkündete Urteil, berichtigt durch Beschluss vom , verurteilt, an den Kläger in Abänderung des Teilvergleichs vom ab monatlichen Unterhalt von 66 zu zahlen. Die weitergehende Klage und Widerklage hat es abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen wird gemäß 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er trägt vor: Der Beklagte müsse seine Arbeitskraft bestmöglich einsetzen, um jedenfalls den Mindestunterhalt zahlen zu können. Der Beklagte lebe in den alten Bundesländern und könne höheres Einkommen erzielen, als dem Teilvergleich zugrunde gelegt worden sei und er nach seinen Angaben auch tatsächlich erziele. Der Kläger beantragt,
4 - 4 - unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Prenzlau vom den Teilvergleich des Amtsgerichts Prenzlau vom C 386/98 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm zu Händen seiner Mutter, S W, monatlich jeweils bis zum 1. eines jeden Monats eine Unterhaltsrente nach 2 Regelbetrag-Verordnung in Höhe von 100 % des jeweiligen Regelbetrages a) der 2. Altersstufe ab August 2006, b) der 3. Altersstufe ab Dezember 2006; c) ab Januar 2008 in Höhe des Mindestunterhalts der 3. Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergelds gemäß 1612 b Abs. 5 BGB zu zahlen, ferner Zurückweisung der Anschlussberufung. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen sowie, im Wege der Anschlussberufung, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Beklagte trägt vor: Eine wesentliche Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse sei nicht eingetreten, sodass er auch keinen den titulierten Betrag übersteigenden Unterhalt zahlen müsse. Er lebe seit August 2006 nicht mehr mit Frau L zusammen, mit ihr bestehe eine Vereinbarung, wonach der Unterhalt für J mit seinen für das Haus von Frau L erbrachten Leistungen verrechnet werde. In der Firma von Frau L habe er als Servicehelfer, in der Firma seines Bruders als Montagehelfer gearbeitet. Mitte August 2007 habe er sich selbstständig gemacht. Zugunsten von Ma M bestehe der Beschluss vom , aufgrund dessen er monatlichen Unterhalt von 291 zahlen müsse. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
5 - 5 - Der Senat hat die Parteien angehört. Die gesetzliche Vertreterin des Klägers hat erklärt: Ich bin bei Abschluss des Teilvergleichs vom Jugendamt vertreten worden. Das vorliegende Verfahren habe ich eingeleitet, weil der Beklagte seit Januar 2006 überhaupt keinen Unterhalt mehr gezahlt hat. Der Beklagte hat erklärt: Seit Mai 2006 lebe ich nicht mehr mit Frau L zusammen, J wohnt in ihrem Haushalt und besucht mich. Ich wohne seit August 2006 in einer eigenen Wohnung in B, den schriftlichen Mietvertrag habe ich nach meinem Einzug im November 2006 unterzeichnet. Ich habe mich als Servicetechniker selbstständig gemacht. II. Die Berufung des Klägers ist überwiegend begründet. Der Beklagte muss dem Kläger in Abänderung des Teilvergleichs vom von August 2006 an höheren Unterhalt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zahlen. Die mit der Anschlussberufung verlangte Herabsetzung des Unterhalts kommt nicht in Betracht. Ein Prozessvergleich, wie ihn die Parteien am geschlossen haben, kann nach den aus 242 BGB abgeleiteten Regeln über die Veränderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage abgeändert werden (BGH, FamRZ 1983, 22, 24; FamRZ 1986, 790, 791), sodass eine Anpassung gerechtfertigt ist, wenn es einem Beteiligten nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann, an der bisherigen Regelung festzuhalten (BGH, a.a.o.). Danach kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg gegen eine Anhebung des Unterhalts wenden und darauf verweisen, dass sich seit Abschluss des Teilvergleichs vom sein dort genanntes Einkommen jedenfalls bis zur Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit im August 2007 nicht (nennenswert) erhöht habe. Vielmehr kann dem Kläger als einem an dem Vergleich Beteilig-
6 - 6 - tem nach Treu und Glauben ein Festhalten an der bisherigen Regelung nicht zugemutet werden. Denn seit 1999 haben sich Einkommen sowie Bedarfs- und Selbstbehaltssätze wesentlich geändert. Der Beklagte hat seine Stelle mehrfach gewechselt, ist in ein sog. altes Bundesland gezogen, wo die Verdienstmöglichkeiten im Verhältnis zu denen in Mecklenburg-Vorpommern günstiger sind, und wusste aufgrund einer entsprechenden Auskunfts- und Zahlungsaufforderung des Klägers aus dem Jahre 2003, dass dieser Unterhalt jedenfalls in Höhe des Regelbetrages verlangte. Im Hinblick darauf durfte sich der Beklagte nicht (mehr) mit einem Einkommen in Höhe desjenigen aus dem Teilvergleich begnügen. Er war wegen seiner gesteigerten Unterhaltsverpflichtung gegenüber minderjährigen Kindern gehalten, seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und eine einträgliche Erwerbstätigkeit auszuüben (vgl. dazu Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., 2, Rz. 145). Da er dies nicht getan hat, muss er sich in dem hier maßgeblichen Zeitraum ab August 2006 dasjenige Einkommen zurechnen lassen, das er bei gutem Willen hätte erzielen können. Dieses kann, da der damals 48 Jahre alte Beklagte - wenn auch ohne einschlägige Berufsausbildung, aber mit Berufserfahrung als Service- bzw. Montagehelfer - überwiegend berufstätig war, mit anrechenbaren angenommen werden. Daher ist in der Zeit von August 2006 bis zur Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit im August 2007 von diesem fiktiven Einkommen auszugehen. In der Zeit danach können, da der Beklagte mit der selbstständigen Tätigkeit, wie nachfolgend dargestellt wird, erheblich höhere Einkünfte erzielt, die tatsächlichen Einkünfte des Beklagten zugrunde gelegt werden. Der Beklagte hat, wie sich den von ihm vorgelegten betriebswirtschaftlichen Kurzberichten entnehmen lässt, in der Zeit von August 2007 bis Februar 2008 insgesamt erzielt. Setzt man diesem Einkommen noch das im August 2007 bezogene restliche Gehalt der Fa. P von 420 hinzu, ergibt sich ein Gesamteinkommen von Dies entspricht einem monatlichen Einkommen von rund 1945 (= : 7). Davon sind die vom Beklagten unstreitig gezahlten Krankenversicherungsbeiträge mit 341 abzuziehen. Es verbleibt, da der Beklagte weitere berücksichtigungsfähige Abzüge nicht dargelegt hat, ein anrechenbares Einkommen von
7 - 7 - Da der Beklagte nicht mehr mit einer Partnerin zusammen lebt, ist ihm der notwendige Selbstbehalt ungekürzt zu belassen. Dieser beträgt - in den alten Bundesländern - bei Erwerbstätigen 890 und ab (Nr der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Oberlandesgerichts Oldenburg, Stand , bzw ). Damit stehen bis Juni 2007 monatlich 210 (= ), im Juli (= ) und ab August 2007 monatlich 704 (= ) für Unterhaltszwecke zur Verfügung. Für den im Land Brandenburg wohnenden Kläger, der den Regelbetrag bzw. den Mindestunterhalt abzüglich hälftigen Kindergelds gemäß 1612 a BGB in der ab geltenden Fassung verlangt, ist zunächst der Regelbetrag der 2. Altersstufe von 228, und ab Juli 2007 von 226 (Anlage I zu den Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand bzw ) in die Unterhaltsberechnung einzustellen. Da der Kläger am das 12. Lebensjahr vollendet hat, erhöht sich der Regelbetrag gemäß 1612 a Abs. 3 Satz 2 BGB in der bis geltenden Fassung von November 2007 an auf 267. Der Mindestunterhalt der 3. Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergelds beträgt gemäß 1612 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BGB in der ab geltenden Fassung i. V. m. 36 Nr. 4 c EGZPO 288 (= e). Bei der Unterhaltsberechnung ist nur noch der am geborene Sohn Ma M zu berücksichtigen. Die Söhne S und M S sind im Unterhaltszeitraum von Anfang an volljährig, der Beklagte hat selbst nicht behauptet, für sie weiterhin unterhaltspflichtig zu sein. Ma M ist am volljährig geworden, sodass mangels gegenteiligen Vorbringens des Beklagten eine Fortdauer der Unterhaltsverpflichtung nicht angenommen werden kann. Für den Sohn J L muss der Beklagte nach eigenem Vortrag im Hinblick auf anderweitige Leistungen keinen Barunterhalt zahlen. Somit sind in der Zeit von August 2006 bis zum die für den Unterhalt zur Verfügung stehenden 210 auf Ma und den Kläger aufzuteilen. Der Regelbetrag für den in Niedersachsen, einem der alten Bundesländer, lebenden Ma beträgt 291, derjenige für den im Land Brandenburg lebenden Kläger 228. Es ergibt sich ein Gesamtbedarf von 519. Bei der vorzunehmenden Mangelverteilung entfällt auf den Kläger ein Betrag von 92,25 (= 228 x 210 : 519 ), der gemäß 1612 a Abs. 2 Satz 2 BGB auf 93 aufzurunden ist.
8 - 8 - In der Zeit vom bis Juni 2007 entfallen die vom Einkommen des Beklagten verbleibenden 210 allein auf den Kläger. Im Juli 2007 sind es die 200. Von August 2007 an stehen vom Einkommen des Beklagten 704 für den Unterhalt zur Verfügung, sodass der Beklagte den vom Kläger verlangten Unterhalt in Höhe von 226 bis Oktober 2007, von 267 für November und Dezember 2007 sowie den Mindestunterhalt nach Kindergeldabzug von 288 ab ohne weiteres zahlen kann und muss. Die dem Beklagten zu zahlenden Unterhaltsbeträge sind konkret festzulegen, da sie bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Mindestunterhalt im Sinne des 1612 a Abs. 1 BGB in der ab geltenden Fassung den Betrag von 365 (abzüglich hälftigen Kindergelds) übersteigt, beziffert werden können. Erst von da an ist der Unterhalt dynamisiert als Mindestunterhalt der 3. Altersstufe abzüglich hälftigen Kindergelds zu bezeichnen. Angesichts des Vorstehenden kann die Anschlussberufung keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Prof. Schael Liceni-Kierstein Berger
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