7. Kapitel: Zufallsvorgänge, Ereignisse und Wahrscheinlichkeiten
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- Ute Kirchner
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1 7. Kapitel: Zufallsvorgänge, Ereignisse und Wahrscheinlichkeiten 7.1 Zufallsvorgänge - zufälliges Geschehen/ Zufallsvorgang/ stochastische Vorgang: aus Geschehen/Vorgang/Experiment (mit gegebener Ausgangssituation) heraus können sich mehrere, sich gegenseitig ausschließende Folgesituationen ergeben - Elementarereignisse/ sich gegenseitig ausschließende Folgesituation ω - Ergebnismenge/ Wahrscheinlichkeitsraum Ω Ω = {ω 1, ω 2,,ω n}, ω ϵ Ω, das tatsächlich eingetretene ω nennen wir Ergebnis x Beispiele 1: - Ziehung der Lottozahlen: 7 aus 49 Kugeln (mit Nummer) zufällig ziehen und der Größe nach ordnen ω = (x 1,, x 7) Ω = {alle x i ϵ {1, 2,, 49} verschieden, x 1 < x 2 < < x 7 } Beispiel 2: - Verkehrsunfall mit begangener Fahrerflucht, ein Zeuge kann folgende Angaben über das Kfz- Kennzeichen machen: Ortskennbuchstabe M, Buchstabengruppe EU, EV oder EY sowie drei Ziffern, von denen die erste die 3 und unter denen noch mindestens eine 4 war ω = Ω = Gesamtanzahl der möglichen Kennzeichen: IΩI= 7.2 Ereignisse und ihre Darstellung Neben den Elementarereignissen können bei einem Zufallsvorgang noch Folgeerscheinungen von Interesse sein, welche sich nicht gegenseitig ausschließen müssen: die Ereignisse - ein Ereignis A ist Teilmenge von Ω Beispiel 3: - A (bzw. B): Ein abgegebener Tip, bestehend aus den Zahlen 6; 7; 8; 9; 10; 11 enthält 5 der Gewinnzahlen und die Zusatzzahl (bzw. enthält mindestens 3 Gewinnzahlen ) A,B Ω A = { - C: alle 6 Gewinnzahlen sind einstellig C Ω C = {
2 Sprech- und Schreibweisen bei der Bildung von Ereignissen Bezeichnung Darstellung Beispiel A ist sicheres Ereignis A = Ω A ist unmögliches Ereignis A = A ist Teilereignis von B A und B sind äquivalente Ereignisse A B A = B A und B sind disjunkte Mengen A B = A und B sind komplementäre Ereignisse B = Ā A ist Vereinigung der A j A ist Durchschnitt der A j Ereignissystem A = A j j A = A j j Menge von Teilmengen von Ω A 1, A 2,, A n Ω Beispiel 4: Ein Zeitungskiosk bekommt jeden Tag 200 Exemplare zweier Tageszeitungen Z 1, Z 2 geliefert. Täglich findet der Zufallsvorgang statt, dessen Ergebnis aus den beiden Zeitungen verkauften Stückzahlen x 1, x 2 besteht. ω = (x 1, x 2), Ω = { (x 1, x 2): alle x 1, x 2 ϵ {0,1,,200} } A j: von beiden Zeitungen werden insgesamt genau j Exemplare verkauft B j: von beiden Zeitungen werden insgesamt mindestens j Exemplare verkauft. Einordnung der Ereignisse: B 0 A 400 und B 400 A j und B j A 0 und B 1 A 500 A j und A k 7.3 Wahrscheinlichkeit von Ereignissen Der Grad der Gewissheit über das Eintreten eines Ereignisses A Ω wird durch die Maßzahl P(A) beschrieben. P(A) nennen wir die Wahrscheinlichkeit (des Eintretens) von A Axiome der Wahrscheinlichkeitsrechnung zwei Extremfälle: (1) unmögliches Ereignis : P( ) = 0 (2) sicheres Ereignis Ω: P(Ω) = 1 Das unmögliche bzw. sichere Ereignis markieren jeweils die Enden der Gewissheitsskala. Daraus folgt, dass die Wahrscheinlichkeit irgendeines Ereignisses A eine Zahl des Intervalls [0,1] ist. 1.P(A) 0 für jedes Ereignis A 2. P(Ω) = 1 3. P(A 1 A 2 A 3... )= P(A 1) + P(A 2) + P(A 3) +... für endlich/ abzählbar unendlich viele paarweise disjunkte Ereignisse, d.h. Ereignisse mit A i A j= für alle i j
3 Man fasst P als eine Funktion auf, die jedem Ereignis A eindeutig eine Zahl P(A) zuordnet, sodass die Axiome 1 bis 3 erfüllt sind. Eine solche Funktion bezeichnen wir als Wahrscheinlichkeitsmaß oder - verteilung Der klassische Wahrscheinlichkeitsbegriff Zufallsvorgänge mit: - endlich vielen Elementarereignissen ω, d.h. die Ergebnismenge lässt sich darstellen als Ω = {ω 1,ω 2,,ω n} - die Elementarereignisse haben dieselbe Chance des Eintretens, d.h. sie sind gleichwahrscheinlich Klassische Berechnungsvorschrift für die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses A: P(A) = A Anzahl der für A günstigen Fälle = Ω Anzahl aller möglichen Fälle Beispiel 5: Der Unfallzeuge vom obigen Beispiel sieht alle noch möglichen Kfz-Kennzeichen (M; EU, EV, EY; drei Ziffern: beginnend mit 3 und mindestens eine 4) als gleichwahrscheinlich an. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass... - die Buchstabengruppe EY vorliegt? - die letzten beiden Ziffern 47 lauten? - die letzte Ziffer 4 ist? Ziehen mit Zurücklegen - zufällige, nacheinander stattfindende Entnahme von n Objekten aus einen gegeben Menge von N Objekten mit Zurücklegen des Objektes vor erneuter Entnahme N (N 1) (N N + 1) = N n Ziehen ohne Zurücklegen - zufällige, nacheinander stattfindende Entnahme von n Objekten aus einen gegeben Menge von N Objekten ohne Zurücklegen des Objektes vor erneuter Entnahme N (N 1) (N N + 1) = N! (N n)!
4 Beispiel 6: Es sei die Menge {a, b, c} gegeben. Es sollen nun nacheinander zwei Elemente entnommen werden. Dann erhalten wir für den Fall ohne Zurücklegen die Paare (a, b), (a, c), (b, a), (b, c), (c, a), (c, b), also 3 2 = 6 Möglichkeiten. Und für den Fall mit Zurücklegen erhalten wir noch zusätzlich die drei Paare (a, a), (b, b), (c, c), also 3 2 = 9 Möglichkeiten Häufigkeitsinterpretation des Wahrscheinlichkeitsbegriffs - Ausgangspunkt: beliebig oft wiederholbarer Zufallsvorgang - bei einem Zufallsgeschehen, das aus n Teilvorgängen besteht, die alle nach denselben Wahrscheinlichkeitsgesetzen und ohne gegenseitige Beeinflussung ablaufen, bezeichnet man mit f n(a) die relative Häufigkeit des Eintretens von A: f n(a) = Anzahl der Durchführungen, in denen A eingetreten ist n - Erwartung: für fortlaufendes n stabilisiert sich die Folge f n(a) in der Nähe von P(A) - Aussagekraft, die die f n(a) über P(A) besitzen, nimmt mit wachsendem n zu Die Wahrscheinlichkeit ist die beste Vorhersage für die zu erwartende relative Häufigkeit des bestimmten Ereignisses bei einem Zufallsversuch. Beispiel: Ermittlung einer Gewinnzahl im Roulette - Erwartung, dass bei sehr häufiger Ermittlung der Gewinnzahlen im Roulette eine bestimmte Zahl, z.b. die Zahl 17, ungefähr mit der relativen Häufigkeit 1 auftritt Regeln für Wahrscheinlichkeiten Im Folgenden seien A, B, A 1, A 2, A 3, Ω Ereignisse und P ein Wahrscheinlichkeitsmaß zu einem betrachteten Zufallsvorgang. 1. P(A) 1 2. P( ) = 0 3. Aus A B folgt P(A) P(B) 4. P(Ā) = 1- P(A) 5. P(A 1 A n) = P(A 1) + P(Ā 1 A 2) + P(Ā 1 Ā 2 A 3) + + P(Ā 1. Ā n-1 A n) 5a. P(A 1 A 2) = P(A 1) + P(A 2) - P(A 1 A 2) 5b. P(A 1 A 2 A 3) = P(A 1) + P(A 2) + P(A 3) - P(A 1 A 2) - P(A 1 A 3) - P(A 2 A 3) + P(A 1 A 2 A 3) 6. A i.zerlegung von Ω, B Ω: P(B)= P(B A i) A j A i =, i j, A j = Ω i i
5 Beispiel 7: Die Ermittlung jeder einzelnen Gewinnzahl beim Roulette stellt einen Zufallsvorgang dar mit den 37 möglichen und gleichwahrscheinlichen Elementarereignissen 0, 1, 2, 36. Die von 0 verschiedenen Zahlen sind je zur Hälfte roten bzw. schwarzen Feldern zugeordnet. 1. Ein Spieler C setzt auf 1,2,18, ungerade Zahl und Querreihe 34; 35; 36 Mit welcher Wahrscheinlichkeit gewinnt Spieler C? Regel 5: Regel 5b: Bedingte Wahrscheinlichkeiten Die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses A unter der Annahme/ dem Wissen, dass ein bestimmtes Ereignis B eintritt/ eingetreten ist, beschreiben wir mit P(A B). Man spricht von der bedingten Wahrscheinlichkeit von A unter (der Bedingung) B. Seien A und B zwei Ereignisse mit P(B) 0, dann gilt für die bedingte Wahrscheinlichkeit: P(A B) = P(A B) P(B) Beispiel 8: An 400 aus einem bestimmten Land importierten Kälbern wurden je zwei Kontrollen K 1 und K 2 durchgeführt. K 1 war 50-mal positiv, K 2 war 40-mal positiv und 20-mal waren beide Kontrollen positiv. Weiterhin kann die Durchführung der Kontrollen an Kälbern aus diesem Land als Zufallsvorgang gesehen werden. Daraus folgt für die Ereignisse: P(A 1 : das Ergebnis von K 1 ist positiv) = P(A 2 : das Ergebnis von K 2 ist positiv) = 1 10 und P(A 1 A 2 das Ergebnis von K 1 und K 2 ist positiv) = , - Wie groß ist die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass K 2 positiv ist, wenn dies bereits bei K 1 der Fall ist? Allgemeine Multiplikationsformel: Seien A 1, A 2,..., A m Ereignisse mit P(A 1 A m 1 ) 0. Dann gilt... P(A 1 A m ) = P(A 1 ) P(A 2 A 1 ) P(A m A 1 A m 1 )
6 Beispiel 9: Man betrachte die beiden Fälle, ob der Absatz eines Produktes in Bezug auf die Vorperiode steigt oder nicht steigt. Für drei Zeitperioden sind somit acht Fälle denkbar. Des Weiteren gibt es zwei Ereignisse A i, der Absatz steigt in der i-ten Periode, und A i, der Absatz steigt in der i-ten Periode nicht. - P(A ) 1 = - P(A 2 A 1 ) = - P(A 3 A 1 A ) 2 = - P(B: in jeder der drei Perioden steigt der Absatz) = Zwei weitere relevante Formeln, aufbauend auf Regel 6 aus Abschnitt 7.3.4, für bedingte W-keiten: Satz von der totalen Wahrscheinlichkeit: Sei eine Zerlegung A 1,A 2,A 3, von Ω gegeben, wobei P(A i) > 0 für alle i erfüllt sein soll, dann gilt: für jedes Ereignis B. Beispiel 10: Eine Gemeinde wird zur Bürgermeisterwahl in zwei Wahlbezirke (B 1 und B 2) eingeteilt. 60% der Wähler kommen aus B 1, 40% aus B 2. In B 1 erhält Kandidat Albrecht 30% der Stimmen, in B 2 80%. Wie viel Prozent der Stimmen hat Albrecht insgesamt bekommen?
7 Formel von Bayes: Falls auch noch P(B) > 0 ist, gilt: für jedes j. Beispiel 11: Eine Firma stellt einen Konsumartikel auf drei Maschinen mit unterschiedlicher Kapazität her: Aus der Gesamtproduktion wird ein Stück zufällig entnommen. a) Mit welcher Wahrscheinlichkeit ist dieses Stück Ausschuss? b) Das Stück ist Ausschuss. Mit welcher Wahrscheinlichkeit stammt es von M 1, M 2, M 3? Anwendung der Formel von Bayes häufig in folg. Situation: eine Menge von sich gegenseitig ausschließenden Zuständen A 1,A 2, ist möglich oder wird als möglich erachtet über die Chancen der einzelnen Zustände (wahr zu sein) bestehen Vermutungen, welche sich in Gestalt eines W-Maßes P beschreiben lassen, P(A j) heißen a-priori- Wahrscheinlichkeiten man realisiert einen Zufallsvorgang, wobei für mögliche Ereignisse B des Zufallsvorgangs die bedingten Wahrscheinlichkeiten P(B A j) für jedes j bestimmbar seien Berechnung der bedingten W-keit P(A j B) gemäß Bayes für das tatsächlich eingetretene Ereignis B, a-posteriori-wahrscheinlichkeiten
8 Beispiel 12: Die Arbeitnehmerschaft einer Firma will eine Abstimmung über einen geplanten Streik abhalten. Um die Situation abschätzen zu können, orientiert sich die Firmenleitung an einer ähnlichen Lage aus früherer Zeit. Danach würden mit folg. Wahrscheinlichkeiten für Streik stimmen: Sicherheitshalber werden noch 20 zufällig ausgewählte Arbeitnehmer über ihre Meinung befragt. Davon stimmen 16 für Streik und 4 dagegen. Wir wollen annehmen, dass die durch das Befragungsergebnis bedingten W-keiten für die Firma aussagekräftiger seien als die ursprünglich Gegebenen. In obiger Sprechweise sind also zu den 4 Zuständen A j: 20 j % sind für Streik die a-priori-wahrscheinlichkeiten P(A j) gegeben und die a-posteriori-wahrscheinlichkeiten P(A j B) gesucht, wobei B bedeutet: 16 von 20 Befragten sind für Streik Unabhängigkeit von Ereignissen Zwei Ereignisse A, B eines Zufallsvorgangs werden als unabhängig bezeichnet, wenn das Eintreten des einen keine Information über die Wahrscheinlichkeit des Eintretens des anderen liefert - für die bedingten Wahrscheinlichkeiten gilt daher: P(A B) = P(A) bzw. P(B A) = P(B) (sofern P(B) > 0 bzw. P(A) > 0) P(A B) = P(A) P(B) Verwendung: - zur Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten, wenn vom Sachverhalt her klar ist, dass zwei Ereignisse voneinander unabhängig sind - zur Überprüfung, ob zwei Ereignisse A,B unabhängig sind oder nicht Beispiel 13: Werfen eines 20-seitigen fairen Würfels (Ikosaeder) Ereignis A: gewürfelte Augenzahl ist gerade Ereignis B: gewürfelte Augenzahl ist größer gleich 11 (obere Hälfte) Liegt Unabhängigkeit vor? A B = P(A B) = P(A) = P(B) = P(A B) = = P(A) P(B) A und B sind
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