AKTUELLES ZIVILPROZESSRECHT

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Tatbestand. Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Nachteilsausgleich gemäß 113 Abs. 3, Abs. 1 BetrVG.

Transkript:

NL 15-12-07 ZPO-AKTUELL SEITE 1 FARRENKOPF AS BAYERN AKTUELLES ZIVILPROZESSRECHT BGH, Urt. v. 27.02.2015 V ZR 128/14 = RÜ 2015, 571 = NJW 2015, 2425 In dieser Entscheidung hat der BGH Stellung genommen zur Frage, ob eine Ermächtigung des Rechtsinhabers zur Prozessführung, die er einem Prozessstandschafter erteilt hat, auch nach Klageerhebung noch wirksam widerrufen werden kann. A. Sachverhalt (sehr stark vereinfacht) K war Inhaber einer Kaufpreisforderung gegen B in Höhe von 10.000. Nachdem B sich weigerte, diese zu begleichen, verkaufte K diese an D und trat sie diesem ab. Außerdem ermächtigte D den K, die Forderung gegen B einzuklagen. K erhob sodann Klage im eigenen Namen und beantragte unter Offenlegung des Sachverhalts die Zahlung der 10.000 an D. Während der mündlichen Verhandlung vor dem LG war auch D anwesend und widerrief die Ermächtigung zur Prozessführung. Das Gericht wies die Parteien vor Stellung der Anträge darauf hin, dass die Klage infolge des Widerrufs unzulässig sein könnte. B erklärte sich daraufhin mit einer Abweisung der Klage als unzulässig einverstanden. Fraglich war also, ob die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen war. B. Vorüberlegungen zur Prozessführungsbefugnis Die Klage könnte deshalb unzulässig sein, weil dem Kläger K die Prozessführungsbefugnis fehlte. Die Prozessführungsbefugnis bezeichnet ähnlich wie die Klagebefugnis in der VwGO das Recht, über das durch Klage geltend gemachte Recht im eigenen Namen als Kläger (oder Beklagter) einen Rechtsstreit zu führen. 1 Diese Befugnis steht regelmäßig demjenigen zu, der als Kläger behauptet, Träger des geltend gemachten Rechts zu sein (oder dem als Beklagtem gegenüber das behauptete Recht geltend gemacht wird). I. Prozessstandschaft Will eine Partei, die nicht (behauptete) Rechtsträgerin ist, fremde Rechte im eigenen Namen geltend machen, ist ein Fall der Prozessstandschaft gegeben. Anmerkung: damit muss der Normalfall (Partei macht eigene Rechte geltend) in der ZPO- Klausur nicht ausgeführt werden, denn in der Zulässigkeit werden nur Besonderheiten/Probleme angesprochen. Die Prozessstandschaft als Sonderfall ist jedoch immer darzulegen. Eine Rechtfertigung dafür, dass die Partei fremde Rechte geltend macht, kann sich aus Gesetz (gewillkürte Prozessstandschaft, z.b. das Revokationsrecht des Ehegatten gem. 1368 BGB) oder aufgrund einer entsprechenden Ermächtigung des Rechtsträgers (gewillkürte Prozessstandschaft) ergeben. Vorliegend könnte ein Fall der gewillkürten Prozessstandschaft gegeben sein. 1. Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft Da allerdings grundsätzlich der Rechtsträger selbst die gerichtliche Rechtsverfolgung zu betreiben hat, 2 ist die gewillkürte Prozessstandschaft nur in engen Grenzen zuzulassen. Daher ist sie nur zulässig, wenn 1 2 Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, 12. Aufl., Rn. 120. Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, 12. Aufl., Rn. 122 m.w.n..

NL 15-12-07 ZPO-AKTUELL SEITE 2 - das Recht abtretbar bzw. überlassbar ist, - der Prozessstandschafter ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozessführung hat, - für den Prozessgegner keine ungerechtfertigten Nachteile entstehen und - der Rechtsträger den Prozessstandschafter zur Prozessführung ermächtigt hat. a. Abtretbarkeit bzw. Überlassbarkeit des Rechts Das im eigenen Namen geltend gemachte Recht muss grundsätzlich abtretbar sein oder zumindest überlassbar. So ist z.b. ein Anspruch aus 985 BGB nicht abtretbar, jedoch überlassbar. 3 Höchstpersönliche Rechte können nicht im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemacht werden. Die von K eingeklagte Kaufpreisforderung war abtretbar. b. Schutzwürdiges Interesse an der Prozessführung Schwerpunkt der Prüfung in der Klausur wird meist das schutzwürdige Interesse des Prozessstandschafters an der Prozessführung sein. Diese Voraussetzung soll sicherstellen, dass zumindest ein Mindestmaß an Selbstbetroffenheit gewährleistet wird. Nach hm ist ein schutzwürdiges Interesse dann gegeben, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits auch Einfluss auf die eigenen Rechte des Prozessstandschafters hat. 4 Ein wirtschaftliches Interesse des Prozessstandschafters wird zumindest dann als ausreichend angesehen, wenn dem Prozessgegner durch die Prozessstandschaft keine Nachteile entstehen (dazu sogleich). Da der K hier Zedent der Forderung war, die er einklagte, muss er für das Bestehen der Forderung einstehen und hat daher ein rechtliches Interesse an der Geltendmachung der Forderung. c. Keine ungerechtfertigten Nachteile für den Prozessgegner Bei den dem Prozessgegner drohenden Nachteilen sind vor allem zweierlei zu befürchten. aa. mittelloser Prozessstandschafter Zum einen darf kein mittelloser Prozessstandschafter vorgeschoben werden, um das Kostenrisiko des Rechtsträgers zu Lasten des Prozessgegners zu minimieren. 5 Denn wenn der Prozessgegner in diesem Fall obsiegt, hat er zwar einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Prozesses, kann diesen jedoch wegen der Zahlungsunfähigkeit des Prozessstandschafters nicht durchsetzen. bb. doppelte Inanspruchnahme des Prozessgegners Außerdem darf der Prozessgegner durch die Prozessstandschaft nicht letztlich zwei Klagen ausgesetzt werden. Der Rechtsinhaber könnte ihn erneut mit einem Prozess überziehen, wenn das vom Prozessstandschafter erstrittene Ergebnis nicht wunschgemäß ist. Der Prozessgegner würde also zwar einen Prozess führen, durch dieses jedoch keinen Rechtsfrieden erlangen. Dem begegnet die hm jedoch, indem eine Rechtskrafterstreckung des durch den Prozessstandschafter erstrittenen Urteils auf den Rechtsträger angenommen wird, sofern dieser den Prozessstandschafter zur Prozessführung ermächtigt hat. 6 Damit steht einer erneuten Klage des Rechtsträgers die Rechtskraft des Urteils des Prozessstandschafters entgegen. 3 4 5 6 Vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, 36. Aufl., 51, Rn. 36. Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, 12. Aufl., Rn. 122, Hüßtege in Thomas/Putzo, 36. Aufl., 51, Rn. 34 ff.. Musielak/Voit, Grundkurs ZPO, 12. Aufl., Rn. 122, Hüßtege in Thomas/Putzo, 36. Aufl., 51, Rn. 34 ff.. Hüßtege in Thomas/Putzo, 36. Aufl., 51, Rn. 24 und 38.

NL 15-12-07 ZPO-AKTUELL SEITE 3 Weder war K mittellos, noch drohte wegen der Rechtskrafterstreckung des von K erstrittenen Urteils auf D ein erneuter Prozess. d. Ermächtigung durch den Rechtsträger Des Weiteren ist erforderlich, dass der Inhaber des Rechts den Prozessstandschafter wirksam zur aktiven Prozessführung ermächtigt hat. aa. Erteilung der Ermächtigung Diese Ermächtigung ist gesetzlich nicht geregelt, wird jedoch von der hm als Prozesshandlung qualifiziert, da sie Wirkungen auf dem Gebiet des Prozessrechts erzeugt. Erteilung, Bestand und Mangel der Ermächtigung beurteilen sich jedoch nach materiellem Recht. 7 Da die Ermächtigung eine Willenserklärung ist, die den Prozessstandschafter zur Geltendmachung des fremden Rechts ermächtigt, werden die für Willenserklärungen geltenden Regeln und 185 BGB analog herangezogen. So ist anerkannt, dass die Ermächtigung stillschweigend erteilt werden kann, durch Auslegung ermittelt oder durch Umdeutung. Sie muss sich jedoch auf einen bestimmten (bzw. zumindest bestimmbaren) Anspruch beziehen. Eine rechtsmissbräuchliche oder verbotswidrige Ermächtigung ist nichtig gem. 138 bzw. 134 BGB. 8 bb. Zeitpunkt Die Ermächtigung muss nicht vor Klageerhebung erteilt werden, sondern kann auch im Prozess noch erteilt werden. Denn da die Prozessführungsbefugnis eine Sachurteilsvoraussetzung ist, muss sie am Ende der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen. 9 Deshalb ergab sich auch im vorliegenden Fall ein Problem: denn die Ermächtigung lag zwar bei Klageerhebung vor, wurde jedoch im Laufe des Prozesses widerrufen und war somit möglicherweise am Ende der Verhandlung nicht mehr gegeben. 2. Wegfall der Ermächtigung nach Rechtshängigkeit Ob die Ermächtigung nach Klageerhebung noch mit der Wirkung widerrufen werden kann, dass die Klage unzulässig wird, ist umstritten. a. Widerruf nur bis Klageerhebung möglich Hat ein Rechtsträger eine Partei zur Prozessführung ermächtigt, so kann er die Ermächtigung nach bisher wohl herrschender Ansicht nach Erhebung der Klage in Prozessstandschaft nicht mehr mit der Wirkung widerrufen, dass die zunächst zulässige Klage nachträglich wieder unzulässig wird. Dies wird teilweise mit dem Rechtsgedanken aus 265 II 1 (sog. perpetuatio partium ) begründet, teilweise mit dem Rechtsgedanken aus 183 BGB. 10 Daraus, dem Prozessstandschafter im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft die Möglichkeit einzuräumen, über ein fremdes Recht zu prozessieren, dürfe dem Klagegegner kein Nachteil entstehen. Dieser hat ab Klageerhebung ein Recht auf eine Sachentscheidung (Rechtsgedanke der 265 II, 269 I). Wenn der Rechtsinhaber dem Prozessstandschafter vor Ende der mündlichen Verhandlung jedoch die Ermächtigung entziehen könnte, bestünde die Möglichkeit, dass der Beklagte nach Abweisung der Klage als unzulässig erneut verklagt werde. 7 8 9 10 Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., Vor 50 Rn. 45, so auch BGH NJW 1989, 1933; Musielak/Voit, 12. Aufl., 51 Rn. 14. Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., Vor 50 Rn. 45. Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., Vor 50 Rn. 45. RGZ 164, 242; BGH, NJW 1995, 3186; Vollkommer in Zöller, ZPO, 31. Aufl. vor 50 Rn. 45; so noch Palandt/Ellenberger, 74. Aufl., 183 Rn. 1 m. w. N., Lindacher in MüKo ZPO, 4. Aufl., vor 50 Rn. 56.

NL 15-12-07 ZPO-AKTUELL SEITE 4 Danach kann der Rechtsinhaber einem zulässig begonnenen Prozess eines Prozessstandschafters nicht mehr die Grundlage entziehen. b. Widerruf jederzeit möglich C. Entscheidung des BGH Nach gegenteiliger Ansicht ist ein Widerruf jederzeit - also auch noch nach Klageerhebung - möglich. 11 Grundsätzlich ist die Ermächtigung zu einem Rechtsgeschäft bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts frei widerruflich (z.b. 183 BGB). Das Rechtsgeschäft Prozessführung sei jedoch erst dann vorgenommen, wenn alle dazu nötigen Prozesshandlungen vorgenommen worden seien, mithin noch bis zum Ende der mündlichen Verhandlung. Während des Prozesses sei damit die Ermächtigung widerruflich. Der BGH hat nun in der hier zu besprechenden Entscheidung einen me sehr zu begrüßenden differenzierenden Ansatz gewählt: Zunächst stellt der BGH klar, dass der zuletzt genannten Ansicht insoweit zuzustimmen ist, dass die Ermächtigung nach den Grundsätzen des materiellen Rechts ( 183 BGB analog) bis zur Vornahme des vollständigen Rechtsgeschäfts, also in diesem Fall bis zur Vornahme der letzten zur Prozessführung nötigen Prozesshandlung, der abschließenden Stellung der Anträge, widerruflich ist. Allerdings habe der Widerruf der Ermächtigung nur dann eine Prozessuale Wirkung (mit der Folge der Abweisung der Klage als unzulässig mangels Prozessführungsbefugnis), wenn der Beklagte einer Abweisung der Klage als unzulässig zustimme. BGH, Urt. v. 27.02.2015 V ZR 128/14, Rz. 25 ff: Ein hiernach im Verhältnis zwischen dem Rechtsinhaber und dem Ermächtigten materiell-rechtlich wirksamer Widerruf der Prozessführungsermächtigung führt allerdings nicht in jedem Fall zur Unzulässigkeit der Klage. Erfolgt der Widerruf nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten, bleibt er verfahrensrechtlich allerdings ohne Auswirkungen auf die Prozessführungsbefugnis des Klägers, sofern nicht der Beklagte einer Abweisung der Klage als unzulässig zustimmt. Das folgt aus den Grundsätzen über den Widerruf von Prozesshandlungen. Prozesshandlungen sind wegen ihrer prozessgestaltenden Wirkung grundsätzlich unwiderruflich, wenn sie als so genannte Bewirkungshandlungen die Prozesslage unmittelbar beeinflussen, wie dies etwa bei der Rücknahme der Klage oder der Rücknahme eines Rechtsmittels der Fall ist [ ]. Der Ermächtigung eines Dritten zur Prozessführung kommt eine derartige prozessgestaltende Funktion allerdings nicht zu, vielmehr dient sie - wie beispielsweise auch die Erteilung einer Prozessvollmacht - der Vorbereitung des unmittelbar prozessbezogenen Geschehens [ ]. Prozesshandlungen, deren bezweckter Erfolg erst auf Grund eines Tätigwerdens des Gerichts eintritt (so genannte Erwirkungshandlung, [ ]), und zu denen auch die Prozessführungsermächtigung gezählt werden kann, sind dagegen widerruflich, solange durch sie keine geschützte Position der Gegenseite entstanden ist [ ]. Eine geschützte Rechtsposition erlangt die beklagte Partei, wenn sie bereits zur Hauptsache mündlich verhandelt hat. Von diesem Zeitpunkt an kann die Klage nur noch mit ihrer Zustimmung zurückgenommen werden ( 269 Abs. 1 ZPO). Der Kläger hat es also nicht mehr allein in der Hand, eine Entscheidung des Gerichts durch eine Klagerücknahme zu vermeiden. Diese Rechtsposition des Beklagten muss auch zum Tragen kommen, wenn dem Kläger die Prozessführungsbefugnis mittels Widerrufs seiner Prozessführungsermächtigung durch den Rechtsinhaber entzogen wird. Denn der Widerruf wirkte für die beklagte Partei wie eine Klagerücknahme, wenn er ohne weiteres zur Unzulässigkeit der Klage führte. Durch einen willentlichen, der Sphäre des Klägers zuzurechnenden Akt wäre einer Entscheidung des Gerichts in der Sache der Boden entzogen, eine erneute Klage aber jederzeit möglich. Dies muss 11 BGH, NJW 2000, 738; Bork in Stein/Jonas, 22. Aufl., vor 50 Rn. 62; Musielak/Voit, 12. Aufl., 51 Rn. 26.

NL 15-12-07 ZPO-AKTUELL SEITE 5 ein Beklagter, der bereits zur Hauptsache mündlich verhandelt hat, nach dem Rechtsgedanken des 269 Abs. 1 ZPO nicht hinnehmen. Stimmt er einer Abweisung der Klage als unzulässig nicht zu, ist die Ermächtigung des Klägers, auch wenn sie materiell-rechtlich wirksam widerrufen wurde, mit Rücksicht auf den Vorrang des Prozessrechts in diesem Bereich (vgl. 51 ZPO) als fortbestehend anzusehen und der Rechtsstreit [ ] mit dem Prozessstandschafter fortzusetzen. [ ] Ist der Widerruf vor der Einlassung des Beklagten zur Hauptsache erfolgt, sind schutzwürdige Belange der Gegenseite des Prozessstandschafters nicht berührt. Es besteht daher kein Grund, dem materiell-rechtlich wirksamen Widerruf der Ermächtigung eine prozessrechtliche Wirkung zu versagen. Dieser entzieht vielmehr dem Kläger die Prozessführungsbefugnis mit der Folge, dass die Klage als unzulässig abzuweisen ist. Damit bleiben die in den Voraussetzungen der gewillkürten Prozesstandschaft zum Ausdruck gebrachten engen Grenzen Ihrer Zulässigkeit gewahrt: Der Prozessgegner darf auch durch den Widerruf der Ermächtigung zur Prozessführung keinen ungerechtfertigten Nachteil erleiden! Ob diese differenzierende Betrachtung sich durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Auf jeden Fall aber muss sie in der Klausur angesprochen werden. D. Für unsere Referendare Achtung! Leider ist die Kommentierung im Thomas/Putzo (36. Aufl.) hier viel zu knapp. In 51 Rn. 33 wird lediglich festgestellt, dass die Ermächtigung widerruflich ist. Allerdings ist die Entscheidung nun schon im aktuellen Palandt (75. Aufl.) eingearbeitet bei 183 Rn. 1. Viele Grüße, Ihre Nicole Farrenkopf