Pharmakotherapie 2018 bei Demenz vom Alzheimertyp Was ist gesichert, was obsolet? 29.Grazer Fortbildungstage 13.Oktober 2018 J.W.Kraft
Was wünschen Patienten? (n=18980, Zentrum für Geriatrie Coburg 1996-2017) Mobilität Wieder stabil nach Hause Niemandem zur Last fallen Keine/Weniger Schmerzen Kognition Kontinenz
Demenz Risikofaktor Alter Anteil in % 35 30 25 20 15 in % 10 5 0 60-64 65-69 70-74 75-79 80-84 85-89 90-94 Alter Mod. nach vitanet 2018
Es gibt über 50 Erkrankungen, die zu einer Demenz führen können 5% 2% M.Alzheimer 8% Mischformen/Sonstige 10% Sekundäre Demenzen 65% Vaskuläre Demenz 10% Lewy-Body-Demenz Frontotemporale Demenz Daten: Regiomed Kliniken, 2007-2017
Aktuelle Prävalenz Demenz in Österreich, Schweiz und Deutschland Infografik Demenz 2016 Hendrik Dohmeyer Mrz 11, 2016 allg. Demenz-Infos
Symptome bei Alzheimer-Demenz o Gedächtnis o Sprache o Orientierung o Aufmerksamkeit o Denken, Logik Kognition Alltagskompetenz o Toilette, Waschen o Ankleiden o Haushalt o Einkaufen o Telefonieren o Umgang mit Geld o Reisen Verhalten o Veränderung der Persönlichkeit o Apathie, Halluzinationen, Wahn, Angst, Unruhe, gestörter Tag-Nacht/Rhythmus
Dauer zwischen Beginn merklicher Symptome und Diagnose und Therapie der Demenz in Deutschland 4 ½ Jahre! Zeit ist Hirn!
Demenz-Diagnose Anamnese inkl. Fremdanamnese und Körperliche Untersuchung Labor, EKG, fakultativ: EEG, Liquor Neuropsychologische Tests Beurteilung der Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) Ausschluss anderer Demenz- Ursachen durch bildgebende Verfahren (CT, MRT) Sicherheit der Diagnose bis 95 % NMR CCT
FAKTEN zur Demenz Verzögerung/Linderung der Symptome: bei über 90% Besserung: in ca. 50% Heilung: derzeit in ca. 10 % Vorbeugung : möglich
Therapieziele für Patienten und Angehörige bei DAT Lebensqualität trotz Erkrankung erhalten Möglichst langer Erhalt der noch vorhandenen Funktionen, Verschiebung der Symptome Verzögerung Pflegebedürftigkeit Entlastung der Angehörigen, Erleichterung der Pflege Vorsorgeberatung Soweit möglich Verbleib in der vertrauten Umgebung
Coburger Modell der Geriatrie seit 1996 Regiomed Kliniken
Erfolg durch Synergie und Vernetzung stationärer mit ambulanten Versorgungsstrukturen -Institutsambulanz - Therapieambulanz -Gedächtnisambulanz -Prävention - Gesundheitsförderung BGM Stationäre Geriatrie 109 u.111 im organisatorischen Verbund an Schwerpunktklinikum Palliativstation und SAPV im Verbund mit Geriatrie Alterstraumatologie Ambulante und Mobile Rehabilitation
Zentrum für Geriatrie Klinikum Coburg (8/1996-8/2018) Gesamtzahl behandelter Pat. am ger. Zentrum: >40 000 Davon Anteil der Patienten mit dementiellen Syndromen und/oder kognitiven Einschränkungen: 48% Anzahl Therapieinterventionen : >150 000/Jahr AGR und Therapieambulanz: Patientenkontakte: >15 000/Jahr Davon MoRe-Patienten (inkl. PKV): > 300 mit im Mittel 20 Behandlungstagen, entspr. >6000 mobile Intervent. Geriatrische Institutsambulanz mit Gedächtnisambulanz, Anzahl Untersuchungen/Behandlungen > 1500/Jahr
Typischer Behandlungsablauf in der Geriatrie Erfassung somatischer, funktioneller und psychosozialer Potentiale und Einschränkungen durch Assessment Individuelle Zieldefinition und Modifikation gemeinsam mit dem Patienten Reevaluation Im Team Assessment-gestützte Therapie im multiprofessionellen Team Ergebnisbewertung - ggf. Konsolidierung
Gedächtnisambulanz Klinikum Coburg Therapiesäulen der Demenz Funktionell Kognitives Training Verhaltenstherapie (I)ADL-Training Ergotherapie, SET Musiktherapie Kunsttherapie PT-Sturzprävention Validation Somatisch -Antidementiva - Med. Behandlung nicht-kognitiver Symptome - Internistische Basistherapie -Ernährung Psychosozial Angehörigenberatung Vorsorgemassnahmen Milieutherapie Wohn- und Umfeld- Optimierung/ALD Erinnerungstherapie Biographie als Anker
Allgemeine Therapieprinzipien demenzieller Syndrome - Kausale Therapie, soweit und so früh wie möglich - Alltagsrelevante Fähigkeiten möglichst lange erhalten - - Progression verlangsamen - Lebensqualität und Teilhabemöglichkeiten trotz Fortschreiten der Erkrankung fördern - Versorgungssituation von Erkrankten und Angehörigen verbessern
Das multimodale Management der Therapie von Demenzen beinhaltet stets folgende Elemente: - Psychosoziale Interventionen für Betroffene und Angehörige - Nichtmedikamentöse Therapiestrategien - Pharmakologische Behandlung: = Spezifische antidementielle Therapie = Behandlung der nichtkognitive Symptome (BPSD) = Optimierung der sonstigen med. Therapie
Vor Beginn einer wirksamen medikamentösen Therapie... ist es wichtig, die vorhandene Polymedikation kritisch zu prüfen und potentiell schädliche Substanzen abzusetzen. Verschiedene Listen (Beers, Priscus, Forta u.a.) erleichtern die Identifikation potentiell inadäquater Medikation im Alter. Häufig sind dies Präparate mit anticholinergem oder antidopaminergem Nebenwirkungspotential. Variable Symptom- und Problemkonstellationen erfordern, dass die Therapie stets individualisiert gestaltet und auf die progrediente Veränderung des Schweregrads der Erkrankung abgestimmt werden muss.
Medikamentöse antidementive Therapie der DAT im Verlauf I Zeitraum/Stadium Vorstufe der Demenz: LKB: Leichte kognitive Beeinträchtigung (= MCI: Mild Cognitive Impairment) Normale kogn. Screeningtests, kompensierte alltagsrelevante Einschränkungen Medikamentöse Therapie - Gingko-Extrakt 240 mg (EgB 761) - Ernährungsfaktoren optimieren, Souvenaid - Hinweise auf Nutzen sekundärer Pflanzenstoffe (z.b Resveratrol)
Medikamentöse antidementive Therapie der DAT im Verlauf II Frühes Stadium (MMS >20) Cholinesterasehemmer schrittweise nach Verträglichkeit langsam aufdosieren: - Donepezil: oral 5mg, nach frühestens 4 Wochen: 10 mg, cave Interaktionen Rivastigmin: 3-12 mg oral, oder transdermal 4,6-13,3mg Galantamin: ret., 8-24 mg Cholinerge Nebenwirkungen beachten
Medikamentöse antidementive Therapie der DAT im Verlauf III Moderates Stadium (MMS<=20 >10) Memantine schrittweise aufdosieren bis 20mg, Beginn mit 5 mg tgl. früh, dann wöchentlich Steigerung bis Zieldosis, NI beachten Gfs. auch Kombinationstherapie mit CHE oder Gingko Fortgeschritten (MMS <= 10) Fortsetzen der antidementiven Therapie Bedeutung der med. Therapie der BPSD steigt Finales Stadium Best supportive care (wie in jedem Stadium)
Medikamentöse Therapie von psychischen und Verhaltenssymptomen (BPSD)
Medikamentöse Therapie der DAT Behandlung von BPSD (Psychische und Verhaltensprobleme) GESICHERT Antidepressiva: Sedierend: Mirtazapin, Trazodon, Agomelatin Neutral: Aktivierend: Neuroleptika: (Es)citalopram, Sertralin Moclobemid, Duloxetin, Venlafaxin, Bupropion (off label:methylphenidat, Modafinil) Risperidon, Quetiapin, Aripiprazol Sedativa, Hypnotika, Anxiolytika: Vorsicht mit Benzodiazepinen, eher Zopiclon, Zolpidem, Pregabalin möglich, Carbamazepin, off label Cannabinol OBSOLET Antidepressiva: Alle Trizyklika (wie Trimipramin, Imipramin, Amitryptilin, Doxepin) Neuroleptika wie: Haloperidol, Promazin, Phenothiazine wie Fluphenazin, Fluspirilin Vorsicht mit allen anticholinergen und antidopaminergen Substanzen!
Medikamentöse Therapie der DAT Zusammenfassung: Was ist gesichert, was obsolet? Antidementiva Gesichert Obsolet MCI/LEICHTES STADIUM: Ernährungsintervention, Fortasyn ConnectTM (Souvenaid) LEICHTES BIS MITTLERES STADIUM: Cholinesterasehemmer: Donepezil (5-10mg), Rivastigmin 3-13,3 mg tgl., Galantamin 8-24 mg tgl. Gingko biloba EbG 761, 240 mg tgl. MITTLERES BIS SCHWERES STADIUM: Nichtkompetitiver NMDA Antagonist Memantin (5-20 mg tgl. früh) Piracetam Calciumantagonisten wie Nicergolin, Nimodipin etc. Hydergin, Selegelin Lecithin, Cerebrolysin (Peptide) Vitamin E Nichtsteroidale Antiphlogistika Hormonelle Ersatztherapie
Fazit für die Praxis Die Pharmakotherapie ist wichtiger Bestandteil im multifaktoriellen Management bei Demenz Eine vorhandene Polymedikation soll kritisch hinterfragt werden, potentiell schädliche (z.b. anticholinerge) Substanzen sollen abgesetzt oder durch bei Demenz besser geeignete Pharmaka ersetzt werden Die zur Verfu gung stehenden symptomatisch wirkenden Antidementiva (Cholinesterasehemmer, Memantine und Ginkgo- Spezial Extrakt) sollten stadiengerecht, richtig dosiert, und begründet auch in Kombination eingesetzt werden Eine differenzierte medikamentöse Therapie kann bei Demenz in allen Stadien hilfreich sein, kognitive Einschränkungen sowie nichtkognitive Störungen und Verhaltensveränderungen positiv zu beeinflussen, und damit Lebensqualität und Pflegeaufwand zu stabilisieren.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit