Durchfall bei Kindern unter 5 Jahren ~2.5 Milliarden Episoden/Jahr. Leitlinien zur akuten Gastroenteritis und Rotavirusimpfung
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- Irmgard Krämer
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1 Leitlinien zur akuten Gastroenteritis und Rotavirusimpfung Sibylle Koletzko Durchfall bei Kindern unter 5 Jahren ~2.5 Milliarden Episoden/Jahr Süd-Asien 783 Mill. 33% 18% Ost-Asien & Pazifik 435 Mill. Dr. v. Haunersches Kinderspital Ludwig-Maximilians-Universität München Afrika 696 Mill 29% 20% Rest der Welt 480 Mill. The United Nations Children s Fund (UNICEF)/World Health Organization (WHO), report 2009 Durchfall tötet 1,5 Millionen Kinder <5 J. - mehr als AIDS, Malaria & Masern zusammen - Ursache #2 für Todesfälle in dieser Altersgruppe 38% Süd Asien 7% Ost Asien & Pazifik 9% Rest der Welt 46% Afrika The United Nations Children s Fund (UNICEF)/World Health Organization (WHO), report 2009 Jährliche Krankheitslast durch Rotaviren in Deutschland Geschätz > medizinisch zu versorgende Rotavirus- Erkrankungsfälle Davon jährlich mehr als stationäre Behandlungen wegen Rotaviren bei < 5 Jährigen 1 Rose M. et al. Präv Gesundheitsf, 2008 ~2 Todesfälle durch Rotaviren > nosokomiale Rotavirus-Erkrankungen > stationäre Behandlungen ambulante Arztbesuche weitere Krankheitsfälle Geschätzte jährliche Belastung durch Rotavirus- Gastroenteritiden bei Kindern unter 5 Jahren in Deutschland Fall: Mädchen, 7 Jahre Tag 1: Penicillin wegen Tonsillitis, nachts wässrige Durchfälle bei AGE in der Umgebung Tag 2: Umstellung auf Cefixim, rezidivierendes Erbrechen, weiter Durchfälle, Fieber 40 C, keine Therapie der AGE Tag 4: Stationäre Aufnahme auswärtige Kinderklinik, deutlich red. AZ, Gewicht 2 kg, weiter wässrige Druchfälle und Erbrechen, Tx: Antibiose i.v., Päd II Infusion 63 ml/kg/kg/tag, Tag 6: Verlegung Intensivstation Dr. v. Hauner K.spital Kreatinin 3,6 mg/dl, Harnstoff-N: 64 mg/dl, Urin: Eiweiß+, Keton ++, keine Zellen, Zylinder Dx: prärenales Nierenversagen bei Exsikkose bei ungenügender Flüssigkeitsubstition (kein Hinweis auf HUS) Was war falsch gelaufen 1. Keine Therapieempfehlung durch KA: ORL und Nahrung protrahierte Durchfälle 2. Auswärtige Kinderklinik zu wenig Flüssigkeit: nur Erhaltungsbedarf, kein Ausgleich der vorherigen und laufenden Verluste zu wenig Elektrolyte: Na: 3 mmol/kg & Tag zu wenig Energie: 15 kcal/kg & Tag als Glukose ohne Protein und Fett, keine orale Nahrungszufuhr 1
2 Therapie der akuten Durchfallerkrankung ESPGHAN / ESPID Evidence based guidelines for the management of acute gastroenteritis in children in Europe Drei Typen (Guarino et al. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2008;46:S81-S184) GPGE-Leitlinien Akute Gastroenteritis Akute wässrige Durchfälle Rotavirus und andere Viren, E. coli Vibrio cholera Blutige Durchfälle (Dysenterie) Shigellen, (Salmonellen) Sibylle Koletzko, Stephanie Osterrieder (Dtsch Ärztebl Int 2009;106(33) ) Chronisch persistierende Durchfälle = >14 Tage Parasiten Post-enteritis Malnutrition HIV Vorgehen bei akuter Gastroenteritis Anamnese/Untersuchung Flüssigkeitsverlust abschätzen Rehydrieren in 3-4 h Verluste vermindern Essen geben Laufende Verluste ersetzen Koletzko & Osterrieder Akute Durchfallerkrankung im Kindesalter Dtsch Arztebl Int 2009; 106(33): ; Dehydratationsgrad abschätzen Risikopatienten Verlust als % des Körpergewichts Die zuverlässigsten klinischen Parameter sind verlängerte Kapillarfüllung Verminderter Hautturgor vertiefte Atmung Einteilung der Dehydratation als keine/minimal (0 - <3 %) leicht bis mittelschwer (3-8 %) schwer (> 9%) Zeichen der Dehydrierung: ja >8 wässrige Stühle in letzten 24 h > 4 x Erbrechen in letzten 24 h Alter < 6 Monate Therapie unter Beobachtung 2
3 Die orale Rehydrierung mit oraler RehydrierungsLösung ist in >95% der Fälle mit leichter bis mittelschwerer Dehydratation erfolgreich! Diarrhoe - Pathophysiologie GESUND Villi Cl- Na-Absorption ist am wichtigsten für Wasser-Aufnahme Glucose AS Wasser Krypten Cl- Cl- Chloridstrom ist am wichtigsten für den Wasser-Sekretion! Hypoosmolare ORL besser als alte ORL Erbrechen, Umstellung auf i.v., Stuhlvolumen, sicher bei Cholera ESGPHAN mmol/l WHO mmol/l WHO g/l Na (NaCl) Cl >25 65 Glucose anhydrous K > (KCl) Citrate (Trisodium Serosa Darmlumen HCO3-2 Cl- ESPGHAN/GPGE Leitlinien Indikation für Blutuntersuchung Messung der Elektrolyte und Blutgase ist bei oraler Rehydrierung nicht notwendig (IIIC) 13.5 citrate) Osmolarity Keine selbst zubereitete ORL bei Säuglingen & Kleinkindern Kein Elotrans neu!!. GPGE Leitlinien Indikation für Blutuntersuchung Elektrolyte, Harnstoff/Kreatinin, BGA messen, wenn......eine schwere Dehydratation (>9%) vorliegt...eine i.v. Rehydrierung geplant ist....zweifel an der Diagnose akute infektiöse Gastroenteritis bestehen. Indikationen für Stuhluntersuchungen Blutige Durchfälle Schwerer Verlauf mit Dehydratation >9% Nosokomiale Infektion bei stationären Patienten, d.h. Beginn des Durchfalls >3 Tage nach stat. Aufnahme V.a. Lebensmittelvergiftung Kürzliche Auslandsreisen in Risikoländer Angeborene oder erworbene Immunschwäche/suppression V. a. Clostridien Colitis (Antibiotika, CED) oder HUS Junge Säuglinge < 4 Monate, besonders Frühgeborene Prolongierte Durchfälle oder septische Temperaturen, wenn Antibiotika erwogen werden 3
4 GPGE/ESPGHAN Leitlinien Evidence 1A Orale Rehydrierung ist Therapie 1. Wahl Wenn oral Rehydrierung nicht möglich, ist die nasogastrale Sondierung der i.v. Infusion vorzuziehen (1A) Enterale Rehydrierung hat signifikant weniger NW und eine signifikant kürzere Krankenhausdauer als i.v Therapie (1A) Kinder die oral oder enteral rehydriert werden können, sollten keine i.v. Therapie bekommen (1A) GPGE Leitlinien Orale Rehydration Bei kontinuierlichem Erbrechen oder Trinkverweigerung kann ORL kontinuierlich über Magensonde gegeben werden. Laufende Verluste durch Durchfall oder Erbrechen durch ORL ausgleichen z.b ml ORL pro Stuhl/Erbrechen GPGE / ESPGHAN Leitlinien Ernährungsempfehlungen Flaschen ernährte Säuglinge: Gewohnte unverdünnte Säuglingsnahrung. Keine Heilnahrung, keine Hydrolysat- oder Sojanahrung (Evidenz 1A) Kleinkinder: Normale Kost mit Bevorzugung von komplexen Kohlenhydraten (Stärke) (Evidenz 1A) (Nudeln, Brot, Kartoffeln, Suppen, Brei etc.) Reduktion von Einfach- und Zweifachzuckern, besonders Fruktose (Säfte) (Evidenz 3C). Keine Fettrestriktion (Evidenz 1A) GPGE Leitlinien Orale Rehydration leichte - mittelschwere Dehydration (3-8%): ORL ml/kg innerhalb von 3-4 h. (z.b. 5ml alle 2-3 min. mit Löffel/Spritze, gekühlt o. Zimmertemperatur) Nur wenn diese kleinen Mengen ohne Erbrechen toleriert werden, kann das Einzelvolumen erhöht und die Abstände vergrößert werden (z.b. 30 ml alle 15 min.) GPGE / ESPGHAN Leitlinien Ernährungsempfehlungen Spätestens 4-6 h nach Beginn der Rehydrierung: Beginn mit für das Kind normaler Ernährung (Evidenz 1A) Gestillte Säuglinge: von Beginn an zwischen ORLGabe anlegen. Nicht auf Flaschennahrung umstellen (Evidenz 3C) GPGE/ESPGHAN Leitlinien Medikamente Kein Effekt oder nicht sicher (= sollte nicht gegeben werden) (Loperamid, Kohle, Kaolin-Pektin, Cholstyramin, Bismuthsalze) Nicht zugelassen mit positivem Effekt: Ondansetron: Metanalyse von 5 RCT: Erbrechen & Risiko für i.v. Therapie, aber mehr Durchfall (Szajewska et al APT 2007;25: ) unsicherer Effekt, aber kein oder minimales Risiko abgetötete Bakterien, die meisten Probiotika, Zugelassen und mit positivem Effekt Zink, Dimenhydrinat, Probiotika mit nachgewiesener Wirkung, Racecadotril 4
5 Zink Zink mittlere Durchfalldauer Mögliche Mechanismen für Zink bei AGE - Absorption - Regeneration der Schleimhaut - Bürstensaumenzympe - Immunantwort 3 Metaanalysen mit 23 RCT ( Kinder) (Patro B et al APT 2008; , Lazzerini M, Ronfani L. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008, Issue 3. Art. No.: CD DOI: / CD pub2. Patel et al PlosONe 2010:4:e Patel et al PlosONe 2010:4:e10386 Zink Risiko für Erbrechen um 2-3 fache Zink Dosis: 10 mg/d <6 Mon, 20 mg/d >6 Mon Durchfalldauer um ~20% and persistenter Durchfall um 15-30%, KEINE Reduktion von Stuhlvolumen und Frequenz Positiver Effekt bei Kindern mit Malnutrition (RCT aus Entwicklungsländern) Erbrechen mit Zink (2 3 fach) Patel et al PlosONe 2010:4:e10386 (Patro B et al APT 2008; , Lazzerini M, Ronfani L. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008, Issue 3. Art. No.: CD DOI: / CD pub2. Patel et al PlosONe 2010:4:e Dimenhydrinat bei Kindern 243 Kinder 0,5 6 J mit V.a. akute GE, >1x Erbrechen/24h 43% hatten keinen Durchfall, 54% waren nicht dehydriert Kein Unterschied bgl. Gewichtsverlauf, Trinkmenge, Durchfall Reduktion der Erbrechensfrequenz durch Dimenhydrinat Prozent der Kinder vs 46% p<0,001 Dimenhydrinat Plazebo Erbrechensepisoden Erbrechensfreiheit: NNT 4.5 (CI ) U. Uhlig et al. Pediatrics 2009 Probiotika (nur wenige Stämme): bei Viren! Mögliche Mechanismen - Kompetitive Hemmung der Adhäsion - Antimikrobielle Wirkung - Effekt auf Epithel - Immunologigische Effekte Saccharomyces boulardii Updated 2010: Szajewska et al. Aliment Pharmacol Ther 2009;30: RCT, n = 944, WMD -1d (-1.6 to -0.5) Lactobacillus GG Updated 2010: Szajewska et al. Aliment Pharmacol Ther 2007;25: RCT, n = 2483, WMD -1d (-1.6 to -0.4) Zusammenfassung Cochrane review 2010: Allen et al The Cochrane Library 2010, Issue 12 - Durchfalldauer -24,7 h [ h - Durchfall länger als 4 Tage: Risikoverminderung 0,41 [ ] 5
6 Racecadotril bei Kindern: Metaanalyse Racecadotril: 9 RCTs, n=1384 Racecadotril zur ORL vermindert Durchfalldauer, Stuhlvolumen und Stuhlfrequenz Wirkt bei Bakterien und Viren, unabhängig vom Alter und ob ambulant oder stationär Anamnesebogen durch Eltern/Schwester/Arzt, wiegen Dehydriert? >8 wässrige Stühle/24h? >4x Erbrechen/24h? <6 Mon.? JA ORL mit Löffel oder Spritze: Säuglinge 5 9 Kg: 2,0 ml jede Minute (120 ml/h) Säuglinge: 9 12 kg: 2,5 ml jede Minute (150 ml/h) Kleinkinder kg 3,0 ml jede Minute (180 ml/h) Wenn kein Erbrechen: größere Volumina mit größerem Abstand: ml alle 5 min bzw ml alle 10 min Rececadotril (Tiorfan) (in 5 ml Wasser auflösen) <9 Kg: 10 mg, kg: 20 mg, kg: 30 mg, Reevaluation nach 1 h (Schwester/Arzt) NEIN Mit Flyer, Aufklärung, Rezept Ernährungsempfehlung nach Hause Dehydriert >9%, Schock Eintrübung i.v. Zugang, BE 0,9 % NaCl 20 ml/kg PIPS Volumen geschafft Kein Erbrechen Rehydrierung weitere 2-3 h Orale Rehydrierung nicht möglich Verweigert ggfs. NG-Sonde Erbrechen ggfs. Dimenhydrinat Rehydrierung für weitere 2-3 h Reevaluation nach 3 h, Nachwiegen (Schwester/Arzt) Philippe et al Dig Liv Dis 2011 in press Rehydriert: Nahrung geben, mit Empfehlung n. Hause WV bei KA Besser, noch dehydriert: Rehydrierung für weitere 2 h Schlechter Stationär Vorbeugen ist besser als Heilen! Schluckimpfung gegen Rotaviren Warum empfehlen wir sie eigentlich nicht? Rotavirus-Infektion Fast alle Kinder erkranken in den ersten 2 Jahren an einer RVGE, viele mehrfach. Jedes 10. Kind mit RVGE wird stationär aufgenommen Schwere Verläufe durch die Krankheit oder Behandlungsfehler nicht selten, Todesfälle Nosokomiale Infektionen sehr häufig und durch Hygiene- Maßnahmen nur begrenzt verhinderbar Große Belastung für Patienten, Familien und Gesellschaft Prävention durch Impfung wünschenswert Prävention durch Schluckimpfung Rotarix (GlaxoSmithKline) 2malig ab 6. Wo. Monovalent, isoliertes Rotavirus des Types G1P[8] in Finland, Brazil, Mexico, Venezuela, Latin America Effektivität: 72% (50 85%) Bei schwerer Infektion: 76% (52-89%) RotaTeq (Sanofi Pasteur MSD) 3malig ab 6. Wo. Pentavalent, 5 human-bovine Reassortanten (G1, G2, G3, G4, P1[8]) Jeder einzelne abgeleitet von einem humanen & einem bovinen RV-Stamm in USA, Europa Effektivität: 74% (66 79%) Bei schwerer Infektion: 98% (88 100%) Empfehlungen zur Rotavirus-Impfung WHO seit : Empfehlung für die nationalen Impfprogramme (insbesondere in Europa, USA, Lateinamerika) Europäischen Fachgesellschaften (ESPID/ ESPGHAN) seit Die Rotavirus-Impfung sollte allen gesunden Säuglingen in Europa zur Verfügung gestellt werden Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) seit 2006 Impfung kann deutschen Säuglingen ab einem Alter zwischen 6 und 12 Wochen empfohlen werden guter Individualschutz Sächsische Impfkommission (SIKO) seit Vor dem sächsischen Gesundheitsziel: Gesund aufwachsen! Die Rotavirus-Impfung wird für alle Säuglinge in Sachsen ab einem Alter von 6 Wochen empfohlen Länderempfehlungen in Brandenburg 4 Mecklenburg-Vorpommern 5 Thüringen 6 6
7 Sicherheit und Verträglichkeit Abnahme der RV-Inzidenz in Sachsen Impfraten: 2008: 36% 2009: 57% 2010: 63% Gutes Sicherheitsprofil Kein erhöhtes Invaginationsrisiko festgestellt: Studie mit nahezu Säuglingen Anwendungsbeobachtung nach 14 Millionen Dosen in den USA Mit Plazebo vergleichbare Häufigkeit der schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse in den klinischen Studien. Gute Verträglichkeit Kein klinische relevanter Anstieg der Häufigkeit von Fieber, Erbrechen und Durchfall im Vergleich zu Placebo. Bulletin zur Arzneimittelsicherheit Dezember 2010 (Herausgeber: BfArM & PEI) Invaginationen: Offenbar ist das zusätzliche Risiko, wenn es überhaupt besteht, sehr gering. Kawasaki Syndrom: Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen einer RV-Impfung und dem Auftreten eines Kawasaki-Syndroms nachgewiesen werden kann. Bigl et al., Promotion 2011 Hospitalisierungen wegen RV in Sachsen 2010: 897 hosp. Kinder <5 J, nur 16 voll geimpft Zusammenfassung: Rotvirusimpfung Die orale Rotavirusimpfung ist sehr effektiv. 95% Behandlungen in Notfallambulanz & Krankenhaus. Durchimpfung bis 26. Lebenswoche (auch Frühgeborene) Kostenerstattung unterschiedlich gehandhabt, Krankenkasse nachfragen Eltern informieren! Bigl et al., Promotion 2011 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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