Misoprostol SAPP. Es können keine Haftungsansprüche an den Herausgeber gestellt werden. 1
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- Anneliese Ziegler
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1 Misoprostol Charakterisierung IUPAC (englisch): methyl 7-((1R,2R,3R)-3-hydroxy-2-((S,E)-4-hydroxy-4-methyloct-1- enyl)-5-oxocyclopentyl)heptanoate Summenformel: C 2 H 38 O 5 Molekulargewicht: g/mol Pharmakologische Wirkstoffklasse: Prostaglandin-E1-Analogon Wirkungsweise Misoprostol hemmt die Sekretion von Magensäure und Pepsin. In diesem Zusammenhang zeigt es in randomisierten kontrollierten Studien eine Schonung der Magenschleimhaut unter der Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) [1]. Wegen der Uterus kontrahierenden und Zervix reifenden Wirkung ist Misoprostol eines der wichtigsten Medikamente in der geburtshilflichen Praxis [2]. Dabei erfolgt eine selektive Bindung von Misoprostol an die uterinen E Prostaglandin (EP) Rezeptorsubtypen mit einer Affinität an EP3 > EP2 > EP1 [3]. Pharmakokinetik Nichtschwangere Distribution: Die Proteinbindung beträgt unabhängig von der Dosis < 90%. Metabolismus: Misoprostol wird rasch und vollständig zur freien Misoprostolsäure metabolisiert. Elimination: Als polare Metaboliten renal zu 73% und über den Darm zu 15% [4] Schwangere Orale Gabe: Rascher Beginn der Wirkung mit einem Peak der max. Wirkstoffkonzentration C max nach 27.5 ± 14.8 Min. (Mittelwert ± SA). Terminale Halbwertszeit Min., d.h. rasches Abklingen der Blut- (Serum-/ Plasma) konzentration nach 60 Min. (optimal bei der Behandlung der postpartalen Hämorrhagie, PPH). Vaginale Gabe: Beginn der Wirkung langsamer: Max. Wirkstoffkonzentrationen nach 72.0 ± 34.5 Min., terminale Halbwertzeit 4 Std., nach 240 Min. noch 42% der max. Konzentration nachweisbar, weniger ausgeprägte Nebenwirkungen als bei oraler Applikation. Rektale Gabe: Die Pharmakokinetik entspricht der bei der vaginalen Applikationsform: Langsamer Anstieg, max. Wirkstoffkonzentration nach Min., anschliessend langsamer Abfall bei insgesamt tieferen Blutspiegeln. Sublinguale Gabe: Rascher Beginn der Wirkung wie bei der oralen Applikation mit einem Peak nach 26.0 ± 11.5 Min., erreicht aber unter allen Applikationsformen die höchste Blutspitzenkonzentration [5]. Muttermilchkonzentrationen: Nach oraler Einnahme von 250 µg Misoprostol Nachweis der max. Konzentration der Misoprostolsäure im mütterlichen Serum von 124 pg/ml bei 0.5 Std. und in der Muttermilch von 3.6 pg/ml bei 1.0 Std. [6]. Anwendung Erstes und zweites Trimenon Zum Schwangerschaftsabbruch, bei Früh- und Spätaborten, intrauterinem Fruchttod: Einzige Zulassung (in CH) in Kombination mit Mifepriston 200 mg; mindestens gleich wirksam wie Alternativen, allerdings praktikabler, weniger maternale Nebenwirkungen und deutlich günstiger. Alternativen werden zunehmend weniger 2011 SAPP. Es können keine Haftungsansprüche an den Herausgeber gestellt werden. 1
2 eingesetzt. Für die Indikationen Abortus incompletus und Missed Abortion ist Misoprostol von der WHO unter "essentielle Medikamente" gelistet [7]. Zervixreifung (Priming) am Termin Nur im Off Label Use ; mehrere Cochrane Reviews mit über 200 randomisierten, kontrollierten Studien (Randomised Controlled Trials, RCT) mit mehr als Schwangeren zeigen, dass Misoprostol im Vergleich zu Placebo wirksamer ist und gleichwertig oder sogar effizienter als herkömmliche PGs ist. Es bestehen allerdings noch offene Fragen zur optimalen Dosierung und zur Sicherheit in Bezug auf die uterine Hyperstimulation, da die Aussagekraft der Studien zu gering ( underpowered ) ist, um signifikante Unterschiede in diesen Punkten nachzuweisen. Vergleich vs. Misoprostol oral vs. Dinoprostol vaginal: Die orale Applikation von Misoprostol ist der vaginalen Applikation von Dinoproston zumindest gleichwertig [8]. Vergleich Misoprostol vaginal vs. Dinoprostol vaginal: Die Effizienz von Misoprostol ist der von Dinoprostol gleichwertig. Es gab keine signifikanten Unterschiede im fetalen oder maternalen Outcome [9]. Vergleich Misoprostol vaginal vs. Placebo: Reduktion frustraner Einleitungen (Geburt innerhalb 24 Std.) (RR 0.36; 95%CI ), Zunahme uteriner Hyperstimulation ohne Veränderungen im CTG (RR 11.66; 95%CI ) [10]. Vergleich Misoprostol vaginal vs. PGE2 vaginal jeweils in Kombination mit Oxytozin: Unter Misoprostol weniger Epiduralanalgesie, weniger frustrane Einleitungen, häufiger Hyperstimulation, weniger Oxytozingabe, häufiger mekoniumhaltiges Fruchtwasser. Oxytozingabe und Hyperstimulation abhängig von der Misoprostoldosis [10]. Primäre postpartale Hämorrhagie (PPH) Prävention: In der grossen WHO Studie und einer Cochrane Analyse sämtlicher RCT s zeigte sich, dass die Gabe von 600 µg Misoprostol oral zu einer höheren Rate an PPH und zusätzlicher Gabe von Uterotonika führte als 10 IE Oxytozin i.v.. Allerdings bestanden einige methodische Schwierigkeiten in der Studie wie z.b. das Schätzen des Blutverlustes [11,12]. Therapie: Aus einer Metaanalyse ist keine Evidenz ersichtlich, dass die zusätzliche Gabe von Misoprostol zu der Kombination von Oxytozin und Ergometrin einen Vorteil bringt [13]. Dosierung Schwangerschaftsabbruch im ersten Trimenon: Vaginal max. 800 µg/24 Std. während max. 3 Tagen[14] Spätabort im zweiten Trimenon: Vaginal 400 µg alle 6 Std. während max. 2 Tagen [15]. Intrauteriner Fruchttod: SSW: Vaginal 200 µg alle 6 Std., max. 4 Einzeldosen; SSW: Vaginal 100 µg alle 6 Std., max. 4 Einzeldosen; SSW: Vaginal µg alle 4 Std. max. 6 Einzeldosen [16,17]. Primäre postpartale Hämorrhagie: µg/24 Std. oral oder rektal als Einzeldosis [11,12]. Zervixreifung (Priming) am Termin: Vaginal: unter 25 µg treten weniger häufig Tachysystolie oder Hyperstimulation auf als mit 50 µg. Hinsichtlich Erreichen einer Geburt innerhalb 24 Std. oder zusätzlichem Oxytozinbedarf ist die 50 µg Dosierung effizienter [18]. Oral: 50 µg wahrscheinlich gleichwertig der vaginalen Form hinsichtlich erfolgreicher Einleitung innerhalb 24 Std. und, Rate an uterinen Hyperstimulationen [8]. Niedrigere Dosierungen wie µg, auch in titrierter Form (200 µg in 200 ml NaCl), haben in RCT den gleichen Effekt hinsichtlich 2011 SAPP. Es können keine Haftungsansprüche an den Herausgeber gestellt werden. 2
3 Geburt innerhalb 24 Std. gezeigt wie 50 µg bei allerdings tieferer Sektiorate [19,20]. Sublingual: Vergleich Misoprostol sublingual vs. oral zeigt gleiche Wirksamkeit bei gleicher Dosierung. Ungenügende Daten hinsichtlich Komplikationen [21]. Merke: Bei Dosen <200 µg sind die Applikationsformen als Magistralrezeptur herzustellen oder es sind die 200 µg Tabletten zu teilen. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) Schwangerschaftsunspezifisch Diarrhöe, Abdominalkrämpfe, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schüttelfrost, Shivering, Fieber, Hypotonie bedingt durch Erweiterung der peripheren Gefässe. Schwangere Hyperstimulation, Tachysystolie, Risiko der Uterusruptur bei Status nach uterinen Eingriffen. Die Rupturrate wird in Fallbeschreibungen und retrospektiven Studien höher angegeben bei Status nach Sektio (5.6%) als nach spontanem Wehenbeginn (0.2%) [2]. Embryo/Fetus Im Tierversuch keine teratogene Wirkung. Aus epidemiologischen und Beobachtungsstudien gehäuft Fehlbildungen beim Einsatz im ersten Trimenon: Moebiussequenz (kongenitale Fazialisparese) zum Teil mit Reduktionsfehlbildung von Endgliedmassen, Defekt des frontotemporalen Schädelknochens, Disruptionsfehlbildungsmuster ev. bedingt durch uterine Minderperfusion [22]. Gestillte Neugeborene Bei gestillten Neugeborenen sind in den ersten Stunden nach Einnahme Zittern, Diarrhö, Fieber oder andere PG Effekte möglich, aber eher unwahrscheinlich, da die Misoprostolkonzentration in der Muttermilch sehr gering ist [6]. Kontraindikationen Status nach uterinen Eingriffen, Unverträglichkeit von Prostaglandinen. Bei Frauen mit koronarer Herzkrankheit oder zerebraler Gefässkrankheit kann das Absinken des Blutdruckes zu Komplikationen führen [23]. Interaktionen Durch die gleichzeitige Einnahme von Antazida wird die Bioverfügbarkeit reduziert. In Verbindung mit (fettreicher) Nahrung wird die Absorptionsgeschwindigkeit vermindert. Bei gleichzeitiger Anwendung von Misoprostol und Indometacin kommt es zur Erhöhung der Indometacin Blutkonzentration. Es sind keine weiteren spezifischen Interaktionen bekannt [4]. Empfehlungen Fachgesellschaften American Congress of Obstetricians and Gynecologists (ACOG): 25 µg (ohne Angabe der Applikationsform) alle 3-6 Std.. Eine höhere Dosierung (50 µg) kann in ausgewählten Situationen geeignet sein, allerdings scheint mit steigender Dosierung die Rate an uterinen Tachysystolien, Hyperstimulationen und mekoniumhaltigem Fruchtwasser zuzunehmen. Oxytozin frühestens 4 Std. nach letzter Misoprostolgabe, kein ambulantes Priming, Kontraindikation: Status nach uterinem Eingriff [24,25]. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG): Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften 2011 SAPP. Es können keine Haftungsansprüche an den Herausgeber gestellt werden. 3
4 (AWMF) sieht Misoprostol als eine mögliche off label Alternative. Allerdings ist das Präparat in Deutschland nicht mehr im Handel (Cytotec ) [23]. Royal Australian and New Zealand College of Obstetricians and Gynaecologists (RANZCOG): Orale Applikation (50 µg) der vaginalen Gabe wegen weniger Nebenwirkungen bei gleicher Wirksamkeit vorzuziehen unter Einhaltung spezieller Empfehlungen [26]. Royal College of Obstetricians and Gynaecologists (RCOG): Kein Einsatz von Misoprostol zum Priming, Misoprostol sollte nur bei intrauterinem Fruchttod unter klinischen Studienbedingungen gegeben werden [27]. Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG): Misoprostol sollte nur nach sorgfältigem Abwägen der Vor- und Nachteile und nur unter klinischer Überwachung respektive Studienbedingungen vaginal oder oral (ohne Dosierungsangabe) zur Weheninduktion appliziert werden [28]. Es gelten spezifische Regeln bei der Verwendung von Off Label Medikamenten [29]. Fachorganisation WHO: For cervical ripening and labour induction, vaginal misoprostol appears to be more effective than conventional methods. The studies reviewed were not large enough to exclude the possibility of rare but serious adverse events, particularly uterine rupture, which has been reported anecdotally following misoprostol use in women with and without previous caesarean section [30]. Empfehlung der SAPP Im ersten und zweiten Trimenon zum Schwangerschaftsabbruch in Kombination mit Mifepristone. Im Off Label Use vaginal oder oral zur Zervixreifung bzw. oral oder rektal bei postpartaler Blutung nach sorgfältigem Abwägen der Vor- und Nachteile und nur unter klinischer Überwachung. Literatur Guidelines [7] WHO: [23] AWMF: Anwendung von Prostaglandinen in Geburtshilfe und Gynäkologie, [24] ACOG: Committee Opinion No 228, Obstetrics and Gynecology, Induction of Labour; [25] ACOG: Committee Opinion No 283, Obstetrics and Gynecology, New U.S. Food and Drug Administration. Labeling on Cytotec (Misoprostol) Use and Pregnancy. Obstet Gynecol 2003;101: [26] RANZCOG: The use of misoprostol in obstetrics and gynaecology, November [27] RCOG: Induction of labour, [28] SGGG: Expertenbrief No 7. Verwendung von Prostaglandinpräparaten zur Weheninduktion Warnung vor dem Einsatz ohne klinische Überwachung, [29] SGGG: Expertenbrief No 23. Off Label Use von Medikamenten in der Geburtshilfe und Gynäkologie, [30] WHO: Hany Abdel-Aleem. Misoprostol for induction of labour: RHL commentary (last revised: 16 September 2004). The WHO Reproductive Health Library, No 9, Update Software Ltd, Oxford, Cochrane Database Reviews [1] Rostom A, Dube C, Wells G, Tugwell P, Welch V, Jolicoeur E, McGowan J. Prevention of NSAIDinduced gastroduodenal ulcers. Cochrane Database Syst Rev 2002;(4):CD SAPP. Es können keine Haftungsansprüche an den Herausgeber gestellt werden. 4
5 [8] Alfirevic Z, Weeks A. Oral misoprostol for induction of labour. Cochrane Database Syst Rev 2006;(2):CD [10] Hofmeyr GJ, Gülmezoglu AM. Vaginal misoprostol for cervical ripening and induction of labour. Cochrane Database Syst Rev 2003;(1):CD [13] Mousa HA, Alfirevic Z. Treatment for primary postpartum haemorrhage. Cochrane Database Syst Rev 2007;(1):CD [21] Muzonzini G, Hofmeyr GJ. Buccal or sublingual misoprostol for cervical ripening and induction of labour. Cochrane Database Syst Rev 2004;(4):CD Metaanalysen [12] Villar J, Gülmezoglu AM, Hofmeyr GJ, Forna F. Systematic review of randomized controlled trials of misoprostol to prevent postpartum hemorrhage. Obstet Gynecol 2002;100: [18] Sanchez-Ramos L, Kaunitz AM, Delke I. Labor induction with 25 microg versus 50 microg intravaginal misoprostol: a systematic review. Obstet Gynecol 2002;99: [20] Kundodyiwa TW, Alfirevic Z, Weeks AD. Low-dose oral misoprostol for induction of labor: a systematic review. Obstet Gynecol 2009;113: Randomisierte Studien [9] Calder AA, Loughney AD, Weir CJ, Barber JW. Induction of labour in nulliparous and multiparous women: a UK, multicentre, open-label study of intravaginal misoprostol in comparison with dinoprostone. BJOG 2008;115: [11] Gülmezoglu AM, Villar J, Ngoc NT, Piaggio G, Carroli G, Adetoro L, Abdel-Aleem H, Cheng L, Hofmeyr G, Lumbiganon P, Unger C, Prendiville W, Pinol A, Elbourne D, El-Refaey H, Schulz K; WHO Collaborative Group. WHO multicentre randomised trial of misoprostol in the management of the third stage of labour. Lancet 2001;358(9283): [14] Jain JK, Dutton C, Harwood B, Meckstroth KR, Mishell DR Jr. A prospective randomized, doubleblinded, placebo-controlled trial comparing mifepristone and vaginal misoprostol to vaginal misoprostol alone for elective termination of early pregnancy. Hum Reprod 2002;17: [15] Dickinson JE, Evans SF. A comparison of oral misoprostol with vaginal misoprostol administration in second-trimester pregnancy termination for fetal abnormality. Obstet Gynecol 2003;101: [16] Chittacharoen A, Herabutya Y, Punyavachira P. A randomized trial of oral and vaginal misoprostol to manage delivery in cases of fetal death. Obstet Gynecol 2003;101:70-3. [17] Gómez Ponce de León R, Wing D, Fiala C: Misoprostol for intrauterine fetal death. Int J Gynaecol Obstet 2007;99 Suppl 2:S [19] Dällenbach P, Boulvain M, Viardot C, Irion O. Oral misoprostol or vaginal dinoprostone for labor induction: a randomized controlled trial. Am J Obstet Gynecol 2003;188: Retrospektive Fall-Kontroll-Studie [22] Pastuszak AL, Schüler L, Speck-Martins CE, Coelho KE, Cordello SM, Vargas F, Brunoni D, Schwarz IV, Larrandaburu M, Safattle H, Meloni VF, Koren G. Use of misoprostol during pregnancy and Möbius' syndrome in infants. N Engl J Med 1998;338: Pharmakokinetik [5] Tang OS, Schweer H, Seyberth HW, Lee SW, Ho PC. Pharmacokinetics of different routes of administration of misoprostol. Hum Reprod 2002;17: [6] Vogel D, Burkhardt T, Rentsch K, Schweer H, Watzer B, Zimmermann R, von Mandach U. Misoprostol vs methylergometrine: pharmacokinetics in human milk. Am J Obstet Gynecol 2004;191: In vitro-studie [3] Asboth G, Phaneuf S, Lopez Bernal AL. Prostaglandin E receptors in myometrial cells. Acta Physiol Hung ;85: Review [2] Goldberg AB, Greenberg MB, Darney PD. Misoprostol and pregnancy. N Engl J Med 2001;344: Fachinformation [4] kompendium.ch 2011 SAPP. Es können keine Haftungsansprüche an den Herausgeber gestellt werden. 5
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