Esslingen, Adlerstr. 2 und 2/1: Abriss Gebäude Adlerstr. 2/1 und Rodung Gehölze Adlerstr. 2 Potenzialanalyse & Beurteilung Artenschutz
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- Sigrid Schmid
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1 Esslingen, Adlerstr. 2 und 2/1: Abriss Gebäude Adlerstr. 2/1 und Rodung Gehölze Adlerstr. 2 Potenzialanalyse & Beurteilung Artenschutz Auftraggeber: Eberhard Scharpf, Lenzhalde 106, Esslingen 1. März 2018 Ausgangssituation: Die Flurstücke 488 und 490 in der Esslinger Innenstadt werden überplant (Abb. 1). Das baufällige Gebäude Adlerstraße 2/1 (Abb. 2) soll abgebrochen und neu gebaut werden. Um Stellplätze in einer Tiefgarage zu schaffen, muss auch der Gehölzbestand im dahinter liegenden Garten der Adlerstraße 2 (Abb. 3) weitgehend entfernt werden. Dabei könnten natur- und speziell artenschutzrechtliche Belange betroffen sein. Abb. 1: Planung Sanierung Adlerstraße 2, Rechts oben: Auszug aus Liegenschaftskarte, verkleinert, leicht nach rechts gedreht. Quelle: Springmann Architekten (Ausschnitt) Seite 1 von 15
2 Abb. 2: Gebäude Adlerstraße 2/1, links Durchfahrt in den dahinter liegenden Garten (Pfeil). Abb. 3: Gartengrundstück (von der Gebäude-Durchfahrt Adlerstr. 2/1 aus gesehen) Seite 2 von 15
3 Durchgeführte Arbeiten: Gartengrundstück 488 und Gebäude Adlerstr. 2/1 wurden erstmalig am mittags (12 C, sonnig, windstill) begangen. Dabei wurden die Bäume vom Boden aus mit Fernglas 10x50 gesichtet, und alle Höhlen, die mit einer 4-m-Leiter oder Beklettern erreichbar waren, mit einem Endoskop kontrolliert. Das Gebäude wurde sowohl von innen als auch von außen kontrolliert, teilweise ebenfalls mit dem Fernglas. Am (-5 C, sonnig, windstill) wurden zwei hohe Bäume mit einer Hebebühne nachkontrolliert. Ergebnisse (siehe auch Fotos im Anhang) und Bewertung: kl.glasgewächshaus Mauer, 0,5 m hoch, verfugt, mit Efeu u. a. überwachsen Birne BHD 50, div. Löcher, Risse, Faulstellen; nicht mehr verkehrssicher Apfel BHD 10 Mirabelle BHD Walnuss BHD Birne BHD 50, großes Nest + kleine Höhle in ca. 6 m, stellenweise Totholz Kirsche BHD ehem. Wohnhaus mit Werkstatt (Mittelteil) Bäume fehlen durch Windbruch bereits im Baum-Schatten nicht sichtbar: aneinander gebautes Ensemble aus offenem Holz- Carport, Holz- Überdachung, Holzschuppen, Wellblechgarage Abb. 4: Luftbild mit Bestand. BHD = Brusthöhendurchmesser; Quelle: RIPS der LUBW. Kirsche BHD mit Efeu, darin altes, einjähriges Nest Durchfahrt mit halboffenem Dachüberstand Das Gebäude Adlerstraße 2/1 besteht aus Wohnung und Werkstatt im Norden und der Mitte sowie einer überdachten Durchfahrt im Süden, die bei geschlossenem Außentor eine Art Schuppen bildet, über dem sich ein nach unten offener Dachboden befindet. Kellerräume fehlen, das Dach ist offen, durch die Gauben hell und im Winter nicht frostfrei. Fledermaus-Kot oder -Spuren (Urin, Fett) oder Vogel-Nester waren nicht vorhanden. Um die Fenster, in den Dachüberständen sowie in dem offenen Seite 3 von 15
4 Dachboden sind jedoch zahlreiche Spalten und Lücken vorhanden, die als Hangplätze für Fledermäuse geeignet sind. Im Garten stehen diverse größere Bäume. Die beiden Birnen sind aufgrund diverser Schäden und Totholz-Anteile insgesamt kurz- bis mittelfristig nicht mehr verkehrssicher 1. Sie weisen zwar diverse Höhlungen und Risse auf, diese stellten sich bei den beiden Kontrollen aber alle als entweder zu klein oder nach oben offen, also ungeeignet für Fledermäuse oder Vögel, heraus. Ein in Nord-Süd-Richtung verlaufendes Mäuerchen und weitere Strukturen im südwestlichen Teil des Gartens wäre theoretisch für Zauneidechsen u. ä. Reptilien geeignet, angesichts der stark isolierten Lage im Innenstadtbereich ist aber nicht mit Vorkommen zu rechnen. Unmittelbar hinter der Durchfahrt befindet sich ein Ensemble aus verschiedenen Holzkonstruktionen (Schuppen, Dachüberstände, Carport-ähnliche Überdachungen und einer Blechgarage), das sich aber nicht für Fledermäuse eignet; Vogel-Nester auf oder im Gebälk waren nicht vorhanden. Während der Begehung wurden einzelne Individuen der Vogelarten Amsel, Blaumeise, Rabenkrähe und Straßentaube (mind. 10 Ex.) festgestellt. Artenschutz: Aufgrund der Begehungen nur im Winter müssen die artenschutzrechtlichen Belange als Potenzialanalyse bearbeitet werden (so genanntes worst case-szenario ). Dabei werden alle Arten, für die geeignete Habitat-Strukturen vorhanden sind, als tatsächlich vorkommend bewertet. Relevante Artengruppen sind demnach Gebäude -Fledermäuse und Vögel des Siedlungsbereichs. Als maßgebliche lokale Populationen werden die jeweiligen Vorkommen im Stadtbereich von Esslingen definiert; dieser wird auch als räumlicher Zusammenhang im Sinne des 44 (5) BNatSchG herangezogen. Für alle relevanten Vogelarten der Siedlung werden günstige, für alle Fledermaus-Arten (vgl. LUBW 2013) überwiegend ungünstige Erhaltungszustände vorausgesetzt. 44 (1) 1 BNatSchG (Schädigungsverbot Individuen): Beim Abbruch des Gebäudes könnten Fledermäuse, die sich in den diversen Spalten aufhalten, verletzt oder getötet werden. Dies kann dadurch vermeiden werden, dass alle geeigneten Strukturen vorab kontrolliert oder z. B. mit Baufolie locker (!!) zugehängt werden, sodass ein Entkommen möglich, eine Rückkehr aber ausgeschlossen wird. Dies ist aber nur in Verbindung mit vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen (Aufhängen von Fledermauskästen als Ersatzquartiere) zulässig. Bei der Fällung der Bäume könnten Tiere oder ihre Entwicklungsstadien, die sich währenddessen in Höhlen oder Spalten befinden, verletzt oder getötet werden. Dies kann dadurch vermeiden werden, dass die Arbeiten außerhalb der Aktivitätszeiten der Fledermäuse sowie der jeweiligen Brut- und Aufzuchtzeiten der Vögel erfolgen (um keine Eier oder immobilen Jungtiere zu treffen) sowie bei Witterungsbedingungen, die eine Flucht von eventuell anwesenden Fledermäusen ermöglichen. 1 Deshalb müsste die nördliche Birne auch schnellstmöglich gefällt werden, da sie u. a. über einen Wintergarten und den Hinterausgang des Nachbarhauses ragt. Seite 4 von 15
5 44 (1) 2 BNatSchG (Störungsverbot): Bei Berücksichtigung der u. g. Vermeidungsmaßnahmen können erhebliche Störungen, die sich auf die jeweiligen gesamten lokalen Populationen auswirken, ausgeschlossen werden. 44 (1) 3 BNatSchG (Schädigungsverbot Habitate): Nester von Freibrütern wie das (vermutlich Amsel-) Nest im Efeu-Bewuchs der Birne, die jährlich bzw. pro Brutperiode regelmäßig neu gebaut werden, fallen außerhalb der Brutzeit nicht unter 44 (1) 3 BNatSchG. Sie bzw. die entsprechenden Gehölze oder andere Trag -Strukturen können insofern im Winterhalbjahr zwischen Anfang September und Anfang März entfernt werden. Teile des Gebäudes (alle Spalten i.w.s.) sowie das große Vogel-Nest in einer der Birnen müssen aufgrund der vorhandenen Strukturen und mangels Vorinformationen als dauerhafte bzw. regelmäßig Jahr für Jahr genutzte Habitate von geschützten Arten angesprochen werden, für die die Verbote des 44 (1) 3 BNatSchG zu beachten sind. Der Verlust des Rabenvogel-Nests ist hinnehmbar, da davon ausgegangen werden kann, dass gemäß 44 (5) BNatSchG die ökologische Funktion der Fortpflanzungsund Ruhestätten der Rabenkrähen im Stadtgebiet von Esslingen auch ohne dieses Nest weiterhin erfüllt wird. Fledermaus-Quartiere (Hangplätze, Wochenstuben usw.) im Siedlungsbereich werden aufgrund von Sanierungen und ungeeigneten Neubauten selbst in Städten wie Esslingen mit viel alter Bausubstanz immer weniger. Der Verlust der potenziellen Spaltenquartiere würde das Verbot des 44 (1) 3 BNatSchG verletzen. Dies kann gem. 44 (5) BNatSchG durch das Aufhängen von Ersatzquartieren (Fledermauskästen) vorgezogen kompensiert werden. Langfristig ist der Einbau von Fledermaus- Quartieren in die Fassade des neuen Gebäudes vorgesehen. Da solche Kästen schlechter angenommen werden als Vogel-Nistkästen, werden mindestens 5 Kästen empfohlen. Der Garten kommt auch als Nahrungshabitat für die beiden Artengruppen in Frage, aber ein Verlust derartig kleiner Flächen ist sicher nicht relevant. Vermeidungsmaßnahmen: Wenn alle Bäume zwischen Mitte September und Mitte März 2 gefällt werden, ist bei normalem Witterungsverlauf auszuschließen, dass besetzte Vogelnester vorhanden sind. Dann ist auch unwahrscheinlich, dass schon Fledermäuse aus den Winterquartieren eingewandert sind. Ähnliches gilt beim Abriss des Gebäudes Adlerstr. 2/1. Sollte der Abriss zwischen Mitte März und Ende Oktober erfolgen, dürfen die Arbeiten nur bei mind. 10 C Außentemperatur und nicht bei Regen erfolgen. Die kritischen Stellen (Dachüberstände, Fensterrahmen) müssen dabei durch einen Fledermaus-Kundigen vorab kontrolliert 2 Da es sich um ein gärtnerisch genutztes Grundstück handelt, sind die in 39 (5) 2 BNatSchG angegebenen Zeiten für Bäume nicht relevant, d. h. sie können bei Beachtung der artenschutzrechtlichen Verbote immer entfernt werden. Für die abgängige, nicht mehr verkehrssichere Birne im Norden des Grundstücks wird dies sogar schnellstmöglich empfohlen. Seite 5 von 15
6 werden. Der Ausbau darf nur erfolgen, wenn gewährleistet ist, dass die Witterung stimmt und keine Tiere vorhanden sind. Vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen 3 ): Für die entfallenden Spaltenquartiere sind spätestens mit Beginn der Vermeidungsmaßnahmen, besser aber früher, mindestens 5 Fledermaus-Flachkästen aufzuhängen. Diese können vorübergehend am südlich angrenzenden Haus angebracht werden. Parallel werden mindestens dauerhaft nutzbare, selbstreinigende 5 Fledermaus- Quartiere in die Fassade des neuen Gebäudes eingeplant. Sobald diese den Tieren nach dem Ende der Bauarbeiten zur Verfügung stehen, können die o. g. vorübergehenden Kästen abgehängt werden. Weiteres Vorgehen: Am abzubrechenden Gebäude werden im Verlauf des Jahres an 6 Terminen Ausflugbeobachtungen in der Abenddämmerung durchgeführt. Gemäß Auftraggeber kann dies durch den örtlichen NABU erfolgen. Sollten dabei keine Fledermäuse nachgewiesen werden, können die o. g. CEF-Maßnahmen entfallen. Resümee: Bei der Umgestaltung des Gartens Adlerstraße 2 und der Abriss des Gebäudes Adlerstraße 2/1 in Esslingen ist aus Sicht des speziellen Artenschutzes nach 44 (1) BNatSchG nach derzeitigem Kenntnisstand nicht auszuschließen, dass Fledermaus- Quartiere entfernt werden. Deshalb werden spezifische Vermeidungsmaßnahmen, vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen sowie Nachuntersuchungen erforderlich. Quellen: LUBW = LANDESANSTALT FÜR UMWELT, MESSUNGEN UND NATURSCHUTZ BADEN-WÜRTTEM- BERG (2013): FFH-Arten in Baden-Württemberg Erhaltungszustand 2013 der Arten in Baden-Württemberg. pdf, 5 S. 3 CEF ist die Abkürzung für den englischen Begriff continued ecological functionality, auf Deutsch ununterbrochene ökologische Funktionsweise ; CEF-Maßnahmen werden auch als vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen bezeichnet. Seite 6 von 15
7 Anhang: Fotos Lücken in Dachüberstands-Verkleidung über dem Eingang. Lücke in Dachüberstands-Verkleidung an der Südostecke. Räume im Erdgeschoß, dicht, ohne geeignete Strukturen. Dto. vergrößert. Dto. Lücke in Dachüberstands-Verkleidung, Westseite. Dachgeschoß, Nordseite. Seite 7 von 15
8 Dachgeschoß- Ecke, alles voller Spinnweben. Dachgeschoß, Mittelteil. Dto., außerdem hell (Foto ohne Blitz!). Durch undichte Stellen im First dringt Wasser ein. Neben Gauben gibt es auch Glas-Einsätze im Dach. Blick von unten in den Dachboden. Dto. Seite 8 von 15
9 Dto. in Längsrichtung. Halboffener Dachboden neben Durchfahrt. Dachüberstände sind teils nach oben offen (links), teils verkleidet (rechts) Detail; man kann sich Lücken und Spalten gut vorstellen. Abgetrennter Dach-Raum mit Laub, das durch ein Loch im Dach eingeweht wurde, und Spinnweben (nicht sichtbar) Dachboden über Durchfahrt, bei Sanierung des Gebäudes Adlerstr. 4 bereits 2013 aus Brandschutzgründen verbaut. Seite 9 von 15
10 Zwischen Dämmplatten und Dach verbleiben Lücken. Nur durch Latten abgetrennter Raum. Decke über der Durchfahrt. Rückansicht des Gebäudes Adlerstr. 2/1. Man beachte die offene Latten-Verkleidung links neben der Durchfahrt. Dto. Seite 10 von 15
11 Um die Fensterrahmen der Gauben haben sich Lücken und Spalten gebildet, die für Fledermäuse gute Hangplätze sein können. Holz- Hütte neben Wellblechgarage. (Ansicht des gesamten Hütten- Ensembles siehe Abb. 2) Gelände unmittelbar hinter dem Abbruch-Gebäude. Links Dto. im Erdgeschoß. die Kirsche mit Efeu und altem (vermutlich Amsel-) Nest. Wellblechgarage. Seite 11 von 15
12 Ausgefaulte alte Schnittstelle, nur ca. 10 cm tief. Nördliche Birne, mit diversen Höhlungen u. ä. Morscher Art mit kleinen, offenen Rissen, Spalten, Höhlungen Weitere Höhle, nach oben offen und zu wenig tief. Dto. von Osten. Man erkennt die Nähe zum Nachbarhaus, sodass aufgrund es schlechten, nicht mehr verkehrssicheren Zustands Handlungsbedarf war. Weiterer morscher Ast, innen nur am Abbruch hohl. Seite 12 von 15
13 Ähnliche, oben offene Faulstelle wie bei der anderen Birne, durch nicht sachgemäßen Astschnitt entstanden. Leer. Dto.; sie hatte mehrere Höhlen. Weitere kritische, offene, marode Stelle in der Krone. Rechts unten Überdach des Nachbarhaus-Hintereingangs. Zwei davon waren nach alte, ausgefaulte, nach oben oben offene Astschnittstellen, einmal in ca. 3,5 m Höhe... Südliche Birne. und zum anderen in ca. 6 m Höhe, Beide waren leer. Seite 13 von 15
14 Eine dritte Höhle vom Boden aus; Schon vom Boden aus gut erkennbare morsche Stelle ohne Höhle. erst von der Hebebühne erkennt man ihre geringe Tiefe. Mäuerchen quer durch den Garten, Nordende. Zusätzlich befand sich ein größeres Nest in der Krone,... das aufgrund von Form und Material sehr wahrscheinlich von Rabenkrähen ist. Walnuss in Westhälfte, ohne Strukturen. Rechts unten weiterer Verlauf des Mäuerchens. Seite 14 von 15
15 Blick entlang des Mäuerchens nach Süden. Links Haus Adlerstr. 2. Südwest-Teil des Gartens... rechts mit einem noch verbliebenen Wurzelstock der bei einem Sturm umgefallenen Fichten. Verzweigter Mirabellenbaum in der Garten-Westhälfte, ohne Strukturen. Alle Fotos sind auch in größerer Auflösung vorhanden. Seite 15 von 15
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